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Wie alles gekommen ist

Meine Berggeschichte

Irgendwie bin ich schon als Kind in den Bergen gelandet. Damals nahmen mich meine Eltern mit, wenn Papa seiner Passion des Wildwasserpaddelns nachkam. Meist war Warten und Spielen an irgendwelchen Ein- oder Ausstiegsstellen angesagt. Später stiegen mein Zwillingsbruder und ich selbst ins Kajak und taten es unserem Papa gleich. Eine ganze Weile sind wir sogar gemeinsam auf wilden Bächen unterwegs gewesen. Weil ich ein wenig ängstlicher war als mein Bruder und das fehlende Selbstvertrauen noch hinzu kam, entwickelte ich mich in dieser Disziplin jedoch nicht so wahnsinnig weit. Mein Boot schleppte ich öfter mal um die ganz schweren Stellen herum oder stieg manchmal erst gar nicht ein. Dennoch begleitete mich diese Sportart mal mehr, mal weniger intensiv viele Jahre. Obgleich sich deren Ausübung meistens auf wenige Wochenenden im Jahr beschränkte. In diesem Punkt divergierten die Interessen in meiner damaligen Beziehung und Ehe ebenfalls stark, was praktisch jedes Mal zu Konflikten führte. Letztendlich hörte ich mit dem Paddeln auf anspruchsvollen Flussabschnitten Mitte der 2000er Jahre auf. Auch bedingt durch Hausbau, Kinder und Wechsel des Projektstandortes.

Spannenderweise fand sich an meinem neuen Projektstandort bald ein Grüppchen zusammen, in dem mehrere Interessen vertreten waren. Es wurde ein wenig einfach gepaddelt, es wurde viel gelaufen, inklusive 3 Marathons, und ich entdeckte die Hallenkletterei. Anfangs noch etwas watschelig unterwegs an den Wänden, verbesserte ich relativ schnell meine Technik und hatte große Freude daran. 1-2 Mal pro Woche mit wechselnden Seilpartnern und -partnerinnen, je nach dem, wer Zeit hatte, ging es in die Halle. Das lief so 2-3 Jahre vor sich hin, bis einige personelle Veränderungen dafür sorgten, dass plötzlich niemand mehr da war, der mit mir zum Klettern ging.

Just in diesem Moment läuft mir meine andere Hälfte über den Weg. Und wie es der Zufall will, ist sie generell sportbegeistert, liebt die Berge, ist lange Jahre geklettert und hat ebenfalls niemanden, der das teilt. Ab da gingen wir zusammen zum Klettern. Daraus entwickelte sich mehr, wie an anderer Stelle bereits beschrieben. Wir machten die ersten Bergtouren auf Wanderniveau zusammen. Dann die ersten Klettersteige. Dann die ersten Felsklettereien. Dann kam das Skifahren auf der Piste hinzu. Im Gegensatz zu ihr lernte ich das erst Anfang meiner 30er Jahre. Und so sieht es leider auch aus. Doch wir hatten Spaß. Sie erzählte im ersten Winter von einem Gletscher-/Eiskurs, den sie Jahre zuvor gemacht hatte. Es hätte großen Spaß gemacht, war spannend und schaffte die Grundlagen für anspruchsvolleres Gelände, doch mangels verfügbarer Mitgeher, wendete sie das Gelernte nie an. Angesteckt von der Idee, gemeinsam anspruchsvollere Touren gehen zu können, buchten wir kurzer Hand  einen Grundkurs Eis für den Sommer des folgenden Jahres. Dieser Kurs ist bis heute die Basis für nahezu alle Touren, die wir unternehmen. Unser äußerst sympathischer Bergführer beschränkte sich in seinem Kurs nicht nur auf die Technik. Er vermittelte außerdem permanent so etwas, was man als die Softskills eines Bergsteigers bezeichnen könnte. Bis heute vergeht kaum eine Tour, bei der wir seine Ratschläge nicht im Ohr hätten.

Direkt nach diesem Kurs beginnt meine Bergsteigerinnenkarriere. Noch im gleichen Jahr bewältigten wir unsere ersten beiden 4000er und in den Folgejahren schafften wir neben zahlreichen anderen Touren immer mindestens einen weiteren dieser Art. Parallel dazu beginnen wir mit alpinen Mehrseillängen am Fels auf mehr oder weniger gut abgesicherten Routen. Gleich auf einer der ersten Klettereien in dieser Spielart versteige ich mich in einer 250m hohen Wand und wir haben Mühe, die Kuh vom Eis zu bekommen. Unser Glück war, dass wir zu dieser Zeit noch recht intensiv in der Halle kletterten und dadurch in der Lage gewesen sind, eine 6a+ quasi in der Wildnis halbwegs zu beherrschen. 200m Luft unterm Popo und die nächste Sicherung nicht auf Bauchnabelhöhe ist anders als Halle.

In einem Winter sind wir richtig viel Skifahren gewesen. Immer schön auf Piste. Der viele Betrieb, die Warterei an Lift und Gondel und natürlich die stets größer werdenden  Kosten lassen die Frage aufkommen, ob denn nicht auch Skitouren etwas für uns wären. Außerdem, wenn man so auf Schneeschuhtour ist und man vor Augen geführt bekommt, dass es mit den magischen Brettern viel schneller zurück ins Tal geht, ein naheliegender Gedanke. Da gab es nur ein Problem: Eigentlich konnte ich gar nicht richtig Skifahren. Auf der Piste ging es gerade so, doch an eine freie, sichere Fahrt durchs Gelände war absolut nicht zu denken. Um den Fuß in die Tür zu bekommen und zu wissen, worüber wir reden, buchten wir kurzer Hand einen Skitouren-Schnupperkurs im Allgäu. Diese beiden Tage werde ich nicht vergessen. Samstagsvormittags verschaffte sich unser zugeteilter Bergführer einen Überblick über die Fähigkeiten seiner Schützlinge. Wir sind 5 in der Gruppe gewesen. In meinem Fall sehr ernüchternd. Rote Laterne. Nachmittags machten wir eine kleine Skitour mit ein wenig Unterricht zum Thema Lawinen und wie das überhaupt mit den Fellen funktioniert. Rauf war alles schick. Runter ging es mehr oder weniger auf so ziemlich allen meinen verfügbaren Körperteilen mit entsprechender Materialsuche im tiefen Schnee. Damit war das Kapitel in diesem Frühjahr abgeschlossen.

Der nächste Winter. Skitouren wären schon toll. Der Mangel ist bekannt. Wie man ihn abstellt auch. Wir buchten einen Tiefschneekurs. 4 Tage mit Bergführer in einer insgesamt 9 köpfigen Gruppe in einem Skigebiet, das Möglichkeiten für die Fahrt abseits der Piste bot. Die ersten 3 Tage machte ich die gleichen Erfahrungen, wie im Schnupperkurs. Am vierten Tag machte es auf einmal Klick. Es sah zwar immer noch nicht elegant aus, doch ich lag kaum noch im Schnee. Das Wichtigste, was wir gelernt hatten: Wir können uns im Gelände helfen. Mit den im Ansatz erlernten Techniken müssten die Schwierigkeiten auf den Touren, die wir gehen können, alle lösbar sein. Ähnlich, wie nach dem Grundkurs Eis stellten wir uns die Frage, ob wir mit dem, was wir gelernt haben, weiterhin eigenverantwortlich Skitouren gehen wollen?

Wenige Tage später standen wir im spezialisierten Fachgeschäft. Zwei komplette Sätze an Ausrüstung vom Brettl bis zum LVS wanderten in die Tüte. Wir wurden offensichtlich gut beraten. Vom Geschäft raus steuerten wir sofort das nächste Skigebiet an und probierten unter gesicherten Verhältnissen das neue Spielzeug aus. Es folgten die ersten Touren in den Ammergauer Alpen, im Obernberger Tal und im Tannheimer Tal. Nervenkitzel auf den Abfahrten. Es ist niemand mehr da, der einem sagt, wie es wohin geht. Ein tolles Gefühl. Aber auch sehr viel Verantwortung.

Ein Jahr später standen wir mit Ski und Steigeisen auf dem Gipfel der Zufallspitze. Fast 3800m hoch. Man nennt es Skibergsteigen. Die Königsdisziplin.  Ein weiteres Jahr später der erste 4000er auf Skiern.

Alle Grundlagen sind gelegt. Ein Bergjahr hat nun 12 Monate.

Von einer Besonderheit gibt es noch etwas zu berichten: Meine Frau hat ein kleines Plüsch-Mammut des gleichnamigen schweizer Herstellers mit in die Beziehung gebracht. Wir gaben ihm den Namen Manni. Manni Huber. Manni ist von Beginn an bei jeder Tour dabei. Fragt nicht warum. Es ist eben so. Wir legen großen Wert darauf, dass er dabei ist und auch -sofern vorhanden- ein Gipfelfoto mit ihm gemacht wird. Seit einigen Jahren trägt er einen eigenen Klettergurt, damit er gefahrlos außen am Rucksack bei Wind und Wetter hängen und die Aussicht genießen kann. Wenn wir uns dumm anstellen, dürfen wir uns anschließend auf einen entsprechenden Beitrag auf seiner eigenen Facebook-Seite freuen. Immer wieder ein Genuß. Manchmal hilft er dabei, das Eis zwischen den Menschen zu brechen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Also wundert euch nicht, wenn ihr zwei Bekloppte mit einem Mammut am Rucksack durch die Berge laufen seht. Manni ist Teil der Seilschaft.

Es hat in den zurückliegenden Jahren natürlich auch ein paar Rückschläge gegeben. Die möchte ich nicht verschweigen. Es kann immer, auf jeder Tour, und wenn sie noch so einfach erscheint, Gründe geben, warum Umdrehen die vernünftigere Entscheidung ist. Anzeichen, dass Dinge nicht optimal sind, zu ignorieren, ist fahrlässig. Manchmal fließen Tränen. Weinen ist nicht schlimm. Wenn dafür die Knochen heil bleiben. Die Berge sind morgen auch noch da. Wäre schade, wenn es keine zweite Chance gäbe.

Genug geplaudert. Es folgen die Taten:

 

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