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Astrid und ich sitzen über der Jahresplanung 2024, tragen Kinderwochenenden in den Kalender, überlegen uns, wann wir meine Kinder in den Ferien haben wollen, planen eine Handvoll Bergtouren ein, insbesondere zu jenen Bergen, die dieses Jahr nicht geklappt haben und als alles soweit drin ist, fällt uns auf, dass wir das Fliegen ganz vergessen haben. Oh nein. Nochmal von vorne alle frei geplanten Zeiten durchforsten, wo passt da noch was gut rein und was wollen wir überhaupt. Das Thema Sicherheitstraining liegt plötzlich auf dem Tisch. Wäre schon gut, so etwas gemacht zu haben und einige wichtige Manöver, wie Spirale, Big Ears, B-Stall & Co schonmal geflogen zu sein. Bei unserer bisherigen Flugschule wollen wir das jedoch definitiv nicht machen. Die Fluglehrer, die mit dieser Aufgabe betraut sind, sind nicht unser Ding, die Flugschule ist auf dem „schneller, weiter, höher“-Trip, mit dem ich persönlich nichts anfangen kann und der Landeplatz in Malcesine am Gardasee taugt uns nicht. Wir recherchieren und landen sehr schnell bei der Flugschule Achensee, die solche Trainings unter anderem am Idrosee, dem kleinen Nachbarn des Gardasees, durchführt. Mit dem Namen Eki Maute verband ich zudem nur sehr gute Rückmeldungen und so klapperten wir deren gesamtes Jahr 2024 durch, um einen Termin zu finden, der nicht bereits ausgebucht war, der uns selbst in den Kram passte und nicht zuletzt vom Chef selbst, Eki, geleitet werden würde. Diese Suche war schnell zu ende. Gibt’s nicht in 2024. Spaßeshalber blätterte ich zurück nach 2023 und stellte fest, dass es Ende Oktober noch genau ein Training gibt, das Eki selbst betreut und wo noch reichlich Plätze frei waren. Ein Blick auf unsere Jahresplanung 23 verrät, wir haben das Wochenende und die Brückentage bis zum 1.11. frei. Zeit. Was kostet das? Egal, das letzte Hemd hat keine Taschen, klick, angemeldet. Dann lerne ich noch am gleichen Abend zufällig, dass Marina, die wir aus unserer Ausbildung kennen, und Clara, ihre Freundin, ebenfalls angemeldet sind. Fein, dann sind wir immerhin schonmal 4 Frauen und die Gruppe besteht nicht nur aus Testos. Entschuldigt diese Ausdrucksweise, doch beim Fliegen sind wir diesbezüglich gebrannte Kinder. Ich bin aufgeregt, glaube, dass ich für so ein Training noch nicht gut genug fliegen kann, gleichzeitig steht fest, dass es „den“ geeigneten Zeitpunkt wohl kaum gibt. Irgendwann muss Frau die Steilspirale lernen, wenn sie nicht ganz hilflos am Himmel rumeiern möchte. Das war Anfang September. 

Kurze Zeit danach stellen wir mehr oder weniger zufällig fest, dass es irgendwie clever wäre, vor dem Sicherheitstraining für den B-Schein angemeldet und idealerweise auch schon die vorgeschriebene Theorie samt Prüfung in der Tasche zu haben, denn dann können die Flüge im Sicherheitstraining beziehungsweise deren Inhalte für den B-Schein anerkannt werden. Der B-Schein ist die unbeschränkte Fluglizenz, die dazu berechtigt, das Startgelände bzw. den Luftraum um das Fluggebiet zu verlassen, um weitere Strecken fliegen zu können. Ende September buchten wir eines Abends ohne zu zucken einen Online-Theorie-Kurs für den B-Schein Anfang Oktober, der von einem, ich nenne es mal Kooperationspartner der Flugschule Achensee, Andreas Rieck, an vier Abenden nacheinander angeboten wurde. Diese vier Tage haben uns ganz schön geschlaucht. 10-11 Stunden normale Arbeit, dann nochmal 4-5 Stunden Unterricht bis teilweise fast 23 Uhr in Luftrecht, Meteorologie, besondere Flugsituationen und Navigation. Weil das darauffolgende Wochenende nix geplant und schlechtes Wetter vorhergesagt war, meldeten wir uns dann gleich auch für den nächstgelegenen Prüfungstermin am darauffolgenden Montag an, was bedeutete, wir haben das ganze Wochenende zum Lernen. Bei mir machen sich immer gleich Versagensängste breit, warum auch immer, weswegen ich die Zeit tatsächlich intensiv mit Lernen verbrachte. Alle Sorge war selbstredend umsonst. Die Prüfung machten wir beide mit links. Die einzige Hürde war der Aufbau der erforderlichen Technik, wie es der DHV bei online Prüfungen vorschreibt. Hat aber auch alles geklappt, wenn Frau ein kleines Bisschen vorbereitet ist und nicht erst beginnt, sich Gedanken zu machen, wenn die Prüfung starten soll, was ein Vogel leider geschafft hat und damit allen anderen Lebenszeit stahl bis er dann auch mal soweit war. Also, B-Theorie in der Tasche, das Sicherheitstraining kann kommen. 

Aus den Herbstferien der Kinder, eine Woche im Saarland, kamen wir am späten Freitagabend zurück nach Hause, räumten das Auto leer und packten es gleich wieder voll, zum Glück hatten wir eine Packliste geschrieben, was die Sache ziemlich abkürzte, denn am nächsten Tag sollten wir um 12 Uhr am Idrosee sein. So startete am nächsten Morgen der Motor gegen halbsechs und wir tuckerten in Richtung Italien los. Drei Tage vorher erhielten wir von der Flugschule Achensee die Info, dass das Training stattfinden soll, was mich in Anbetracht der Wettervorhersage stutzig machte und ich ernsthaft in Frage stellte, ob die Fahrt sich überhaupt lohne. Kurz schlechte Laune, doch die FeWo ist gebucht und bezahlt und wenn Schietwetter ist, dann haben wir immerhin einen Tapetenwechsel. Ich ermahne mich selbst dazu, keinerlei Erwartungshaltung zu entwickeln und mich nicht gleich wieder selbst grundlos unter Druck zu setzen. Egal, wie es wird, es wird gut. Wir treffen pünktlich ein.
Vorstellungsrunde, warum bin ich eigentlich hier. Wir verbringen den ganzen ersten Nachmittag mit solchen Dingen, lernen etwas über Eki und seinen Ansatz für ein solches Training. Ich finde diesen Menschen nach wenigen Minuten faszinierend und nach einer weiteren kurzen Zeit beschließe ich für mich, zu diesem Menschen bedingungsloses Vertrauen zu haben. Fliegen muss Spaß machen. Es spielt dabei keine Rolle, auf welchem Niveau du unterwegs bist. Frau ist als Anfängerin kein schlechterer Mensch als der, der vielleicht schon einen Fullstall beherrscht und wir werden erleben, dass Eki auf die ganz persönlichen Bedürfnisse jedes einzelnen mit ganzer Kraft eingeht. 
Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der derart in sich ruht. Keine der Wünsche oder Ziele für dieses Sicherheitstraining, die in der Vorstellungsrunde genannt wurden, wurden bewertet. Kein „du musst aber dieses oder jenes trainieren“. Kein schneller, höher, weiter, sondern tue es in deiner Geschwindigkeit mit deinen Fähigkeiten, mit Spaß, ohne Angst. Es gibt kein besser oder schlechter.
Der Frauenanteil ist bei 50%. Darunter supertolle Pilotinnen, die echt schon was können, wie ich später erlebe. I like. An der Stelle muss ich jedoch auch eine Lanze für die männlich identifizierten Teilnehmenden brechen. Keine Testos on Board. Alles liebe und sympathische Menschen. 

Weiter im Programm. Was ist unserer Meinung nach die „Grundstellung“? Wir berichten von dem, was wir in den Flugschulen gelernt haben: Leerweg wegziehen, leicht angebremst.
Eki hört sich das geduldig an, um anschließend zu erörtern, warum er damit nicht einverstanden ist, zumindest nicht in ruhiger Luft. Grundstellung in ruhiger Luft und besonders vor dem Einleiten eines Manövers ist „Hände hoch bis zu den Leinenschlössern“ und natürlich dürfe man die hinteren Tragegurte in die Hände nehmen, um in erster Linie sicher ertastet zu haben, wo „ganz oben“ beim Kommando „Hände hoch“ ist und natürlich um die Arme zu entlasten. Warum nicht. Ich erinnere mich an meine Ausbildung, bei der es unter Strafe verboten war, die Tragegurte auch nur ansatzweise zu berühren.
Dann fragt er, ob schon mal jemand seine Griffschlaufen ganz losgelassen hat? Viele waren’s nicht. Ich kann von mir selbst sagen, dass ich mich das bisher noch nie getraut hab‘ außer einmal auf Anweisung in der Flugschule während der Ausbildung. Der Flug, bei dem ich mir beim Landen die Sehne abgerissen hatte. Wenn ich den Beschleuniger suchen oder sonst irgendetwas nach dem Starten richten muss, übergebe ich mir die Griffschlaufen immer in eine Hand und wurschtele einhändig in der Gegend rum. Alles Mumpitz. Mein Schirm weiß, wie fliegen geht. Wenn sonst nix ist, braucht er keine Aufmerksamkeit. Lass ihn fliegen.
Weil der Weg vom Startplatz Alpo bis in unsere Trainingsbox über dem See relativ weit ist, schätzungsweise 8-10 Minuten Flugzeit, möchte Eki von uns, dass wir nach dem Start erstmal eine Entspannungsphase einbauen, hang loose, wie er sagt, Bremsschlaufen loslassen, Arme und Hände hängen lassen, Beine baumeln lassen, mal an die Leinenschlösser hochgreifen, mal den Rettergriff in die Hand nehmen, mal den Beschleuniger treten und überprüfen, ob der Abstand der Rollen der Umlenkung zwischen A- und B-Ebene passt, usw. Genieße den Flug ist die Botschaft. Wenn wir in die gedachte Box überm See fliegen und uns fürs Training bei ihm anmelden, möchte er von allen wissen, ob sie das gemacht haben. 
Eki und Cordula erklären noch, was es mit dem Checkflug auf sich hat und Cordula weist uns ein, wie das mit der Schwimmweste funktioniert, die alle bei ihren Flügen tragen müssen und was es beim Funkgerät mit Gegensprechmöglichkeit zu beachten und durch uns zu prüfen gibt.

Erster Tag abends: Groundhandlen am Landeplatz, Einweisung zu den Besonderheiten hier bezüglich Berg- und Talwindsystemen. Eki und Cordula gehen rund, sehen sich alle geduldig an, geben Tipps. Am Ende die Rückmeldung: Eki ist beeindruckt, welche Fähigkeiten bereits alle am Boden gezeigt haben, obwohl einige nach eigenen Angaben wenig bis nie bis dahin am Boden geübt hatten.
Astrid bespricht mit Eki, ob wir mit unseren Flugstrapsen fliegen können. Er ist nicht begeistert und empfiehlt, wir sollen lieber mit unseren festeren Wendegurtzeugen starten, die richtige Schultergurte haben, denn da können wir definitiv nicht herausfallen, was beim Leichtgurtzeug niemand garantieren kann. Zum Glück haben wir unsere Easiness 3 beide dabei, der Frontcontainer passt da ja auch dran, auch wenn es nicht die beste Lösung ist. Als wir hier fertig sind, ist’s dunkel und wir beide müssen uns ein wenig sputen, um noch rechtzeitig zur Ferienwohnung zu kommen.

Wir beziehen die FeWo, die ganz neu eingerichtet und erstaunlich gut ausgestattet ist. Wir sind platt, zwirbeln uns ein paar Nudeln rein und fallen ins Bett. Treffen am nächsten Morgen ist um 7 Uhr. Eki ist felsenfest davon überzeugt, dass es ein kleines Loch im Schietwetter geben wird, welches wir zum Fliegen nutzen können. Zu Gute kommt uns lediglich, dass die Uhr in der Nacht auf die Winterzeit umgestellt wird und wir eine Stunde mehr Zeit haben.
Es kommt, wie Eki es vorhergesagt hat. Es gibt ein kleines Fenster bevor es für den Rest des Tages erneut komplett zuläuft. 
Die Auffahrt über die schmale, kurvige Straße mit den langen Flugschulbussen ist etwas abenteuerlich und dauert immer mindestens eine halbe Stunde. Astrid und ich nehmen   unsere festeren Gurtzeuge morgens gleich mit, wollen später oben alles herrichten, so dass wir mit ihnen fliegen können. Muss alles schnell gehen. Ich vergesse mein Vario in der Hektik im Rucksack, der im Bus geblieben ist und schon wieder runterfährt und ich hab zwei rote Griffschlaufen an mir, doch nur hinter einer verbirgt sich ein Rettungsschirm als ich fertig bin. Das ist wohl nicht optimal, muss aber reichen. Ich denke mir, auf dem ersten Flug werde ich wohl hoffentlich nicht in die Verlegenheit kommen, meinen Retter ziehen zu müssen.

Startplatz Alpo: Ich finde die Wiese ganz schön steil und löchrig. Scheint aber außer mir niemand so zu empfinden. Es weht ganz ordentlich und entgegen der Startplatzinformationen bei BurnAir ist ein Start ausschließlich in Richtung Süd-Südwest zu empfehlen. Hier muss rückwärts aufgezogen werden und ich bin heile froh, dass wir am Abend vorher Gelegenheit hatten, im laminaren Wind mit 20km/h beim Groundhandlen genau diese Situation üben zu können. Das gibt mir ein wenig Sicherheit, dass ich meinen Schirm kontrollieren kann, auch wenn es mal etwas windiger ist. Wenn ich allerdings alleine hier oben angekommen wäre, weiß ich nicht, ob ich mich fertig gemacht hätte. Ich hab‘ die Hosen voll. 
Kein Gedrängel am Startplatz, obwohl klar ist, dass das Fenster sehr klein sein wird. Es wird gegenseitig ungefragt geholfen und unterstützt, niemand wird hektisch, was mich außerordentlich überrascht und was ich als äußerst positiv bewerte. Cordula, die den Startplatz managed, kümmert sich rührend um alle Aspirant:innen, denen sie anschließend die Freigabe fürs Aufziehen erteilt. Astrid und ich halten uns zurück. Ich bin extrem aufgeregt, ob der Dinge, die mich in Kürze erwarten und ich staune, dass ausnahmslos alle Starts gelingen und echt gut aussehen. Ganz anders, als wir das sonst an den überfüllten Startplätzen bei uns zu Hause kennen. Macht mich noch nervöser. Der Wind nimmt weiter zu, ich zweifele, ob ein Start für mich hier immer noch passt. Am Ende sind nur noch Astrid, Lotte und ich oben. Lotte bekommt die Freigabe zum Aufziehen, sie kämpft mit den Böen, gibt ihr Bestes, doch das Ding will nicht. Vielleicht ist es auch der Stress, denn die Situation ist besonders, was mir selbst ebenfalls zu schaffen macht und mich an mir zweifeln lässt, warum gelingt es immer bei den anderen und bei mir nicht. Nach drei Abbrüchen entscheidet Cordula, ich solle erstmal aufziehen, damit sie sich mehr Zeit zur Unterstützung für Lotte nehmen kann. Die Zeit tickt. Es beginnt zu regnen. Mein Puls ist auf über 160, wie ich später in meiner Aufzeichnung sehe und ich habe keine Ahnung, ob das was ich da gleich tun werde zum Ziel führt. Ich spanne die A-Leinen, die Kappe ist sofort mit Wucht da und mit Entgegengehen beim Aufziehen, wie das bis dahin die anderen zeigten, ist’s nicht mehr getan bei uns, ich muss dem Schirm richtig entgegenlaufen, um ihm die Energie zu nehmen und ihn kontrollieren zu können, so stark ist der Wind inzwischen geworden. Doch es gelingt sofort beim ersten Mal, ich drehe aus, 1-2 Schritte, Milla ist in der Luft. Mir fällt ein kleiner Stein vom Herzen. Und auch Astrid gelingt sofort nach mir der erste Start, trotz der etwas herausfordernden Bedingungen.
Cordula hat bis dahin alles gegeben, damit alle wenigstens einmal heute in die Luft kommen. Hilft, wo sie kann, gibt Tipps zum Starten und für die anschließenden Flüge, keine Frage ist zu viel. Der Druck war groß, wie sie selbst später sagt, und nicht alle kommen damit klar, dass es ein wenig pressiert, doch ich fand das absolut bewundernswert, wie sie das gemanaged hat. 

Der erste Flug im Training ist der sogenannte Checkflug, in dem einfach ein Manöver geflogen werden soll, das wir können oder glauben zu können, damit Eki sich ein Bild davon machen kann, wie wir so drauf sind. Alle sollen sich dazu etwas ausdenken und es ist wirklich egal, was es ist. Ich entscheide mich fürs Rollen, das Pendeln um die Längsachse und vielleicht noch Nicken, wenn es sich noch ausgeht, aber erstmal habe ich Schwierigkeiten damit, das kleine rote Boot auf dem See zu sehen. Ich bin viel höher über dem Wasser als ich gedacht hätte, dass ich rauskomme. Der Weg ist weit vom Startplatz und weil mein Pi3 eher sinkt als gleitet, hatte ich Sorge, dass überhaupt noch Platz bleibt, um ein Manöver zu fliegen. Erst als ich über die Uferlinie fliege erkenne ich einen winzigen Punkt auf dem Wasser und weil sonst nichts in der Nähe ist, nehme ich an, dass das wohl das Boot sein muss. Nachdem ich mich bei Eki angemeldet und ihm verklickert habe, was es werden soll, entscheidet er anders. Es wäre ein schöner Zeitpunkt für einen B-Stall. Mein erstes Flugmanöver wird also ein B-Stall und als es grünes Licht von unten gibt, tue ich ohne nachzudenken das, was Eki mir ansagt. Den halben Schlag auf den Steuerleinen lasse ich los und greife die Griffschlaufen der Steuerleine am Steg damit ich nicht ungewollt anbremse, packe von außen die gesamte mittlere Leinenebene rechts und links, die B-Ebene, daher auch der Name des Manövers, Daumen nach unten und ziehe am Tragegurt entlang alle Leinen nach unten. Sofort beginnt mein Schirm zu zappeln und ich habe das Gefühl, er wehrt sich gegen mein Tun, ich schaukele einigermaßen wild in der Gegend rum, Eki weist an: „bleib so, alles ist gut, ziehe rechts noch ein bisschen tiefer, sehr gut, bleib so, noch für 5 Sekunden“. Es rumpelt weiter ordentlich im System. Beim B-Stall kürzt man quasi die Schirmtiefe durch das herunterziehen der gesamten mittleren Ebene, was dazu führt, dass die Vorwärtsfahrt praktisch auf 0 geht und nur das Sinken übrig bleibt, das jetzt mit etwa 7-8m/s stattfindet. Der Vorteil bei dieser Abstiegshilfe: Es gibt keine Orientierungsprobleme, keine G-Kräfte, es wird kein großer Raum in der Luft benötigt, Frau sinkt einfach am Platz nach unten. Dann leite ich auf Anweisung aus, indem ich die Leinen nach oben führe, die Kappe braucht einen kurzen Moment, um wieder anzufahren und in eine vorwärts gerichtete Flugbewegung zu kommen, ist aber alles vergleichsweise unspektakulär, doch ich entschuldige mich bei meinem Schirmchen für die Unannehmlichkeiten. Ich bin meinen ersten B-Stall geflogen. Sau geil. Eki verabschiedet mich zum Landeplatz. Hinter mir kommt Astrid angeflogen, die beim Anmelden über Funk Bedenken wegen des Regens und damit wegen der nassen Kappe äußert. Ois easy. Passiert nix, meint Eki und spielt mit ihr das gleiche Spiel, wie mit mir kurz zuvor. Das Manöver gelingt auch bei ihr einwandfrei und sie kommt mit einem breiten Grinsen zum Landen. Erfahrene Pilot:innen mögen vielleicht schmunzeln über so eine Sache, doch für uns beide war das schon der Hammer und wir sind ein wenig stolz, dass wir uns a) getraut haben, das ohne Vorwarnung zu tun und b) ein weiteres kleines Werkzeug in unserem Pilotinnenköfferchen zu haben, dass wir verwenden können, wenn wir es für hilfreich erachten. Deswegen sind wir ja da. Nebenbei bemerkt kann da jetzt für den B-Schein ein Haken dran. 

Später im Schulungsraum sehen wir uns die Videos an, die Sophia, unsere Kamerafrau von allen Fliegenden gemacht hat und als wir ganz zum Schluss zu unser beider B-Stalls kommen, erklärt Eki, dass unsere Pi3s dieses Flugmanöver so überhaupt nicht mögen und dass es deswegen sehr unruhig in der Luft wurde, ohne dass er allerdings zu irgendwelchen komischen Verrenkungen neigt. Es wackelt halt ordentlich. Schirme, die das besser können, beruhigen sich nach der Einleitung und schneiden, wie ein Messer nach unten. Da wackelt nix. Der Nieseltregen wird kurz angesprochen, weil Astrid bezüglich Manöver mit nasser Kappe Bedenken äußerte und Eki meint, er sei früher immer geflogen wenn es nicht gerade aus Eimern gegossen hätte, doch irgendwann beim Landen merkte er, dass mit nassem Flugzeug fliegen einfach Mist und echt gefährlich ist. Ein bisschen Niesel sei aber überhaupt kein Problem. In dem Moment geht meine Klappe auf und ich spreche aus, was mir durch den Kopf geht: Der Regen war nicht schlimm, ich hatte ja einen Schirm dabei.
Es geht weiter mit Theorie, weil es den Rest des Tages einfach nicht zum Fliegen ist. Einer der beiden häufigsten Sätze in all den Tagen: Du bist ein Gleitschirm.
Visualisierung der Bewegungen, die für ein bestimmtes Flugmanöver durchgeführt werden müssen, ist für mich neu, kannte ich bisher nur aus der Ausbildung, als wir die Leitlinien-Acht tanzten. Aber gerade für die Spirale, die wir im Kurs später fliegen werden, hat das unglaublich viel geholfen, denn ich musste im Flug nicht mehr groß darüber nachdenken, was zu tun ist. Gleichzeitig fühlt es sich für mich bei den ersten Malen sehr komisch an, in der Gruppe ein Manöver zu „tanzen“. Mein Gehirn wehrt sich dagegen, dass ich mich derart exponiere, weil das einfach nicht meine Art ist. Zusammenreißen, immer, immer, immer engagiert mitmachen sage ich. Es ist mein Kurs und selbst, wenn es mit Fliegen nicht so prall ist, so ist doch exklusiv Gelegenheit dazu, so viel wie möglich mit zu nehmen und ich staune, mit welcher Energie und Motivation Eki dranbleibt und auch alle anderen dranbleiben, niemand gähnt, niemand fehlt, alle saugen auf, was an Input kommt. Und das ist nicht wenig. Er sagt unmissverständlich, was er über das Wetter denkt, es kotzt ihn an, er findet’s Scheiße, gleichzeitig gibt er Vollgas beim Erklären, sprüht vor Begeisterung, greift auch Themen auf, wie Starten und Landen, die normalerweise bei einem Sicherheitstraining nicht thematisiert werden. Lernen hört auch bei diesen Basics nie auf.
Cordula hat alle Starts am Morgen aufgenommen und auf alle wird intensiv eingegangen. Ich habe Gelegenheit, mein eigenes Gehopse analysieren zu können. 
Überraschend kommt am späten Nachmittag das Kommando zum Rauffahren. Es könnte sein, dass sich ein Flug ausgeht. Zeit ist wenig, denn nach der Umstellung auf die Winterzeit ist bereits gegen viertel nach fünf Sonnenuntergang. Es fehlt niemand. Alle sind dabei.
Auch Eki selbst, der den Vorflieger macht, um die Bedingungen abzuklopfen und damit Cordula am Startplatz die Entscheidung leichter macht, ob gestartet werden kann. Es ist krass windig, die Luft ist bockig und es ziehen permanent Wolkenfetzen über den See, den Landeplatz und die Umgebung. Astrid und ich machen uns fertig, wenngleich mein Bauch nicht einverstanden ist. Doch ob ich starte kann ich entscheiden, wenn die Kappe nach dem Aufziehen über mir ist. Die Bedingungen sind nicht statisch und es könnte sich tatsächlich was ausgehen. Eki gibt grünes Licht, landet, gibt aber klar zu verstehen, dass es keine Bedingungen für ein Sicherheitstraining sind. 
Eine der leichtesten und defensivsten Teilnehmerinnen, Maia, startet und wird sofort in Richtung Wolken nahezu hochkatapultiert. Upsi. Am Startplatz kehrt stille ein. Ihrem Flugverhalten nach zu urteilen weiß sie nicht, wie sie damit umgehen soll, was auch Cordula erkennt und sich sofort per Funkgerät bei ihr meldet und sie anleitet, wie sie aus dieser Situation herauskommt. Ich bin erneut beeindruckt, mit welcher Ruhe und Bestimmtheit Cordula ihre Anweisungen erteilt und ich staune auch über Maia, die alles akkurat ohne zu zögern sofort umsetzt. Klasse. Leider beginnt nach der Aktion mein Bauch zu schreien, dass das hier keine Flugbedingungen mehr für Milla sind. Ich schaue zu Astrid herüber, die ebenfalls startbereit mit Tulpe in der Hand in der nächsten Reihe steht. Unsere Blicke treffen sich, wir wissen beide sofort, dass wir hier nicht starten wollen. Cut. Nach ein paar gewechselten Worten ist die Entscheidung da zusammen zu packen. 

Am Ende sitzen Astrid und ich bei Cordula im Bus und fahren hinunter. Außer uns beiden sind auch Stefan und Lotte nicht mehr gestartet. Cordula war ein wenig überrascht, dass wir beide uns gegen das Starten entschieden hatten, denn was sie bisher von uns gesehen hat, stimmte sie sehr zuversichtlich, dass wir keine Probleme gehabt hätten. Und der Heber von Maia wäre uns schon allein deswegen nicht passiert, weil wir einfach ein gutes Stück schwerer sind und unser Flug daher deutlich stabiler gewesen wäre. Gleichzeitig bewertet sie unsere Entscheidung nicht. Wir haben sie getroffen und umgesetzt, so wie wir das auch getan hätten, wenn wir allein am Startplatz gewesen wären und so, wie wir das ebenso bisher beim Bergsteigen hielten. Es geht sogar so weit, dass wir beide nicht starten, wenn es nur einer nicht passt. Eine Seilschaft eben. Unsere Art, unsere Leidenschaften gemeinsam noch möglichst lange leben zu können.
Auf der Fahrt nach unten fragt Cordula ganz zurückhaltend und respektvoll, ob sie mehr über mich und meine Transidentität erfahren darf. Volle lieb. Klar darf sie, denn ich bin immer froh, wenn sich jemand ernsthaft dafür interessiert, weil ich solche Gelegenheiten gerne benutze, um zu zeigen, dass das alles gar nicht so besonders ist und es eigentlich niemanden aufregen sollte, wenn sich Menschen dazu entscheiden, mit ihrer wahren Identität nach außen zu gehen. Dadurch hat niemand einen Nachteil, auch wenn das gerne propagiert wird. Insbesondere von den Faschisten, die leider europaweit auf dem Vormarsch sind. Die haben immer schon polarisiert, indem sie Unwahrheiten über Minderheiten verbreiten, um selbst besser da zu stehen und die Dummen, die den Quatsch glauben, auf ihre Seite zu ziehen. Eine gefährliche Sache mit enormer Tragweite. Das hört ich vielleicht übertrieben an, doch so geht es immer los, wenn das rechte Pack an die Macht will. Wir sind erneut auf dem besten Weg dahin, weil es leider genug Menschen gibt, die auf diese anklagende aber gleichzeitig lösungsfreie Polemik abfahren. Anderes Thema.
Wir babbeln jedenfalls schön auf der Fahrt zurück zum Schulungsraum und es tut mir selbst gut, nach langer Zeit mal wieder ein bisschen was über mich zu erzählen, was ich sonst nicht ungefragt tue, weil ich nicht der Messias bin und niemanden bekehren möchte. 

Sonntagabend Pizza im Restaurant am Campingplatz mit allen Teilnehmenden. Hier erfahren wir, dass manche ein Thema mit der Erdsicht hatten. Als ob er hellseherische Fähigkeiten hätte, bereitete Eki uns tagsüber bereits auf diese Situation vor, indem wir ausführlich darüber sprachen, was Erdsicht bedeutet und dass in Wolken hineinfliegen ein No-Go ist und wie sich Frau in solchen Situationen verhalten kann. Ist der Landeplatz zum Beispiel nicht ansteuerbar, weil er nicht zu sehen ist, so ist auf jeden Fall eine Außenlandung vorzuziehen und zwar dort, wo Erdsicht vorhanden ist und wenn es sich dabei nur um ein kleines Loch zum Durchschlüpfen handelt.
Astrid und ich bleiben mit ein paar Teilnehmenden an diesem Abend kleben. Es ist einfach eine feine Runde und wir nehmen in Kauf, dass die Nacht kurz wird.

Weil Eki fest davon überzeugt ist, dass wir montags in der Früh ein winziges Fensterchen haben werden, treffen wir uns erneut sehr früh, um die Lage zu bewerten. Tatsächlich sitzt die gesamte Mannschaft morgens in den beiden Bussen nach oben. Grenzenlose Zuversicht. Auf dem Weg nach oben schauen wir uns die tiefergelegenen Startplätze an den Casali-Wiesen an, bekommen von Eki und Cordula die Besonderheiten hier erklärt, womit sich eine weitere Option zum Starten öffnet, ohne dass erneut später eine Einweisung nötig ist. Die beiden Plätze, die sehr nah aneinander liegen, könnten unterschiedlicher kaum sein. 
Eki erklärt die notwendigen Starttechniken, um hier sicher, auch bei Nullwind, starten zu können. Der eine kurz und steil, der andere flach und lang und einer Baumreihe am Ende. Bei Nullwind ist es am steilen Startplatz notwendig, dass die Eintrittskante des Schirmes, der soweit wie möglich oben, d.h. auf dem Fahrweg, ausgelegt werden sollte, von anderen hochgehalten wird. Denn sonst reicht dem oder der Startenden der Weg nicht, um abzuheben. Gruselig. Auf dem nebenan befindlichen flachen Startplatz muss bei Nullwind der Schirm ebenfalls so weit wie möglich oben ausgelegt werden, am besten auch mit gehaltener Eintrittskante, und dann ist es unbedingt notwendig die Abhebegeschwindigkeit mit offener Bremse zügig zu erlaufen, denn sonst ist ein Kontakt mit der Baumreihe ziemlich wahrscheinlich. Nochmal Gruselig. Der Begriff „Entscheidungslinie“ taucht auf, den ich nach der Ausbildung schon wieder völlig vergessen hatte, und der mit 100%iger Sicherheit meinen Fehlstart mit Baumkontakt am Neunerköpfle verhindert hätte, wenn ich mich wenigstens Ansatzweise daran erinnert und den Gebrauch in Erwägung gezogen hätte. Hätte, hätte, Fahrradkette. 
Der Wind kommt hier und jetzt allerdings spürbar von hinten, was auf jeden Fall nicht zum Starten taugt, was mich irgendwie erleichtert. Ich finde beide Startplätze nicht sexy.
Gerade als wir zum oberen Startplatz, Alpo, aufbrechen wollen, beginnt es zu regnen. Tja, damit ist Fliegen erstmal gestrichen. Das einzige Fensterchen für heute hat sich geschlossen. Was mich aber fast von den Socken haut ist, dass der ultimativ positive Geist erhalten bleibt. Auf der Fahrt nach unten ist der ganze Bus am Witze machen und es wird von Herzen gelacht. Niemand lässt sich wegen ein bisschen Wasser von oben herunterreißen. Sehr geil. Und es kommt noch besser, denn in Bondone hat eine Bar geöffnet, die Eki und Cordula wohlbekannt ist. Zwei Busse mit knapp 20 Leuten an Bord stoppen, fallen in der Bar ein, richten Tische und Stühle so her, dass alle zusammensitzen können und bestellen Espresso und Aperol. So kommt es, dass Astrid und Milla bei strömendem Regen montagsmorgens um 9 Uhr in einer italienischen Bar erstmal einen Aperol reinlaufen lassen. Die Stimmung ist nahezu ausgelassen. Viel Zeit für gute Gespräche.

Tja, und dann wieder Theorie. Ein Manöver, das Eki am Herzen liegt: Stallpunkt ertasten. In einigen Trockenübungen, die wir in der Gruppe bzw. jeweils zu zweit durchführen, leitet uns Eki an, wie wir den Stützreflex nach hinten abtrainieren können, der normalerweise bei jedem Menschen ganz fest eingebaut ist, bei diesem Manöver jedoch verheerende Folgen hätte. Wir setzen uns auf einen Stuhl, lassen uns von der Partnerin/dem Partner in eine ausbalancierte Stellung nach hinten kippen und in dem Moment, wo der Stuhl weiter nach hinten kippen gelassen wird, müssen die Hände in Bruchteilen von Sekunden hoch und eben genau nicht nach hinten unten, wie wir das sonst tun würden. Merken. Ich werde das Manöver fliegen.
Der Tag zieht sich. Es fällt trotzdem niemand aus. Ganz viele Manöver werden im Detail durchgesprochen und getanzt. Der häufigste Satz heute: Wir sind in der Grundstellung, wir wissen, wo der Landeplatz ist und wie hoch wir sind, los geht’s.
Rollen + Wingover, Nicken, Spirale, asymmetrische Spirale, SAT, Helikopter, Hermann, einseitiger Stall (Spin to Stall), Kappenstörungen/Deformationen (Seitenklapper, Frontklapper, Verhänger), Flyback, Sackflug, beschleunigtes Fliegen, Retterabgang, usw. werden besprochen, getanzt, erfühlt. Keine Frage ist zu viel. 
Als Eki am Ende des Tages zum Fullstall kommt, klinken Astrid und ich uns aus. Für so ein krasses Manöver sind wir noch lange nicht bereit und außerdem müssen wir Futter ranschaffen, sonst gibt’s kein Frühstück am nächsten Morgen. Der startet nicht ganz so früh, denn es ist klar, dass morgens definitiv nix geht. Die Schlechtwetterfront erreicht in der Nacht ihren Höhepunkt, was zu überfluteten Wegen führt und den Landeplatz von der Außenwelt für kurze Zeit abschneidet, um dann später in Nordföhn überzugehen.
 
Demzufolge wird am nächsten Morgen mit der Wetterlage und dem angekündigten Nordföhn gestartet, der mit gut 6hPa bis Mittag einschlagen soll und mit einer großen Wahrscheinlichkeit das Fliegen heute trotz mal keinem Regen vereiteln wird. Eki sieht das anders. Seine volle Überzeugung: Wir werden heute fliegen. Also gerade der Nordföhn auf der Alpensüdseite ist wirklich eine äußerst heikle Sache und darf niemals unterschätzt werden. Was sind die Gefahren, woran erkenne ich sie, wie gehe ich damit um? Während Eki im Schulungsraum alles aus sich herausholt, sind alle anderen im Team der Flugschule permanent damit beschäftigt herauszufinden, wo das Wetter sich hin entwickelt, was die Wolken und der Wind tun, welche Startplätze gehen könnten und ob der Landeplatz wieder erreichbar ist. 
Wegen der reichlich vorhandenen Zeit bietet Eki an, bei Fragen zum Gurtzeug, Einstellung des Speedsystems, etc. zur Seite zu stehen. Manche sind mit ihrem Liegegurtzeug da und haben offene Punkte. Ob schon mal jemand seinen Retter selbst aus- und wieder eingepackt hätte? Nö, nicht wirklich. Die heilige Kuh. Eki findet, man solle sich mit seiner Lebensversicherung beschäftigen und wissen, was das Ding kann, wenn’s drauf ankommt. Ob wir wissen, mit welcher Sinkgeschwindigkeit wir bei unseren Rettern rechnen müssten? Dabei zielt die Frage nicht auf den theoretischen Wert aus irgendeiner Marketingtabelle ab, sondern was wirklich passiert, wenn z.B. noch ein halboffener Gleitschirm mit dran hängt. Ähm, ich kenne nur die Marketingfolie und vertraute darauf, was mir in der Flugschule als passend verkauft wurde. Ich lerne, dass das nicht die beste Lösung ist, was ich da mit mir herumtrage. Es ist leicht. Aber ob ich da im Ernstfall dranhängen und mit fast 5m/s in Richtung Boden unterwegs sein will? Keine Ahnung. 5m/s ist viel. Aus einer Höhe von 2m auf den Boden Springen ist etwa vergleichbar. Unter 4m/s ist so, dass Frau sich nicht mit 100%iger Sicherheit wehtut. 
Astrid hängt sich mit ihrem Easiness in den Simulator, weil die Frage offen ist, ob das mit dem Speedsystem so passt. Dabei hat sie den Frontcontainer mit dem Rettungsschirm mit eingehängt und als Eki das sieht, rollt er mit den Augen. Zu labbrig und kann sich in kritischen Situationen im Gurtzeug einfädeln. Er rät dringend dazu, die Rettungsschirme wieder ins Gurtzeug unter den Sitz einzubauen. Außerdem, nach Rückfrage was Astrid nackig wiegt, rät er zu der nächst größeren Variante, wegen der zu erwartenden Sinkwerte nach dem Auslösen, denn mit den erwähnten etwa 5m/s will niemand auf dem Boden aufschlagen. Seiner Meinung nach wurden wir hier nicht optimal beraten. Wenn Frau das weiterdenkt, gilt das auch für meinen Rettungsschirm, weil die Verhältnisse zu Fläche und Startgewicht bei mir die gleichen sind. Damit müssen wir jetzt erstmal leben, bauen jedoch den Rettungsschirm aus dem Frontcontainer aus und ins Gurtzeug unter den Sitz wieder ein.
Wir lernen noch etwas Neues. Eki zieht seinen Retter aus dem Gurtzeug, packt ihn komplett aus und lässt alle mal anfassen. Das Tuch ist anders als beim Gleitschirm, denn es lässt Luft durch und es ist irre dünn und leicht. Ob schon mal jemand seinen eigenen Retter selbst gepackt hätte? Ähm, nein. Bisher war ich der Annahme, dass das einem Profi überlassen sein sollte, obwohl es schon etwas nervig ist, den Retter zum jährlichen Neupacken weggeben zu müssen. Bei den Intervallen fürs Lüften und Packen sollten wir kürzer werden, so alle halbe Jahr wäre besser und außerdem ist Retterpacken keine Raketentechnologie und Eki rät allen dazu, das zu lernen und selbst zu tun. Weil sein Retter sowieso ausgepackt ist, kann Eki unsere Fahrer Flo und Dirk dazu gewinnen, uns zu zeigen, wie Retterpacken funktioniert. Astrid und ich sehen uns das an und kapieren sofort, dass wir das selbst können und als ich zudem noch das vom Hersteller veröffentlichte Video zu unseren Rettern sehe, gibt es keinen Zweifel mehr, dass das zukünftig durch uns selbst erledigt werden wird.

Als wir am fortgeschrittenen Nachmittag nochmal draußen stehen, ein Flugmanöver tanzen und uns mit dem beschäftigen, was wir gerade in der Atmosphäre beobachten, kommt von Cordula das Kommando, in 15 Minuten starten die Busse in Richtung Startplatz. Es könnte sich was ausgehen. Es sei jedoch absolut freiwillig. Eine Garantie, dass es geht, gibt es nicht. Ohne zu zögern springen ausnahmslos alle Teilnehmenden mit ihren Flugzeugen in die zwei Busse. Nach der Zeitumstellung zur Winterzeit bleiben etwa 2 Stunden bis die Sonne untergeht. Ein neuer Grundsatz kommt zum Tragen: Wenn du es eilig hast, mach langsam. Unterwegs halten wir am Helilandeplatz, der an der Straße auf halber Strecke liegt, steigen alle aus und bewerten gemeinsam die Lage und unsere Beobachtungen. Der Nordföhn lässt zwar nach, doch gerade in der Beziehung ist Eile, im Sinne von zum Startplatz hetzen, weil die Zeit drängt, ein ziemlich schlechter Berater. Auf dieser Höhe ist der Wind sehr moderat, die Sicht ist sehr gut, kaum Bewölkung und wenn, dann weit oben. Gleichzeitig ist in der Höhe gut zu erkennen, dass zwar die Nordströmung scheinbar weg ist, doch sie hat einer ausgeprägten Westlage Platz gemacht, was die Situation jetzt nicht verbessert. An der Stelle sei erwähnt, dass die Prognosen in der BurnAir App in den letzten Tagen stets exakt eingetreten sind und ich erwarte auch für diesen späten Nachmittag, dass Bernie Recht hat und wir das Fenster in Bezug auf eine startbare Windrichtung bereits verpasst haben. Ich behalte das für mich, denn es macht keinen Unterschied und ich bin gespannt, wie es sich tatsächlich am Startplatz Alpo anfühlen wird. Im Bus wird, wie die letzten Tage auch schon, angeregt gequatscht, gescherzt und gelacht als wir weiterfahren. So etwas habe ich wirklich noch nicht erlebt. Ich steige am Ende der Straße, die kurz vor dem Startplatz eine Sackgasse bildet aus dem Bus und spüre sofort den Wind aus West im Gesicht. Muss erstmal noch nix heißen, denke ich, schau mer mal, was am Startplatz los ist, auf dem auch nach Südwest gestartet werden kann. 

In den Böen muss Frau echt fast die Mütze festhalten, doch es kommen immer auch längere Phasen vorbei, in denen der Wind tatsächlich zum Starten taugt. Unter normalen Umständen hätten sich nun die meisten wahrscheinlich sofort fertiggemacht, doch Eki bremst erstmal alle ein. Wir versammeln uns um ihn herum und er möchte von jedem und jeder einzelnen wissen, was genau wir jetzt in dieser Situation tun würden, wenn wir unter den vorgefundenen Bedingungen ganz allein hier oben stünden. Ihm ist extrem wichtig, dass sich niemand von der Gruppendynamik mitreißen lässt, sondern eigene Entscheidungen trifft und umsetzt. Nahezu alle geben an, auch ich, dass sie bei den aktuell empfundenen Böen nicht starten und eine angemessene Zeit warten würden, um zu sehen, ob sich der Wind bzw. die Böen beruhigen oder nicht. Später weißt Cordula noch daraufhin, dass ihrer Beobachtung der westlich an einer Kuppe hängenden kleinen Windfahne nach, die Möglichkeit eines horizontalen Rotors besteht, da dort immer wieder ein Nordwestwind angezeigt wird. 

Eki und Cordula stimmen sich ab, er wird als erster rausfliegen und ihr Rückmeldung zu den Bedingungen draußen geben, bevor irgendjemand hier aufzieht. Alle beobachten ihn, wie er in einem weiten Rechtsbogen die Startwiese verlässt und Cordula erklärt sofort, warum er das genau so macht und nicht anders, denn die Windbedingungen sind, wie sich herausstellt, tatsächlich relativ anspruchsvoll, was auf den ersten Blick anders aussah. Der zum Startzeitpunkt noch dominierende Südwestwind wird gestört, der überregionale Wind hat inzwischen eindeutig auf West gedreht, mein Bauch hat entschieden, dass ich hier und jetzt nicht mehr starten werde. Es dauert nicht lange als Eki sich über Funk meldet und anweist, dass hier niemand starten soll, denn die Föhnkomponente ist wohl noch vorhanden und macht fliegen hier gefährlich. Wir gehen gemeinsam mit Cordula zu der Windfahne an der westlichen Kuppe und besprechen, wie sie darauf kommt, dass hier ein horizontaler Rotor sein kann. Über dem See wird indes eine Inversion deutlich sichtbar, der Nachmittag schreitet voran, die Sonneneinstrahlung lässt nach, die Luft über dem See kühlt ab, Kondensat fällt aus, die Luft über der Inversion aus West-Nordwest ist wärmer, aber auch sehr turbulent. 

Alle wieder zurück zum Bus, einsteigen, runterfahren. Unterwegs knistert es aus dem Funkgerät, wir sollen mal zu den Casali-Wiesen fahren, denn weiter unten, spätestens in der Inversion, sei die Luft ruhig, so Eki, der gerade in die dunstige Luft überm See eingeflogen ist. Da könne sich was ausgehen. Bei dem Wort Casali bekomme ich Gänsehaut, denn nach der Startplatzeinweisung dort sind das sicher nicht meine Favoriten für einen Start. Mal abgesehen davon, dass bei einem Start so weit unten meiner Meinung nach keine Höhe mehr für etwaige Manöver vorhanden ist bis ich über dem See bin, der von da immer noch einige Kilometer entfernt ist. Der Pi3 von Advance, den ich fliege, ist nicht bekannt dafür, dass er gut gleitet. Dafür ist er ja auch nicht gemacht. 

Cordula wundert sich wohl auch etwas, doch die Startplätze liegen eh auf dem Weg und selbst wenn sich „nur“ ein Abgleiter ausgeht, ist das 100% mehr als nicht fliegen. Als wir uns die Bedingungen an den Startplätzen anschauen wird klar, dass Starten auf beiden Plätzen geht. Flo, einer unserer Fahrer, fährt die Straße zum Wenden des Busses sowieso noch ein Stück weiter, wo er aussteigt und überprüft, dass auf dieser Höhe wirklich kein Wind mehr aus Nord oder Nordwest von hinten lauert. Ist nicht so, grünes Licht fürs Aufziehen, was einigermaßen schnell gehen muss, denn die Dämmerung hat bereits eingesetzt. Cordulas Anspruch ist, dass alle, die fliegen wollen, auch noch starten können, wozu es allerdings nötig ist, etwas aufs Gaspedal zu steigen. Ich bin zögerlich, weil mir die Startplätze nicht taugen und ich nicht einschätzen kann, ob ich umsetzen kann, was Eki einen Tag vorher für einen Start ohne Wind erklärt hat. Ich bespreche das kurz mit Astrid, die sehr zuversichtlich ist, dass wir das schaffen. 1:0 gegen den Schweinehund. Ich suche mir den flachen Startplatz aus, obwohl das Gras und etwas Gestrüpp ziemlich hochstehen, denn hier rechne ich mir bessere Chancen aus, falls ich abbrechen muss und mir dabei nicht wehtun will. Während sich die meisten fertigmachen, organisiert Cordula noch eine Heckenschere beim angrenzenden Haus, deren Bewohner sie gut kennt, um auf der Startbahn ein wenig aufräumen zu können, bevor der/die erste aufzieht. 
Dass Starten hier nicht so einfach ist, wird schnell klar. Es geht nicht bei allen sofort geschmeidig raus, einige Abbrüche sind notwendig. Mein Herz klopft erneut bis zum Hals als ich fertig gecheckt dastehe und über den Funk mitbekomme, dass Eki im Boot sitzt und Manöver fliegen lässt. Dann bekomme ich von Cordula die Freigabe zum Aufziehen. Nicht nachdenken, fühlen, ich ziehe mit viel Impuls auf, versuche mich mit Anbremsen zurückzuhalten, Geschwindigkeit ist wichtig, der Kontrollblick nach oben muss ausfallen, dafür ist keine Zeit, laufen, laufen, laufen, Bremse freigeben, laufen, laufen, die Bäume kommen näher und kurz bevor ich denke, das passt nicht mehr, hebe ich ab. Nach ein ganz mini Bisschen gehe ich auf die Bremse, um maßvoll Steigen zu generieren und fliege mit noch entspanntem Abstand über die Bäume. Also es ist bestimmt noch ein guter Meter Platz. Puuuhhh… geschafft. 

Mit Sonnenbrille gegen den Wind sehe ich kaum noch die Anzeige im Vario so dunkel ist’s inzwischen geworden. Ich melde mich bei Eki an, als ich die Wasserlinie überflogen hab‘ und das Boot sehen kann. Unterwegs habe ich mitbekommen, dass die Manöver alle sehr kurz sind, aber doch einige geflogen werden können. Meine Wahl ist auf meine allererste Spirale gefallen, denn überraschenderweise habe ich noch eine gute Höhe als ich den See erreiche. 
Die Bewegungen haben wir am Boden über mehrere „Spiraltänze“ visualisiert, deswegen weiß ich prinzipiell, was zu tun ist, habe aber keinen blassen Schimmer davon, wie sich das anfühlen wird, wie weit ich die Bremse(n) anziehen muss und was dann passiert. Beim Anflug sprach ich auf jeden Fall mit meinen Händen und wies ihnen ihre Rolle fest zu. Rechte Hand ist außen, linke Hand ist innen, rechte Hand ist außen, linke Hand ist innen. Und nochmal: rechte Hand ist außen, linke Hand ist innen. Warum genau ich entschied, dass ich eine Linksspirale beim ersten Mal fliegen will, weiß ich gar nicht. Aber das ist auch egal. Wichtig ist, dass es keine Zweifel über innen und außen gibt. Wie heftig die Luzi abgeht, weiß ich ja nicht, doch ich möchte im Manöver nicht darüber nachdenken müssen, welche Hand jetzt für was zuständig ist. Eki gibt grünes Licht, es geht los. Gehirn aus, rechte Hand ganz nach oben ans Leinenschloss, Blick nach links, Gewicht nach links, dann ziehe ich die innere Bremse mit links entschlossen und bestimmt und weil ich keine Ahnung hab‘, wie weit, entscheide ich, dass der Karabiner, der Gurtzeug und Schirm verbindet, eine gute Wahl ist. Tiefer habe ich eine Bremse im Flug noch nie gezogen, weil es immer hieß, das sei wegen eines möglichen Strömungsabriss gefährlich. 

Und dann bricht der Sturm los. Mein Schirm zieht mit noch nie dagewesener Dynamik in eine Linkskurve, bereits nach einer halben Umdrehung explodiert die Geräuschkulisse, ich werde ins Gurtzeug gepresst, die Nase kippt in Richtung See und dann geht mein Gehirn sprichwörtlich wirklich aus. Durch meinen Kopf geht nur noch, links ist innen, rechts ist außen und das Außen hat die Macht. Mehr ist in diesem Zustand nicht wichtig. Der erste Impuls: Das ist mir zu krass, ich will hier raus. Wie viele Umdrehungen ich geflogen bin, weiß ich gar nicht so genau, doch ich weiß, ich sollte wegen der Höhe nicht lange rumeiern. Der Winkel zwischen meiner Eintrittskante und dem Horizont sollte im Idealfall so 40-45° haben, was einem Sinken von 8-10m/s entspricht. Ich bekomme absolut nichts davon mit, weiß weder in welchem Winkel meine Front steht, noch wo der Landeplatz ist, noch in welcher Richtung ich unterwegs bin, exit. Ich ziehe außen an, gebe innen ein klein wenig frei und warte auf eine Reaktion meiner Kappe, die völlig überraschend sofort kommt. So dynamisch und voller Energie die Luzi losging, so schnell geht es jetzt raus, doch ich verpasse den Punkt, an dem ich innen hätte nachziehen müssen, die enorme Energie, die jetzt im System steckt, muss in kurzer Zeit irgendwo hin und weil das jetzt mit flacher werdenden Kreisen nicht mehr geht, kann meine Kappe nicht anders als mit Schmackes zu steigen. Fühlt sich wie eine Vollbremsung an und ist nicht gut, denn gefühlt bin ich nahe dran, dass mein System nicht mehr fliegt. Noch bevor ich in Panik verfallen kann, flüstert mir Ekis Stimme in unendlicher Ruhe ins Öhrchen „Hände hoch, oben lassen, oben lassen, nix tun, es ist alles in Ordnung, lass den Schirm einfach fliegen“. 
Mein Flugzeug beruhigt sich sofort, ich komme wieder zu mir. Alter Falter. Dass die Fahrt so krass schnell und heftig wird, hätte ich im Leben nicht erwartet. Eki ist indes von meiner ersten Spirale voll begeistert. Toll gemacht und danke, was für mich das Zeichen ist, landen zu gehen. Ist auch besser so, denn Höhe ist jetzt keine mehr da. 
Wo der Landeplatz geblieben ist, hab‘ ich dann auch sofort wieder im Blick, achtere ab, ein leichter Bergwind aus Nord, ich setze sanft auf. Mein Körper ist noch voller Adrenalin und ich kann noch gar nicht richtig fassen, was da grad in der Luft passiert ist. Astrid tut’s mir gleich und kommt kurze Zeit später ebenfalls am Landeplatz an, wir fallen uns in die Arme. Völlig geflasht babbeln wir wild los, um unsere Eindrücke mit einem Glänzen in den Augen loszuwerden. Noch ein bisschen intensiver als wir das nach unserem ersten B-Stall taten. Astrid hatte zusätzlich zu berichten, dass sie ihren Start fast verkackt hätte und die Füße hochheben musste, damit „nur“ der Protektor Kontakt mit der Baumreihe hat. Die Ursachen bespricht sie später mit Cordula, die sie grinsend ob des doch noch geglückten Starts beim Treffen im Schulungsraum empfängt.

Als alle, die geflogen sind, heile den Landeplatz erreicht und zusammengepackt haben, treffen wir uns, wie gesagt, wieder im Schulungsraum. Bis das Restaurant öffnet möchte Eki die Zeit nutzen, um mit uns unsere Manöver ganz kurz durchzusprechen bevor wir eine Etage höher zum Essen einfallen. 
Als mein Flug dran ist, staune ich Bauklötze und lerne, dass mein kleiner Pi3 ein richtiges Spiralmonster ist. Bereits unmittelbar zum Ende des ersten Vollkreises liegt mein Schirm auf der Nase, ein Winkel von 0° zum Horizont, nix 40 oder 45°, es geht mit Maximalgeschwindigkeit nach unten mit Maximalbelastung auf meiner Flugbahn um meinen Schirm herum. Mir wird klar, warum sich das so heftig angefühlt hat, aber gleichzeitig habe ich gelernt, dass mein Schirmchen trotz dieser ultimativen Dynamik sehr genau auf meine Steuerimpulse reagiert und ich bestimmen kann, was passiert. Meine Aufgabe für den nächsten Flug, die ich mir selbst stelle: Kontrolliere deinen Spiralflug, behalte deine Eintrittskante im Blick und steuere aktiv Neigung und Geschwindigkeit. Der Kopf muss an bleiben. Astrids Flug ist nahezu identisch mit meinem, allerdings mit dem feinen Unterschied, dass sie ihre Ausleitung kontrolliert und über flacher werdende Kreise aus dem Manöver herauskommt, statt schlagartig zu steigen, wie mir das passiert ist. Sehr fein. Super gemacht. 

Der nächste und leider letzte Tag verspricht ein richtig guter Flugtag zu werden. In der BurnAir App wird allerdings ab Mittag wieder Regen angezeigt und der Wind soll im Verlauf des Vormittags deutlich zulegen und als Eki als Uhrzeit fürs Treffen am nächsten Morgen 7 oder 7:30 Uhr vorschlägt, geht Astrids Klappe sofort los, das sei zu spät. So viel wie möglich fliegen geht nur, wenn wir zum Sonnenaufgang am Startplatz stehen. 6 Uhr in der Früh am Treffpunkt wäre besser, denn die Auffahrt dauert etwa eine halbe Stunde, bis alles besprochen ist und die Ersten Starten können, geht nochmal eine halbe Stunde ins Land und dann geht die Sonne auf. Ein kurzes Raunen geht durch die Reihen, doch es widerspricht niemand. Eki stimmt zu, lässt aber jedem und jeder die Wahl. Wer die erste Fahrt dabei sein will, solle um 6 da sein, wem die zweite Auffahrt genügt, entsprechend später. Astrid und ich committen uns dazu, morgens frischen, heißen Kaffee in Thermoskannen dabei zu haben, denn es wird ziemlich frisch sein und möglicherweise hilft das Heißgetränk, um die Augen offen zu halten. Mir geht durch den Kopf, dass wir die FeWo ja auch noch räumen müssen. Upsi. Das wird früh. Es wird sich jedoch herausstellen, dass wir genau die richtige Entscheidung getroffen haben, so früh dran zu sein, denn Wetter ist Wetter und das ist alles andere als planbar.

Jetzt Pizza und Landebier. Hunger, Durst. Mein Emotionstopf kocht immer noch vom letzten Flug und den Ereignissen. Heute Abend ist die Pizza lecker. Die, die wir beim ersten Besuch hier bekommen haben, war auf dem Niveau eines deutschen Pizzaservice und wenn ich nicht so einen Hunger gehabt hätte, hätte ich mir das nicht angetan. Das Leben ist zu kurz für schlechtes Essen. Aber die können auch anders und ich genieße jeden Happen. Ich sitze zwischen neuen Menschen, mit denen ich bisher nicht so viel geredet habe, was mir ebenfalls gut gefällt, denn ich bin immer noch sprachlos, dass die Leute im Kurs so nett sind. Alt wird heute niemand, soweit ich das erkennen kann, wollen am nächsten Morgen alle im ersten Bus sitzen und auch Astrid und ich bleiben nicht kleben, wie am zweiten Tag, sondern brechen zeitig auf, um alles Notwendige erledigen zu können, bevor es ins Bettchen geht. Der Wecker wird um halb fünf klingeln.

Mit zwei Thermoskannen Kaffee im Gepäck und gepacktem Auto schlagen Astrid und ich am nächsten Morgen, es ist noch stockfinster, am Treffpunkt vor dem Campingplatz auf. Dirk und Flo haben die Shuttlebusse abends schon vom umzäunten und mit Tor versehenem Campingplatzgelände runtergefahren. So, wie die Leute eintrudeln, teilen Astrid und ich Kaffee aus. Die Stimmung ist wieder super, alle sind motiviert, das frühe Aufstehen haben alle scheinbar gerne in Kauf genommen, um wenigstens heute, am letzten Tag, noch was reißen zu können. Während der Auffahrt wird es langsam hell, die Jäger sind unterwegs, es knallt immer wieder mehrfach, wenn Schüsse abgegeben werden. Die Vogeljagd hat Tradition hier. Eki ist ebenfalls mit nach oben gekommen und wird wieder als Erster starten, nachdem erneut ausgiebig über die vorgefundenen Bedingungen gesprochen wurde. Dabei wird klar, dass das fliegbare Fenster nicht so groß sein wird, wie es gestern noch den Anschein hatte und Eki rechnet nicht damit, dass wir häufiger als 2-3 mal fliegen können, weil der Wind zu stark wird. 

Ich bin krass aufgeregt, denn mein Plan für den ersten Flug wird sein, nur die Spirale zu fliegen und die aber ganz mitzubekommen, nicht so wie gestern. Über mehr habe ich mir keine Gedanken gemacht. Auch Astrid hat sonst erstmal nix vor. Wir machen uns zügig fertig, wollen nicht wieder bis zum Schluss warten, und so starte ich noch in der ersten Hälfte der Teilnehmenden. Auf dem Weg in meine Trainingsbox lasse ich wieder los, lasse alles hängen, klopfe mir auf die Schenkel, um die Kälte ein wenig auszutreiben, greife zum Retter, ertaste meine Leinenschlösser und -ganz wichtig- spreche wieder laut mit meinen Händen. Um einer etwaigen Schokoladenseite entgegenzuwirken, sage ich dieses Mal meiner rechten Hand „du bist innen“. Drehe mich zur linken Hand „du bist außen“. Und nochmal. Du, rechte Hand, bist innen, und du, linke Hand, bist dieses Mal außen. Speichern. Als Jette, die vor mir in die Trainingsbox geflogen ist, ihre abgefahrene Aktion abgeschlossen hat, melde ich mich bei Eki an, bekomme die Freigabe, selbständig einzuleiten und los geht das Karussell. Um zu vermeiden, dass es gleich wieder Vollgas losgeht, ziehe ich die innere Bremse erstmal nur bis knapp oberhalb des Karabiners und warte ab, was passiert. Auch damit kippt der Schirm zügig in die Spirale, aber nicht ganz so heftig, wie am Vortag. Als die Windgeräusche mir unverkennbar mitteilen, dass ich jetzt in der Spirale bin, versuche ich die Fahrt aktiv über die Innenbremse zu steuern, ziehe etwas nach, es wird schneller, der Winkel zum Horizont wird kleiner, ich sehe meiner Kappe dabei zu. Dann lasse ich etwas nach, die Kappe kommt ein klein wenig hoch, die Bahngeschwindigkeit nimmt etwas ab. Und wieder mehr und ich merke, wie meine Innenbremse praktisch das Gaspedal ist und unmittelbar auf meine Impulse reagiert. Das gefällt mir und gibt mir ein einigermaßen sicheres Gefühl. Meine Außenhand ist dabei die ganze Zeit ganz oben und erst als ich mich dazu entscheide, dass es jetzt gut ist, so nach bald 10 Umdrehungen, ziehe ich außen leicht an und merke sofort, dass mein Schirm die Spirale verlassen will. Dummerweise verpasse ich erneut den Punkt, an dem ich nachdrücken sollte, d.h. die Innenbremse müsste nachgezogen werden, um den Schirm daran zu hindern, zu schnell die Rotation zu verlassen und steige erneut so, dass mir fast Angst wird. Aber da ist Eki schon da, der mich im Gegensatz zu manch anderem Fluglehrer während meiner Ausbildung zu keiner Zeit aus den Augen verloren hat und mir klare Anweisungen gibt, einfach nichts zu tun, Hände hoch, oben lassen, warten bis das System sich beruhigt hat und nur beim Vorschießen einzugreifen, was aber nicht passiert. Einfach nur geil. Natürlich habe ich noch viel Arbeit vor mir, bis dieses fürs Thermikfliegen wichtige Manöver einigermaßen von mir beherrscht wird, insbesondere das Timing beim Ausleiten ist echt grottig, doch ich habe die nötige Sicherheit bekommen, dass ich mein Karussell nicht sich selbst überlassen muss. Und das Beste: Egal, was passiert und was vielleicht alles nicht passt, Eki schließt stets mit einem Wort des Lobes und der Anerkennung. Vordergründig eine Kleinigkeit, doch es sind die wichtigsten Worte bei jedem Flug. Das hast du gut gemacht, das war super, das hast du perfekt geflogen. Alles andere wird später im Schulungsraum besprochen und braucht in der aktuellen Situation keinen Platz. 

Nach meiner Landung sind sofort zwei Leute da, die meinen Schnellpacksack aus meinem Gurtzeug ziehen, ihn aufhalten und ich sofort meine Tulpe hineinstopfen kann. Eigentlich mag ich auf Astrid warten, die leider nicht direkt hinter mir gestartet ist, weswegen sich ihre Ankunft verzögert, doch wenn ich gleich einsteige ist der Bus voll und wir können gleich wieder nach oben starten. Ohne Astrid zum nächsten Flug aufzubrechen, fühlt sich komisch an und ist normalerweise nicht unsere Praxis. Gleichzeitig ist mir aber klar, dass es klug ist, nicht lange zu warten, gleich wieder raufzufahren, denn lange werden die Bedingungen zum Starten nicht mehr gut sein. Astrid wird den nächsten Bus erwischen. Ich steige ein und falle eine halbe Stunde später oben wieder raus, gehe ein paar Minuten zum Startplatz, mache mich gleich fertig, esse und trinke noch was bevor das nächste Karussell losgeht. Meine große Sorge war, dass mir kotzübel wird, so wie damals im G-Force-Training und ich das schnelle Drehen nicht aushalte und mich noch im Flug übergeben muss. Ist aber alles nicht so gekommen. Trotzdem ist es klug, nicht mit leerem Magen zu starten. 
Cordula empfängt mich wieder am Startplatz und hilft mir ein wenig mit meinem Schirm, denn ich stehe in etwas buckligem Gelände und beim Versuch, die Kappe ordentlich mit Hilfe des Windes auszulegen, erreiche ich leider das Gegenteil. Just in dem Moment springt auch Astrid hinzu, um zu helfen, denn sie ist, wie erhofft, gleich mit dem nächsten Bus raufgekommen. Mit Cordula bespreche ich kurz vorm Aufziehen, was ich dieses Mal fliegen möchte und ich entscheide, dass ich vor der nächsten Spirale erst meinen Stallpunkt im stationären Geradeausflug ertasten möchte, ein Manöver, das Eki am Herzen liegt, weil er es für wichtig hält und uns entsprechend darauf vorbereitet hat. Cordula gibt mir nochmal die Dinge mit auf den Weg, die dabei wichtig sind. Anschließend möchte ich kurze Spiralen fliegen, um die Ausleitung zu üben. Je nachdem, wie es mit der Höhe ausgeht. Eine super Idee findet Cordula und gibt mir grünes Licht fürs Aufziehen.

Mein Start gelingt, ich bin wieder in der Luft und steuere ziemlich direkt auf meine imaginäre Trainingsbox zu. Es ist deutlich unruhiger als beim ersten Flug. Eine gute Gelegenheit anzuwenden, was wir in den Tagen davor dazu besprochen hatten und von Eki vorgeführt bekamen, um unsere Kappe ruhiger zu bekommen. Ich mache den John Wayne in meinem Gurtzeug, drücke meine Beine fest nach außen ins Gurtzeug, greife oben in die hinteren Tragegurte und lege meine Ellbogen fest gegen die Aufhängekarabiner, bisschen Körperspannung. Zack, Ruhe. Kleine Dinge machen einen großen Unterschied. Dann nochmal alles hängen lassen und darüber nachdenken, was ich in wenigen Minuten fliegen will, Konzentration, Zeit nutzen, Griff zum Rettungsgerät. 
Stallpunkt ertasten, d.h. den Moment herbeiführen, ab dem ein vollständiger Strömungsabriss die Folge ist, wenn Frau falsch reagiert, hatte ich so gar nicht auf dem Radar, doch ich möchte wissen, wie sich der Punkt anfühlt, bei dem die Steuerleinen plötzlich in Butter tauchen. Bei Ankunft in meiner Trainingsbox melde ich mich über Funk bei Eki an, teile ihm mit, was ich fliegen will und dann geht’s auch schon los. Nach der Freigabe ziehe ich konsequent mit einem halben Schlag in den Steuerleinen jene zügig nach unten, 21, 22, 23, ich wundere mich, wie weit ich ziehen bzw. dann drücken muss, bis irgendetwas passiert. In dem Bruchteil einer Sekunde, als ich merke, der Druck lässt nach, schießen meine Hände bereits nach oben. Es ist nicht wirklich was passiert. Eki möchte genau deswegen, dass ich das nochmal mache. Als die Kappe sich beruhigt hat, kommt der nächste Versuch, 21, 22, 23, ich habe etwas fester durchgedrückt und nun ist die Reaktion sehr deutlich, meine Hände gehen sofort ganz nach oben bis über die Leinenschlösser, mein Schirm zuckt, fällt kurz ein wenig zusammen, kommt über einen kurzen Sackflug wieder in eine stabile Lage, während ich zunächst nach vorne pendele und mich dann die Kappe über mir überholt als sie Geschwindigkeit aufnimmt. Nichts tun, Hände oben lassen, warten, warten, System fliegt wieder. Ein bisschen gefährlich aber sehr eindrücklich. Ich fliege das noch einmal erfolgreich und dann folgen zwei kurze Spiralen, wie ich Eki angekündigt hatte, um deren Ausleitung zu üben. Nun ja, beim ersten Mal verpasse ich wieder den Zeitpunkt zum Nachdrücken, steige dadurch stark und pendele aus dem Manöver, bei der zweiten, die ich anders herum fliege, gelingt es etwas besser, doch ich verlasse dabei meine Achse in Richtung Landeplatz. Gibt also noch viel Luft nach oben, bis das einigermaßen passt. Die Funke knackt „flieg so, dass du in Richtung Landeplatz rauskommst, war superschön“. Ich gehe landen. 

Die Landung ist etwas speziell, denn mir geht der Platz aus und es gibt nur eine ziemlich kleine Ausweichmöglichkeit, die zwischen Straßenschildern hindurch auf ein kleines Stück Wiese führt, an die unmittelbar der hochwasserführende Bach angrenzt. Der Nordwind ist nicht sehr ausgeprägt und so bin ich schlicht zu hoch eingeflogen. Ging aber gut, die kleine Wiese war meine, wenngleich es sich um eine einzige große Pfütze handelte und danach mein Zeug komplett nass war. Erneut sind sofort Menschen zur Stelle, um mir beim Einpacken zu helfen, denn es soll sofort wieder rauf gehen, wobei jetzt bereits nicht mehr klar ist, ob wir überhaupt nochmal starten können, aber das weiß Frau erst, wenn sie auf der Startwiese steht. Astrid kommt zu lange nach mir erst rausgeflogen, weswegen warten auf sie keine Option ist. Schnell noch ne Semmel aus dem Gurtzeug gefummelt und los.
Witzigerweise, so lerne ich später, passiert Astrid beim Landen genau das gleiche. Geht gut aus, doch auch ihr Zeug ist volle Kanne nass.
Ich sitze erneut im Bus nach oben, dieses Mal in der letzten Reihe, unterhalte mich mit Andi, einem supernetten Piloten und merke leider nicht, wir mir Übel wird, bis es fast zu spät ist. Die ganze Zeit achtete ich bei den Auffahrten darauf, immer schön nach vorne zu schauen, doch jetzt ging das irgendwie unter. Blöd. Die letzten Kurven bis zum höchsten Punkt kämpfe ich ein wenig, doch ich bekomme es hin, dass nix passiert. Die frische Luft beim Aussteigen tut gut und es geht relativ schnell wieder, wenngleich ich überlegen muss, ob Spirale fliegen in dem Zustand eine clevere Idee ist. Für den wahrscheinlich letzten Flug heute nahm ich mir jedoch keine krassen Sachen mehr vor, denn ich möchte das sensationell gute Gefühl, dass sich eingestellt hat, bewahren und damit den Kurs enorm positiv in mir aufbewahren. Kommt aber alles anders. Kaum bekomme ich von einer Teilnehmenden meinen Schnellpacksack in die Hand gedrückt, kommt Cordula schon vom Startplatz mit samt ihren Sachen zurück und verkündet, dass Starten jetzt nicht mehr gut ist, weil die Böen zu stark werden und insgesamt die Luft unruhig geworden ist. Damit ist die Frage, was ich noch fliegen möchte, beantwortet. Ziemlich zeitgleich bekomme ich eine Kurznachricht von Astrid, die bereits im Café am Campingplatz sitzt, dass bei ihr alles gut ist.

Fürs Runterfahren muss ich unbedingt vorne sitzen, sonst könnte es mit der Übelkeit echt ernst werden und weil es noch ein paar andere Kandidatinnen gibt, sitzen wir zu viert vorne, die Stimmung ist trotz des Abbruchs super, wir unterhalten uns auf der ganzen Fahrt, während ich schön nach vorne schaue. Wir sind uns einig, dass es die beste Idee des Tages von Astrid gewesen ist, heute bei Sonnenaufgang oben zu sein, sonst wäre der zweite Flug schon nicht mehr ausgegangen. Tipptopp. Eigentlich wäre der Kurs am letzten Tag nur bis 12 Uhr mittags gegangen, doch unter diesen Umständen haben Cordula und Eki auf unbestimmte Zeit verlängert. Im Schulungsraum angekommen, wird jeder Einzelne Flug nochmal mit Engelsgeduld unter die Lupe genommen und bis ins Detail besprochen und ich sehe zum ersten Mal, was manch Teilnehmer:in geflogen ist. Mir bleibt fast die Luft weg. Ein beinahe Retterabgang war auch dabei, wie Pilot Moritz erklärt, als er dran ist. Ich weiß gar nicht mehr, was er eigentlich fliegen wollte, hat dabei jedoch völlig die Kontrolle verloren und wenn sein Schirm sich innerhalb einer halben Sekunde nicht doch fürs Fliegen entschieden hätte, wäre es soweit gewesen. 
Was da wohl noch alles drin gewesen wäre, wenn wir in den Tagen davor hätten fliegen können? Spannende Vorstellung, die auch auf mich selbst zutrifft, denn ich hätte wahrscheinlich nicht ausschließlich die Spirale geübt. Spekulation. Als alle durch sind, geht’s in die Abschlussrunde. Eki macht den Anfang und ich merke, dass es ihm nicht leicht fällt. Natürlich hätte es ihn gefreut, wenn wir mehr hätten fliegen können, doch da war noch etwas anderes. Er rückt mit der Sprache heraus, dass dieses Sicherheitstraining das letzte war, dass er als Chef der Flugschule Achensee durchführt. Deswegen fand es auch trotz der miserabelsten Prognosen statt und er hat wirklich alles aus sich herausgeholt damit es gut wird. Und by the way es war sensationell. Es wäre Zeit, dass alles in neue, jüngere Hände käme, er jedoch schon noch Trainings machen wird, aber eben nicht mehr als Chef und eher so nach seinen Vorstellungen. Mit der Pilot:innenbrille betrachtet haben Astrid und ich somit an einem historischen Ereignis teilgenommen, denn Eki ist eine absolute Instanz in Fliegendenkreisen. Ich bin sehr, sehr froh, das erlebt haben zu dürfen. Die Runde geht weiter. Die meisten Dinge, die ich zur Sprache bringen wollte, sind gesagt, als ich an der Reihe bin. Doch eines ist noch offen, dass ich gerne allen mit auf den Weg geben möchte: Ich wurde behandelt, wie ein ganz normaler Mensch. Niemand hat in den 5 Tagen auch nur ansatzsweise irgendein Thema mit meiner Transidentität gehabt und ihr könnt mir glauben, ich merke so etwas sehr schnell, weil Transidentität ein ziemlich guter Arschlochfilter ist. Aber es hat einfach keine Rolle gespielt. Das ist das beste Ergebnis, das ich erzielen kann und das gelingt nur mit in diesen Dingen völlig gechillten Menschen. Ungewöhnlich bei einer so großen Gruppe und ich bedanke mich bei allen dafür, denn das ist bei Weitem nicht selbstverständlich, wie ich fast täglich erlebe. Als Astrid an der Reihe ist und davon berichtet, wie sehr Eki und Cordula sie in ihrer Seele berührten, kämpfen wir beide ein wenig mit den Tränen, denn das ist wirklich so. Danke, dass es solche Menschen gibt. 
Der ultimative Lacher am Schluß als Carla die Runde beschließt: Mit einem Zweileiner kann Frau keinen B-Stall fliegen.

Ein ganz besonderer Dank geht natürlich auch an unsere Shuttlebunnies Flo und Dirk, denen kein Zirkus zu viel war und die wirklich reichlich zu tun hatten mit den immer übervollen Bussen auf dem abenteuerlichen Weg zum Startplatz. Ich glaube, wir werden mit beiden weiterhin zu tun haben, denn Flo wohnt in der Nähe von Marktoberdorf, was ja quasi zum gemeinsamen Fliegen einlädt und Dirk hat, wie ich lerne, seit vielen Jahren als Bergführer eine eigene Bergschule in Bolsterlang. Ich sage nur, Rubihorn Nordwand und es muss sehr, sehr kalt sein. 

Nach nun 4 selbst beidseitig geflogenen Spiralen habe ich für mich die Sicherheit gewonnen, dass ich das allein über Grund üben kann. Eki stimmte dem zu und gab zusätzlich den Tipp, vorher abhängig von der Höhe festzulegen, wie viele Umdrehungen es werden sollen, so dass ein ungewolltes Runterdrehen bis in Bodennähe nicht passieren kann. Und natürlich sollte ich nicht zu dynamisch an die Sache rangehen, sondern eher ein wenig defensiv fliegen. Dann wird das gut.

Als ich mit Zweifel ins Auto gestiegen bin und wir dem Dauerregen gen Süden entgegenfuhren, hätte ich im Leben nicht gedacht, was bei diesen 5 Tagen rauskommt. So viel gelernt und mitgenommen, so wahnsinnig coole Menschen kennengelernt, so viel auch über mich selbst gelernt. Tiefe Dankbarkeit, dass wir das einfach tun dürfen. Manchmal geht das in der Hektik und meinem Pessimismus unter, doch es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein. Wir haben ein Dach überm Kopf, genug zu essen, müssen nicht frieren, niemand schießt auf uns und wenn uns danach ist, dürfen wir fliegen, wie die Vögel.

Hinweis: Die meisten Bilder und Videos im Beitrag wurden von der Flugschule Achensee zur Verfügung gestellt und stammen nicht von mir.

Kleiner Nachtrag: Astrid und ich haben inzwischen unsere Retter selbst gepackt und nach einem erfolgreichen und störungsfreien Auslösetest die Sicherheit, dass wir das richtig und gut gemacht haben. Die Dokumentation des regelmäßigen Lüftens und Packens kann auf der Herstellerseite nach Registrierung erledigt werden. Wieder einen Schritt weiter.

Sicherheitstraining mit der Flugschule Achensee am Idrosee, 28.10.-01.11.2023

Kleine Geschichte zu unserem ersten Sicherheitstraining mit dem Gleitschirm. Obwohl es mehr oder weniger durchregnete und nur sehr wenige Möglichkeiten zum Fliegen blieben, so waren die Tage doch voller neuer Erfahrungen, voller neuer toller Menschen und voller grenzenlosem Optimismus, dass sich doch noch was ausgeht. Auch wenn wir wenig geflogen sind, so haben wir trotzdem enorm viel mitgenommen und es hat sich wirklich gelohnt, trotz der schlechten Prognosen an diesem Training teilgenommen zu haben.
Hinweis: Die meisten Bilder und Videos im Beitrag wurden von der Flugschule Achensee zur Verfügung gestellt und stammen nicht von mir.

Vera lernten wir beim Frauenfliegenfest in Lenk vergangenen Herbst kennen. Dass sie auch im Nova Testpiloten-Team ist, war mir gar nicht bewusst und ich habe erstmal gar nicht verstanden, warum sie so viel mit der Organisation der Veranstaltung zu tun hat. Tut der Sache aber keinen Abbruch, dass ich mich sehr über ihre Nachricht freute, dass dieses Testival stattfindet, denn das bedeutete gleichzeitig, wir werden Vera wiedersehen. Es gibt außer dem Fliegen noch ein paar mehr Parallelen zwischen uns, wie z.B. das Bergsteigen, und es steht nach wie vor im Raum, dass wir da was zusammen unternehmen wollen. Vielleicht sogar in Kombination mit dem Fliegen. Das wär‘ echt ein Ding.
Aber von vorne. 
Nachdem wir innerhalb von Minuten entschieden hatten, dass wir an dieser Veranstaltung teilnehmen wollen, ging unmittelbar anschließend die Suche nach einer passenden Unterkunft los, denn wir werden da ja nicht alleine sein, first come first serve, und wir begannen mit dem Hotel direkt am Landeplatz. Es dauerte nicht lange bis wir uns wunderten, dass so gar nichts verfügbar ist, weder in besagtem Hotel, noch Ferienwohnungen, die wir sonst bevorzugt nehmen, noch irgendetwas anderes. Selbst der direkte Kontakt mit der Touristinfo änderte daran nichts, doch dort lernten wir, warum das so ist. Ein scheinbar sehr attraktives Radrennen soll zum gleichen Zeitraum im Gsieser Tal stattfinden, was dafür sorgte, dass das gesamte Tal ausgebucht ist. Blöd. Weiter draußen suchen ist nicht sexy, denn jeden Tag ewig weit ins Tal hinter fahren zu müssen, schied für uns aus. Das ist umständlich und raubt kostbare Zeit. Wir geben die Info bezüglich des Radrennens an Vera weiter, denn das gleiche Problem, wie wir, werden andere auch haben.
Kurze Zeit später wird die Veröffentlichung der Veranstaltung geändert, statt ins Gsieser Tal geht’s nun zur Plose, einem feinen Berg und dem gleichnamigen Fluggebiet unmittelbar östlich von Brixen. 
Hier werden wir relativ schnell fündig, es wird eine nette kleine FeWo Luftlinie vielleicht 200m vom Landeplatz entfernt, allerdings ohne direkte Verbindung dorthin, da der Hang dazwischen zu steil ist. Macht nix. Ich freue mich drauf, wenngleich das bei diesen Veranstaltungen immer so eine Sache ist. A) weiß Frau nicht, welche Sorten Menschen bei sowas teilnehmen und B) wie viele es werden. In unseren Ausbildungswochen zur A-Lizenz haben wir da sehr häufig ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht, doch es gibt einen Unterschied: Wenn’s nicht passt, müssen wir unsere Zeit nicht dort verbringen. Ganz einfach. Ein offener Punkt an so einem festen Termin ist immer auch das Wetter. Wie wir später lernen, ist das schon ein paar Mal vorgekommen, dass abgesagt werden musste, da nicht fliegbar. Wir bleiben optimistisch. Es wird gut.
In der Woche vorher kommt die Meldung von Vera, dass die Veranstaltung stattfindet, was unsere eigene Einschätzung bestätigt, denn all unsere Quellen, insbesondere die BurnAir-App, sagen, dass mindestens freitags und samstags Flugwetter in Südtirol ist. Sonntag muss frau sehen. Yippiieeehhhh… es geht zum Hike&Fly-Testival.

Donnerstags nach der Arbeit starten wir. Unser Vermieter ist informiert, dass es später werden könnte bis wir aufschlagen, was von seiner Seite jedoch kein Thema ist. Wir sollen uns einfach melden, wenn wir die Abfahrt Brixen runter sind, dann ist er pünktlich für die Übergabe an der Wohnung. Es geht die für uns häufig genutzte Route runter über Scharnitz, Seefeld, Zirler Berg, dann auf die Autobahn und den Abzweig zum Brenner hinauf. Weit ist es eigentlich nicht, doch ein großer Teil der Fahrt führt über Land und braucht etwas Zeit. Wir hüpfen über den Brennerpass, im Nu ist die Mautstelle Sterzing da und dann ist Brixen nur noch einen Katzensprung entfernt. Auf der Abfahrt meldet sich Astrid beim Vermieter, der sich total nett anhört. Unser Ziel liegt am nördlichen Ortsrand von St. Andrä am Hang östlich von Brixen, wo wir nach etlichen Kehren etwa 20 Minuten später eintreffen und vom Vermieter super freundlich empfangen werden. Er ist von einem Fest im Dorf schnell rüber gekommen, macht den Papierkram mit uns fertig, zeigt uns die Wohnung und meint, dass wir so ziemlich alles im und am Haus mitbenutzen dürfen, von den Liegestühlen bis zum Pool und dem Bierkühlschrank im Keller. Er gibt uns noch die Info, dass von der Wohnung aus ein Pfad zur Talstation der Seilbahn führt und wir nicht über den etwas umständlichen Weg über die Straßen gehen müssten, sofern wir zu Fuß gehen wollen. Wir tüten noch einen Brötchenservice für die nächsten beiden Tage ein und sind ab da glücklich darüber, ins Bettchen fallen zu dürfen. Der Treffpunkt und die Uhrzeit für den nächsten Morgen sind bereits durchgegeben worden, trödeln is nich. 

Am nächsten Morgen steht pünktlich eine Tüte mit Semmeln auf der Terrasse. Hat schonmal funktioniert. Sehr fein. Wir sind früh dran, denn bevor wir zur Talstation aufbrechen, wollen wir uns den Landeplatz erst noch anschauen, so, wie wir das in unserer Ausbildung gelernt haben. Ob wir dort vor dem Starten nochmal vorbeikommen, wissen wir nicht, und so gibt es für uns keine Alternative, um herauszufinden, wo genau er ist, wie er aus der Luft erkannt werden kann und welche Landeregeln und etwaige andere Besonderheiten eventuell gelten. Dass es dort praktisch keine Parkplätze gibt, haben wir bereits herausgefunden und nehmen an, dass wir unser Auto später zu Fuß zurückholen müssen. Bis dahin gehen wir nämlich davon aus, dass wir auf dem offiziellen Landeplatz, den uns auch BurnAir nennt, landen werden. Bisschen sehr hügelig, schmal und nicht besonders lang für meinen Geschmack mit ein paar Bäumen und einem Stück Oberleitung ausgestattet. Mmhhh… taugt mir jetzt nicht so, doch wird schon gehen. Die Straße macht eine ganz markante Kurve, die aus der Luft gut zu sehen sein wird und als Orientierung dient. Gerade als wir uns wieder ins Auto setzen wollen, um zur Talstation aufzubrechen, kommt ein Bauer mit einem kleinen Frontlader mit großem Rundballen darauf ums Eck, biegt quasi in den Landeplatz ein, an den ein kleines Lager für seine Ballen angrenzt und winkt mich zu sich. Wenn wir zum Testival gehören, sollen wir ihm gleich hinterherfahren, wenn er seinen Ballen abgeladen hat, wir würden woanders landen. Er hätte da was vorbereitet und er hieße übrigens Joe. Joe ist nicht nur Bauer, er fliegt auch seit über 30 Jahren Gäste mit seinem Tandem. Witzig. Im Schneckentempo krabbeln wir hinter ihm her ein Stück zurück ins Dorf, biegen in eine kleine Häuseransammlung mit großem Hof ein, nehmen einen kleinen Stich zwischen den Häusern hoch und stehen auf einer riesengroßen, frisch gemähten ebenen Wiese ohne jegliche Hindernisse etwas nördlich der Kirche im Dorf und aus der Luft wohl kaum zu verfehlen, denn sie leuchtet regelrecht. Ja, er hätte extra gestern gemäht, schafft jetzt bloß noch die Ballen weg und dann gehöre der ganze Platz uns. Wohnmobil und Zelten sind erlaubt. Ein paar Bierbänke stehen auch schon da und ein riesiger Windsack zeigt die Landerichtung an. In D oder Ö völlig undenkbar. Ein Bauer gibt freiwillig seine Wiese für 3 Tage her, damit’s die Pilot:innen a bisserl einfacher haben. Und total nett ist Joe auch noch. Er würde später auch noch zum Fliegen gehen. Ich bin beeindruckt.

Dann ist Landen ja geklärt. Auf zur Talstation der Plose-Seilbahn, wo wir die weiteren Teilnehmenden treffen werden und hoffentlich auch Vera. Am Parkplatz angekommen, sind die ersten fliegenden Menschen nicht zu verfehlen mit ihren riesigen Schneckenhäusern an Rucksäcken, doch es sind gar nicht so viele, wie ich befürchtete. In dem Moment, wo wir den Motor abstellen, kommt Vera auch schon vorgefahren und kurz darauf biegt Toni Bender auf den Parkplatz ein. Er hat den Bus voller Testschirme, die die Teilnehmenden vorab für Testflüge bestellten. Falls das jemand der Lesenden noch nicht gesehen hat, Toni war einer der ersten, wenn nicht gar der erste, der die Alpen mit dem Gleitschirm überquerte, worüber es sogar einen Film gibt: Glücklicher Ikarus. Sehenswert, wie ich finde.
Wir begrüßen Vera, ein Jahr haben wir uns nicht gesehen und es gibt ein bisschen was zu besprechen, denn wir wollen zusammen auf Bergtour gehen, doch das ist was für den Abend in der Pizzeria. An diesem Morgen hat sie genug andere Dinge zu erledigen. Die Schirme müssen ausgegeben werden, die Möglichkeiten für den heutigen Tag werden besprochen. Es wurde sogar ein einheimischer Pilot aus dem ortsansässigen Verein gewonnen, der ein wenig den Guide heute macht und der natürlich auch Vorschläge unterbreitet. Am Ende entscheiden sich alle dafür, auf den höchsten Punkt der Plose zu steigen, um nahe der dort befindlichen Berghütte, der Plosehütte auf fast 2500m, zu starten. Und ebenso alle entscheiden sich dazu, nicht direkt die Seilbahn zu nehmen, sondern mit dem öffentlichen Bus, der unmittelbar an diesem Parkplatz startet, bis zum sogenannten Palmschloss zu fahren, von wo aus der Aufstieg etwa 850 Höhenmeter beträgt. 
Und so bildet sich eine ganze Traube mit Menschen mit merkwürdigem Gepäck an der Bushaltestelle. Ein kleiner Albtraum für den Busfahrer. Wegen der Übernachtungen im Ort haben Astrid und ich die Fahrt mit dem Bus frei, lieb finde ich aber, dass die Fahrt eh nur 1,20€ kostet, obwohl sie gar nicht so kurz ist. Es dauert eine Weile, bis die etwa 25 Pilot:innen zwischen den anderen Touristen ein Plätzchen im Bus gefunden haben und dann geht die Fahrt los. Unsere Rucksäcke mit dem Flugzeug drin sind auffallend klein im Gegensatz zu allen anderen, worüber ich grad nicht traurig bin. Seit wir auf Leichtgurtzeuge umgestiegen sind und sogar mein größerer Flügel in einen normalen Hochtourenruckrack zusammen mit allem anderen passt, sind wir immer wieder mal auf staunende Augen gestoßen, wenn aus dem kleinen Sackerl plötzlich was zum Fliegen rauskommt. Zumindest bei warmen Temperaturen, geht diese Rechnung auf, wenn nicht zu viel Kleidung zusätzlich eingepackt werden muss.
Wir hatten tatsächlich überlegt, ob wir bei diesem Testival auch mal einen anderen Schirm fliegen wollen, denn es böte sich z.B. die Gelegenheit, einen aus der nächsthöheren Klasse Probe zu fliegen. Der wiegt allerdings in meiner Gewichtsklasse fast das doppelte wie mein Pi3. Und so war ich gleich fertig mit Probefliegen. Klar, ist das ein völlig anderes Ding, dass nicht einfach nur fürs Runterfliegen gemacht ist und wahrscheinlich besser gleitet, doch ich vermisse nichts an meinem jetzigen Modell bei meinem Könnensstand. Damit sind Astrid und ich zwar die Exoten bei dieser Veranstaltung, weil alle anderen natürlich Nova fliegen, aber das ist ja keine Voraussetzung für die Teilnahme und es stört sich auch niemand dran. 

Haltestelle Palmschloss. Der bunte Fliegezirkus steigt aus dem Bus aus. Unser ganz lieber Guide für heute, Klaus, ist mit dabei und geht voran, damit alle den richtigen Einstieg in den Anstieg finden. Es ist ein schöner Tag fürs zu Fuß gehen, nicht zu heiß, nicht zu kalt, der Hochtourenrucksack mit dem Flugzeug drin ist um einiges leichter als auf Hochtour, weil das Zeug zwar Volumen hat, aber vergleichsweise wenig Gewicht im Gegensatz zu Seil, Steigeisen, Pickel und Klettermetall. Astrid und ich drängen uns nicht nach vorne, sondern schlendern gemütlich ganz am Ende hinterher, es ist kein Wettrennen und im Moment ist’s noch ziemlich bewölkt weiter oben. Mit dem einen oder der anderen kommen wir ein wenig ins Gespräch, bald bildet sich eine Gruppe heraus, die etwas schneller rauf will und davonzieht. Wir bleiben, wo wir sind, es gibt keinen Grund, sich zu beeilen und es kommen noch zwei Tage, an denen wir höchstwahrscheinlich ebenfalls zu Fuß raufgehen werden. An der Bergstation der Plose-Seilbahn pausieren wir kurz, schnacken mit Ingo, einem Piloten aus Berlin, bevor es weiter bergan hinauf zur Plosehütte geht. Unterwegs machen wir Bekanntschaft mit Harald, Martin, Matthias und Lena, eine der sehr wenigen Frauen in der Gruppe. Es zieht sich etwas, an der Bergstation der Plosebahn hatten wir nicht mal die Hälfte der Höhenmeter, doch Astrid und ich sind zwar nicht die Schnellsten, aber durch die vielen Hochtouren mit deutlich mehr Höhenmetern gut im Training. Gegen Mittag schlagen wir an der Hütte auf, um die herum immer wieder ausgedehnte Wolkenfelder ziehen, was einen sofortigen Start verhindert. Die schnelle Gruppe sah das auch so, denn die haben sich bereits einen großen Tisch auf der Terrasse geschnappt, Essen und Trinken bestellt und sich für das berühmte Parawaiting eingerichtet. 
Solange keine Sicht in Flugrichtung gegeben ist, um sicher über alle Seilbahnen zu kommen, bleiben wir, wo wir sind, legen uns trocken, bestellen Kaffee/Cappuccino, schnacken mit Hajo aus dem Ländle, lassen uns von unserem local Guide Klaus erklären, wo wir in welche Richtung starten, wo mit Thermik oder Aufwind gerechnet werden kann und dass es kein Problem ist, über die Bergstation der Plosebahn zu kommen, denn der Landeplatz ist auf der anderen Seite des Berges. Mit dem letzten Schluck Kaffee reißen die Wolken auseinander, der Wind passt einigermaßen, die ganze Gruppe wechselt schlagartig in den Fliegen-wollen-Modus und macht sich auf zum Startplatz. Sehr witzig finde ich, dass sich genau zu dem Zeitpunkt weiter unten plötzlich ein blauer Schirm in der Luft befindet, der wohl in der Nähe der Bergstation gestartet sein muss. Toni Bender. An ihm sind wir vorbeigeschlappt, um zur Plosehütte zu kommen, er hat derweil die Bahn rauf genommen, geht aber nicht gerne zu Fuß. Also ist er dort gestartet, wo wir ihn getroffen hatten. Am Ende des Tages ist es so, dass er derjenige aus der Gruppe ist, der mit viel Abstand am längsten in der Luft blieb, sogar bis zur Plosehütte aufdrehte, dort Top landete und erst sehr spät zum Landeplatz kam und das bei Bedingungen, bei denen fast allen anderen mehr oder weniger „nur“ runterfliegen übrig blieb.
Astrid und ich halten uns am Startplatz erneut im Hintergrund, denn die meisten anderen, das spüre ich deutlich, sind im Flugfieber und wollen endlich raus. Solche Menschen im Nacken zu haben, stresst mich beim Starten. Als fast alle bereits in der Luft sind, zieht Astrid auf, danach mache ich mich auf den Weg. Wie bei anderen bereits beobachtet, geht’s direkt nach dem Abheben ein Stück nach oben, weil es unmittelbar in Startrichtung einige thermische Ablösungen gibt, die von einigen auch ganz gut genutzt werden können. Mir gelingt das noch nicht so gut, besonders, wenn sie klein sind. Bis ich bemerke, was los ist, und mir dann überlege, wie ich drinbleiben kann, falle ich bereits hinten raus. Da braucht’s einfach noch ein bisschen mehr Gespür und Flugerfahrung. Für den Moment bin ich erstmal zufrieden, dass mein Start geklappt hat, denn der Wind war dann doch nicht mehr so optimal, wechselte immer wieder Richtung und Stärke, was meine Startkompetenz einigermaßen forderte. Ab nun liegt mein Augenmerk darauf, dass ich die Bergseite vernünftig wechsele, denn ich bin noch nicht entspannt, wenn Start- und Landeplatz so weit auseinanderliegen und ich möchte auf keinen Fall das Risiko eingehen, den Landeplatz nicht zu erreichen. Ausweichmöglichkeiten gibt es für mich zumindest keine also mache ich keine Experimente. Ich fliege den Grat entlang in Richtung Bergstation der Seilbahn, wo ich den Hüpfer auf die andere Seite machen mag. Auf dem Weg gibt’s einmal ordentlich Aufwind, der aber so krass ist und die Kiste richtig zum Schaukeln bringt, dass ich beschließe, dass ich das nicht möchte und ihm aus dem Weg gehe. Wie Klaus gesagt hat, reicht die Höhe ganz entspannt, um über die Seilbahn zu kommen, ich bin auf der Landeplatzseite des Berges und kann nach ganz kurzer Orientierung diesen auch erkennen. Ab jetzt bin ich etwas entspannter und beginne den Flug zu genießen. Der wird jetzt zwar nicht so lang werden, weil der Hangwind auf dieser Seite nicht so ausgeprägt ist, doch das ist mir völlig Wumpe. Es ist einfach grandios hier zu fliegen. Im Eissack-Tal. Ein erstes Mal. 
Wenige Minuten später beginne ich damit, mir Gedanken über meine Landeeinteilung zu machen, denn die Landung kommt unausweichlich näher. Vorgeschrieben ist hier nix, weil es kein offizieller Landeplatz ist, doch die vorherrschenden Bedingungen geben trotzdem ein paar Grundsätze vor, die ich in meiner Unwissenheit ob dessen Vorhandensein leider verpasse und stur den Ideen folge, die ich mir beim Besichtigen gemacht habe und gegen die aus der Luft betrachtet auch erstmal nichts spricht. Dass das ganz und gar nicht so ist, merke ich kurze Zeit später. Ein Stichwort ist der Talwind, der inzwischen ganz gut bläst. Ich weiß zwar, wo der gerade herkommt, aber ich weiß nicht, was er auf Landeplatzniveau bewirkt. Erster Kardinalfehler: Ich komme zu tief aus meinen bergseitigen Positionskreisen. Das ist mir schon häufiger passiert und macht landen wirklich schwierig. Höhe ist endlich. Nächster Fehler: Statt sofort in den Queranflug zu gehen aus Angst die verbleibende Länge der Wiese würde mir nicht reichen, fliege ich mit dem Wind in meinen Gegenanflug. Der Talwind beschleunigt mich auf rund 50km/h und als ich bemerke, dass ich schlagartig weiter an Höhe verliere, ist es bereits zu spät, über eine 180° Kurve direkt in den Endanflug gegen den Talwind zu gehen. Beim Einbiegen 90° in meinen Queranflug schlage ich auf der frisch gemähten Wiese nahezu ungebremst auf. Bongs. Aua. Blöd. Wenigstens hat sich nur meine Seele bei der Aktion weh getan. Der Protektor an meinem Leichtgurtzeug hat seine Arbeit gut getan, das Dyneema-weiße Gurtzeug ist jetzt allerdings grün. 
Immerhin ist mir bewusst, was ich alles hätte anders machen müssen und die Beobachtung der anderen Pilot:innen bei ihren Landungen zeigt mir, wie es richtig oder zumindest deutlich besser geht, denn eigentlich ist Landen bei einem laminaren Talwind von etwa 15-20km/h eine wirklich äußerst softe Sache. Wenn Frau sich nicht doof anstellt. Astrid kommt entsprechend gut runter und nutzt diesen Umstand.
Landeplatz. Joe hat weitere Bänke aufgestellt, nach und nach trudeln alle ein, unser Guide Klaus schafft eine Kiste Landebier herbei, Astrid und ich lauschen in der fantastischen Sonne den sehr lehrreichen Gesprächen, lernen weiter neue Menschen kennen. Ein Traum. Unter anderem lerne ich, dass hier eine bergseitige Landevolte nicht geflogen werden sollte, sondern man hält sich genau auf der anderen Seite. Da müsse man zwar mit thermischen Ablösungen rechnen, doch es ist mehr Platz für neue Entscheidungen. Merken. Und Abachtern plus in die Landefläche reindriften statt Landevolte ist bei dem Talwind abgesehen davon eh die bessere Wahl. Astrid und ich beschließen, dass wir heute nicht nochmal fliegen wollen. Wir müssen uns noch was zu futtern besorgen und als sich die Runde am Landeplatz langsam beginnt aufzulösen, gehen wir zu Fuß los zurück zur Talstation, wo das Auto steht, kaufen unterwegs im kleinen Laden im Ort noch was ein und machen es uns in der FeWo gemütlich. Treffpunkt am nächsten Morgen um 8 Uhr soll wieder die Talstation der Seilbahn sein.

Unser Brötchenservice versorgt uns am nächsten Tag wieder pünktlich und weil wir den Landeplatz nicht nochmal besichtigen müssen, bleibt ein kleines Bisschen mehr Zeit fürs gemütliche Frühstück bevor wir uns auf den Weg machen. Es sind heute ein paar mehr Menschen da, aber immer noch moderat. Toni und Vera geben wieder Leihschirme aus. Astrid und ich bleiben bei unserer Entscheidung, weiterhin mit den eigenen Schirmen fliegen zu wollen. Für heute stehen uns Stefan und sein Sohn als einheimische Flieger des örtlichen Vereins zur Verfügung, auch ein ganz liebe Menschen. Die Idee heute lautet, wir steigen auf der gegenüberliegenden Talseite des Eisack auf die Königsangerspitze und fliegen von dort mittels Talsprung zurück nach St. Andrä.
Ui. Das ist weit, denke ich und sofort kommt die Frage, ob Frau das auch mit einem „nicht-streckentauglichen“ Schirm schaffen kann. Die Antwort: Ja, geht entspannt. Mmhh… ich bleibe skeptisch. Start- und Landeplatz liegen etwa 10km auseinander. Ich glaube, die theoretische Gleitzahl meines Pi3 zu kennen, nehme 8 an, ohne es genau zu wissen, was bedeutet, dass es theoretisch möglich ist, mit einem Kilometer Höhe etwa 8km Strecke fliegen zu können, wenn es kein Steigen gibt und keine nennenswerten Irritationen durch andere Phänomene. Also eine relative Höhe von 1000 Höhenmetern genügt nicht, um rüber zu kommen, doch da wir praktisch am Gipfel auf etwas mehr als 2400m starten und der Landeplatz etwas unter 1000m Seehöhe liegt, dürfte es sich gerade so ausgehen. Es sind zwei kleine Shuttlebusse organisiert, so dass wir mit nicht zu vielen PKWs auf die andere Seite fahren müssen. Die Fahrt zieht sich etwas, da wir bis runter nach Brixen, über den Eisack drüber und hinten wieder bis auf knapp 1400m hoch müssen zum Perlunger Hof, an dem wir mit etwa 25 Pilot:innen den Aufstieg starten. Ziel Nummer 1 ist die Radlseehütte auf 2284m, wo eine Einkehr zur Mittagspause möglich ist, bevor es weiter zum Gipfel geht. Für einige Teilnehmende ist diese Tour mit insgesamt etwa 1000 Höhenmetern eine echte Herausforderung, denn nicht wenige sind noch platt vom Aufstieg auf die Plose tags zuvor und/oder schleppen um die 20kg an Gurtzeug, Schirm, Flugelektronik, etc. den Berg rauf oder sind sowieso nicht so die Fußgänger unter den Fliegenden. Dazu scheint schön die Sonne, wenn es nicht gerade durch den Wald geht. So sind die meisten ziemlich froh, an der Radlseehütte erstmal alles abwerfen und sich setzen zu können und ich staune über ein paar Menschen, die sich echt quälen mussten, dass sie durchgehalten haben. Die Aussicht auf einen super Flug motiviert wohl. Unterwegs hat Astrid einem Piloten ein bisschen von seinem Krempel abgenommen und einen ihrer Wanderstöcke weitergereicht, weil gerade mit so viel Gewicht ist was zum Abstützen sehr hilfreich. 
Nach einer ausgedehnten Mittagsrast macht sich unser Grüppchen geschlossen auf den Weiterweg über den über der Hütte gelegenen Grat zum Gipfel, der bereits zu sehen ist und wo für die Veranstaltung reichlich Gipfelfotos mit allen Teilnehmenden geschossen werden. Der aus unserer Perspektive bisher sehr steile, felsige Gipfelaufbau, von ich mich schon fragte, wo genau Frau da starten soll, fällt nach Süden über mehrere etwas flacher geneigte Wiesen ab, so wie unser Guide Stefan das bereits erläuterte. Es gibt reichlich Platz zum Fertigmachen und Auslegen. Auf dem Weg nach oben kam erneut die Frage auf, ab welcher Höhe es spätestens ratsam ist, sich auf den Weg zurück zu machen und Stefan meinte, ab 2000m sei es ganz entspannt. Till, ein Nova Teampilot, warf daraufhin ein, wer den Doubleskin von Nova fliegt, solle sich bereits ab 2200m auf den Rückweg begeben und weil dieses Modell am ehesten mit unseren Pi3 vergleichbar ist, war für mich klar, dass ich quasi direkt nach dem Start gar keine Faxen machen darf, sondern schnurstracks in Richtung Landeplatz abbiegen muss, der vom Startplatz aus nicht zu sehen war. Es gab allerdings mit der Ploseseilbahn und ein paar anderen markanten Punkten genügend Orientierungsmöglichkeiten. Astrid sah das genauso. Die meisten Pilot:innen sind zwar unmittelbar nach dem Start in Thermiken weiter aufgedreht und auch mich hat’s kurz nach dem Start gehoben, doch ich wollte kein Risiko eingehen. Stefan hatte 2-3 Außenlandungsmöglichkeiten weiter unten im Tal genannt, doch auf meinem ersten echten Streckenflug gab es für mich keine Alternative als am richtigen Landeplatz anzukommen. Mit klopfendem Herzen zog ich auf, startete ganz fein, wurde nach dem erwähnten Heber kurz wankelmütig, ob ich nicht doch versuchen soll, weiter hoch zu kommen, aber dann war der Verstand sofort wieder da, der mich daran erinnerte, wie knapp die Kiste werden könnte. Also bog ich wie geplant sofort in Richtung Landeplatz ab. Hinter mir kam Astrid ebenfalls super raus, wurde von der ersten Thermik etwas angehoben, hängte sich dann aber an meine Fersen und als wir am Grat vorbei waren, der uns die Sicht auf die gegenüberliegende Seite versperrte, gab es zumindest darüber keine Zweifel mehr, wo ich hin muss. Orientierung: Check.
Ich fliege von meinem Startberg weg, die relative Höhe zum Boden nimmt zu, leider bemerke ich schnell, dass meine Annahme bezüglich der Gleitfähigkeiten meines Pi3 ziemlich falsch war. Mein Variometer zeigt Werte zwischen 6,3 und maximal 7,5 an, je nach dem, durch welche Windschichten ich so fliege, was wesentlich weniger ist, als ich von wo auch immer bis dahin abgespeichert hatte. Das macht mich nervös, wo sind die Außenlandemöglichkeiten, von denen Stefan erzählte? Ich kann keine der genannten von oben erkennen. Es gibt einen Zustand beim Gleitschirmfliegen, der sich geringstes Sinken nennt. Ihn erreicht Frau durch ganz leichtes, gleichseitiges Anbremsen, was ich sofort versuche, bewusst umzusetzen, das Variometer im Auge behaltend, ob sich an meiner Gleitzahl irgendetwas verändert. Ähm…. Nein, tut es nicht. Den tiefsten Punkt, den ich überfliegen muss, den Eisack, habe ich noch lange nicht erreicht, während ich zusehen muss, wie meine absolute Höhe stetig weiter abnimmt. Erneut halte ich Ausschau nach den alternativen Landemöglichkeiten, um für den schlimmsten Fall Plan B bereit zu haben, finde aber weiterhin nix. Naja, noch ist alles gut. Ich erreiche die Brennerautobahn, überfliege endlich den Fluss an den sich die Stadt Brixen anschließt, über die ich mit mehr als einem Kilometer Höhe drüber fliege. Als ich so das Zentrum überquerte, wusste mein Bauch plötzlich, dass die verbleibende Höhe ganz gut genügen wird, um sicher den geplanten Landeplatz zu erreichen. Wie auch immer er das herausgefunden hat. Ab da konnte ich mich dann tatsächlich etwas entspannen und schön den Kurs haltend auch mal um mich herumschauen, in was für einer wahnsinns Umgebung ich gerade unterwegs bin. Geradeaus über den Landeplatz hinweg, wie gestern, die Dolomiten mit Pleitlerkofel, den Geißlerspitzen, dem Langkofel, nach Norden gab’s einen etwas diesigen Blick auf den Alpenhauptkamm, von dem die Brennerstraße herunterzog, in Richtung Süden konnte Frau den Gardasee erahnen. Dazu die Erkenntnis, dass ich meinen ersten echten Talsprung mit der Plastiktüte über mir schaffen werde. Das ist abgefahren. Eine neue persönliche Maximalhöhe über Grund wurde es zwar nicht, doch ich werde mich ab jetzt jedes Mal spätestens dann daran erinnern, wenn ich auf der Brennerautobahn unterwegs bin. Da bin ich schonmal drüber geflogen. 
Der Boden unter mir kommt schon bald näher, ich erreiche die Ortsgrenzen von St. Andrä. Ich hatte gehofft, dass dort noch ein wenig Hangwindfliegen gehen könnte, doch das war leider nicht so und damit war klar, dass ich unmittelbar landen gehen muss. Quatschi schaltet sich ein: Denk an deine Erfahrungen von gestern, gibt es Talwind, wie stark ist er und wenn du es nicht weißt, finde es heraus, indem du mal mit und mal gegen den Wind fliegst und aufpasst, wann du schneller bis. Alles klar. Hab‘ ich. So, jetzt, aufgepasst, ich erinnere mich an gestern, Landevolte ist keine gute Idee, der Talwind weht mit mindestens 15km/h aus Süd. Ich bin noch hoch genug, um über den Bäumen am Nordrand des Landeplatzes eine Acht zu fliegen bevor ich mich in einer weiteren Acht über die Wiese bringe und relativ schnell in den Endanflug übergehe, weil ich noch viel Platz nach vorne hab und deutlich spüre, wie mich der Gegenwind jetzt bremst und ich irgendwann quasi ohne große Vorwärtsfahrt auf den Boden sinke. Es ist etwas thermisch über dem Landeplatz, es hebt mich ein-, zweimal an, Nerven behalten, keine Überreaktionen, einfach mit mehr oder weniger offener Bremse gleiten lassen, damit Spielraum fürs sanfte Abfangen bleibt. Der Moment kommt und ich setze als erste butterweich auf, gehe noch ein, zwei Schritte und lege die Kappe ab. Meine Birne platzt fast vor Glück und ein bisschen Stolz, diese kleine fliegerische Herausforderung geschafft zu haben. Erfahrene Streckenpiloten werden möglicherweise mindestens etwas schmunzeln, doch für mich war das eine Herkulesaufgabe mit reichlich Bauchkribbeln, weil ich nicht bzw. erst sehr spät wusste, wie es enden wird.
Direkt hinter mir kommt Astrid eingeflogen und landet ebenfalls bilderbuchmäßig mit einem Grinsen im Gesicht von einem Ohr zum anderen. Wir fallen uns ganz hibbelig in die Arme und sind uns einig, dass dies einer der krassesten Flüge bisher gewesen ist. Objektiv betrachtet ist nicht viel passiert. Wir sind gestartet, flogen knapp 10km geradeaus und sind gelandet. C’est tout. Aber was das mit uns gemacht hat, ist der absolute Wahnsinn. Für Astrid war es gleichzeitig der Flug mit der größten Höhe bisher über Grund, was schon erwähnenswert ist, wenn Frau mit etwa 1,2 Kilometer Höhe über Brixen fliegt und nichts außer einem superdünnen Dyneemagewebe dazwischen ist. Wir sind jedenfalls völlig geflasht. Und ganz alleine auf dem Landeplatz. Bis der/die nächste zum Landen kommt, vergeht einige Zeit und wir beschließen, dass es genau richtig passt, um ein wenig mit dem Schirm am Boden zu üben, Groundhandling. Insbesondere ist uns über den Sommer die Routine und die Sicherheit fürs Rückwärtsaufziehen Abhanden gekommen, weil wir es nicht brauchten und nicht so wahnsinnig viel geflogen sind. Eine gute Gelegenheit, sie wieder einzufangen. 

Für diesen Samstagabend steht auf dem Programm, dass sich die Teilnehmenden in der Pizzeria direkt an der Talstation der Seilbahn für gemeinsames Essen und Quatschen treffen. Dazwischen entscheiden einige, nachdem sie den Talsprung geschafft hatten (bis auf einen, der sogar noch auf der anderen Seite landen „musste“), nochmal mit der Bahn zur Plose raufzufahren, um noch einen Flug heute zu machen. Darunter waren leider auch Leute, die ihr Auto noch auf der anderen Seite stehen hatten, wo heute Vormittag der Aufstieg zur Königsangerspitze begann. Astrid hatte sich morgens schon bereit erklärt, zum Zurückholen der Autos zu shuttlen. Schwierig nur, wenn sich das Feld so auseinandergezogen hat. Als wir fertig gekämmt und gestriegelt zum vereinbarten Zeitpunkt in der Pizzeria aufschlugen, waren andere, besagte Menschen noch in der Luft. Sie werden sich schon melden. Wir brauchen was zu essen. Hier haben wir endlich auch Gelegenheit, einigermaßen in Ruhe mit Vera zu babbeln, die bereits mit einigen anderen am reservierten Tisch sitzt. Gerade als wir bestellt hatten, bricht Astrid nach einer Nachricht vom Landeplatz nochmal auf, sammelt 4 Typen ein und auch jenen, der sein Auto noch auf der anderen Talseite stehen hat, aber wenigstens hat er es nicht eilig und ist d’accord damit, dass das auch später noch geht, bevor Astrids Pizza, die zwischenzeitlich den Weg an ihren Platz gefunden hat, ganz kalt werden muss. Energie tut gut, die Pizzen sind wirklich lecker, die Lebensgeister kommen zurück. Die Gespräche am Tisch sind etwas gemischt, ist eben auch ein recht gemischtes Volk, doch wenn man so ist wie ich, die sich sehr schwer damit tut, sich mit Menschen zu unterhalten, deren Themen mich entweder nicht interessieren oder so weit entfernt von meiner Realität sind, dass ich eigentlich gar nicht mitreden kann, wird’s a bisserl zäh. Als dann Astrid auch noch aufbrechen muss, um das fehlende Auto zurück zu holen und für mindestens eine Stunde weg sein wird, stirbt meine Kommunikationsfähigkeit nahezu vollständig. Ein paar Dinge haben wir mit Vera besprochen, doch sie ist natürlich ein wenig eingespannt und muss sich überall mal zeigen. Momente in denen ich mich frage, was ich an solchen Orten soll? Insbesondere, wenn mir wildfremde Menschen von ihren psychischen und physischen Problemen erzählen und ich alle Blutwerte aufgezählt bekomme, bei denen irgendetwas nicht zu stimmen scheint. Also ja, ich bin ebenfalls nicht mehr ganz neu und es quietscht und zwickt überall und ich kämpfe seit Jahren mit Habgier und Rachsucht manch anderer Menschen, aber hey, damit mag ich mir den Abend nicht versauen nach diesem sensationellen Flug über das Eisacktal. Immerhin gibt es noch ein Thema, dass mich interessieren muss: Was machen wir am nächsten Tag? Ab spätestens Mittag soll in Südtirol Nordföhn einsetzen, was fürs Fliegen dort eher das K.O. ist. Es gäbe zwar schon einige Startplätze weiter südlich, die möglicherweise gingen, so manch vermeintlich erfahrene Piloten, doch das ist mir zu vage und meine schnelle Recherche in der BurnairApp sagt mir, dass das für mich keine Option ist. Zu weit weg, zu beschwerlich hinzukommen, zu unsicher, ob fliegen wirklich geht, denn Föhn ist einfach lebensgefährlich, zumal die meisten genannten Alternativen um die 2000m hoch liegen.
Irgendjemand wirft in den Ring, dass es schlau wäre, bei Nordföhn in Südtirol einfach auf die Nordseite des Alpenhauptkammes überzusetzen. Leuchtet ein. In Neustift Im Stubaital am Elfer sei ein Gleitschirm-Event. Mist, ich wusste, dass ein Haken an der Sache ist. Doch die Wahrscheinlichkeit, dort fliegen zu können, ist hoch, es liegt für uns auf dem Heimweg und wir müssen nicht um 5Uhr morgens starten, um dorthin zu kommen. Als Astrid nach einer gefühlten Ewigkeit zurück ist, committen wir uns fürs Stubaital am nächsten Tag und dann schauen wir einfach, wie es ist. Jetzt möchte ich einfach nur noch ins Bettchen.

Der Brötchenservice am nächsten Morgen funktioniert, wir können einigermaßen entspannt in den Tag starten, die meisten Sachen sind bereits zusammengepackt. Wir zahlen und verabschieden uns bei unserem Vermieter, dann geht’s auf die Straße. Schon fast im Tal angekommen, klingelt das Telefon. Der Vermieter ist dran, ob wir vielleicht ein Kopfkissen vergessen hätten? Z’fix, ja. Haben wir. Das muss seit einiger Zeit mit, weil wir so viel schlechte Erfahrungen mit FeWos gemacht haben und ein Kopfkissen über Stress oder Erholung entscheiden kann. Umdrehen, zurück die Serpentine rauf, Kissen holen. Aber jetzt. Ab über den Brenner zurück nach Österreich. Es ist Rückreiseverkehr und ich bekomme schon wieder die Krise, weil es die Italiener, die Franzosen und einige andere Bananenrepubliken im 21. Jahrhundert nicht schaffen, sich endlich von den blöden Mautstellen zu verabschieden. Nein, wir stellen uns für 1,50€ eine halbe Stunde in den Stau in Sterzing. Ist mir absolut unbegreiflich. Im Sommer als wir zum Barre des Écrins gefahren sind, ist mir das bereits schlimm auf die Nerven gegangen. Durchschnittlich alle 15km in eine Schlange stellen, 1,20€ zahlen, dann erst geht’s wieder für eine Hand voll Kilometer weiter. Naja, wenigstens haben wir die Brenner-Maut via Videokontrolle gebucht. Wird aber noch lustiger, denn die Abfahrt ins Stubaital ist vom Pass kommend gesperrt und weil die Umleitung so gut ausgeschildert ist, nehmen wir irgendeine der nächsten Ausfahrten, um umzudrehen. Was folgt beim Versuch, wieder nach Süden auf die Autobahn drauf zu fahren: eine Mautstelle, bei der wir davon ausgehen müssen, dass die Brenner-Maut erneut fällig wird. Glücklicherweise müssen wir das nicht tun, die Schranke öffnet sich für uns, ohne dass wir schon wieder was berappen müssen. Immerhin. Zurück über die Europabrücke nehmen wir die Abfahrt nach Neustift und was kommt dann, richtig, eine Mautstelle, bevor es ins Stubaital geht. Ist irgendwie schon irre. Früher dachte ich immer, die Schweizer Autobahnvignette sei teuer. Aber hey, im Vergleich zum Aufwand, den die Schweizer in ihre Autobahnen stecken müssen, ist das wohl das Günstigste, was Frau in der Schweiz kaufen kann. Und da kosten die Tunnel, Brücken und jede Pumpelhuberabfahrt nichts extra im Gegensatz zu Österreich. Wo ich grad dabei bin, und die Frage kam auch im Auto auf, warum die Bananenrepublik Deutschland es als nahezu einziges europäisches Land, nicht schafft, eine PKW-Maut einzuführen und stattdessen auch noch Strafe zahlen muss, weil der Versuch, jene auf die Beine zu bringen, sensationell schief geht? Genug aufgeregt.
Neue Zweifel machen sich breit, als wir uns Neustift nähern und sich am Himmel gefühlt hunderte Gleitschirme zeigen. Der Ort platzt aus allen Nähten, Parkplätze gibt’s nur noch außerhalb mit Glück auf Supermarktparkplätzen. Eigentlich hab‘ ich schon gar keine Lust mehr auszusteigen, doch jetzt sind wir schonmal da, also wackeln wir mal vor zur Bahn und schauen, wer es noch bis hierher geschafft hat. Ein kleines Grüppchen des Testivals ist übrig. Einige wenige wollen den Aufstieg zu Fuß bewältigen, was für Astrid und mich jedoch ausscheidet. Wenn wir nochmal fliegen wollen, machen wir das mit Bahnunterstützung, damit es hinten raus nicht so spät wird und bevor es nach oben geht, was ich für mich noch nicht beantwortet habe, sehen wir uns auf jeden Fall erst den Landeplatz an. Es gibt eine kleine Einweisung von einem Teilnehmer, der sich hier auskennt und die Info, wenn wir bis zum allerobersten Startplatz gehen, wird es zumindest zum Starten nicht so voll sein, weil das nur wenige tun. Also gut. Dann Ticket kaufen und rauf. Ab der Bergstation steigen wir nochmal etwa eine dreiviertel Stunde auf bis wir die Elferhütte erreichen. Ein Großes Plakat wirbt: Das Hüttenpaar macht den Job seit 50 Jahren. Unsere beiden Begleiter wollen hier was trinken, ok, kurze Pause, doch als Astrid und ich unsere Trinkflaschen aus dem Rucksack ziehen, kommt sofort der giftspeiende Hüttenwart angeschossen, dass wir das hier nicht tun dürfen. Ach, doch so freundlich. Ich verzehre hier heute und im Rest meines Lebens nichts mehr. Ob’s hier doch noch ein Kaffee werden soll, hat der nette Herr beantwortet. Danke.
Irgendwie steht dieser Tag unter keinem guten Stern, denke ich. Der Himmel füllt sich weiter. In der Tat ist es so, dass fast alle Pilot:innen den nächstmöglichen Startplatz ab der Bergstation ansteuern und etwas oberhalb der Hütte nur wenige starten. Nachdem der Verzehr abgeschlossen ist, geht’s weiter. In wenigen Minuten erreichen wir unseren Startplatz. Eine steile aber langgezogene Wiese, es weht etwas von vorne, sieht nicht so schlecht aus. Aufgeregt bin ich trotzdem, weil es etwas böig ist und eigentlich rückwärtsaufziehen angesagt wäre, doch ich blende das zunächst aus. Bis ich fertig bin mit meinen Startvorbereitungen, kann es schon wieder anders aussehen. Wir treffen Hajo aus der Gruppe, der sich den Weg hinauf gemacht hat. Der ist nett. Hilft nochmal beim Auslegen. Als ich dann los kann, entscheide ich mich für einen Vorwärtsstart, weil der Wind gerade etwas nachgelassen hat. Läuft auch gut, ich fliege raus. Ganz so voll, wie befürchtet, ist die Luft dann doch nicht, weil es sich im dreidimensionalen Raum einigermaßen verteilt. Ich merke, dass die Luft an einigen Stellen trägt und ich nicht so schnell sinke. Über der Bergstation, wo nicht ganz so viel Betrieb ist, kann ich mich trotz einiger Versuche nicht halten, doch etwas weiter unten schon. Der Aufwind am Hang hält mich und ich schaffe es sogar, wieder zu steigen. Auch Astrid gelingt das und wir begegnen uns beim Hin- und Herfliegen im Hang immer wieder. Mal ist sie über mir, mal bin ich über ihr. Die vielen anderen um uns herum stressen mich nicht so, wie ich befürchtet hatte, denn es geht einigermaßen diszipliniert zu, geltende Regeln fürs Hangfliegen werden ganz gut eingehalten und dann funktioniert es auch. Macht dann schon Spaß und ich bin froh, dass ich mich fürs Fliegen entschieden habe. Als ich merke, dass ich mich nicht mehr halten kann und der Raum überm Landeplatz einigermaßen leer ist, entscheide ich mich dazu, landen zu gehen, biege aus dem Hang ab, fliege ins freie Tal über Neustift und behalte mir im Gedächtnis, nicht taleinwärts über den Ort zu fliegen, denn dann habe ich mit meinem langsamen Schirm ein Problem, zurück zum Landeplatz zu kommen. Also schön am Ortseingang bleiben, bisschen Kurven fliegen, die Zeit genießen und langsam Höhe abbauen bis ich seitlich in den Landeplatz direkt in den Endanflug driften kann. Landen mit etwas Gegenwind ist, wie weiter oben schon geschrieben, im Prinzip ganz was Feines und der Aufsetzpunkt besser zu steuern als bei Nullwind. Als ich den Fuß ins Gras setze, habe ich meinen bis dahin drittlängsten Flug ever mit fast 40 Minuten gehabt, was ich so überhaupt nicht geplant bzw. erwartet hatte und mich überaus freut, weil es trotz ein paar Widrigkeiten einfach ein superschöner Flug gewesen ist, bei dem alles gepasst hat. Astrid kommt kurz nach mir ebenfalls eingeflogen. Sie war noch ein bisschen länger in der Luft. Die anderen aus der Gruppe, die mit uns vom oberen Startplatz losgemacht haben, trudeln auch alle ein, wir quatschen noch ein wenig während wir einpacken, tauschen noch die eine oder andere Telefonnummer aus bevor wir uns verabschieden und uns auf den Heimweg machen. 

Damit geht ein sehr spannendes, lehrreiches und superschönes Flugwochenende zu Ende, bei dem wir 3 neue Startgelände kennenlernen durften, einen gigantischen Talsprung gemacht haben und am Ende einen der längsten Flüge in unserer bisherigen Karriere schafften, sowohl was die Distanz als auch die Zeit angeht. Mit Vera werden wir weiter in Kontakt bleiben und dann sehen wir, ob sich eine gemeinsame Hochtour, vielleicht mit Runterfliegen, ausgeht. Das wäre das i-Tüpfelchen.


Einige der hier veröffentlichten Bilder stammen von Till Gottbrath oder Vera Polaschegg, NOVA Teampilot:in. Sie sind entsprechend markiert.

NOVA Hike&Fly Days 2023, 01.-03.09.2023, Brixen, Plose und Umgebung

Als die Einladung zu dieser Veranstaltung über Facebook eintrudelte, stellten Astrid und ich fest, dass es tatsächlich Wochenenden in 2023 gibt, die wir noch gar nicht verplant hatten. Also nicht lang fackeln, wir sagen zu, dass wir an den NOVA Hike&Fly Days dabei sein werden und freuen uns darauf, wieder völlig neue Fluggebiete kennenlernen und vielleicht auch die eine oder andere neue, interessante Bekanntschaft machen zu dürfen. Ursprünglich sollte es in Südtirol ins Gsieser Tal gehen, doch weil dort zur gleichen Zeit ein scheinbar sehr attraktives Radrennen ist, wie wir beim Versuch lernten, eine Unterkunft zu bekommen, wurde die Veranstaltung rechtzeitig auf einen anderen Ort umverlegt, nämlich nach Brixen. Passt uns noch besser, weil Anfahrt sehr viel kürzer und ebenfalls völlig neu. Passt.

Seit wir Heidi kennengelernt haben, ist sie bei fast jedem Flug dabei, insbesondere dann, wenn wir am Startplatz stehen und abwarten, dass der Rückenwind nachlässt oder sich gar in Wind von vorne verwandelt. Als der Wind damals am Startplatz leicht von hinten kam, meinte sie in ihrem Schweizer Dialekt, dass sie schon weiß, dass die Deutschen nicht so gerne bei Rückenwind starten und fragte Astrid, die startbereit da stand, sich wegen des Wind von hinten aber nicht traute aufzuziehen: „Astrid, kannst du schnell laufen? Dann lauf.“
Sie ist dann auch gestartet und alles war gut, obwohl es gegen alles sprach, was uns in der Flugschule eingebläut wurde.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, sei an der Stelle angemerkt, dass wir über einen vielleicht geländebedingten Rückenwind von maximal 2-3 km/h reden. Wir standen definitiv nicht im Lee eines überregionalen Windes, der über die Kante pfeift, oder sowas. Das wäre wirklich gefährlich. Kopf einschalten ist schon wichtig.

Jedenfalls finden wir Heidi total nett und lernen, dass sie aus Interlaken kommt und als angehende Fluglehrerin arbeitet. Wir tauschen Nummern aus, bleiben in Kontakt und verabreden uns zum Fliegen in Interlaken, sobald sich was zusammengeht. Das dauert ein Weilchen, denn zu den Zeiten, an denen wir fliegen gehen könnten, macht uns das Wetter mehr oder weniger das ganze Frühjahr hindurch einen Strich durch die Rechnung. Nur an ganz vereinzelten Tagen mit wochenlangen Abständen dazwischen erwischen wir mal ein Fenster für den einen oder anderen Abgleiter. Bisschen mager. 

Im Juni wird dann endlich das Wetter besser und fliegbarer, weswegen wir das Fronleichnams-Wochenende bei Alex und Manuel in Saalfelden zum Fliegen verbrachten. Die haben nämlich auch superschöne Fluggebiete direkt vor der Haustür und wir lernen in einigen Hike&Flies den Biberg kennen, die Schwalbenwand und ein drittes Hangsoaring-Gebiet, dessen Name ich hier nicht nennen will, weil nur Pilot:innen dort fliegen dürfen, die im ortsansässigen Verein sind und wir zumindest in Begleitung solcher Menschen unterwegs waren. Dort haben Astrid und ich unsere bisher längsten Flüge gemacht. Meine Hürde dabei war eigentlich nur, mich zu trauen zu starten, denn der Talwind hat schon ordentlich Gas gegeben und kam auch nicht ganz aus der idealen Richtung, doch nach dem Aufziehen ging’s fast wie im Fahrstuhl nach oben, aber ganz sanft, meistens mit weniger als 1m/s. Die Landung hab‘ ich ein wenig verkackt, denn zum einen bin ich zwar knapp aber doch auf einem verbotenen Terrain gelandet und außerdem stand das Gras so hoch, dass kaum abzuschätzen war, wann der Boden da ist. Egal, ging gut, zum Thema landen werde ich von Heidi dann eine Woche später was lernen. Die Tage in Saalfelden haben jedenfalls super viel Spaß gemacht.
Dort hatte ich Gelegenheit, Manuels Leichtgurtzeug mal zu fliegen. Da löffeln Astrid und ich ja schon länger dran rum, wobei die Schwierigkeit darin besteht, eines zu finden, dass auch passt, denn die meisten sind nur in einer Einheitsgröße zu haben. Mein Thema ist die Länge meiner Beine, was dazu führt, dass ich in fast allen Leichtgurtzeugen, in denen ich bisher saß, das Gefühl hatte, vorne auf der Kante zu klemmen, weil die Beinauflage immer schon in der Mitte meiner Oberschenkel zu Ende war. Fühlt sich in der Luft nicht besonders angenehm an, wie ich von meinem ebenfalls zu kurzen Advance Easiness schon weiß. Sehr lässig fand ich, dass ich meinen 25er Pi3, Leichtgurtzeug mit Protektor und Retter und Wechselkleidung zusammen in meinen 38 Liter Hochtourenrucksack bekommen habe. Der lässt sich wesentlich besser tragen als das Wendegurtzeug, dass ich bisher benutzte. Dass Manuels Gurtzeug für mich nix ist, wusste ich ziemlich schnell, denn auch dort ist der Sitz zu kurz und das gibt’s nur in einer Einheitsgröße. Aber trotzdem eine gute Erfahrung. Sonntags war dann der Wind nicht mehr gut und wir nutzten die Gelegenheit, auf dem Heimweg auf dem Testival in Kössen vorbei zu schauen, mit dem Ziel, weitere Leichtgurtzeuge einer Sitzprobe zu unterziehen, wie wir es im Januar schonmal auf der Thermikmesse in Stuttgart machten. Witzigerweise treffen wir Claude von Neo wieder, die wir bereits vom Frauenfliegen in Lenk und von der Thermikmesse kennen und obwohl ich in Stuttgart bereits im Neo String in mehreren Größen saß und mich darin nicht so richtig zu Hause fühlte, war das Gefühl jetzt ganz anders. Selbst in M saß das Gurtzeug besser als alles andere, was ich bisher ausprobierte. In „L“ war es grad verliehen, deswegen war Probesitzen nicht möglich, doch ich ahnte, dass das ganz gut werden könnte. Im Anschluss daran fuhren wir bei einem weiteren Laden für Gleitschirmzeug in Kössen vorbei, dessen Besitzerin Alex und Manuel kennen. Hier, endlich, gab’s auch das neue Advance Strapless zum Probesitzen, auf das wir schon seit der Messe gewartet haben, denn dafür soll in Kürze auch ein Protektor verfügbar sein. Astrid fühlte sich darin gleich wohl und zwar mindestens genauso, wie im Neo String, für mich jedoch sind auch dort die Beinauflagen zu kurz und auch zu eng. Advance wird’s für mich also nicht. 

Kurzum, zu Hause angekommen, drückte ich für zwei Neo Strings, zwei passende Protektoren, zwei Beschleuniger und zwei Frontcontainer für den Rettungsschirm auf den Knopf. Die Sachen kamen dann auch noch rechtzeitig vor unserer Fahrt zu Heidi nach Interlaken und ich stellte bereits zu Hause, nachdem ich mich im Carport aufhängte, fest, das Neo String in L ist genau richtig für mich. Einzige Schwierigkeit jetzt: Der Rettungsschirm muss aus dem Easiness in den Frontcontainer umgebaut werden. Mmmhhh…. Ist das kompliziert, brauchen wir da einen Fachmann/eine Fachfrau oder schaffen wir das auch selbst? 
Ich recherchiere, finde bei Advance eine detaillierte Anleitung, wie der Retter in den Frontcontainer zu packen ist, lerne, dass ich die Innencontainer wieder brauche, mit denen unsere Rettungsschirme ausgeliefert wurden und die ich natürlich noch zur Hand habe und dass alles kein Hexenwerk ist. Die Retter wurden damals von jemandem aus unserer Flugschule aus dem mitgelieferten Innencontainer in den zum Gurtzeug passenden um- und eingebaut und die K-Prüfung besteht eigentlich nur daraus, zu überprüfen, dass der Schirm im Gurt sitzend auch ausgelöst werden kann. Schaffen wir. 
Noch am gleichen Abend sind beide Retter in den Frontcontainern verstaut, jede hat ihren eigenen selbst umgepackt, und wir führen eine K-Prüfung durch, die wir auch dokumentieren. Auslösen geht. Na dann, auf in die Schweiz zum Fliegen. Wir haben eine kleine, zwar etwas alt wirkende, aber ansonsten gut ausgestattete und saubere und für Euro-Gehaltsempfängerinnen bezahlbare Ferienwohnung in der Nähe des Landeplatzes am Thuner See in Interlaken, die nicht ganz leicht zu finden war. Was in der Schweiz teilweise an Preisen für die letzten heruntergekommenen FeWos aufgerufen wird, ist echt abgefahren. In Lenk sind wir im Herbst davor auf so ein unterirdisches Exemplar hereingefallen. Aber jetzt ist alles gut. Für Samstagmorgen sind wir mit Heidi und ihrer Freundin Ulla recht früh für einen Hike&Fly verabredet, denn wir müssen zusehen, dass wir bis Mittag wieder gelandet sind, sagt Heidi. Der überregionale Nordwest-Wind und die mit der Sonneneinstrahlung entstehenden Talwinde addieren sich im Laufe des Tages und dann wird fliegen sehr ungemütlich bis unmöglich und so sitzen wir alle vier morgens um 7 Uhr im Auto mit dem Ziel Brienz. Ulla ist auch eine schlimm Nette. Das wird Spaß machen.

Wir steuern als erstes den Landeplatz Lauenen an, um uns einen Überblick zu verschaffen, wo wir später aus der Luft hin müssen und Heidi macht noch eine kurze Landeplatzeinweisung, bevor wir das Auto etwas entfernt auf einen Wanderparkplatz stellen und von dort zu Fuß die knapp 1000 Höhenmeter Anstieg zum Startplatz Hofstetter Gummen beginnen. Unterwegs ist viel Zeit, schön zu quatschen, mir macht es immer eine riesige Freude, unter Frauen als Frau akzeptiert zu werden, was nicht selbstverständlich ist. Den meisten Menschen sehe ich an, wenn sie mich nicht so akzeptieren, wie ich bin und dann habe ich wenig Lust, mit solchen Menschen auch nur eine Sekunde meiner freien Zeit zu verbringen. Kommt zum Glück nicht so oft vor. Heute brauche ich mir über solche Dinge meinen Kopf nicht zu zerbrechen, Heidi und Ulla sind völlig tiefenentspannt. Wir steigen gemeinsam zum Startplatz auf, wo wir noch zwei andere Piloten treffen, rasten ein wenig, richten unser Zeug zum Starten her. Ich werde das erste Mal mit der neuen Ausrüstung fliegen, die Bedingungen passen als wir gegen viertel nach elf nacheinander aufziehen und starten. Naja, bis auf mich natürlich. Ich muss zwangsweise den Start abbrechen, denn ich stolpere beim Ausdrehen über einen Graspuschel und ich bin mir ehrlich gesagt im Nachhinein auch nicht sicher, ob ich meinen Schirm überhaupt richtig herum eingehängt hatte. Als mir Ulla beim Auslegen hilft, stehe ich auf einmal da und die Tragegurte sind genau verkehrt herum, nämlich fürs Linksausdrehen, eingehängt, was ich normalerweise nicht absichtlich tue. Es könnte sein, dass sich alles einmal nach dem Abkippen der Kappe gedreht hat, ist aber unwahrscheinlich. Ich denke eher, es war einfach mein Fehler. Peinlich. Ich korrigiere das, ziehe anschließend vorwärts auf, weil auch der Wind nachgelassen hat und fliege weg. Das schöne, wenn Frau mit Frauen fliegen geht, es gibt normalerweise kein blödes Gerede. Man hilft sich einfach, damit alle ihr Ziel erreichen, Diskussionen und Belehrungen braucht’s an der Stelle nicht. Wäre mir so etwas am Tegelberg passiert (und das ist es tatsächlich schon), hätte ich sofort von den Schlange stehenden Testos deren Belehrungen und unsinnige Kommentare an den Kopf geworfen bekommen. Nur geholfen hätte keiner. 

So, ich fliege. Thermik und Aufwind erwische ich wenig bis gar nicht und so ist schnell klar, dass es ein Abgleiter wird. Deswegen schaue ich gleich, ob ich den Landeplatz von oben entdecken kann und ja, ich finde ihn. Zwischenzeitlich versuche ich herauszufinden, wie es mir mit dem Leichtgurtzeug geht und ich muss sagen, der Kontakt zum Schirm ist viel direkter als beim Easiness. Ich rutsche allerdings nicht von selbst ganz rein, sondern ich muss die Beinauflagen von Hand etwas vorziehen, was aber auch bei dem leichten Fetzen Dyneema-Tuch nicht verwundert. Nur mit meinem Frontcontainer habe ich ein Thema bzw. mit dem Vario, dass dort jetzt statt auf meinem Bein seinen Platz gefunden hat. Es ist vollständig zu meinem Körper hingewandt, so dass ich es nicht ablesen kann. Da muss ich nochmal was dran ändern. Für den Moment hebe ich den Container einfach an und kippe ihn ein wenig nach hinten, womit es für diesen Flug erstmal geht. Ansonst ist alles tipptopp. Ich fliege überm Landeplatz meine Einteilung und komme perfekt runter, allerdings mache ich wieder den gleichen Fehler, wie so oft: Mein Kopf weigert sich zu laufen, weil er denkt, ich bin viel zu schnell über Grund und weil das noch nicht dämlich genug ist, gibt er mir auch noch vor, ich müsse mit beiden Füßen gleichzeitig aufsetzen, um den Stoß abfangen zu können. Tja, so wird die bis dahin perfekte Landung am Ende doch wieder ein Stolperer, der von Astrid gefilmt wurde. Das passiert mir ziemlich oft, gerade bei Nullwindlandungen, wie heute. Ist mir peinlich, aber ich weiß auch nicht, was genau ich anders machen muss.
Nachdem alle gelandet und die Schirme zusammengepackt sind, sitzen wir im Gras, es ist kurz vor Mittag, dösen vor uns hin und Astrid spricht nochmal das Thema Landung an. Ich versuche zu erklären, warum das fast immer Sch… läuft bei mir und dass ich es nicht auf die Kette bringe, die Ursache abzustellen. Heidi schaut sich daraufhin mal das Video an und gibt mir gleich eine Rückmeldung dazu, was da schiefläuft. Unmittelbar vor dem Aufsetzen schaue ich nur nach unten, was es schwierig macht, die Höhe tatsächlich korrekt einzuschätzen. Es ist besser, sich weiter vorne einen Bezugspunkt zu suchen. Und dann hebe ich zeitgleich die Beine hoch, weil ich ja die Geschwindigkeit, so mein Kopf, nicht laufen kann. Das ist Käse. Ich bin nicht genug im Gurtzeug aufgerichtet, um überhaupt laufen zu können, sagt Heidi. Ich muss weiter raus aus dem Gurtzeug, mich ganz gerade, eher sogar nach vorne gebeugt, laufbereit machen. Dann wird das gut, denn der Rest passt einwandfrei. In dem Moment, in dem ich aufsetze, bremse ich ja auch meinen Schirm durch, der praktisch mit mir stehenbleibt. Da wird sonst nix passieren. Ich speichere das und werde versuchen, es beim nächsten Mal anzuwenden.

Als wir noch so dasitzen, merken wir alle, wie der Talwind einsetzt und schnell stärker wird, womit fliegen für heute zu Ende ist. Wir entscheiden, dass es Zeit für ein mittägliches Picknick am Brienzer See ist, in den Frau natürlich auch reinhüpfen darf, wenn sie Lust dazu hat. Heidi warnt allerdings, dass der noch ziemlich kalt ist. Höchstens 18°. Wir brauchen erstmal einen Supermarkt, Futter fürs Picknick muss besorgt werden und ein paar Schweizer Franken brauchen wir auch noch, um die FeWo am Abend vor der Abreise zahlen zu können. Auf nach Brienz in den Coop, dann an den Badestrand, Decke raus, Badeanzug an, die Sonne brennt ganz gut runter. Heidi hüpft als erste ins Wasser ohne lange zu fackeln. Ich hüpfe hinterher und merke dabei, wie arschkalt es wirklich ist. 18° ist definitiv schöngeredet. Ulla und Astrid können sich für so etwas nicht überwinden, was wahrscheinlich vernünftig ist. Als mein Gehirn wieder Körpertemperatur hat, meldet sich der Hunger. So einen gechillten Nachmittag im Kreis mit lieben Menschen mit ganz leckerem Fingerfood und anschließend einfach in der Sonne liegen und nichts tun, hatte ich schon lange nicht mehr und es tut richtig gut. Der Wind frischt ordentlich auf, was in der prallen Sonne ganz angenehm ist, aber sicher nicht zum Fliegen taugt. Alles richtig gemacht. Es ist auch nicht abzusehen, dass der Wind nochmal nachlässt für einen abendlichen Flug, weswegen wir einfach die Zeit dahinfließen lassen. Als es uns in der Sonne zu heiß wird, beschließen wir, dass Espresso und/oder Cappuccino jetzt nice wären. Während wir uns umziehen und einpacken kommt völlig überraschend Judith um die Ecke, die mit ihren Kindern heute einen Ausflug machte, und den Tag ebenfalls am Brienzer See ausklingen lassen mag. Sie kennen wir auch vom Frauenfliegenfest, dass sie maßgeblich mitorganisiert hat, und sie hatte mir damals erzählt, dass sie sich den Podcast mit mir bei Ulligunde angehört hat, was sie sehr beeindruckte. Ich erzähle in der Geschichte zum Frauenfliegenfest darüber, denn ich bekomme daraufhin dort die Wandertrophäe in Form eines selbstgenähten, bunten Rocks von ihr verliehen. 
Wir schnacken ein wenig, drücken uns zum Abschied und dann auf an den Thuner See ins Strandcafé. 

Auf dem Weg dorthin kommen wir am Landeplatz Lehn in Interlaken, der zum See hin liegt, vorbei, wo wir Gelegenheit haben, jemanden beim Rückwärtsfliegen zu beobachten. Der Wind ist so stark und dessen Schirm so langsam, dass die Fahrt nicht mehr vorwärts geht und er so auch landen muss. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das im Sinne des Erfinders ist, doch ich bewerte es nicht. Vielleicht ist er der superdooper Heldenpilot, für den das normal ist und kein Problem darstellt. Ich würd’s nicht tun. Deswegen bin ich auf dem Weg ins Strandcafé und nicht in der Luft um diese Zeit.
Ja, die Zeit, die ist schon etwas fortgeschritten als wir am Tisch Platz nehmen und für mich ist es schon etwas spät, noch Kaffee zu trinken, sonst ist die Nacht so kurz. Frau wird eben nicht jünger. Ich beschließe, dass es auch fein wäre, ein Landebier zu nehmen, denn immerhin sind wir schön geflogen, heil gelandet und ich bin mit meinem neuen Equipment sehr zufrieden. Der Tag mit den Mädels war wunderschön und meiner Seele tut es wahnsinnig gut, in so eine Gruppe integriert zu sein, in der mich niemand komisch ansieht oder Vorbehalte hat, weil ich ein wenig anders bin. Das führe ich mir oft vor Augen, um trotz aller Unzulänglichkeiten auch die guten Dinge wertzuschätzen.
Wir lernen noch Ullas Lebensgefährten/Mann kennen, der kurz vorbeischaut. Er arbeitet als Fluglehrer in einer Flugschule und stand den ganzen Tag auf dem Landeplatz, um seine Schüler:innen zu betreuen. Ein anstrengender Job. 

Am Abend leistet uns Heidi Gesellschaft in unserer kleinen FeWo, wir kochen und essen zusammen. Ulla haben wir zuvor am Bahnhof abgesetzt, sie nahm den Zug nach Hause, weil sie bereits anderweitig verplant war. 
Wir reden über allerlei was in den 4 Wänden der FeWo bleibt und natürlich muss ein Plan für den nächsten Tag, den Sonntag, gemacht werden. Die Windlage wird sich ändern, der überregionale Wind dreht mehr auf Südwest, womit der Talwind dann nicht mehr ganz so krass wird, wie heute. Heidi schlägt vor, vom Niederhorn zu fliegen, einem touristisch erschlossenen Aussichtsberg am Nordostende des Thuner Sees, auf den wir die Bahn nehmen können. Die Höhendifferenz ist mit über 1400m ganz ordentlich, weswegen wir es uns sparen wollen, dort zu Fuß hochzulaufen, was uns außerdem einige Zeit kosten würde, die wir eventuell für einen zweiten Flug nutzen könnten. Den Transfer vom Landeplatz zur Talstation können wir mit Öffis überbrücken, die wir mit unserer Gästekarte aus der FeWo kostenfrei nutzen dürfen, Treffpunkt ist also am nächsten Morgen der Landeplatz Lehn, wo die Autos dann auch stehenbleiben können.

Gegen 8 Uhr morgens am Sonntag stellen wir unser Auto auf dem Parkplatz am Landeplatz ab, schauen uns dort die angeschlagenen Hinweise bezüglich Landeplatzgebühren, etc. an als uns ein Mensch anspricht, der wohl mit dem Flugbetrieb heute dort zu tun hat. Es sind nämlich zufällig heute auch die Schweizer Meisterschaften im Deltafliegen (bei uns sagt man Drachenfliegen dazu). Er erzählt uns, dass gestern hier auf dem Landeplatz ein tödlicher Unfall passiert ist und mir bleibt erstmal kurz das Herz stehen. Ja, es war wohl eine Kaltwindböe meint er, die vom See herkam und einem Piloten 30m überm Boden während der Landeeinteilung den Schirm in Bruchteilen von Sekunden zusammenfaltete und ihm keine Chance mehr blieb, noch irgendetwas zu unternehmen. Nicht gerade die passende Geschichte, wenn wir hier heute fliegen wollen. Dann ist mir was eingefallen und ich fragte nach, wann genau das denn passiert sei. Gegen 15Uhr am Nachmittag meint er daraufhin. Damit ist mein Fragezeichen, wie das sein konnte, erloschen. Wir erinnern uns, Heidi hat gesagt, sieh zu, dass du bis Mittag gelandet bist, der Wind wird abartig und wir haben nachmittags wahrscheinlich zwischen 16 und 17 Uhr genau hier jemanden rückwärts fliegen sehen. Die wahrscheinliche Fehlerursache könnte eine Unterschätzung der Verhältnisse gewesen sein. Mir tut’s trotzdem leid, dass das passiert ist. Hinterher sind immer alle schlau. 
Es bedeutet, den nötigen Respekt vorm Fliegen aufrechtzuerhalten und immer kritisch zu bleiben, wenn’s um fragwürdige Bedingungen geht. Sehr häufig hat der Bauch recht und es lohnt sich, auf ihn zu hören.
Heidi trifft ein, wir reden kurz über den Vorfall, dann machen wir eine Landeplatzbesichtigung mit einer Einweisung, wie hier bei Berg- oder Talwind gelandet werden sollte. Ich merke an, dass hier heute sehr viele Drachenpilot:innen unterwegs sein werden, vor denen ich immer ziemlichen Respekt habe. Die sind schnell und deren Sicht nach oben existiert praktisch nicht. Darüber bräuchte ich mir heute Vormittag keine Sorgen zu machen. Die haben im Rahmen der Meisterschaft eine gewisse Strecke zurückzulegen und die meisten werden erst später am Nachmittag zum Landen kommen. Das passt so.
Dann ab zur Bushaltestelle, kurz warten, einsteigen und bis zur Haltestelle Beatenbucht mitfahren, von wo aus zuerst eine Zahnradbahn und nach einem Umstieg eine Seilbahn bis rauf zum Niederhorn fährt, wo es zufällig auch ein Café/Restaurant gibt. In der Gondel wundern sich einige Passagiere, was wir wohl vorhaben. Heidis Rucksack sieht man schon an, dass es wohl zum Fliegen geht, doch Astrid und ich haben alles Nötige in einem relativ kleinen Hochtourenrucksack untergebracht, was die Gäste zum Staunen bringt, wie klein und leicht das nötige Equipment sein kann. Oben angekommen, kehren wir zunächst ein, um ein kleines zweites Frühstück mit Kaffee und Croissant in der Sonne zu genießen. Wir haben es nicht eilig. Von dort gehen wir ein Stück quer an der Bergstation vorbei rüber zum Startplatz, der für mich überraschend völlig leer ist. Außer uns sind keine anderen Pilot:innen da, was für einen deutschen Startplatz zu dem auch noch eine Bahn fährt, absolut undenkbar wäre. Schön für uns, kein Stress, keine Hektik. Ein paar wandernde Touristen werden auf uns aufmerksam und schauen zu, als wir uns zum Starten fertigmachen. Heidi gibt uns zuvor noch ein paar Infos zu den Besonderheiten wie Wind, Geländekanten, wo wir eventuell Thermik oder Aufwind erwischen können, beim aktuell noch vorherrschenden Bergwind und dann starte ich als erste in Richtung Thuner See. Astrid folgt und Heidi zieht als letzte auf, unter anderem deswegen, weil sie versuchen will, das eine oder andere Foto von uns beiden während des Fluges zu schießen. Lange vor dem See drehe ich nach links ab und steuere die Flächen an, von denen ich mir etwas Auftrieb verspreche, doch noch ist es nicht warm genug für Thermik. Lediglich der merklich schwächer werdende Bergwind lässt mich am letzten Hang vor dem Landeplatz ein klitzekleines Bisschen steigen. Immerhin. Um keinen Stress mit der restlichen Höhe fürs Landen zu bekommen, fliege ich relativ früh aus dem Hang in Richtung Landeplatz, erinnere mich an die Landevolte bei Bergwind, teile mir das Gelände unter mir entsprechend ein, baue über einige Positionskreise die Höhe soweit ab, dass ich meine gedachte Einteilung dann abfliegen kann, wobei mir mein Vario nach den Vollkreisen auch die Windrichtung bestätigt, und komme genau richtig in den Endanflug gegen den Wind. In dem Moment hebt das Quatschi in meinem Kopf den Zeigefinger und teilt mir mit, ich solle mich an Heidis Worte erinnern: Ganz aus dem Gurtzeug, ein Bein eher nach hinten und nicht nur nach unten starren. Also, ganz aufrichten, ich muss ein wenig nachhelfen, bis ich wirklich senkrecht im Gurtzeug hänge, was sich irgendwie schon viel besser fürs Aufsetzen anfühlt, als sonst, dann Punkt am Horizont finden für die Höhe, Kopf ausmachen, der mir schon wieder einreden will, ich könne die Geschwindigkeit nicht erlaufen, ein Bein nach hinten, wodurch ich schon in eine leichte Vorlage im Gurtzeug komme und dann ist der Boden da. Ich bremse an (flairen in Fachkreisen), passt, ich setze mit 2-3 leichten Laufschritten auf und stehe praktisch sofort als ich den Schirm durchbremse. Bilderbuchlandung, obwohl ebenfalls fast Nullwind. Danke Heidi. 
Astrid ist ein wenig verpeilt ob ihrer Landevolte, ich schaue ihr von unten zu und bin nicht ganz sicher, ob sie absichtlich mit dem Wind landen möchte. Wohl eher kaum. Dann bemerkt sie es selbst, korrigiert im letzten Moment und kommt dann auch richtig herum rein. Sie ist häufig verwirrt bei neuen Landeplätzen und ist etwas vergesslich bezüglich der besprochenen Landevolten, sagt sie selbst, aber bisher hat sie die Kurve immer noch irgendwie bekommen. Passiert normalerweise auch nur genau einmal. Dann kommt Heidi eingeschwebt, die mit einem Fußschlenzer über die Wiese beim Flairen anschließend sanft aufsetzt. Wir haben alle drei ein breites Grinsen im Gesicht, denn der Flug war superschön und wegen der Höhe auch per Abgleiter nicht sooo kurz. Heidi hat meine Landung aus der Luft bereits begutachtet und wir sind uns einig, das war ein Schritt in die richtige Richtung. 

Pause. Es ist etwa 10:30Uhr. Nachdem wir unser Flugzeug wieder zusammengepackt und im Rucksack verstaut haben, futtern wir unsere vorbereitete Stulle, schauen ein wenig anderen beim Landen zu, Heidi trifft den einen oder anderen bekannten Menschen, quatscht mit den Leuten. Netzwerken ist ja auch wichtig. Anschließend schlägt sie vor, noch einen kleinen Hike&Fly anzuhängen, gleich hier vom Landeplatz weg zum Startplatz Luegibrüggli etwa 500 Höhenmeter. Das nehmen wir gerne und machen uns sofort nochmal zusammen auf den Weg am angrenzenden Campingplatz vorbei hinauf durch den Wald auf einem schönen Pfad. Wir gehen gemütlich, nutzen die Zeit, um zu plaudern, die Sonne scheint schön und kaum merkend, wie die Zeit vergeht, gehen wir schon den letzten Hang zum Startplatz hinauf. Auch hier setzen wir uns erstmal noch, schauen uns die Gegend an, Heidi erzählt nochmal was über die Geländekanten, die vom moderaten Wind angeströmt sind und was uns dort möglicherweise auf dem Weg zum See erwartet. Mit der Erwärmung hat auch das lokale Windsystem auf den Talwind umgestellt, was später fürs Landen wichtig ist und die eine oder andere Geländekante sollte nun nicht mehr hinterflogen werden, wegen des Lees. Alles fein. Im Hintergrund hier fast immer sichtbar ist übrigens die Eiger Nordwand sowie manchmal auch Mönch und Jungfrau. Alle diese Berge sind noch offen, d.h. wir sind noch nicht dort hochgestiegen, wobei das beim Eiger wohl auch nicht passieren wird, denn selbst der Normalweg über den Mittellegigrat ist sicher eine Nummer zu schwer für uns. 
Jetzt aber erstmal Konzentration aufs Starten. Nachdem wir alle fertig hergerichtet und startbereit sind, ziehe ich wieder als erste auf und mache mich auf den Weg, um den Thuner See zu überfliegen. Astrid hadert ein wenig damit, über Wasser zu fliegen, weil ihr Kopfkino bei so etwas keine Ruhe gibt, was nicht rational zu erklären ist, denn in den See fallen tun wir nicht. Als ich das Ufer erreiche und kurz an der Felskante davor durchgeschüttelt wurde, bin ich etwa 400 Meter überm Wasser, das schön blau schimmert, kleine Boote und auch Passagierschiffe sind darauf unterwegs, die Luft überm See ist ruhig. Ein Traum. Heidi schießt ein paar Bilder von Astrid und mir, wie wir in dieser Wahnsinnskulisse rumfliegen, mit dem blauen See und der Eiger Nordwand im Hintergrund. Der relativ kleine Höhenunterschied lässt bloß wenig Raum fürs Träumen und ich schaue rechtzeitig, ob ich den Landeplatz finde und wie ich nun beim gedrehten Wind im Vergleich zum Vormittag meine Landeeinteilung gestalte. Auf dem Weg drehe ich zwei drei Vollkreise, damit auch mein Vario Bescheid weiß, wo der Wind herkommt und muss so keine weitere Höhe mehr abbauen als ich an einer Kante des Landeplatzes vorbeikomme. Ein etwas verlängerter Gegen- und Queranflug genügen, um genau passend in den Endanflug einzubiegen, bei dem sofort mein Quatschi im Kopf wieder anklopft und mich an Heidis Empfehlungen erinnert. Ganz aus dem Gurtzeug, Bein etwas nach hinten, das Timing fürs Flairen passt, ich setze sanft etwas rechts versetzt vom Peilpunkt auf, weil ich schon mitbekommen habe, dass Astrid ihre Landevolte dieses Mal richtig rumgeflogen hat und direkt hinter mir ist und ich ihr den notwendigen Platz lassen will. Super. Meine Landung war perfekt. Ich bin ein bisschen stolz drauf, dass ich das nach einer kleinen Analyse, bei der es im Prinzip um Kleinigkeiten ging, so gut umgesetzt habe. Das stimmt mich zuversichtlich, dass Popolandungen jetzt weniger häufig passieren werden. Mit dem neuen Leichtgurtzeug bin ich happy und nachdem ich mein Vario nicht mitten auf den Frontcontainer tesselte, sondern mehr zur vorderen Kante hin platzierte, kann ich es auch gut ablesen. 
Heidi landet kurz nach uns und wieder haben wir alle ein breites Grinsen im Gesicht. So ein feiner Flugtag. Inzwischen sind auch die ersten Drachen gelandet, doch die meisten werden noch ein wenig auf sich warten lassen. Der befürchtete Landebetrieb blieb aus.

Leider war das der letzte Flug für heute, denn Astrid und ich müssen uns irgendwann auf den langen Heimweg machen, was uns aber nicht davon abhält, uns noch ein wenig zusammenzusetzen, noch etwas zu trinken und einen ganz netten Bekannten von Heidi kennenzulernen, der sich zu uns gesellte. Dann geht’s auf in Richtung Holzhütte. Diese beiden Flugtage möchten auf jeden Fall wiederholt werden. Es ist so fein und gechillt mit Heidi fliegen zu gehen, eine wahre Freude. Die nächsten Wochen wird sich nicht so viel mit Fliegen ausgehen, denn Bergsteigen steht auf dem Programm. Es geht mit einer erneuten Weissmies-Tour zur Akklimatisation los, woran sich unmittelbar das erste Highlight des Jahres anschließen soll: Der Piz Bernina über den Bianco-Grat. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich dran denke.

Flugwochenenden in Saalfelden und Interlaken, 08.-11.06.2023 und 16.-18.06.2023

Heidi haben wir auf dem Frauenfliegenfest in Lenk vergangenen Herbst kennengelernt. Da hat die Chemie irgendwie gleich gestimmt und es stand im Raum, dass wir sie bei passendem Flugwetter in Interlaken besuchen und mit ihr zusammen fliegen gehen. Im Frühjahr hatten wir schonmal einen Termin ausgesucht, doch da hat nix gepasst, das Wetter war nicht fliegbar, wie so oft Anfang des Jahres. Dann ist überraschend eines der Kinderwochenenden im Juni ausgefallen. Plötzlich ist Zeit für mehrere Abenteuer hintereinander, das Wetter passt sogar an zwei Wochenenden und so lernen wir die Fluggebiete bei Alex und Manuel vor der Haustür kennen und anschließend die von Heidi in Interlaken.

Endlich mal mehr als 2 Tage frei und keine Verpflichtungen. Das gab’s schon eine Weile nicht mehr. Einfach frei entscheiden, wo es hingehen soll und was wir dort unternehmen wollen. Nochmal eine Skihochtour wäre toll, doch der Schneemangel auf den Gletschern ist noch schlimmer als vergangenes Jahr und uns damit zu heikel, um nur zu zweit loszuziehen. Die Wetterprognose für die West- und Zentralalpen luden zudem ebenfalls nicht dazu ein, dort Zeit zu verbringen. Viel Wind, etwas Neuschnee, insgesamt trübes Wetter. Das wurde nur besser je weiter wir nach Süden und Osten Ausschau hielten, womit Skitouren ohne ewige Tragepassagen nicht mehr in Frage kamen, dafür aber Fliegen ein Thema wurde. Bassano stand ja schon am Fasnachtswochenende auf dem Plan, fiel jedoch wegen schlechter Prognosen aus. Ab Mitte unserer freien Woche sieht das jetzt viel besser aus und so entschieden wir, die Ski zu Hause zu lassen, stattdessen das Kletterzeug, die Räder und die Gleitschirme einzupacken und mit Laufen und Klettern am Gardasee zu starten, wo wir die ersten beiden Tage den starken Wind abwarteten. Nach schön klettern, meinem ersten Trailrun und natürlich Cappuccino auf der Piazza in Arco siedelten wir dienstagsabends nach Bassano um, oder genauer nach Semonzo, wo sich die Landeplätze befinden, in deren fußläufiger Nähe wir eine kleine Ferienwohnung schießen konnten. Das hat mir schonmal gut gefallen. Auto abstellen und nicht mehr brauchen, bis es nach Hause geht. Alle Infrastruktur ist in wenigen Minuten zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar. 

Die FeWo war hinsichtlich der Küche äußerst dürftig ausgestattet. Viel mehr als Pasta war da nicht herauszuholen, dafür war der Rest ganz ok und für 3 Nächte braucht’s eh nicht so fürchterlich viel. Nachdem wir uns eingerichtet hatten, zogen wir mit den Rädern los, um uns im örtlichen Lebensmittelgeschäft mit Futter zu versorgen und inspizierten dabei grad noch einen der Landeplätze, Paradiso, wo wir eine Gruppe Pilot:innen beim Groundhandling beobachten konnten. Der Wind war recht stark und böig, weswegen es etwas rund ging auf dem Platz. Astrid hat die Lust gepackt, vor dem Abendessen auch nochmal den Schirm auszupacken. Bis wir dann allerdings das Futter gegen die Gleitschirme getauscht hatten und zurück am Landeplatz gewesen sind, war kein Mensch mehr da und der Wind eingeschlafen. Nach ein paar Aufziehversuchen haben wir es dann eingesehen, dass das so keine Freude mehr macht und gingen zum gemütlichen Teil über. Pasta Ragout und Rotwein. Für den Mittwoch sagte Burnair ganz gute Bedingungen vorher: Wind aus der richtigen Richtung in der richtigen Stärke, trotz etwas Bewölkung überwiegend Sonnenschein und demzufolge Thermik. Ab spätestens Freitag soll es unbeständiger werden und so kauften wir mal für zwei Tage die Flycard ein, die dort vorgeschrieben ist und jederzeit vorzeigbar sein muss, entweder ausgedruckt oder als gespeichertes PDF auf dem Smartphone. An der Stelle der Hinweis, dass das auch kontrolliert wird.

Mittwochmorgen. Wir stehen früh auf, denn es soll mit einem Hike&Fly zum Startplatz Stella losgehen und zwar so, dass wir pünktlich dort sind, wenn die Bedingungen zum Fliegen gut werden. Nach dem Frühstück wackeln wir zu Fuß los, der Wanderpfad startet wenige Minuten von der FeWo entfernt und mit etwa 550m Aufstieg bei gemütlichem Tempo rechnen wir mit rund 2 Stunden, die wir brauchen werden. Die erste Hälfte ist ziemlich steil, was zwar das Tempo bremst, andererseits aber die Höhenmeter schneller purzeln lässt. Nach einer guten Stunde sind wir oben und auf dem vollen Startplatz werden wir beäugt, wie Außerirdische, weil wir zu Fuß hochgekommen sind. Ich bin einigermaßen aufgeregt, weil wir ein für uns neues Fluggebiet kennenlernen und weil mich die vielen Menschen nervös machen. Mir ist bis dahin auch noch nicht klar, warum der Startplatz in der Burnair-App nicht als „einfach“ eingestuft ist, denn er erscheint breit und lang zu sein mit einem moderaten Gefälle. Eigentlich optimal. Aber wir kommen erstmal an, sehen uns ein wenig um und weil wir schneller waren als gedacht, haben wir es nicht eilig. Es wird fleißig gestartet und ich bemerke, dass die meisten Pilot:innen ganz schön Probleme haben, ihre Tüten so in die Luft zu bekommen, dass sie auch wegfliegen können. Viele Fehlstarts und wenige helfende Hände, was meistens der Fall ist, wenn 95% der Menschen am Startplatz zu viel Testosteron in sich haben. Die 3 Windsäcke zeigen nicht selten waagerecht in unterschiedliche Richtungen und die Böen sind sehr viel stärker, als wir angenommen hatten. Erst finde ich das komisch, doch dann merke ich, dass die Wetterdaten in der App nicht zum Morgen aktualisiert wurden. Gut. Mal sehen, was wir tun können. An einem ruhigen Platz außerhalb des Startplatzes richten wir unser Zeug zum Fliegen her, sortieren Leinen, ziehen das Gurtzeug an und entscheiden, es zu versuchen. Der Zustrom an Pilot:innen reißt inzwischen nicht mehr ab und wir müssen uns in eine lange Schlange einreihen. Das stresst mich, war aber andererseits nicht anders zu erwarten. Ruhig bleiben. Astrid legt als erste aus und kommt etwas schaukelig und tief raus. Nachdem ich anschließend rückwärts aufgezogen hatte und mich fürs Starten entschied, war plötzlich der Wind weg und ich musste weit laufen, um abzuheben. Da lernte ich dann, dass der Startplatz nicht so lang und vor allem am unteren Ende durch hohe Sträucher begrenzt ist, über die es nur drüber geht, wenn frau schon fliegt. Meine Füße berührten zwar den einen oder anderen Zweig, doch ich kam ansonsten noch entspannt drüber und fliege so kurz nach 10 Uhr morgens los. 
Milla fliegt das erste Mal in Bassano. Ein kurzes Vergnügen, denn ich kann mich nicht am Starthang im Aufwind halten, verliere die Höhe so schnell, wie bei einem normalen Abgleiter und muss mich früher als erwartet fürs Landen entscheiden. Windrichtung und Betrieb am Landeplatz geben vor, dass sinnvollerweise die vorgeschriebene Linkslandevolte geflogen werden muss, was ich auch tue, mich aber etwas in der Höhe verschätze und ziemlich früh aufsetze. Der Landeplatz ist riesig und es schadet nicht, mit etwas mehr Höhe einzufliegen, wenngleich achtgegeben werden muss, denn es gibt keine Ausweichmöglichkeit, wenn der Platz mal nicht reichen sollte. Der Landeplatz ist ringsum entweder bebaut, bepflanzt oder es führen Oberleitungen an den Rändern vorbei.

Nachdem wir unser Zeug wieder in die Wendegurtzeuge gepackt hatten, stapften wir einfach mal an die Straße vor, um zu checken, wie das hier mit den Shuttles so läuft und ich muss sagen, im Vergleich zu Meduno, wo das eher ein zufälliges Ereignis war, läuft das in Bassano viel, viel besser. Die Taxis fahren im Grunde regelmäßig so lange, wie geflogen wird, immer dann, wenn der Bus voll ist. Und so müssen wir gar nicht warten, sondern können sofort ins wartende Shuttle einsteigen, das uns für ein paar Euro wieder zum Startplatz bringt. Wir steigen wieder Stella aus, denn Bepi, sagt der Busfahrer, sei gerade zur Hälfte wegen Baumaßnahmen gesperrt und deswegen sei wenig Platz und viel Betrieb dort. Stella sei besser. Mag sein, doch der Betrieb dort hat weiter explosionsartig zugenommen. Ich bekomme mit, dass eine Tandemflugschule sowie mindestens zwei weitere Flugschulen aus Österreich und Polen da sind, die teilweise selbst das Shuttlen für ihre Schüler übernehmen und so kommt mehr oder weniger im Minutentakt ein Bus nach dem anderen an und wirft Pilot:innen ab. Krasse Nummer. Ich fühle mich extrem unwohl. Als nächstes ist offensichtlich, dass die Bedingungen sich deutlich zum Anspruchsvolleren verändert haben. Auf dem Startfeld spielen sich einige Dramen ab und es gibt lange Wartezeiten zwischen den Starts wegen des ständig wechselnden Windes. Hinzu kommt, dass die Tandempiloten klar Vorfahrt auf dem Startplatz beanspruchen und sich alle anderen Freifliegenden irgendwie drum herum positionieren müssen. 
Astrid und ich entscheiden, erstmal abzuwarten, wo es mit den Bedingungen hingeht, denn aktuell bin ich der Meinung, kann ich meine Kappe nicht beherrschen. Wir steuern auf Mittag zu, Parawaiting. Zeit, anderen Pilot:innen zu zu schauen, wie so gestartet wird und es ist tatsächlich erschreckend, was geboten wird und ich wundere mich, dass keine ernsten Unfälle passieren. Von „in die Bäume gezogen werden“, „Abspringen“ bis zu beinahe Karambolagen ist alles dabei. In der Regel verursacht durch rücksichtslose Testo-Piloten und Menschen, die ihre Fähigkeiten völlig überschätzen. 
So kommt’s, dass wir Barbara und Herbert kennenlernen. Bereits als sie auslegt habe ich das Gefühl, dass sie es besser lassen sollte, doch das müssen alle selbst entscheiden. In dem Moment, in dem sie aufzieht, ist klar, dass sie koordinativ nicht dazu in der Lage ist, ihren Startversuch auch nur ansatzweise zu kontrollieren und die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Sie taumelt über den Startplatz, ihr von allen möglichen Böen getriebener Schirm hat das Kommando, was am Ende dazu führt, dass Pilotin, Leinen und Schirm mit der jeweiligen Maximalfläche vollständig im Dornengestrüpp am rechten Rand des Startplatzes einschlagen. Autsch. Ein Raunen geht durch die Menschen, doch es macht niemand Anstalten, ihr zu Hilfe zu eilen, außer ihrem Mann Herbert. 

Also dann, Astrid und ich haben ja eh nix zu tun. Wir schlängeln uns zwischen den gaffenden Menschen hindurch zur dichten Dornenhecke, in der Barbara immer noch mehr oder weniger bewegungslos feststeckt und in der auch Herbert verschwunden ist und versuchen, uns nützlich zu machen. Alleine oder zu zweit besteht absolut keine Chance, irgendetwas unbeschadet aus diesem Dickicht zu retten. Die gute Nachricht: Außer einem kleinen Schock ist Barbara nix passiert. Beide sind heilfroh, dass sie Hilfe bekommen. Als Barbara sich von den Tragegurten gelöst hat, beginnt die Fummelei, das filigrane Zeug millimeterweise aus den dichten, zentimeterlangen, äußerst spitzen Dornen zu befreien. Etliche Piekser und Verrenkungen später, so nach etwa einer Stunde, haben wir den Schirm geborgen und am Rand auf dem Startplatz liegen. Augenscheinlich hat er keine Beschädigungen, doch ich gehe davon aus, er hat unzählige kleine Durchstiche im Tuch, die jetzt natürlich nicht mehr sichtbar sind. Leinen und Tragegurte sind schlimm verwurschtelt, doch Barbara möchte zügig weg von hier runter zum Landeplatz am Garden Relais, wo sie runterkommen und ihre Leinen ganz in Ruhe entwirren kann. Herbert startet später nochmal, doch vorher laden sie Astrid und mich auf ein Bier am Abend bei Tilly’s ein, um sich erkenntlich zu zeigen. 

Inzwischen ist es weit nach Mittag und der Platz hat sich etwas geleert. Offensichtlich hat Thermik eingesetzt, die Luft ist voller Schirme und wer nicht fliegt, macht Mittagspause. Die Böen sind immer noch stark, kommen jedoch in regelmäßigen Abständen, in deren Zwischenräumen, so glauben wir, auch für uns halbwegs kontrollierbar gestartet werden könnte. Wär‘ schon fein mal ein bisschen Thermik zu schnuppern. Wo sonst hätten wir endlich Gelegenheit, uns darin zu versuchen, wenn nicht hier? Wir sind ein wenig zögerlich mit unserer Entscheidung, doch am Ende siegt die Neugier und der Wunsch, es zu wagen. Wir stellen Startbereitschaft her. Astrid schnappt sich die erste Lücke auf dem Startplatz und macht sich davon, während ich ebenfalls auslege und ihr kurze Zeit später um etwa 14:30 Uhr folge. Ein Meilenstein in meiner Fliegerinnenkarriere schließt sich an, wie ich wenige Minuten danach weiß. Ich sehe Astrid ein kleines Stück unter mir am Hang hin und her fliegen. Ich tue es ihr gleich und wir können uns ein paar Minuten ganz gut halten. Dann ist sie irgendwann über mir und ich dachte schon, es wird sein, wie immer, ich muss dann doch landen gehen, aber es passiert ganz was anderes. Ich schaute in der Woche zuvor ein paar Lehrvideos zum Thema Hangsoaring an und dachte, na wenn ich schon mal da bin, versuche ich mal genau das zu tun. Bisschen mit Gewichtsverlagerung ohne große Kurvenbewegungen fliege ich das Hangprofil ab, drehe einmal um und bekomme so richtig einen ersten Thermikbart ab, der mich wie im Fahrstuhl den Hang hinaufträgt. Irre. Astrid ist plötzlich wieder unter mir und ich bin wieder auf Höhe des Startplatzes. Ganz was Neues. Mein Variometer schaltet das erste Mal von selbst in den Thermikmodus, um mich dabei zu unterstützen, den nächsten Bart oder die nächste Blase, die sich abgelöst hat, zu finden. Konsequent steuere ich den nächsten Thermikbereich an, in dem sich bereits andere befinden, was mir auch angezeigt wird, und ich bereite mich aufs Einfliegen in den Aufwind vor. Es ruckelt und schaukelt mich gut durch, Hände hoch und drin bin ich. Wieder Fahrstuhl, doch ich falle schnell wieder hinten heraus, weil ich zu langsam reagiere, fange das Vorschießen der Kappe ab, drehe um und fliege wieder zurück in die Thermik hinein. Eine Sensation. Inzwischen bin ich etwa 100 Meter überm Startplatz. Astrid kann ich nicht mehr sehen, weiß aber, dass wir uns darauf verständigten, wer fliegen kann, fliegt und muss keine Rücksicht auf die jeweils andere nehmen. Sie meldet sich nach etwa einer halben Stunde, dass sie gut gelandet ist und ich solle meinen Flug genießen, egal, wie lange das dauert.

Ich sacke noch einmal etwas ab, doch bevor ich übers Landen nachdenken kann, entscheide ich mich dazu, alles zu versuchen, um im Hangwind wieder ein Stück über die Kante zu kommen, an der sich konstant Thermiken ablösen. Es gelingt mir zum ersten Mal mit konsequentem Handeln und aktivem Suchen nach Aufwinden genau das umzusetzen und irgendwann bin ich 200m, 300m, 400m überm Startplatz, kann die anderen Startplätze sehen, finde ständig neue Aufwinde und schraube mich weiter hoch. Es ist unruhig und ich bin permanent damit beschäftigt, auf die Kappe zu achten und alle ungewollten Bewegungen frühzeitig zu stoppen und zu kontrollieren. Dabei merke ich erstmal gar nicht, wie kalt es geworden ist, bis es mir echt zapfig in die Hosenbeine zieht und ich wahrnehme, dass ich beinahe vor Kälte zittere. Aber noch habe ich Gefühl in den Händen und fliege weiter, immer auch alle anderen um mich herum im Auge, doch erstaunlicherweise verteilt es sich so gut, dass ich nur ganz selten aktiv ausweichen muss. Ich erwische mich dabei, wie ich bei jeder neuen Höhenmarke Ehrgeiz entwickele, noch weiter hoch zu kommen, selbst als sich meine Hände der Gefühllosigkeit nähern. Erst als ich die Marke 1600 Meter überm Meer, also fast 1,5 km überm Landeplatz, erreiche, und es merklich nicht mehr weiter hoch geht, über mir ist niemand mehr, entscheide ich, dass es gut ist. Etwa 45 Minuten war ich bis dahin in der Luft. So, jetzt landen. Gar nicht so einfach, wie es sich anhört aus dieser Höhe bei solch thermischen Bedingungen. Ich fliege erstmal aus dem bergigen Teil hinaus in den freien Luftraum über den Landeplätzen und suche mir einen großzügigen Raum, in dem sonst niemand fliegt, weil ich annehme, dass es dort am ehesten mit kreisen nach unten geht. Es ist ja nicht eilig. Lieber noch ein wenig diesen Moment genießen. Als ich so auf 1100 MSL runtergekommen bin, juckt mich aber doch noch ein Thermikbart, den mir mein Variometer anzeigt und weil niemand um mich herum ist, beschließe ich, den noch mitzunehmen, sauber hineinzufliegen und beim Kreisen tatsächlich im angezeigten Bereich zu bleiben. Das hat wohl funktioniert. In ganz kurzer Zeit war ich 200m höher mit Steigraten von fast 6m/s. Hui. Der Wahnsinn. Ich bin so froh, dass wir es wagten zu starten, denn alles in allem waren die Bedingungen bisher immer so, dass ich zu keiner Zeit das Gefühl hatte, überfordert zu sein. Das Steigen hat sich zwar heftig angefühlt, machte mir aber keine Angst und das Ein- und Ausfliegen führte zu keinen Flugzuständen, mit denen ich nicht klargekommen wäre. Perfekt zum Üben.

Nachdem ich den Bart verlassen hatte, wollte ich dann doch endlich runter. Die Kälte kroch in alle Knochen. Auf so etwas war ich überhaupt nicht vorbereitet. Wieder was für die nächsten Abenteuer gelernt: Fürs Fliegen anziehen, nicht für die Sonne am Landeplatz. Bis ich dann tatsächlich auf dem Landeplatz aufsetzte, vergingen wieder bald 15 Minuten, die ich allein fürs nach unten steuern und die Landevolte brauchte. Überglücklich auf etwas wackeligen Beinen fiel ich Astrid in die Arme, die mich strahlend empfing. Boahh… noch ganz berauscht von diesem Erlebnis packten wir schnell meinen Schirm zusammen, denn das nächste Taxi nach oben stand schon bereit, ein Flugschüler der Tandemschule hatte uns angesprochen, damit das Shuttle voll wird. 
1:12h war ich am Ende in der Luft, hab‘ insgesamt genau 2000 m aufgedreht, hatte ein maximales Steigen von fast 6m/s und im Mittel etwa 4m/s und legte eine Strecke über Grund von fast 40km zurück. Astrid war ebenfalls fast eine halbe Stunde unterwegs, sie hat bloß, denke ich, nicht die Bärte erwischt, die mich hochgetragen haben. Sonst hätte sie mit Sicherheit noch ein bisschen mehr rausgeholt. 

Neuer Versuch, neues Glück. Auf dem Weg nach oben kommen wir mit zwei Tandempiloten ins Gespräch und lernen, dass sie permanent Bedarf an Gästen haben, damit sie sich nicht untereinander abwechseln müssen, sondern alle gleichzeitig ihre Flüge sammeln können. Wenn wir Lust hätten, könnten wir gerne als Gast mitfliegen. Das hört sich nach einem Plan an. Dann wissen wir, wie sich Tandemfliegen anfühlt, denn ich dachte schon ein paar Mal, dass ich meinen Kindern das gerne antun würde, damit sie das Gefühl des Fliegens kennenlernen. Zunächst starten wir aber nochmal allein, denn es könnte sich ja noch was mit Thermik ausgehen. Leider war es bereits nach 17Uhr und die Luft soweit abgekühlt, dass sich da nix mehr ausging. Der langsam einschlafende Wind tat sein Übriges, dass sich auch mit Hangsoaring nur noch sehr eingeschränkt was machen ließ und wir leider ziemlich schnell landen gehen mussten. Astrid tat mir an der Stelle ein wenig Leid. Ich hätte es ihr so gegönnt, dass sie ein ähnlich überwältigendes Flugerlebnis hätte haben können, doch wo nix ist, geht auch nix. 
Wen wunderts, wir treffen zusammen mit den Tandems am Landeplatz ein und committen uns gleich, das Zugpferdl zu spielen. Wir sind zwar später noch auf ein Bier verabredet, doch fliegen ist wichtiger und hell ist es ja nun nach der Zeitumstellung auch lang genug. Also nochmal rauf. Dieses Mal brauchen wir nur Jacke, Helm und Handschuhe, bekommen am Startplatz eine Einweisung, wie der Start abläuft und wie wir uns verhalten sollen und dann geht’s auch schon los. Tandemflugschüler, so lernen wir, dürfen in der Ausbildung nur Gäste mitnehmen, die selbst mindestens eine A-Lizenz haben, also Menschen, die prinzipiell wissen, was auf sie zu kommt. Trotzdem ist es ein ganz spannendes Gefühl, „nur“ mit zu fliegen. Der Wind ist vollständig eingeschlafen. D.h. ein Nullwindstart mit einer fast 40 Quadratmeter großen Matratze. Ich verstehe, warum der Gast sozusagen das Zugpferd ist. Ohne dessen Impuls bekommt ein Pilot allein dieses Riesending nicht in die Luft. Astrid macht mit Patrick als erste los. Sie müssen schon ordentlich rennen, bis sie der Boden verlässt. Mein Start mit Andreas als Pilot geht zunächst schief. Zu wenig Impuls. Ich bin entspannt. Ich weiß, dass so etwas passieren kann. Andreas macht die Trimmer ganz auf, damit wir beim Start bereits schneller werden können und dann klappt’s beim zweiten Versuch. Wir heben ab. Es ist schon nach 18:30Uhr. Ein erstes Mal Tandem, ein Sonnenuntergangsflug. Mein Gurtzeug und ich werden keine Freunde. Ich habe Mühe, mich richtig hineinzusetzen. Andreas hilft etwas nach, doch das ist nur von kurzer Dauer. Ich rutsche wieder nach vorne und hänge ein wenig auf halbacht. Für diesen kurzen Abgleiter, denke ich, ist mir das egal, doch leider rächt sich diese Nachlässigkeit bei der Landung. Die Gurtzeuge sind so ausgelegt, dass entspannt auf dem Popo rutschend gelandet werden kann. Das ist auch der normale Fall, weswegen im Queranflug aufs Landefeld die Ansage kommt, die Beine hochzuheben und waagerecht zu halten. Nur, wenn unmittelbar vor dem Aufsetzen klar ist, dass eine stehende Landung funktioniert, gibt der Pilot, in dem Fall Andreas, das Kommando: „Füße runter“ oder „Hinstellen“. Das ist aber wirklich ein Ding der allerletzten Sekunde. Nur halb auf dem Sitzbrett klemmend, bekomme ich meine Beine nicht wirklich waagerecht nach oben. Andreas informiert mich im Endanflug, dass ich nicht erschrecken soll, denn wir werden nochmal richtig schnell. Er macht die Bremsen ganz auf, damit Steuerleinenweg fürs Flairen kurz vorm Aufsetzen zur Verfügung steht. Alles klar, kenne ich, denke ich. Aber mit „schnell“ meint er wirklich sehr schnell. Mit gefühlt 60km/h flitzen wir ein paar Zentimeter hoch übers Gras, dann fängt Andreas ab und gibt das Kommando, dass ich mich hinstellen soll. Leider bleibe ich genau in dem Moment mit einer Ferse an einem Grasbüschel hängen, weil ich meine Beine nicht oben halten kann und wir machen eine Bauchlandung. Bisschen doof, aber nix passiert.

So, jetzt aber hurtig. Wir sind noch zum Bier bei Tilly’s verabredet und spät dran. Direkt vom Landeplatz aus wackeln wir zu Fuß los mit unseren Schneckenhäusern auf dem Rücken, denn hier ist alles nicht so weit auseinander, als dass das nicht in wenigen Minuten zurückzulegen ist. Kurz vor 19Uhr treffen wir dann bei Barbara und Herbert im Restaurant ein, sie sind in Begleitung von zwei Flugbekanntschaften, Christel und Peter, sowie einem Freund von Peter, der einfach nur dabei ist, aber nicht fliegt. Alles Urgesteine der Gleitschirmfluggeschichte. Die anwesenden Fliegenden haben bis auf Barbara alle schon mehr als 30 Jahre ihre Lizenz und sind von erster Stunde an dabei. Wir bestellen ein Bier und kommen ins Quatschen. Erneut drücken Barbara und Herbert ihren Dank aus, ohne uns wäre das Rausfummeln echt doof und noch mühseliger geworden. Wir versichern, dass wir das gerne getan haben. Wir wären auch froh, wenn uns jemand in so einer Situation geholfen hätte und das Karmakonto freut’s auch. Wir werden aufgefordert, uns auch was zum Essen zu bestellen, wir seien eingeladen, doch obwohl mein Magen auf den Knien hängt und ich schon das Bier merke, lehnen wir dankend ab. Wir wollen auch gar nicht so lange stören. Aber so leicht kommen wir nicht davon, ein zweites Bier kommt und die Gespräche reißen nicht ab. Christel ist total begeistern von meiner Transidentität und sie sucht förmlich das Gespräch, tauscht sogar den Platz mit ihrem Bruder Peter, damit wir ungestörter sprechen können. Wir erzählen auch von der Tandemschule und unserem ersten Tandemflug heute, was Herbert dazu veranlasst, zu erwähnen, dass er auch den Tandemschein hat. Denn als Barbara und er sich vor über 30 Jahren kennenlernten, flog er schon und damit Barbara mitfliegen kann, machte er kurzer Hand die notwendige Ausbildung und erst vor wenigen Jahren dann entschied Barbara, selbst auch die A-Lizenz zu machen. 
Und als wir so quatschen, kommen Andreas, mein Tandempilot, und seine Freundin die Tür rein. Sie grinst mich schon von weitem an, weil sie mich gleich als den „besonderen“ Gast erkannte, von dem Andreas ihr sicher erzählt haben muss. Als sie mich darauf anspricht, ziehe ich nochmal zu ihr um und wir quatschen schön in einer neuen Runde und auch Andreas wird sofort von Christel in Beschlag genommen, denn die hat auch Bock auf einen Tandemflug am nächsten Tag.
Einigermaßen angetrunken und hungrig, wie ein Wolf verabschieden wir uns nach fast 3 Stunden aus der Runde und ich erzähle im Rausgehen noch von meiner Homepage.

Der nächste Morgen. Die Prognosen sind so, dass sich heute mit Thermik eher nix ausgeht, tiefe Wolken, wenig bis keine Sonne, schwacher Wind und gegen Nachmittag könnte es sogar ein paar Tropfen geben. Deswegen haben wir es nicht besonders eilig, frühstücken gemütlich, brechen zu Fuß zum Landeplatz Paradiso auf, um zu schauen, dass wir ein Shuttle erwischen. Wir treffen auf die Flugschüler der Tandemschule, die bereits fleißig ihre Flüge absolvieren und sitzen, ehe wir uns versehen, zusammen mit zwei Tandempiloten im Auto eines Typen, von dem ich nicht weiß, wo er hingehörte, und werden zum Startplatz Stella mitgenommen. Den ersten Flug heute wollen wir aber erstmal allein machen, denn es ist schon so, dass es einige trotz der ungünstigen Bedingungen schaffen, oben zu bleiben und in einem relativ schwachen Aufwind an der Bergkante entlang fliegen. Der Plan ist, dass wir das auch versuchen, allerdings drängt sich alles ein wenig an dieser Bergkante und verläuft sich nicht so großzügig, wie am Vortag in der Thermik. Wir machen uns fertig und starten. Astrid fliegt als erste los und kurz darauf gegen halb zwölf mittags hebe ich ebenfalls ab. Der Wind steht relativ weit auf Ost, was eigentlich keine guten Bedingungen hier sind, doch er ist gleichzeitig so schwach, dass es trotzdem raus geht. Ich bleibe sehr nah am Hang, fliege 3 bis 4 mal hin und her, Astrid gewinnt sogar ein wenig Höhe, doch mir wird schnell klar, dass ich heute nicht den richtigen Wind erwischt habe oder nicht klug genug geflogen bin und drehe kurz vorm Absaufen in Richtung Landeplatz ab. Mir gelingt eine schöne Landung mit wegen der ausgeprägten Ostwindrichtung einem diagonal verlaufenden Endanflug. Die Motivation für einen oder mehrere weitere Abgleiter hält sich jedoch in Grenzen, die Auffahrten mit dem regulären Shuttle sind nicht so günstig, der Wind steht nicht gut, die Wolken werden tatsächlich dichter und kommen langsam runter. Als Astrid gelandet ist, sind wir uns schnell einig, dass selbst fliegen heute nicht so sexy ist und ein Thermikflug, wie gestern, heute sicher nicht drin ist. Außerdem fühlte ich mich nicht wohl bei so vielen Schirmen auf kleinem Raum in der Luft. 
Wir machen einen anderen Plan und quatschen nochmal die Tandemschüler an, die uns sehr gerne wieder als Gast mitnehmen und so sitzen wir kurze Zeit später im Flugschulbus auf dem Weg zum Startplatz Antenna, der für Ostwind viel besser geeignet ist. Auf der Fahrt spricht mich Andreas an, er und seine Freundin hätten sich abends noch meine Seite angeschaut und waren zum einen wirklich beeindruckt von meiner Geschichte zur Transition und zum anderen davon, was wir sonst noch so alles tun, besonders in den hohen Bergen. Tut gut, dass mal jemand so was äußert. 
Der Startplatz Antenna ist völlig leer als wir eintreffen. Die regulären Shuttlebusse fahren diesen Startplatz nicht so gerne an, weil der Weg viel weiter ist und so sind wir mit 4 Tandemschirmen die einzigen, die den Platz belagern. Weil wir schon eingewiesen sind, geht’s relativ zügig raus. Ich werde dieses Mal von Patrick mitgenommen, der gestern Astrid im Gurtzeug sitzen hatte und Astrid fliegt mit Jan, einem ganz jungen Kerl, der den Tandemschein machen will, um seine Freundin irgendwann mitnehmen zu können. 
Die Schwierigkeit hier ist, dass der Weg zum Landeplatz über ein Tal hinweg führt und die Entfernung, mehr als doppelt so groß, wie von Stella, bei fehlender Aufdrehmöglichkeit eine Herausforderung werden könnte. Mit der Standardgleitzahl meines eigenen Schirmes wäre ich hier möglicherweise unter diesen Bedingungen nicht gestartet, doch der Tandemschirm fliegt schneller und die Konstruktion gleicht eher einem B-Schirm, die von Haus aus bessere Gleitzahlen erreichen, als mein Hike&Fly-Schirm, der per Definition nicht fürs Thermik- oder Streckefliegen ausgelegt ist. Patrick und ich sprechen kurz darüber, aber wir sind uns einig, dass es reicht, wenngleich wahrscheinlich keine Manöver geflogen werden können. So isses dann auch. Schnickschnack gibt’s keinen, doch wir erreichen entspannt den Landeplatz Paradiso. 

Astrid und ich schauen uns an und signalisieren, dass wir nochmal mitfliegen können, falls die Flugschüler uns nochmal mitnehmen wollen. Auf selbst fliegen haben wir immer noch keine Lust, denn die Bedingungen wurden eher noch etwas ungünstiger. Seitens der Flugschule wird entschieden, mal einen anderen Landeplatz anzusteuern, um etwas Abwechslung reinzubringen und wir ziehen zum Landeplatz Garden Relais um, wo eine kurze Landeplatzeinweisung erfolgt. Mein Tandempilot von gestern, Andreas trifft dort auf Christel, die auch noch als Gast mit hochkommt, Astrid und ich tauschen den Piloten und so wird der Flugschulbus recht voll. 12 oder 13 Leute mit Tandemgepäck, d.h. 6 riesige Schirme und je zwei Gurtzeuge im Neunsitzer. Bisschen kuschelig, aber geht. Wir fahren rauf zum Startplatz Bepi, dem nächsthöhergelegenen oberhalb von Stella. Dort geht’s mit Ostwind angeblich besser als weiter unten und so lernen wir diesen Startplatz auch grad noch kennen. 
Bepi wird modernisiert. Deswegen steht nur ein halber Startplatz zur Verfügung, doch mir fällt auf, dass er etwas steiler ist und die Büsche am unteren Ende nicht so hochstehen. Starten müsste hier eigentlich ein klein wenig einfacher sein, allerdings können nicht mehr als ein normaler Schirm und ein Tandem gleichzeitig auslegen, was ein wenig Parawaiting verursacht. Gelassenheit und entschlossenes Handeln, wenn es soweit ist, hilft. Kurz vor halb vier hebe ich mit Jan als Pilot ab. Weil der Startplatz höher liegt, steht sogar ein bisschen Raum für Manöver zur Verfügung und wir rollen zwei Runden so richtig, dass mir schlecht wurde. Im Gurtzeug hängend hat es sich fast wie Wingovern angefühlt. Astrid hat das ganze aufgenommen und mir später gezeigt, was die Sache etwas relativierte. Krass, wie weit Wahrnehmung und Realität auseinander liegen können. Ich war jedenfalls froh als wir in einen normalen Geradeausflug zurückgekehrt waren und in die Landevolte wechselten. Mit Jan ist es mir dann auch gelungen, den Flug mit einer stehenden Landung zu beenden. Hat er gut gemacht. 

An der Stelle endet unser kleines Abenteuer „fliegen in Bassano“. Die Wolken sind inzwischen so weit runtergekommen, dass die Startplätze in kürze im Nebel sind, der Himmel leerte sich entsprechend und für den nächsten Tag ist Regen gemeldet. Wir wackeln zu Fuß vom Garden Relais zurück in unsere FeWo mit Zwischenstopp im Lebensmittelmarkt, verbrachten noch einen schönen Abend bei gutem Essen und am nächsten Morgen, nachdem alles im Auto verstaut und verpackt worden war, traten wir die Heimreise über den Brenner an. Im Vorfeld hatten wir uns bereits zu einem Besuch unserer lieben Freunde Michi und Andrea in ihrer neu eröffneten „Schwazeria“ mitten in Schwaz angekündigt. Kann ich wirklich nur empfehlen. Viele Leckereien von eingelegtem Gemüse über Pasta bis zu ausgesucht guten Weinen in einem ganz tollen Laden. Weil das sonst nie auf dem Weg liegt, nutzten wir diese Gelegenheit, die beiden mal wieder zu sehen. 

Fazit zum Fliegen in Bassano: Es braucht ein dickes Fell, wenn frau dort fliegen möchte. Der Betrieb ist enorm sobald fliegbare Bedingungen herrschen, ähnlich einem Sonntag mit besten Bedingungen am Tegelberg, wo sich hunderte in eine Schlange reihen. So etwas, wie eine Nebensaison scheint es nicht zu geben. Parkplätze gibt es praktisch keine in der Nähe der Startplätze, d.h. selbst rauffahren und Auto stehen lassen ist keine gute Idee. Rund um den Landeplatz Paradiso gibt es ebenfalls nur sehr eingeschränkte Parkmöglichkeiten. Dafür gibt’s am Garden Relais eine großzügig angelegte Parkfläche, auf der anscheinend auch Wohnmobile zur Übernachtung geduldet werden. Der Shuttleservice zu den Hauptstartplätzen Stella und Bepi, der von mindestens 4 verschiedenen Leuten angeboten wird, funktioniert im Gegensatz zu Meduno recht zuverlässig, wenngleich mit 8€ pro Nase und Fahrt nicht ganz billig. Mit etwas Glück braucht frau den aber vielleicht nur einmal am Tag, denn an guten Tagen begrenzt wohl nur der Sonnenuntergang die Flugzeit.
Ein Hike&Fly zu den Startplätzen Stella und Bepi ist ganz gut möglich. Die Wege zu den weiter oben gelegenen Startplätzen sind allerdings schon ziemlich weit. Diese müssen wohl auch in Eigenregie angesteuert werden, zumindest habe ich nicht mitbekommen, dass die Shuttles weiter rauffahren als Bepi.
Ob wir uns das so bald nochmal antun werden, steht in den Sternen. Sicher ist, dass mein allererster Thermikflug hier in meinem Gedächtnis bleiben wird. Ein wirklich sehr eindrückliches Erlebnis für mich, das Lust auf mehr gemacht hat.

Flugreise nach Bassano del Grappa, 28.-31.03.2023

Über den Winter sind wir immer mal wieder an einzelnen Tagen ein bisschen geflogen, wenn es irgendwie gepasst hat, doch das waren immer nur kleine Abgleiter, starten, ein paar Minuten fliegen, landen, fertig. Mitte März gab’s dann mal ein Testival, das unsere Flugschule in Oberstaufen organisiert hat, zu dem wir hinfuhren und die Gelegenheit nutzten, um mittels Bahnunterstützung mehrere kurze Flüge zu absolvieren. Da ging’s drum, unsere Start- und Landekompetenz auszubauen, denn die Bedingungen insbesondere zum Starten waren ein klein wenig anspruchsvoll. Zum Monatsende hin hatten wir dann eine ganze Woche frei und die allgemeine Wetterlage in den Alpen mit Kälte, Schneefall, Schneemangel auf den Gletschern und starkem Wind ließen Skihochtouren ausscheiden. Weiter im Südosten war’s besser und vor allem wärmer und fliegbar. Bis der Wind nachlies kletterten wir in Arco und dann auf nach Bassano del Grappa.

Alex und Manuel sind die ganze Woche schon unterwegs auf ihrer „Flugreise“, doch mit viel fliegen war wenig, denn es zog eine Regenfront über die Alpen, die sich leider nicht von der Südseite fernhielt. So sah es auch noch aus, als Astrid und ich uns donnerstags auf den Weg machten. Den ursprünglichen Plan, bereits mittwochs nach der Arbeit loszufahren, verwarfen wir ziemlich schnell, denn es gab keinen Grund sich zu beeilen. Das Wetter blieb mindestens bis inklusive Freitag schlecht mit Dauerregen, niedrig hängenden Wolken, kalten Temperaturen und zu viel Wind fürs Fliegen, weswegen wir einfach den Donnerstag als Reisetag auserkoren hatten. Zu Hause bleiben war keine Option, denn dort reichten die schlechten Aussichten bis über den Sonntag hinaus und mit der Reise hatten wir eine kleine Chance, ab wahrscheinlich samstags fliegen zu können. Also los. Wir buchten nur nochmal unsere Ferienwohnung um, als wir bei genauerer Betrachtung feststellen, dass es in der ersten Wohnung weder Heizung noch Internet gibt. Die Zweite hatte dann wenigstens einen Holzofen und auch Internet.
Die Fahrt vom Ostallgäu nach Meduno ist eine kleine Weltreise, egal welchen Weg Frau wählt, denn eine Direttissima existiert nicht. Aus ökologischen Gründen entschieden wir, den kürzesten Weg zu nehmen, denn Zeit hatten wir ja und die Variante über die Autobahn wären über 100km mehr gewesen auf denen wir natürlich auch schneller gefahren wären und mehr Sprit durchgebracht hätten. So lernen wir Ecken kennen, von denen ich nicht mal wusste, dass sie existieren. Der Plöckenpass zum Beispiel über den frau von Kötschach-Mauthen aus nach Italien kommt. Ich erinnere mich, dass ich vor über 30 Jahren schon mal hier gewesen bin und die Gail mit dem Wildwasserkajak paddelte. Es ist diesig und regnerisch als wir über den Pass fahren und es erscheint ein wenig wie das Ende der Welt, wenn da nicht ab und zu ein Auto oder Wohnmobil entgegenkäme. Unsere Ferienwohnung liegt nicht direkt in Meduno und weil das Navi im Auto den Ort Castello di Friuli nicht kennt, übernimmt Google die letzten Meter, die uns über eine Microstraße durch gefühlt dichten Urwald führen, nachdem wir im letzten größeren Ort alles Notwendige für eine ordentliche Pasta eingekauft hatten. Alex und Manuel kommen an diesem Abend spät vom Idrosee gefahren, nachdem sie auf einem Klettersteig dort gut durchgewaschen wurden und wir luden sie ein, gemeinsam mit uns zu futtern. Das ging sich dann auch gut zusammen, wir saßen bis spät in die Nacht zusammen und konnten nach Mitternacht sogar Alex noch zum Purzeltag gratulieren. Sie blieben mit ihrem Bus einfach hinterm Haus stehen. 
Was wir jedoch lernten war, dass das Haus bzw. die Wohnung direkt nebenan gerade Baustelle ist und eine energetische Sanierung durchgeführt wird. Es war schon ziemlich nervig an dem späten Nachmittag, als ständig die Schlagbohrmaschine angeworfen wurde und ich ahnte, dass es am nächsten Tag grad so weiter geht. 
Das Frühstück am nächsten Tag sollte nicht so früh starten, weil fliegen wegen des Dauerregens sowieso nicht geht und wir im Prinzip nichts anderes auf dem Plan hatten, als Start- und Landeplatz zu besichtigen, noch die Dinge einzukaufen, die fehlten und ein Restaurant für den Abend auszusuchen, um den Geburtstagstag angemessen enden zu lassen. Die Handwerker von neben an waren am nächsten Morgen der Meinung, dass 7:30Uhr ok ist, um wieder die Schlagbohrmaschine anzuwerfen und die Betonwände, die alle Wohnungen miteinander verbinden, taten ihr übriges, den Aufenthalt in der FeWo nahezu unerträglich zu machen. Blöd. Weglaufen war aber irgendwie auch nicht, denn es regnete praktisch durchgehend. Frühstück mit viel Lärm und dann machten wir uns trotz Regen auf den Weg, um ein paar Informationen zum Fluggebiet einzuholen, lernten, dass es zwei Landeplätze gibt, einer am Campingplatz Ai Pradons und einer etwas weiter südlich an der gleichen Straße mit mehr Fläche, der auch der eigentliche öffentliche Landeplatz ist, sowie dass seit Anfang des Jahres erstmals eine Flying Card eingeführt wurde, mit deren Erwerb frau sich quasi als Pilotin legitimiert und mit der alle Landeplatzgebühren für ein Jahr bzw. eine Saison abgegolten sind. Wir planen, uns die Karte noch am Abend im Restaurant des Campingplatzes zu beschaffen, denn die kann dort ausgestellt werden und dort wird superlecker gekocht.
Nach der Landeplatzbesichtigung schauen wir noch nach einem Supermarkt, der allerdings in der Mittagspause war und entscheiden, mal die Straße zum Startplatz hochzufahren, um auch den noch in Augenschein zu nehmen. Eine Bahn gibt es leider nicht. Alle, die Starten wollen, müssen irgendwie zu Fuß oder mit dem Auto rauf. Beides ist ziemlich mühselig, wie wir später lernen. Mit dem Auto vom Landeplatz zum Startplatz dauert es auf der kleinen Straße fast eine halbe Stunde einfach und zu Fuß durch die Berghänge braucht frau etwa 2 Stunden. Es gibt mehrere Shuttleservices, die jedoch keine regelmäßigen Abfahrtszeiten haben und eher nach Bedarf 2-3 mal am Tag pendeln. Die Parkmöglichkeiten am Startplatz sind sehr begrenzt, doch heute ist niemand da. Nebel und Wolken wabern über den Starthang, der sehr großzügig und lieb erscheint, weil breit, lang und ganz homogen geneigt, aber leider vollgeschissen ist. Eine Herde Kühe wohnt hier. Unverkennbar. Mein weißer Pi3 tut mir jetzt schon leid, aber es wird schon irgendwie gehen. Eine hölzerne Startrampe für Drachenflieger gibt es ebenfalls und wer will, kann sein Zeug auch bis zum Gipfel hochtragen und dort starten. Soweit alles klar. Es geht zurück zur Ferienwohnung, wo immer noch fleißig gebohrt und gehämmert wird. Den Nachmittag vertreiben wir uns mit Kuchenbacken, denn Geburtstagskuchen muss schon sein. Astrid hat zu Hause bereits alle Zutaten abgemessen und eingepackt, inklusive der Äpfel vom eigenen Bäumchen, sodass kurze Zeit später ein superleckerer, saftiger Apfelkuchen den Ofen verlässt und vernascht wird. 
Am Abend fahren wir nochmal los, um am Campingplatz in der Nähe des Landefelds schön Essen zu gehen. Die Küche des Ai Pradons ist wirklich sehr gut, der Service supernett. Pizza sucht Frau hier vergebens, doch es ist ja auch keine Pizzeria, sondern ein Restaurant mit kurzer Karte und überwiegend regionalen Produkten. Bevor wir das Lokal verlassen, sprechen wir die nette Frau vom Service auf die FlyCard an und sie bestätigt, dass wir die Karte hier gegen 15€ Jahresgebühr bekommen können, nachdem wir ein kleines Formular mit Fluglizenznummer, Versicherung, Verein, etc. gefüllt haben. Die ausgestellte Karte sei dann bis Ende 2022 gültig. Nachträglich wissen wir, dass es klug gewesen ist, das gleich hier zu erledigen, denn am nächsten Tag gingen diese Karten am Landeplatz aus.

Am nächsten Morgen, es ist bereits Samstag, fahren wir bei trübem Wetter sehr früh los zum Landeplatz, um ein Auto stehen zu lassen und mit dem zweiten zum Startplatz hochzufahren. Unten werden bereits morgens die Parkplätze knapp und es scheint auch so zu sein, dass manche hier in ihren Wohnmobilen übernachteten. Eine knappe halbe Stunde später erreichen wir den Startplatz, an dem sich eine ähnliche Situation zeigt. Nicht wenige haben hier oben übernachtet. Noch ist der Startplatz in den Wolken und die Sicht nach unten versperrt, doch der Nebel lichtet sich bald und wir starten zu einem ersten Abgleiter gegen 10 Uhr, weil der angekündigte Hangwind noch nicht wirklich eingesetzt hat. Für einen ersten Flug ist mir das aber ganz recht, obwohl ich an mir selbst beobachte, dass ich schon gar nicht mehr so schlimm aufgeregt bin vor und während des Startens, wie das sonst der Fall gewesen ist. Das Fluggelände ist ganz gut überschaubar, der Landeplatz in der Ferne eindeutig zu erkennen und die einzige Herausforderung besteht erstmal nur darin, den weißen Pi3 nicht in die Kuhhaufen zu drapieren. Wenige Minuten später bin ich nach einem einwandfreien Start in der Luft, versuche mich gleich zu entspannen als ich merke, dass ich wieder total angespannt im Gurtzeug klemme und steuere sofort in Richtung Landeplatz. Aufwind und Thermik gibt es nicht und so ist der Flug sehr ruhig und nach 6-7 Minuten fliege ich bereits einen ersten Positionskreis und bereite mich aufs Landen vor. Die gelingt sehr gut, ich treffe komfortabel die Landewiese und kann schon sehen, dass der Betrieb deutlich zugenommen hat. Mehrere Flugschulen sind eingetroffen, sogar eine für Drachenflieger:innen aus der Schweiz und es wuselt ganz ordentlich. 
Als wir nochmal zum Startplatz kommen, haben sich Pilot:innenmenge und Startbedingungen ebenfalls deutlich verändert. Parken geht kaum noch, die Fläche vor dem Startplatz ist voll mit Menschen, der Starthang selbst ebenfalls und unmittelbar um den Startraum fliegen jede Menge im Aufwind, der nun so stark die Startwiese anströmt, dass mir sofort klar wird, ich werde hier so schnell nicht wieder starten. Das Parawaiting geht los. Mir sind viel zu viele Pilot:innen in der Luft auf engem Raum. Sie fliegen teilweise im Nebel und in den Wolken rum, dass es mir ganz anders wird. Astrid bemerkt in einer anderen Gruppe Katrin, die wir vom Frauenfliegenfest in Lenk kennen. Auch sie hat uns erkannt und wir quatschen ein wenig. Sie und ihre Begleitung sind schon die ganze Woche mit einem Thermikkurs einer Flugschule unterwegs, doch mit Thermikfliegen ging sich bisher gar nichts aus, weswegen die Schule entschied, es in Meduno mit Soaren zu versuchen. Wir verbringen einige Zeit mit Beobachten, doch wenn ich mir die Wetterdaten so ansehe, werde ich frühestens ab 16Uhr nochmal starten können, wenn der Wind etwas nachgelassen hat. Im Moment flattern die Windsäcke waagerecht, was einer Geschwindigkeit von 25-30km/h entspricht.
Wir entscheiden, die Autos wieder so umzuparken, dass wir später wieder fliegen können und danach ein Auto unten ist, damit wir nicht auf den Shuttlebus angewiesen sind, von dem keiner weiß, wann er fährt. Am Landeplatz angekommen, laden wir unsere Schirme zu Alex und Manuel in den Bus, denn Astrid und ich entscheiden, zu Fuß hoch zum Startplatz zu gehen, damit wir uns wenigstens ein bisschen bewegt haben, dabei aber nicht unsere Ausrüstung tragen müssen. Wir waren beide erkältungsmäßig etwas angeschlagen in den Tagen vor der Reise. Vom Landeplatz aus führt mit ein bisschen Suchen ein Pfad zuerst an der nahegelegenen Burgruine vorbei und dann weiter den Hang hinauf auf den Grat, teilweise sehr steil durch urwaldähnliche Abschnitte. Wegen der Regentage ist es ziemlich dampfig und rutschig, der Pfad ist stellenweise nur sehr schwach zu erkennen, manche Dornensträucher hinterlassen Spuren auf unserer Haut. Alles in allem aber sehr schön und abwechslungsreich. Rund zwei Stunden und knapp 800 Höhenmeter später kommen wir oben am Startplatz raus, wo immer noch viel los ist. Viele Drachenflieger:innen haben aufgebaut, doch es starten nur wenige von ihnen. Der Wind hat etwas nachgelassen und nachdem Astrid und ich uns trockengelegt haben, tragen wir unser Zeug zum Startplatz, machen uns nochmal fertig und starten per Rückwärtsaufziehen in unseren zweiten Flug für heute. Mein zweiter Rückwärtsstart ever gelingt sauber. Ich bin ein wenig stolz. Wenn es um Windgeschwindigkeiten geht, traue ich mir noch nicht so viel zu. Deswegen freut es mich umso mehr, dass es geklappt hat. Alex und Manuel starten ebenfalls und kurze Zeit später sind wir am Landeplatz wieder vollzählig. Ich bin nicht ganz sicher, doch soweit ich weiß legte Manuel noch eine Toplandung am Startplatz hin. Das soll da vergleichsweise einfach sein und bietet sich deswegen zum Üben an, doch ich für meinen Teil bin erstmal froh, dass das „normale“ Starten und insbesondere das Landen für meine Verhältnisse wirklich gut läuft. Einmal müssen wir noch hoch, um den Bus von Alex und Manuel zu holen und als wir oben angekommen sind, entscheiden die beiden, nochmal runter zu fliegen. Es dämmert bereits als sie starten, doch der Landeplatz ist noch einwandfrei erkennbar. Astrid und ich bringen die beiden Autos nach unten, sammeln die zwei anderen ein und dann wird es höchste Eisenbahn, um noch zu Öffnungszeiten in den einzigen kleinen Supermarkt auf dem Weg zur FeWo zu kommen, denn heute kochen wir selbst und haben noch nix da. Wir schaffen’s gerade so und so kommt am Abend eine leckere Gemüse-Tajine auf den Tisch. 

Sonntagmorgen. Heute geht’s nicht so früh los, denn der Wind wird erst ab etwa Mittag gut anstehen, sagt die Burnair App. Die ursprünglich sonnige Vorhersage hat sich ein wenig verschlechtert und wir müssen immer wieder mit einem wolkenverhangenen Startplatz rechnen. Deswegen starte ich in meinen ersten Abgleiter eine gute Stunde später als am Vortag. Danach ist erstmal wieder Parawaiting, weil der Startplatz immer wieder mal im Nebel liegt, was jedoch nur wenige vom Starten abhält. Der Himmel ist gut gefüllt zwischendurch und als mal so ein ganzer Pulk in einer Wolke verschwindet, kann ich nicht mehr hinsehen. Mich hätte es nicht gewundert, wenn es zu Kollisionen gekommen wäre, doch es ging gut aus. Erst am fortgeschrittenen Nachmittag starte ich erneut, versuche, an der Hangkante etwas von dem Aufwind abzubekommen, doch ich stochere so ein bisschen im Nichts herum. Kein Steigen. Ich bemerke jedoch, dass inzwischen ein relativ starker Talwind eingesetzt hat und entscheide mich dazu, auf mehr oder weniger direktem Weg zum Landeplatz zu fliegen. Die Flugstrecke beträgt inklusive einer halbwegs großzügigen Landevolte so um die 4,5km was bei einem Höhenunterschied von knapp 800 normalerweise auch mit einem Anfängerinnenschirm komfortabel ausreicht. Bei Gegenwind zum Landeplatz sieht die Sache allerdings anders aus. Wenn der Schirm nur noch mit 10-15km/h vorwärts fliegt, geht die Höhe ziemlich schnell aus. Als ich am Landeplatz ankomme, fliege ich direkt in eine kurze Landeeinteilung ohne Positionskreise, lande dann auch gleich ganz sanft und informiere Astrid über Funk über die Windverhältnisse am Landeplatz. Mangels Funk kann ich die anderen beiden leider nicht informieren und so landet Manuel bei einem seiner Flüge einen Landeplatz früher am Campingplatz und Alex muss leider das angrenzende Bohnenfeld nehmen, weil sie gar nicht mehr vorwärts kam. Damit war sie allerdings nicht die einzige. Ein weiterer Flug geht sich an diesem Tag noch aus. Meine Landungen sind super. In fünf Flügen keine Popolandung. Ich lerne so langsam auch, was mir mein Variometer so anzeigt und ich beginne damit, die Informationen für meine Flüge zu nutzen. Natürlich nur in sehr kleinen Schritten, aber immerhin. Nachmittags traf noch ein Spezl von Alex und Manuel, Christian, ein. Er fliegt schon recht lange und gibt seine Erfahrungen immer wieder auch insbesondere an Manuel weiter, der in den vergangenen Monaten hin und wieder mit ihm fliegen gewesen ist. Ein angenehmer Mensch, wenngleich ich sein Pinzgauerisch kaum verstehe. 
Für heute Abend ist Pizzaessen auf dem Plan. Gut und einfach mit einem Becher Bier dazu. Ich weiß nicht woran das liegt, dass Pizzerien in Deutschland häufig nur so Gummifladen mit ein bisschen irgendwas hinbekommen. Ist es so schwer, eine knusprige, fein belegte Pizza mit Geschmack zu zaubern? Anscheinend schon. An diesem Abend ist es gelungen. Gemütlich ist’s zwar nicht, eher ein Takeaway-Lokal, aber die Pizzen sind sensationell lecker. Ein kleiner Laden neben dem kleinen Supermarkt in Travesio. Gut gesättigt fahren wir alle zu unserer FeWo, wo Alex und Manuel und jetzt auch Christian mit ihren Bussen einfach hinterm Haus über Nacht stehen können. Wir trinken noch ein Bier, quatschen und schauen die Wetterprognose für den nächsten Tag an. Die Sonne soll endlich mal rauskommen und, wenn die Prognose zutrifft, soll es auch einen moderaten Aufwind mit eventuell ein bisschen Thermik ab etwa Mittag geben. Das wäre ja mal was. Alle meine letzten fünf Flüge bestanden nur aus Starten, Runterfliegen und Landen. Das wird ein bisschen langweilig mit der Zeit, denn auf so einem ruhigen Flug ist halt auch nicht viel zu tun. Manchmal rolle und nicke ich zwar mal oder ziehe die Ohren ein, doch mal oben bleiben, bisschen schauen müssen, wo es weiter rauf geht und mal in Thermiken ein- und ausfliegen würde die Sache sehr viel spannender machen.

Der letzte Tag ist ein Montag. Der 3. Oktober und wie Frau sich vorstellen kann, sind Start- und Landeplatz fest in deutscher Hand. Die tschechische Flugschule sowie die meisten Österreicher sind abgereist. Leer ist es dennoch bei Weitem nicht. Auch die Dracheflieger:innen aus der Schweiz sind noch da. Der erste Flug ist erneut einfach nur ein „Starten, Landeplatz erreichen, landen“-Flug für alle. Der zweite Flug ist dann allerdings anders. Ich erwische ein wenig Aufwind, fliege aber nicht konsequent genug, um ihn weiter auszunutzen, was Astrid hingegen viel besser gelingt. Ich sehe sie irgendwann weit über mir als ich weiter unten noch vor dem Hang entlang kratze. Sie erwischt zusätzlich einen Thermikbart, der mir zwar auch im Variometer angezeigt wird, doch zwischen mir und dem Bart liegt leider eine Felskante. Sie schafft es, einige Runden darin zu drehen und weiter hoch zu kommen. Das freut mich für sie. So macht fliegen gleich viel mehr Spaß. Von allen anderen weiß ich zu dem Zeitpunkt nix und nach ein paar Mal am Hang kreuzen geht mir so langsam die Höhe aus. Der Flug dauerte trotzdem doppelt so lange als alle anderen vorher, was ich für mich auf jeden Fall als ein äußerst positives Erlebnis abspeichern kann. Die Landung ist Zucker und dann warte ich auf die anderen. Astrid kommt gute 10 Minuten nach mir zum Landen. Alex folgt und auch Katrin ist schön geflogen und kommt zum Landen. Nur von den anderen beiden wissen wir so gut wie nichts. Christian meldete sich zwar zwischendurch per Telefon und meinte, Manuel würde wohl zum Landen kommen, weil er abgesoffen ist, doch am Himmel ist nichts von ihm zu sehen. Kontakt herstellen geht wegen des fehlenden Funks auch nicht und so sitzen wir ewig rum und warten ins Ungewisse. Astrid und ich hatten uns eine Startzeit fürs Heimfahren gesetzt und mit der Warterei wird schnell klar, dass sich für uns kein dritter Flug mehr ausgeht, wenn wir nicht erst spät in der Nacht nach Hause kommen wollen. Blöd. Diese elend langen Auffahrten in diesem Fluggebiet können richtige Showstopper sein. Als es dann auf 14Uhr losgeht, wo wir eigentlich die Heimfahrt starten wollten, und immer noch nix von den beiden anderen gekommen ist, schlage ich vor, dass wir Alex und Katrin halt einfach nochmal hochfahren. Dann haben wenigstens sie alle Möglichkeiten, weil alle anderen Autos außer unserem, am Startplatz stehen, auch wenn das für uns einen wesentlich späteren Start bedeutet. Der Shuttlebus ist, wie die Tage zuvor, ein eher zufälliges Ereignis. 
Unser Auto ist bloß bereits für die Heimfahrt gepackt, also räumen wir es soweit leer, dass außer der Fahrerin noch zwei mit Schirm mitfahren können und Astrid startet mit den beiden nach oben, während ich auf der Landewiese mit unserem Zeug bleibe. Immerhin scheint die Sonne und ich breite mir eine Yogamatte aus, mache es mir bequem und schaue mal nach dem Weg. Eine knappe Stunde später ist Astrid wieder da und wie vermutet, sind Christian und Manuel oben Top gelandet. Wir haben umsonst gewartet. Priml. Zeug wieder ins Auto und los. Wenigstens gibt’s auf der Fahrt nicht mehr ganz so viel Stau und Zirkus, wie auf dem Hinweg. Mit Stopp im Supermarkt und an der Tankstelle schaffen wir es, gegen 22 Uhr an unserer Holzhütte im Ostallgäu zurück zu sein. Bereits auf der Fahrt stellte ich mir die Frage, ob so weit fahren für so wenig fliegen schlau ist. Diese geplanten Fliegeausflüge haben im Grunde den gleichen Charakter, wie die Kurse während der Ausbildung. Ob fliegen geht, weiß Frau erst, wenn sie da ist und inhaltlich ist es dann irgendwie immer das gleiche. Der Betrieb am Start- und Landeplatz in Meduno ist identisch mit dem an einem fliegbaren Sonntag am Tegelberg, obwohl es hieß, Meduno sei etwas weniger stark frequentiert, wie z.B. das nahegelegene Bassano. Dann weiß ich schon, wo ich sicher nicht zum Fliegen hinfahre. So besonders attraktiv ist die Kulisse darüber hinaus auch nicht. Da hat’s mir im Hochgebirge im Wallis besser gefallen und dort ist das Fliegen an sich sehr viel anspruchsvoller. Ein paar schöne Tage waren’s trotzdem, gelernt habe ich auch viel und -mir besonders wichtig- alle Landungen gingen ohne Stolperer oder Bodenkontakt mit den Extremitäten aus. Und wir starteten mehrmals erfolgreich per rückwärts aufziehen. Und ich durfte ganz viel Freizeit mit meinem Lieblingsmenschen bei den Dingen verbringen, die uns beiden Spaß machen.

Flugreise nach Meduno in Italien, 29.09.-03.10.2022

Kurz nachdem wir unsere Fluglizenzen zugesandt bekommen haben, fragten Alex und Manuel, ob wir Ende September zum Fliegen nach Meduno mitkommen wollen. Sie hätten über ihren Verein in Saalfelden die Info bekommen, dass es dort ganz fein zum Hangsoaren sein soll aber gleichzeitig nicht so überlaufen ist wie Bassano. Eine ganze Woche konnten wir dafür nicht freinehmen, doch 2 Tage, um das eh schon lange Wochenende zu verlängern, waren drin. Wir lernen ein neues Fluggebiet kennen. In Italien.

Nachdem wir unsere Flugprüfung bestanden hatten und unsere Lizenz wenige Tage später in den Händen hielten, waren wir ein bisschen stolz, es trotz einiger Unwägbarkeiten doch noch vor dem Frauenfliegen in Lenk geschafft zu haben. Von der Veranstaltung hörte ich das erste Mal, als ich mit Katrin Ganter in Kontakt kam. Schuld war Erika Dürrs Podcast ulligunde (p)lauscht, in dem wir beide in jeweils einer Folge zu hören sind (meine Folge ist im Blog verlinkt) und so bestand der Wunsch, daran teilzunehmen schon eine ganze Weile. Der Pferdefuß war einfach nur, ob wir bis dahin unsere Lizenz haben. Diese Frage war ja nun beantwortet, weswegen wir quasi unmittelbar nach der bestandenen Prüfung die Anmeldungen auf den Weg brachten.
Einige weniger gute Erfahrungen im Hinblick auf meine Transidentität, wenn ich meinen kleinen Kosmos zu Hause verlasse, ließen in mir ein paar Zweifel aufkommen, ob es eine gute Idee ist, an so einem Event teilzunehmen, wo mehr oder weniger ausschließlich Frauen anzutreffen sein werden, von denen ich nicht weiß, wie sie zu dem Thema eingestellt sind. Es gibt ja wirklich radikale feministische Exemplare, die sich nahezu bedroht fühlen von Menschen wie mir, die mir den Aufenthalt ganz schön vermiesen könnten. Mein Kopf schon wieder. Ich nehme zu Katrin Kontakt auf, um ihre Meinung dazu zu erfahren. Ich solle einfach kommen und mir keine Gedanken machen. Es wird gut.

Ursprünglich hatten wir vor, erst freitags zu Hause loszufahren, doch nachdem wir einen Blick aufs Programm geworfen hatten, verlängerten wir die gebuchte Ferienwohnung um einen Tag nach vorne, damit wir die Anmeldung und das Freitagsvormittagsprogramm nicht verpassen. Hieß auch, donnerstags nach der Arbeit starten und spät am Abend an der FeWo ankommen. Wir hatten ein wenig Mühe, das unbeleuchtete alte Häuschen ohne erkennbare Hausnummer bei Dunkelheit und Regen zu finden, doch so viel Auswahl gab es nicht und nach einer kurzen Suche zu Fuß im Dunkel fanden wir den Eingang. Über die Unterkunft war ich ein klein wenig entsetzt und hatte große Lust, für die nächsten Nächte etwas anderes zu suchen. Das Mobiliar war aus den 50iger Jahren des letzten Jahrhunderts, das Licht in der Küche bestand aus einer nackten Industriehallennoenröhre und es gab kein Internet. Gemütlich geht definitiv anders. Die Suche nach was anderem endete sehr schnell, denn zum einen gab’s fast nix mehr und was zu haben war, lag preislich in einem für mich unerreichbaren Universum. Eine Alternative hätte noch sein können, sich im Massenlager im Kurs- und Sportzentrum in Lenk, kurz Kuspo, unterzubringen, wie viele der anderen Teilnehmerinnen, aber dazu hätte ich meine Komfortzone sehr weit verlassen müssen. Na ja, wird schon irgendwie gehen. Die erste Nacht in einem schlimm knarzenden Bett, in dem frau fast hätte seekrank werden können, war nicht erholsam. Noch am Abend kam eine Planänderung des Programms per Telegram-Nachricht, dass wegen des regnerischen Wetters alles erst 3 Stunden später startet. Mit fliegbarem Wetter rechnete niemand an diesem Tag und so wurden auch die eigentlich für den Abend geplanten Vorträge kurzerhand auf den Nachmittag vorgezogen. Darüber war ich nicht traurig. Es machte möglich, dass wir an diesem regnerischen Freitagmorgen ohne Eile in den Tag starten konnten mit einer heißen Dusche, lecker Frühstück, Zeit, um noch ein paar Dinge im Coop zu beschaffen, weil wir uns die Option offenhalten wollten, im Zweifel selbst zu kochen, statt das inkludierte Abendessen im Kuspo einzunehmen, und dann tuckerten wir nach Lenk, wo ab 11 Uhr die Anmeldung startete. Ich fand’s ein bisschen aufregend, als ich mich das erste Mal unter all die Frauen wagte, einen Grund dafür gab es jedoch nicht, wie ich sehr schnell bemerkte. Als erstes trafen wir noch am Parkplatz auf Katrin, die einen lustigen bunten Rock aus lauter Tüllstreifen trug. Wir lernten später, was es damit auf sich hat. Und dann ging’s zur Anmeldung, wo reges Treiben herrschte. Das zweite uns bekannte Gesicht tauchte auf, Vreni. Vergangenes Jahr trafen wir uns zufällig am Hündlekopf, wo wir sie beim Aufstieg begleiteten und uns die gute halbe Stunde sehr angeregt unterhielten. Einfach so. Wir blieben über Facebook lose in Kontakt und wir erfuhren lange vor dem Event, dass sie auch dort sein wird. Im Gegensatz zu uns nimmt sie aber nicht einfach nur teil, sondern ist ganz ordentlich in Organisation und Koordination mit eingespannt, weswegen sie an der Anmeldung hinter dem Tisch steht. Die erste herzliche Umarmung folgt. Volle lieb. Nach dem Scannen unseres QR-Codes auf dem Ticket, füllen wir noch eine Teilnahme am Gewinnspiel mit aus, es gibt einen Groundhandling-Schirm zu gewinnen, und werden von der lieben Frau vom Nova-Stand mit kleinen Präsenten überhäuft. Der Wahnsinn. Damit ist der Teil Anmeldung erledigt, doch es ist noch so viel Zeit übrig bis die Begrüßung stattfindet. Zufällig haben zwei Frauen von der Firma ParaCyclage hier schonmal ihren Verkaufsstand provisorisch eingerichtet. Sie sind auf die Idee gekommen, dem hochwertigen Tuch ausgemusterter Schirme ein zweites Leben zu schenken, indem sie lauter coole Sachen daraus schneidern. Vom kleinen Geldbeutel, über eine „Ich-verliere-mein-Smartphone-nicht-beim-Fliegen“-Schnur bis hin zu gefütterten Kapuzenjacken, Taschen, Umhängebeutel, Windjacken, mit Ärmel, ohne Ärmel, mit Kapuze oder ohne. Wir stöbern, finden natürlich auch was und lernen, dass die beiden später ihren Stand zum Landeplatz umziehen werden, wo sie uns quasi die ganzen 3 Tage zur Verfügung stehen. 
Als wir bemerken, dass die Wolken sich ein wenig verzogen hatten und sogar die Sonne mal blinzelt, gehen wir ein wenig vor die Tür und sind sofort in Gespräche verwickelt. Es gibt bezüglich mir, so nahm ich das bis dahin wahr, überhaupt keinerlei Aufregung. Das ist toll. Ein paar neugierige Blicke gibt’s schon, doch ich sehe den Menschen normalerweise an, ob es Neugier oder Unverständnis bzw. Ablehnung ist. Letzteres ist aber allen hier völlig fremd. Später und im Verlauf der nächsten Tage gibt es einige Frauen, die ganz interessiert auf mich zu kommen und mehr über mich erfahren wollen und wir quatschen viel und lange über alles mögliche.

Bei der Begrüßung, die dann sogar draußen stattfinden kann, weil es grad nicht mehr regnet, erklärt Katrin, was es mit dem lustigen Rock auf sich hat. Er ist nämlich eine Art Wandertrophäe für dieses Wochenende, bei dem die Trägerin nach eigenem Ermessen den Rock an Menschen weitergeben darf/soll, wenn sie der Meinung ist, jemanden gefunden zu haben, der diese Ehre aus welchen Gründen auch immer verdient. Eine witzige Idee. Es folgt noch ein Maori-Tänzchen, um besseres Wetter zu bewirken, und ein Gruppenfoto von allen Anwesenden ist noch zu schießen, bevor wir in den Nachmittagsteil mit einigen sehr interessanten Vorträgen einsteigen. So spricht Fatemeh aus dem Iran über die Zustände im Land und ihre Bemühungen, die sie seit Jahren unternimmt, um für Frauen mehr Rechte zu erlangen und die Schranken in den Köpfen abzubauen. Sie ist eine der ersten Frauen dort, die überhaupt mit dem Gleitschirm auf Strecke gingen und gehen, was erstmal nicht selbstverständlich ist und in der Männerwelt sehr skeptisch betrachtet wird, bis hin zu dem Spruch „Sie sei dann wohl gar keine richtige Frau, wenn sie so etwas tut“. Da braucht’s noch viel Aufklärung und Hartnäckigkeit. 
Vera spricht über ihre Leidenschaft fürs Filmen und Fliegen und hat es als erste Frau geschafft, solche Großveranstaltungen wie die Red Bull X-Alps als feste Kamerafrau begleiten zu dürfen. Frau muss einfach dranbleiben und nie aufgeben, um die eigenen Träume wahr werden zu lassen. 
Und dann war da noch Flavia. Eine sportliche junge Frau, die Skirennen fuhr und nach einem schweren Unfall die Diagnose Querschnittslähmung bekam. Sie springt auf ihren eigenen Beinen vor den Zuhörenden herum und erzählt ihre Geschichte, wie sie in kleinen Schritten während der letzten Jahre irgendwann wieder aus dem Rollstuhl heraus auf die Ski drauf kam und heute ein fast normales Leben führen kann. Sehr beeindruckend. Die Botschaft der Vorträge ist eindeutig: Gib nicht auf und tue, wonach dir ist, egal, was die anderen sagen, sei dir genug und bleib unbequem. Der bis dahin sehr inspirierende Nachmittag wird damit fortgesetzt, dass wir zu Fuß ein paar hundert Meter weiter zum Landeplatz an der Metschbahn-Talstation gehen, wo Apero (der schweizerische Begriff für den Appetithappen vor dem eigentlichen Essen inklusive des Austauschs von Informationen und Neuigkeiten zwischen den Teilnehmenden) und diverse Kaltgetränke bereitstehen, insbesondere sind viele, viele Gläser mit Aperol Spritz vorbereitet. Die Sonne lässt sich sogar blicken, was die Sache sehr viel angenehmer macht, denn hier in Lenk, so scheint es, ist der Herbst bereits in vollem Gange. 
Ich inspiziere den Landeplatz und finde erstmal, dass es einer der kleinsten ist, die ich bisher zum Landen zur Verfügung hatte. Er ist praktisch auf allen Seiten so begrenzt, dass es wenig bis keine Ausweichmöglichkeiten gibt, ganz besonders dann, wenn der übliche Talwind eingesetzt hat. Höhe abbauen, sprich die Position, findet laut Info in der burnair App über einer bewohnten Fläche statt, was ich eigentlich immer sehr merkwürdig finde, aber häufig vorkommt. Nun ja. Heute spielt das erstmal keine Rolle, wir nehmen 1,2,3 Aperol Spritz, knabbern am Apero, lernen einige andere Teilnehmerinnen kennen mit denen wir uns vorzüglich unterhalten und so vergeht die Zeit bis zum Abendessen wie im Flug. Ich nehme wahr, so mitten in der großen Gruppe an Frauen stehend, dass meine Transidentität niemanden anhebt und ich so akzeptiert werde, wie ich bin, eine Frau unter anderen Frauen. Das tut richtig gut, ehrlich gesagt. So ein Gefühl kommt nicht so häufig um die Ecke.
Als wir in Richtung Kuspo aufbrechen, wo das Abendessen auf uns wartet, hat sich’s die Sonne wieder anders überlegt. Auf dem Weg beginnt es richtig zu regnen. Das tut dem supernetten Gespräch mit Heidi und Sina aber keinen Abbruch und wir suchen uns ein Plätzchen am gleichen Tisch, um während des Futterns weiter zu babbeln. Kurz bevor sich der Abend aufzulösen beginnt, kommt Judith zu mir rüber und überreicht mir den „Rock der Ehre“ sinngemäß mit den Worten, sie hat sich den Podcast mit mir bei Ulligunde (p)lauscht angehört und ich mit meiner Geschichte hätte es auf jeden Fall verdient, diesen Rock für eine Weile tragen zu dürfen. Ich weiß in dem Moment gar nicht so richtig, was ich sagen soll, nehme ihn dankend entgegen und schlüpfe rein. Auch wenn er ehrlich gesagt etwas albern wirkt, so ist der Sinn dahinter ein klarer Fall und es wäre mir nie in den Sinn gekommen, das Tragen abzulehnen. So sind Astrid und ich dann gut gelaunt mit viel neuem Input in unsere urselige Unterkunft gefahren. Mit der hatte ich mich inzwischen versöhnt, denn wie sich herausstellt, werden wir dort wirklich nur zum Schlafen und Frühstücken sein. 

Am nächsten Morgen sagt der Wetterbericht, dass es eventuell ab Mittag mit Fliegen was werden könnte, allerdings hat es in der Nacht bis auf etwa 1700m runter geschneit und der Morgen schaut eher schon winterlich als herbstlich aus. Kalt ist es auch, doch der Wind soll gut werden. Für den Vormittag konnte Bernie Hertz von Burnair gewonnen werden, der über seine Anwendung bzw. App referierte, die nach meinem Empfinden wirklich neue Maßstäbe in Sachen Werkzeuge fürs Fliegen setzt. Wir nutzen die App bereits seit Beginn unserer Ausbildung, da seiner Zeit Chris Geist die Verbreitung stark vorantrieb. Zu Recht. Bernie redete fast 3 Stunden lang über alle Funktionen, doch es wurde nicht langweilig. Selbst für uns nicht, wo wir dachten, wir wüssten schon ein paar Dinge. Da hat er echt was cooles geschaffen. Gegen Mittag werden plötzlich alle ein bisschen nervös und es kommt Aufbruchstimmung auf. Judith beginnt damit, Tickets für die Seilbahn zu verkaufen, die wir für einen vergleichsweisen kleinen Preis bekommen können. Ich gehe davon aus, die Betreiber der Metschbahn gaben sie zu einem Sonderpreis fürs Frauenfliegen heraus, was ich wirklich sehr nett finde, mal abgesehen davon, dass an diesem Samstag praktisch niemand außer den Fliegefrauen hochgefahren ist. Doch die Bahnbetreiber taten, glaube ich zumindest, noch mehr. So ließen sie die Toiletten an der Talstation extra für uns etwas länger auf, damit wir freitags und samstags während des Aperos eine Anlaufstelle haben. Zurück zum Fliegen. Astrid und ich wollen noch grad mit Bernie reden, weil mein neues Skytraxx sich nicht über einen WLAN Hotspot mit meinem Telefon verbinden konnte, doch seine Anwesenheit allein genügt anscheinend, denn es gelang auf Anhieb. Inzwischen hege ich die Vermutung, der technische K.O. liegt daran, dass es bei uns zu Hause von keiner Sorte irgendein Mobilnetz gibt. Mitten in Deutschland. Als das dann quasi geklärt ist, machen wir uns auf zum Landeplatz, schließen uns nochmal kurz der Landeplatzeinweisung durch Tomoko an, bevor wir uns in die Fliegerklamotten gepackt mit Schirm und Gurtzeug in die Bahn setzen. Mit jedem Meter nach oben wird’s weißer und kälter, was aber erstmal kein Problem darstellt. Nachdem wir oben aus der Gondel gefallen sind, wackeln wir dem Pfad nach zum Startplatz und wir merken unterwegs, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, wo wir starten könnten. Der erste Platz ist etwas matschig und ich habe das Gefühl, der Wind steht dort nicht so gut an (ein Problem deutscher Pilotinnen ;-)). Wir entscheiden, zum nächsten, etwas höher gelegenen Startplatz zu gehen, wo die Windfahne gerade perfekte Startbedingungen anzeigt. Das Feld der hinaufkommenden Pilotinnen entscheidet in der Masse anders und geht zum erstgenannten Startplatz. Bei uns allerdings mit dabei ist Christina aus Berlin. Sie hat erst vor wenigen Tagen ihre Lizenz bekommen und steht sozusagen unmittelbar vor ihrem ersten Alleinflug. Das ist eine hohe Hürde, wie Astrid und ich selbst aus jüngster Vergangenheit wissen, doch wir hatten das Glück, bei Sonnenschein in einem uns bekannten Gebiet diesen Schritt gehen zu können. Christina hat ihre Ausbildung in Tirol und in den Vogesen gemacht. Bei dem Wetter in Lenk ist das demnach eine echte Herausforderung. Ich verliere sie jedoch zunächst aus den Augen, als ich mich auf meine Startvorbereitung konzentriere.
Weil genug Platz ist, beginnen Astrid und ich damit, uns startfertig zu machen, Schirm aus dem Rucksack, Rucksack auf links drehen, denn das ist gleichzeitig unser Gurtzeug, Variometer ans Bein, Helm auf, alles, was nicht zum Fliegen gebraucht wird, ins Gurtzeug zurück und dann suchen wir ein Plätzchen, wo wir im Schnee auslegen können. Just in dem Moment, wo ich praktisch startfertig da stehe, dreht der Wind und kommt jetzt von der Seite, sodass ich im Lee stehe. Susi, eine erfahrene Pilotin, die quasi gleich hinter mir auslegen will, weißt mich darauf hin und hilft mir (neben noch einer ganz lieben mir leider Unbekannten), meinen Schirm an einer geeigneteren Stelle wieder startklar zu machen. Da hab‘ ich wieder gedacht, einen Typen hätten frau wahrscheinlich explizit um Hilfe bitten müssen. Hier passiert das fast magisch von alleine. Aber nun ist alles tipptopp, ich ziehe auf und bin nach wenigen Schritten in der Luft. Was ich am Morgen noch für undenkbar hielt, ist nun da. Obwohl Schnee und später Graupel am Startplatz das Bild bestimmen, so sind die Luft und er Wind einwandfrei für zumindest einen Abgleiter. Ich schwebe raus, es gibt ein paar Wildschutzgebiete zu berücksichtigen, die nicht so dicht überflogen werden sollten, doch da bin ich gleich drüber und so hoch, dass es keine Rolle spielt. Fühlt sich gut an. Der Flug ist erwähnenswert ruhig und dauert wegen des großen Höhenunterschieds zwischen Start- und Landeplatz so lange, dass ich auch einfach mal in Ruhe in der Gegend rumschauen kann. Dabei fallen mir zwei Dinge auf: Frau sollte unbedingt auch in der Gegend rumschauen, denn es starten unentwegt weitere Pilotinnen und es wird wichtig, vor Kurven mal einen Blick über die Schulter zu werfen, ob der neue Weg überhaupt frei ist und ich bemerke, dass ich völlig verkrampft in meinem Gurtzeug sitze. Seit Monaten wundere ich mich, dass ich nach dem Fliegen immer Muskelkater im Bauch, in den Oberschenkeln und vor allem in den Fußhebern habe. Das liegt daran, dass ich während der gesamten Flugzeit bei allen meinen bisherigen Flügen immer unterbewusst meine Beine und Füße aktiv hochziehe. Schön, dass mir das nun mal auffällt. Ich versuche mich aktiv zu entspannen. Sehr ungewohnt. Ich habe fast das Gefühl, vorne aus dem Gurtzeug zu rutschen. Doch das nächstgrößere hatte sich damals beim Aussuchen viel zu groß angefühlt und bei beiden reichte die Beinauflage bis maximal Mitte Oberschenkel bei mir. Ich kenne das Problem auch von Autositzen. Da habe ich bei einigen Modellen häufig das Gefühl, nur vorne auf der Kante zu hocken. Doch aus dem Gurtzeug fallen ist nicht möglich, es sei denn, ich hätte es nicht richtig verschlossen, was mir beim Startcheck hätte auffallen müssen. Einfach weiter aktiv loslassen. Es geht. Zumindest bis ich an meine Landeeinteilung komme. Landen ist nach wie vor mein Schmerzthema. Aktuell herrscht wegen der fehlenden Sonneneinstrahlung Bergwind, weswegen eine Rechtslandevolte angebracht ist, deren Endanflug von der Talstation der Bergbahn und vom Parkplatz weg führt und wenigstens eine Ausweichmöglichkeit bietet, wenn frau sich mit der Höhe sehr verschätzt haben sollte. Ich fliege solange in der Gegend rum, bis ich in der Position mit ein oder zwei Kreisen auskomme, behalte während des Peilens auf die Landewiese immer auch mein neues Spielzeug, das Skytraxx 2.1, im Auge, weil ich ein Gefühl dafür bekommen möchte, was während der Landeeinteilung ganz passable Höhen über Grund in Zahlen sind. Landen hängt natürlich von ein paar mehr Faktoren ab, als nur von der Höhe, doch ich möchte trotzdem wissen, was gute Anhaltspunkte sind, wenn so ein Ding schonmal an Board ist. Außerdem fand ich es ganz hilfreich als es darum ging, zu wissen, wo der Wind herkommt. Ich tue mich häufig schwer damit, während der Landeeinteilung die Windfahnen zu finden und deren Verhalten zu interpretieren, wobei es meist an erstgenanntem scheitert, weil die Dinger einfach oft von oben nicht oder nur schwer zu sehen sind. Ein Plus für die Technik. Mit etwa 25 Meter über Grund biege ich in den Endanflug ein, treffe den Landeplatz komfortabel und hätte bloß ans Laufen denken sollen, dann wäre es gut geworden. Irgendetwas ist in mein Hirn eingebrannt, was mich dazu veranlasst, mit hartnäckiger Dummheit auf beiden Füßen zu landen. Wenn frau mit ein paar km/h aber ankommt, sollte sie laufen können nach dem Aufsetzen und nicht versuchen, stehen zu bleiben. Also da gibt es noch viel Potenzial für Verbesserungen. Wir hatten allerdings zu dem Zeitpunkt auch fast keinen Wind mehr. Mit etwas Gegenwind geht stehenbleiben sogar meist. Egal. Der erste Flug fürs Wochenende war ein Erfolg. Astrid landet wenige Minuten hinter mir und wir entscheiden, gleich nach dem Zusammenpacken wieder hochzufahren. Bis zum Apero und Aperol Spritz ist noch viel Zeit übrig.

Eine voll nette Pilotin aus dem Wallis, an deren Name ich mich leider nicht erinnere, leistet uns in der Gondel nach oben Gesellschaft. Sie fragt noch, ob es ok für uns ist, wenn sie ihren Dialekt spricht und wir als weltgewandte Tussies stimmen selbstredend zu, doch das ging mindestens für mich nach hinten los. Ich hab‘ wenig bis nichts verstanden, aber es war sehr lustig. Astrid lachte Tränen über ihre Stories. Gut gelaunt steigen wir oben aus, es graupelt etwas mehr. An unserem ersten Startplatz steht die Windfahne irgendwie für uns nicht gut, also biegen wir ab und erreichen auf schlammigen Pfaden den Startplatz direkt unterm Bergrestaurant. Ich entdecke Christina wieder. Sie konnte sich bisher nicht durchringen zu starten und hat in der Zwischenzeit den Startplatz gewechselt. Meinem Bauch gefällt die Wetterentwicklung zu diesem Zeitpunkt nicht, obwohl die Flugbedingungen objektiv betrachtet nicht schlechter geworden sind. Nach kurzer Abstimmung mit Astrid, wollen wir zunächst nicht auslegen. Ich möchte mich zu nichts zwingen oder mich selbst überreden müssen. Die Bahn fährt fürs gleiche Geld auch in die andere Richtung und auf den Bauch zu hören hat sich bewährt. Weil es aber noch früh am Nachmittag ist, bleiben wir trotzdem oben und beobachten das Treiben. Astrid erkennt, dass es für einige hilfreich wäre, wenn sie unmittelbar vorm Starten irgendeine Information hätten, wie es um den schwachen Wind steht. Sie schnappt sich den Windanzeiger, den wir tags zuvor von Nova geschenkt bekamen und stellt sich mitten auf dem Startplatz mit Finger und Band in der Luft auf, damit alle gut sehen können. So bleibt sie dann fast 2 Stunden stehen und ist sehr vielen eine gute Hilfe. Das Bild, das von ihr in dieser Position entsteht, ist nach meinem Empfinden eines der prägendsten dieser Veranstaltung. Ich für meinen Teil beginne damit, den anderen beim Auslegen zu helfen, damit sie nicht so viel im Schlamm rumspringen müssen und schonmal ihre Leinen sortieren können während ich mit dem Schirm beschäftigt bin. So kommt mir unter anderem Susis Schirm unter die Finger. Wir erkennen uns wieder, schnacken kurz und sie freut sich um die Hilfe. 
Andere beginnen, es mir gleich zu tun und helfen den Pilotinnen am Startplatz. Trotz so vieler Menschen hier, die zum Fliegen hinaufgekommen sind und trotz der etwas unkomfortablen Bedingungen, läuft es völlig tiefenentspannt. Kein Testosteron. Keine Bullen, die mit großen Hörnern breitbeinig laufen müssen. Dann ist’s wohl einfacher?
Entschuldigung. Ich habe Vorurteile.

Nach einer Weile gesellt sich Heidi zu mir. Wir hatten gestern schon ein bisschen gequatscht. Ich weiß, dass sie unter anderem als Fluglehrerin unterwegs ist. Wir analysieren die Starts und ich lerne erneut mit gespitzten Öhrchen. Ich mag Heidi. Ein entspannter Mensch. Zeitlich nähern wir uns so langsam der Apero-Zeit. Mein Bauch hat sich inzwischen umentschieden und ist positiv. Fliegen geht und als ich kurz zu Astrid rüber sehe, stimmen wir uns wortlos ab, dass wir nicht mit der Bahn runterfahren, sondern fliegen. Der Andrang ist inzwischen deutlich weniger geworden. Wir legen aus, auch wenn es mich ein wenig schmerzt, meinen weißen Pi3 auf Schnee, Schlamm und Kuhscheiße auszubreiten, aber es tritt ja niemand drauf. Er liegt einfach nur da bis ich meine Leinen sortiert hab und freut sich dann auf’s Abheben mit mir. Rede ich mir ein. Überraschend für mich legt Christina neben mir ebenfalls aus. Sie will es versuchen. Cool. Nach so langer Zeit des Wartens hätte ich damit nicht mehr gerechnet. Sie startet kurz hinter mir. Flug #2 wartet für Astrid mit einer Überraschung auf, denn ein paar Sonnenstrahlen genügen offensichtlich, eine kleine Thermik zu erzeugen, die sie erwischt und kurz nach oben trägt. Sie berichtete, dass ihr Skytraxx das ebenfalls mitbekommen hat und ihr zeigte, wohin sie wie fliegen muss, um drin zu bleiben. Das tut sie dann auch, kreist ein oder zweimal hoch, was sie aus dem Häuschen bringt. So macht fliegen noch viel mehr Spaß. Und so kommt sie etwas später als ich zum Landen, obwohl sie vor mir gestartet ist. Sehr geil. Christina schwebt ebenfalls kurz nach uns ein und landet schön.

Pünktlich mit unserer letzten Landung startet praktisch der Apero und die Aperol-Spritz-Bar ist hergerichtet. Auch eine Leistung, für so viele Mädels pünktlich mindestens 100 Kaltgetränke parat zu haben. Manche üben sich noch ein wenig im Groundhandlen, die meisten anderen gehen zum eher gemütlichen Teil über. Die Sonne blinzelt immer mal wieder durch und beim Quatschen verfliegt die Zeit. Wir finden neue Gesprächspartnerinnen. Unter anderem Fatemeh. Mich würden die Länder des nahen Ostens schon irgendwie interessieren. Gerade der Iran soll sensationell schön sein und von Meer bis hohen Bergen alles bieten, was unsere Herzen höher schlagen lässt, mal abgesehen von dem wahrscheinlich super leckerem Essen, was dem Ganzen die Krone aufsetzen könnte. Doch bisher ging ich davon aus, dass solche Länder für mich tabu sind solange streng religiöse Fanatiker, in der Regel alte weiße Männer in lustigen Kleidern, an der Macht sind und selbst danach weiß niemand, wie die teilweise radikale Bevölkerung so tickt. Weil ich nicht bereits am Flughafen gesteinigt werden will, dachte ich gar nicht weiter drüber nach, ob das mal ein Ziel sein könnte. Fatemeh berichtet völlig überraschend, dass Transidentität überhaupt kein Problem sei im Iran. Normalerweise würde das mindestens toleriert und ich würde wahrscheinlich weitgehend in Ruhe gelassen. Das Killerkriterium hingegen ist unsere gleichgeschlechtliche Beziehung. Darauf reagieren Polizei und öffentliche Stellen allergisch, weil es schlichtweg verboten ist und wir uns strafbar machen würden. Einreisen ginge also, solange wir die Finger voneinander lassen. Bei aller Überraschung wäre das für mich trotzdem das Ausschlusskriterium. Aber gut zu wissen.

Wir tingeln weiter, kaufen nochmal was bei ParaCyclage ein, Astrid probiert bei Neo aus, wie sich so ein Liegegurtzeug anfühlt und wie Frau da so rein und raus kommt. Es geht überraschend einfach und auch das drin „liegen“ sei entspannt. Man müsse die Beine nicht aktiv oben halten und auch so etwas, wie der Beschleuniger ist leicht zu finden und zu treten. Ein Leichtgurtzeug für Bergsteigerinnen läuft uns über den Weg und wir lernen, dass es dafür sogar Protektoren gibt, wenn fliegen ohne nicht in Betracht kommt. Sehr interessante Rucksäcke dürfen wir begutachten. Sehr leicht, trotzdem geräumig und mit allem ausgestattet, was Frau braucht, wenn sie zum Bergsteigen geht und dann runterfliegen will. Wie üblich gibt es das Damenmodell in schön und das Herrenmodell, das aufgrund meiner Geometrie notwendig wäre, in semischön. Doch dann passiert etwas super cooles. Claude, die den Stand betreut, kommt auf mich zu, wir sprechen kurz über mein Thema, sie versteht und bietet an, einfach mal nachzufragen, ob es möglich ist, dass ein Herrenmodell in den Damenfarben hergestellt werden kann. Das würde mich begeistern. Bin sehr auf die Rückmeldung gespannt. Denn nach meinen bisherigen Flugerfahrungen ist ein „Mountaineering&Fly“ nicht mehr so unwahrscheinlich, wie bisher angenommen.
Als die Apero-Zeit sich dem Ende zu neigt, helfen wir noch ein wenig, die Stände in den „Nachtmodus“ zu versetzen, tuckern dann zurück zum Kuspo, wo das Abendessen mit Grillgut auf uns wartet und verbringen den Abend erneut mit guten Gesprächen, lernen noch mehr coole Mädels kennen und sinken voll mit neuen Eindrücken ins Bettchen. Der schönste Tag der Woche wartet auf uns.

Der Sonntag beginnt sofort mit flugfähigem Wetter. Im Kuspo holen wir uns bei Judith zwei Liftkarten ab, bekommen aber nur eine gegen Geld, denn die organisierenden Mädels entschieden, dass Astrids stundenlange Aktion mit der Windfahne im Schnee- und Graupelregen tags zuvor mindestens eine Liftkarte wert ist und sie heute umsonst fahren darf. Das ist ganz schön lieb. Mit den Karten in der Hosentasche geht’s auf direktem Weg zum Landeplatz, wo wir kurz den Wind checken und dann gleich in die Bahn nach oben steigen. Ab Bergstation stapfen wir gleich weiter zum höher gelegenen Startplatz, wo die Windfahne perfekte Bedingungen anzeigt und wir gar nicht lange rumfackeln. Wir sind die ersten, die heute starten. Natürlich ist es noch so früh, dass sich mit Thermik oder Aufwind nichts ausgeht, doch das macht überhaupt nix. Dieser erste Flug in der Sonne mit wahnsinniger Bergkulisse, die endlich mal ganz zu sehen ist, nach zwei Tagen Schlechtwetter, ist sensationell. Schön ruhig, Zeit zum Genießen und Schauen. Ich rolle und nicke mal ein wenig. Bei so viel Höhenunterschied, wo es eh nur runter geht, nutze ich die Gelegenheit und fliege auch noch das Manöver „Ohrenanlegen“. Als wir landen und unser Zeug zusammenraffen, kommt Jutta mit der Kamera vorbei und hält den Moment in einer superschönen Aufnahme von uns beiden fest. Ein Traum. Und gleich wieder hoch. Wir wollen die wenige Zeit nutzen, die uns heute zum Fliegen zur Verfügung steht. Eine lange Heimfahrt steht uns an dem Tag auch noch bevor. Bei den nächsten beiden Flügen wird es immer thermischer und windiger, die Flüge entsprechend unruhiger, doch das hebt mich nicht mehr so an, wie noch vor wenigen Wochen. Astrid gelingt es, eine Thermikblase per Variometer anzusteuern und kreist das erste Mal ein bisschen nach oben. Mir hingegen gelingen die Landungen immer besser, was für mich ein wichtiger Punkt ist. Zwar habe ich irgendwie ziemlich fest im Gehirn verdrahtet, immer mit zwei Füßen gleichzeitig auf zu kommen, was beim Landen mit dem Gleitschirm völliger Unsinn ist, weil das automatisch das Weiterlaufen verhindert, doch ich konnte mich verbessern, was die Landeeinteilung und das Timing fürs Abfangen angeht und manchmal ist mir auch das kurze Weiterlaufen gelungen. Es gab keine Popolandung mehr. Der dritte Flug an diesem Tag ist gleichzeitig unser letzter und wir dürfen sehr positive Erfahrungen zum Abschluss mit nach Hause nehmen, was für die nachfolgenden Flüge von unschätzbarem Wert ist, wie sich zwei Wochen später in Meduno zeigen wird. Es gibt noch etwas, was mich unglaublich freute: Kurz vor unserer letzten Auffahrt redet mich Zora an, ob sie ein Bild zusammen mit mir haben darf. Sie hat einen guten Freund, der nach meinem Empfinden, was sie über ihn berichtet, so ein bisschen auf der Schwelle zu seiner Weiblichkeit steht. Sie möchte ihm zeigen, wie ich damit umgehe, um ihn zu ermutigen, seinen Weg, wie auch immer der aussehen wird, weiter zu gehen. Ganz wichtig: Meine schwarz lackierten Fingernägel müssen gut zu sehen sein. Schaffen wir. Zora und Susi gesellen sich auf unserer letzten Fahrt zu uns in die Gondel und wir quatschen weiter. Susis Nachbar lebt seit kurzer Zeit in seiner richtigen Geschlechterrolle, lerne ich, und er freut sich über seine Fortschritte während seiner Transition Frau-zu-Mann. Aus dem Grund ist Susi auch ein wenig an meinem Leben interessiert und was so meine Erfahrungen im täglichen Leben nach dieser doch einschneidenden Veränderung sind. Ähnliche Gespräche gab es bereits an den Abenden vorher mit ganz verschiedenen anderen Frauen und was mich besonders freut ist, dass sich auch ein paar jüngere Mädels dafür interessierten. Geglotzt und gegafft wurde übrigens überhaupt nicht. Allerhöchstens interessiert geschaut. Das ist ein großer Unterschied.

Danke für dieses tolle Fest und an die vielen lieben Frauen, die sich hier zum Fliegen, zum Austausch, zum Quatschen und Kennenlernen eingefunden haben. Weil die Welt der Pilotinnen trotz stark steigender Zahl an neuen Fliegenden recht überschaubar ist, werden wir sicher einige hier und da an den Startplätzen dieser Welt wieder treffen (zwei Wochen später in Meduno war es nämlich schon soweit. Da ist uns Katrin über den Weg gelaufen).

Frauen Gleitschirm Fest 16.-18.09.2022

Ob wir an diesem Fest teilnehmen können, stand einige Zeit in den Sternen, denn, wie in den Geschichten zur Ausbildung zu lesen ist, gab es da ein paar Hürden wegen Wetter, Verletzung und merkwürdigen Menschen, bis wir endlich unsere Fluglizenz in den Händen hielten. Doch es ging sich alles aus. Unmittelbar nach bestandener Flugprüfung meldeten wir uns an, obwohl ich mir unsicher war, ob ein Mensch, wie ich, auf so einem Fest nur für Frauen tatsächlich willkommen bin. Es soll da ja ein paar radikal feministische Strömungen geben, die Transmenschen als das Schlupfloch für kriminelle Energien ansehen, das dazu genutzt wird, die eigenen Kreise zu infiltrieren. Oder so ähnlich. Mein Kopf schon wieder.

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