Wie sage ich es meinen Kindern
Vorbereitung und Umsetzung
Der Entschluss, ganz in die andere Geschlechterrolle zu wechseln, bedingte natürlich auch, dass ich meine Kinder auf meinem Weg irgendwie mitnehmen muss. Wie in meinem Trans-Weg geschildert, mutete ich ihnen schon mit der Trennung viel zu. Diese neue Veränderung muss unbedingt sehr viel schonender platziert werden.
Sehr empfehlen kann ich an dieser Stelle ein kleines Taschenbuch von Udo Rauchfleisch: Anne wird Tom, Klaus wird Lara. Der Autor geht in einem Kapitel genau auf diese Problematik ein. Des Weiteren eignet sich diese Publikation hervorragend dazu, um Familie und Freunde abzuholen, die bisher keine Berührungspunkte mit Transidentität haben oder sich anderweitig schwer damit tun.
Zurück zu meinen Kindern. Alle gefundene Literatur von Fachleuten war sich einig: Der beste Zeitpunkt liegt eindeutig vor der Pubertät. Geschlechtliche Unterschiede, Geschlechterrollen, usw. haben keinen besonderen Stellenwert. Das eigene Sein oder die eigene Identität wird normalerweise noch nicht hinterfragt. Änderungen im Gefüge des Zusammenlebens können gemeinhin leichter akzeptiert werden. Sofern nicht sowieso bereits eine anderweitig verursachte Krise vorliegt, die nicht überwunden ist.
Ich hatte also gute Bedingungen und so starteten meine Frau und ich über mehrere Wochen und Monate damit, die Kinder immer wieder auf Anderssein aufmerksam zu machen und gefundene Beispiele zu besprechen. Es ging darum, meinen Kindern zu vermitteln, wie bunt die Welt ist und dass alles richtig ist und seinen Platz hat. Sei es Hautfarbe, Herkunft, körperliche und geistige Gebrechen, Glaube, Alter, Frauen dürfen Frauen gerne haben, Männer dürfen Männer gerne haben, usw. Und so kamen wir irgendwann an den Punkt zu erklären, dass es Frauen gibt, die eigentlich Männer sind, auch wenn es erstmal nicht so scheint, und andersherum natürlich auch. Das fanden meine Mädels überhaupt nicht schlimm. Weil Worte alleine nicht genügen, um Kindern in diesem Alter klar zu machen, was das in der Konsequenz bedeutet, bemühten wir einige prominente Beispiele, derer es inzwischen ja reichlich gibt. Auch dabei blieben sie völlig gelassen, stellten interessiert Fragen, fanden manche Dinge dann doch etwas befremdlich. Im Großen und Ganzen nahmen sie diese Informationen entspannt auf. So vorbereitet fuhren wir dann im Dezember 2016 ein paar Tage zum Skifahren mit ihnen. Dort waren wir unter uns. Keine Einflussfaktoren, die stören könnten. Und dann war ich an der Reihe zu erklären, wie das nun genau mit dem Papa ist.
Mit der Mutter der Kinder habe ich das vorher nicht besprochen. Nach meiner Erfahrung mit ihr hätte sie mir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verboten, meine Kinder über mich zu informieren. Also setzte ich mich darüber hinweg und ließ der ewig Gestrigen einfach keine Wahl. Ich war mir ziemlich sicher, dass meine Kinder es gut verkraften werden.
Und das taten sie auch. Ganz hervorragend sogar. Die Große stand sofort 100% dahinter und stellte mich am nächsten Morgen in der Skischule den anderen als Milla vor, was mich selbst sehr überraschte. Sie tat praktisch so, als sei es nie anders gewesen. Die Kleine war etwas mehr verunsichert und stutzte zunächst, Papa im Rock zu sehen. Doch auch das legte sich schnell. Heute wird das alles nicht mehr hinterfragt. Meine Kinder akzeptieren mich so, wie ich bin. Meine Rolle ihnen gegenüber hat sich nicht geändert. Das haben sie verstanden. Sie können sich auf mich verlassen.
Wenn wir heute zusammen durch größere Menschenansammlungen gehen und die Kinder merken, dass es mir dabei nicht gut geht, kommen sie ungefragt, nehmen mich an der Hand und zeigen so allen, dass es nicht schlimm ist, anders zu sein. Sie stehen zu mir. Das ist ein sehr großes Geschenk.
Eine Sorge beschäftigte mich bezüglich meiner Kinder: Was passiert in der Schule, wenn die anderen von dem Anderssein erfahren? Kinder können grausam sein und ich wollte auf keinen Fall, dass meine Kinder unter meinem Anderssein leiden müssen. Also begann eine Zeit, in der ich ständig nachfragte, wie meine Transidentität in der Schule wirkt. Meine Kinder wussten erst gar nicht, was ich von ihnen will. Das interpretierte ich als positive Rückmeldung. Zur Bestätigung holte ich mir bei passender Gelegenheit noch das Feedback der Klassenlehrerin ab. Sie positionierte sich eindeutig zu einer bunteren Welt, bestätigte, dass es keine Anfeindungen gegen meine Kinder gibt und betonte, sie würde sofort einschreiten, sollte es je zu solchen Situationen kommen. Zu guter Letzt ging ich mich wachen Augen und offenen Ohren mit zu einem Schulfest, wo ich mich selbst davon überzeugen konnte, wie die Menschen dort auf mich reagieren. Seitdem bin ich sehr zuversichtlich, dass meine Kinder keine Nachteile in der Schule erleiden, weil Papa anders ist.
Die Gesellschaft scheint sich doch zu verändern.