Bike & Hike & Climb: Hochkranzüberschreitung, 1953m, 04.10.2020
Wie in der Einleitung geschildert, konnte die länger geplante Bergfahrt zur Marmolada wetterbedingt nicht stattfinden. Um das Wochenende um den Tag der deutschen Einheit nicht tatenlos zu verbringen, packten wir ein paar Bergsachen, die Fahrräder und die Ski -ja, richtig gehört- ins Auto und tuckerten nach Saalfelden. Dort hatte es ordentlich geschneit. Das Skigebiet rund ums Kitzsteinhorn sollte laut deren Angaben am 3. Oktober in die Wintersaison starten. Daher stammte die Idee, als Skitourensaisonauftakt was einfaches zu machen und auf den Gipfel des Kitzsteinhorns zu gehen. Das wäre echt ein Ding gewesen. Anfang Oktober auf die erste Skitour. Es sollte der Sonntag werden, denn für Samstag war in der Höhe Wind in Orkanstärke vorhergesagt. Sonntags sah es erstmal gar nicht so schlecht aus. Das kippte jedoch und wir beobachteten bereits samstags auf der Radtour auf den Biberg, dass es weiter südlich überhaupt nicht aufklart. Bei gutem Essen und leckeren Getränken verwarfen wir den Plan am Samstagabend und entschieden uns für ein neues Ziel.
Den Hochkranz kannte ich vom Namen her von unserer Skitour am 1. Januar auf den Kühkranz. Der neue Plan sah vor, bis Pürzlbach mit dem Auto zu fahren, dann aufs Radl umzusteigen und bis in die Gegend der Kallbrunnalm zu treten, von dort auf Schusters Rappen zuerst den Kühkranz zu erklimmen und weiter zum Ostgrat des Hochkranz zu gehen. Der Ostgrat ist entgegen des Normalweges rund 100 Höhenmeter richtige Kletterei bis in den II. Grat. Teilweise etwas ausgesetzt und schmal. Bike, Hike and Climb eben.
Nach kurzer Anfahrt parkieren wir auf dem letzten Parkplatz und richten uns für die Tour her. Das Wetter ist in niedrigeren Regionen richtig gut. Die Sonne scheint, der Wind ist zwar böig und kalt, doch anders als am Kitzsteinhorn haben wir keine -17° Grad. Armlinge und Weste genügen, um der Auskühlung entgegen zu wirken. Mein Radl hat hinten über Nacht ein wenig Luft eingebüßt. Bisschen mühselig mit der kleinen Handpumpe drücke ich noch was rein. Dann geht es los. Die Beine sind schwer vom Vortag und die Radstrecke unerwartet steil. Das Thema Schaltung kommt mir wieder in den Kopf. War es vielleicht doch nicht klug, ein Fahhradl mit 12-Gang-Schaltung einzukaufen? An irgendeinem Anstieg auf halbem Weg musste ich Absteigen. Astrid stellte sich ähnliche Fragen, als sie kurz hinter mir auch absteigen musste. In Anbetracht der Tatsache, dass wir nach der Radetappe ja noch wandern und klettern wollen, wäre es Unsinn, seine Körner schon alle rauszuhauen. Wir schieben. Nach der nächsten Kuppe steigen wir wieder auf. Alex und Manuel schaffen das, ohne abzusteigen. Aber gut. Es ist, wie es ist. Auf der Tour gibt es keine Alternative. Ich kann versuchen, hoch zu fahren oder ich lasse es. Die nächste Steigung ist schon wieder so steil. Ein Ende nicht zu sehen. Dieses Mal packt mich der Ehrgeiz. Ich quäle mich, trete so langsam, dass ich fast umfalle, steige aber nicht ab. Es geht. Der Knaller an Steigung sind die letzten beiden Biegungen bis dorthin, wo die Räder stehen bleiben. Loser Kies kommt als Traktionshemmer noch hinzu. Nein, ich schiebe nicht mehr. Ich schaffe das. Zack, oben. Ich bin wieder mit mir versöhnt. Schaltung hin oder her. Es ist, wie beim Klettern. Fehlende Kraft kann nur durch mehr Kraft ersetzt werden. Auf dem letzten Stück müssen sich alle ein bisschen quälen. Dann steigen wir auf die Bergstiefel um. Viele Höhenmeter sind es nicht mehr. Mit dem Radl sind wir schon etwa 500 hochgestrampelt. Es fehlen "nur" noch rund 400 bis zum Gipfel. Das ist nix. So ist der Kühkranz gleich erreicht. Von Dort ist der Einstieg in den Ostgrat nicht mehr fern. Einige Kletterer befinden sich im Grat. Wir steigen ebenfalls ein. Eine Sicherung sehen wir nicht vor. Die Schwierigkeiten sind überschaubar. Ich bin wirklich überrascht, welch feine Kletterei das ist. Immer wieder kommen Bohrhaken vorbei. Es böte sich die Gelegenheit, auf diesem Stück Grat alle möglichen Sicherungstechniken für die hohen Berge zu üben. Gut zu wissen.
Wir haben Spaß. Die eine oder andere Passage ist etwas ausgesetzt, doch der Fels ist weitgehend gut. Es gibt nur wenige lose Stellen. Und schlimm abgespeckt ist er auch nicht. Unnötig zu erwähnen, dass trotzdem Vorsicht und Konzentration die Fortbewegung bestimmen sollten. Auch wenn es leicht erscheint, Hinunterfallen findet hier nur genau einmal statt. Der Abzweig zum Normalweg kommt vorbei. Diesen wollen wir für den Abstieg wählen. Am kleinen Gipfelkreuz ist Pause. Trockenlegen, essen, trinken. In der Ferne in Richtung Kitzsteinhorn sehen wir, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Diese Ecke befindet sich praktisch den ganzen Tag im Wolkenmeer. Ich glaube nicht, dass der Betrieb des Skigebiets starten konnte. Wenn ich so ans Kaunertal denke, wo die Gondel bei halb soviel Wind schon nicht mehr fahren kann. Egal.
Es geht zurück. Am Abzweig zum Ostgrat wählen wir den Normalweg. Der verfügt über ein kurzes versichertes Stück. Ansonsten ist er unschwierig. Rund zwei Stunden nach Verlassen der Räder treffen wir wieder dort ein. Ich freue mich schon seit dem Weggehen dort auf die Abfahrt. Die mühselige, etwa einstündige Auffahrt wird belohnt. Stöcke an den Rucksack, Radlhose und Windjacke an, Helm auf und ab dafür. Mit ein oder zweimal Stehenbleiben für Schnacken und Bilder brauchen wir kaum mehr als 10 Minuten, bis wir den Startparkplatz erreichen. Schon geil. Ein bisschen, wie Skitour.
Den Abschluss des Tages bildet ein Stück Bienenstich mit Kaffee. Kaffee/Kuchen eben. Wird langsam zur Tradition. Tolle Tour. Sehr abwechslungsreich in dieser Kombi. Und quasi vor der Haustüre von Alex und Manuel.
Astrid und ich brechen von dort aus nach Hause auf. Schade, dass das Wochenende schon wieder so schnell vergangen ist. Viel erlebt, schöne Sachen gemacht. Einziger Wermutstropfen: Unser Lebensrettungsstammgasthaus in Oberostendorf hat Ferien. Es gibt kein Cordon bleu. Und weil außer Bier und einer Packung Reibekäse nix im Kühlschrank liegt, müssen Spaghetti mit Öl, Knoblauch, Chili und Käse und eben Bier genügen.