Sicherheitstraining mit der Flugschule Achensee am Idrosee, 28.10.-01.11.2023
Astrid und ich sitzen über der Jahresplanung 2024, tragen Kinderwochenenden in den Kalender, überlegen uns, wann wir meine Kinder in den Ferien haben wollen, planen eine Handvoll Bergtouren ein, insbesondere zu jenen Bergen, die dieses Jahr nicht geklappt haben und als alles soweit drin ist, fällt uns auf, dass wir das Fliegen ganz vergessen haben. Oh nein. Nochmal von vorne alle frei geplanten Zeiten durchforsten, wo passt da noch was gut rein und was wollen wir überhaupt. Das Thema Sicherheitstraining liegt plötzlich auf dem Tisch. Wäre schon gut, so etwas gemacht zu haben und einige wichtige Manöver, wie Spirale, Big Ears, B-Stall & Co schonmal geflogen zu sein. Bei unserer bisherigen Flugschule wollen wir das jedoch definitiv nicht machen. Die Fluglehrer, die mit dieser Aufgabe betraut sind, sind nicht unser Ding, die Flugschule ist auf dem „schneller, weiter, höher“-Trip, mit dem ich persönlich nichts anfangen kann und der Landeplatz in Malcesine am Gardasee taugt uns nicht. Wir recherchieren und landen sehr schnell bei der Flugschule Achensee, die solche Trainings unter anderem am Idrosee, dem kleinen Nachbarn des Gardasees, durchführt. Mit dem Namen Eki Maute verband ich zudem nur sehr gute Rückmeldungen und so klapperten wir deren gesamtes Jahr 2024 durch, um einen Termin zu finden, der nicht bereits ausgebucht war, der uns selbst in den Kram passte und nicht zuletzt vom Chef selbst, Eki, geleitet werden würde. Diese Suche war schnell zu ende. Gibt’s nicht in 2024. Spaßeshalber blätterte ich zurück nach 2023 und stellte fest, dass es Ende Oktober noch genau ein Training gibt, das Eki selbst betreut und wo noch reichlich Plätze frei waren. Ein Blick auf unsere Jahresplanung 23 verrät, wir haben das Wochenende und die Brückentage bis zum 1.11. frei. Zeit. Was kostet das? Egal, das letzte Hemd hat keine Taschen, klick, angemeldet. Dann lerne ich noch am gleichen Abend zufällig, dass Marina, die wir aus unserer Ausbildung kennen, und Clara, ihre Freundin, ebenfalls angemeldet sind. Fein, dann sind wir immerhin schonmal 4 Frauen und die Gruppe besteht nicht nur aus Testos. Entschuldigt diese Ausdrucksweise, doch beim Fliegen sind wir diesbezüglich gebrannte Kinder. Ich bin aufgeregt, glaube, dass ich für so ein Training noch nicht gut genug fliegen kann, gleichzeitig steht fest, dass es „den“ geeigneten Zeitpunkt wohl kaum gibt. Irgendwann muss Frau die Steilspirale lernen, wenn sie nicht ganz hilflos am Himmel rumeiern möchte. Das war Anfang September.
Kurze Zeit danach stellen wir mehr oder weniger zufällig fest, dass es irgendwie clever wäre, vor dem Sicherheitstraining für den B-Schein angemeldet und idealerweise auch schon die vorgeschriebene Theorie samt Prüfung in der Tasche zu haben, denn dann können die Flüge im Sicherheitstraining beziehungsweise deren Inhalte für den B-Schein anerkannt werden. Der B-Schein ist die unbeschränkte Fluglizenz, die dazu berechtigt, das Startgelände bzw. den Luftraum um das Fluggebiet zu verlassen, um weitere Strecken fliegen zu können. Ende September buchten wir eines Abends ohne zu zucken einen Online-Theorie-Kurs für den B-Schein Anfang Oktober, der von einem, ich nenne es mal Kooperationspartner der Flugschule Achensee, Andreas Rieck, an vier Abenden nacheinander angeboten wurde. Diese vier Tage haben uns ganz schön geschlaucht. 10-11 Stunden normale Arbeit, dann nochmal 4-5 Stunden Unterricht bis teilweise fast 23 Uhr in Luftrecht, Meteorologie, besondere Flugsituationen und Navigation. Weil das darauffolgende Wochenende nix geplant und schlechtes Wetter vorhergesagt war, meldeten wir uns dann gleich auch für den nächstgelegenen Prüfungstermin am darauffolgenden Montag an, was bedeutete, wir haben das ganze Wochenende zum Lernen. Bei mir machen sich immer gleich Versagensängste breit, warum auch immer, weswegen ich die Zeit tatsächlich intensiv mit Lernen verbrachte. Alle Sorge war selbstredend umsonst. Die Prüfung machten wir beide mit links. Die einzige Hürde war der Aufbau der erforderlichen Technik, wie es der DHV bei online Prüfungen vorschreibt. Hat aber auch alles geklappt, wenn Frau ein kleines Bisschen vorbereitet ist und nicht erst beginnt, sich Gedanken zu machen, wenn die Prüfung starten soll, was ein Vogel leider geschafft hat und damit allen anderen Lebenszeit stahl bis er dann auch mal soweit war. Also, B-Theorie in der Tasche, das Sicherheitstraining kann kommen.
Aus den Herbstferien der Kinder, eine Woche im Saarland, kamen wir am späten Freitagabend zurück nach Hause, räumten das Auto leer und packten es gleich wieder voll, zum Glück hatten wir eine Packliste geschrieben, was die Sache ziemlich abkürzte, denn am nächsten Tag sollten wir um 12 Uhr am Idrosee sein. So startete am nächsten Morgen der Motor gegen halbsechs und wir tuckerten in Richtung Italien los. Drei Tage vorher erhielten wir von der Flugschule Achensee die Info, dass das Training stattfinden soll, was mich in Anbetracht der Wettervorhersage stutzig machte und ich ernsthaft in Frage stellte, ob die Fahrt sich überhaupt lohne. Kurz schlechte Laune, doch die FeWo ist gebucht und bezahlt und wenn Schietwetter ist, dann haben wir immerhin einen Tapetenwechsel. Ich ermahne mich selbst dazu, keinerlei Erwartungshaltung zu entwickeln und mich nicht gleich wieder selbst grundlos unter Druck zu setzen. Egal, wie es wird, es wird gut. Wir treffen pünktlich ein.
Vorstellungsrunde, warum bin ich eigentlich hier. Wir verbringen den ganzen ersten Nachmittag mit solchen Dingen, lernen etwas über Eki und seinen Ansatz für ein solches Training. Ich finde diesen Menschen nach wenigen Minuten faszinierend und nach einer weiteren kurzen Zeit beschließe ich für mich, zu diesem Menschen bedingungsloses Vertrauen zu haben. Fliegen muss Spaß machen. Es spielt dabei keine Rolle, auf welchem Niveau du unterwegs bist. Frau ist als Anfängerin kein schlechterer Mensch als der, der vielleicht schon einen Fullstall beherrscht und wir werden erleben, dass Eki auf die ganz persönlichen Bedürfnisse jedes einzelnen mit ganzer Kraft eingeht.
Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der derart in sich ruht. Keine der Wünsche oder Ziele für dieses Sicherheitstraining, die in der Vorstellungsrunde genannt wurden, wurden bewertet. Kein „du musst aber dieses oder jenes trainieren“. Kein schneller, höher, weiter, sondern tue es in deiner Geschwindigkeit mit deinen Fähigkeiten, mit Spaß, ohne Angst. Es gibt kein besser oder schlechter.
Der Frauenanteil ist bei 50%. Darunter supertolle Pilotinnen, die echt schon was können, wie ich später erlebe. I like. An der Stelle muss ich jedoch auch eine Lanze für die männlich identifizierten Teilnehmenden brechen. Keine Testos on Board. Alles liebe und sympathische Menschen.
Weiter im Programm. Was ist unserer Meinung nach die „Grundstellung“? Wir berichten von dem, was wir in den Flugschulen gelernt haben: Leerweg wegziehen, leicht angebremst.
Eki hört sich das geduldig an, um anschließend zu erörtern, warum er damit nicht einverstanden ist, zumindest nicht in ruhiger Luft. Grundstellung in ruhiger Luft und besonders vor dem Einleiten eines Manövers ist „Hände hoch bis zu den Leinenschlössern“ und natürlich dürfe man die hinteren Tragegurte in die Hände nehmen, um in erster Linie sicher ertastet zu haben, wo „ganz oben“ beim Kommando „Hände hoch“ ist und natürlich um die Arme zu entlasten. Warum nicht. Ich erinnere mich an meine Ausbildung, bei der es unter Strafe verboten war, die Tragegurte auch nur ansatzweise zu berühren.
Dann fragt er, ob schon mal jemand seine Griffschlaufen ganz losgelassen hat? Viele waren’s nicht. Ich kann von mir selbst sagen, dass ich mich das bisher noch nie getraut hab‘ außer einmal auf Anweisung in der Flugschule während der Ausbildung. Der Flug, bei dem ich mir beim Landen die Sehne abgerissen hatte. Wenn ich den Beschleuniger suchen oder sonst irgendetwas nach dem Starten richten muss, übergebe ich mir die Griffschlaufen immer in eine Hand und wurschtele einhändig in der Gegend rum. Alles Mumpitz. Mein Schirm weiß, wie fliegen geht. Wenn sonst nix ist, braucht er keine Aufmerksamkeit. Lass ihn fliegen.
Weil der Weg vom Startplatz Alpo bis in unsere Trainingsbox über dem See relativ weit ist, schätzungsweise 8-10 Minuten Flugzeit, möchte Eki von uns, dass wir nach dem Start erstmal eine Entspannungsphase einbauen, hang loose, wie er sagt, Bremsschlaufen loslassen, Arme und Hände hängen lassen, Beine baumeln lassen, mal an die Leinenschlösser hochgreifen, mal den Rettergriff in die Hand nehmen, mal den Beschleuniger treten und überprüfen, ob der Abstand der Rollen der Umlenkung zwischen A- und B-Ebene passt, usw. Genieße den Flug ist die Botschaft. Wenn wir in die gedachte Box überm See fliegen und uns fürs Training bei ihm anmelden, möchte er von allen wissen, ob sie das gemacht haben.
Eki und Cordula erklären noch, was es mit dem Checkflug auf sich hat und Cordula weist uns ein, wie das mit der Schwimmweste funktioniert, die alle bei ihren Flügen tragen müssen und was es beim Funkgerät mit Gegensprechmöglichkeit zu beachten und durch uns zu prüfen gibt.
Erster Tag abends: Groundhandlen am Landeplatz, Einweisung zu den Besonderheiten hier bezüglich Berg- und Talwindsystemen. Eki und Cordula gehen rund, sehen sich alle geduldig an, geben Tipps. Am Ende die Rückmeldung: Eki ist beeindruckt, welche Fähigkeiten bereits alle am Boden gezeigt haben, obwohl einige nach eigenen Angaben wenig bis nie bis dahin am Boden geübt hatten.
Astrid bespricht mit Eki, ob wir mit unseren Flugstrapsen fliegen können. Er ist nicht begeistert und empfiehlt, wir sollen lieber mit unseren festeren Wendegurtzeugen starten, die richtige Schultergurte haben, denn da können wir definitiv nicht herausfallen, was beim Leichtgurtzeug niemand garantieren kann. Zum Glück haben wir unsere Easiness 3 beide dabei, der Frontcontainer passt da ja auch dran, auch wenn es nicht die beste Lösung ist. Als wir hier fertig sind, ist’s dunkel und wir beide müssen uns ein wenig sputen, um noch rechtzeitig zur Ferienwohnung zu kommen.
Wir beziehen die FeWo, die ganz neu eingerichtet und erstaunlich gut ausgestattet ist. Wir sind platt, zwirbeln uns ein paar Nudeln rein und fallen ins Bett. Treffen am nächsten Morgen ist um 7 Uhr. Eki ist felsenfest davon überzeugt, dass es ein kleines Loch im Schietwetter geben wird, welches wir zum Fliegen nutzen können. Zu Gute kommt uns lediglich, dass die Uhr in der Nacht auf die Winterzeit umgestellt wird und wir eine Stunde mehr Zeit haben.
Es kommt, wie Eki es vorhergesagt hat. Es gibt ein kleines Fenster bevor es für den Rest des Tages erneut komplett zuläuft.
Die Auffahrt über die schmale, kurvige Straße mit den langen Flugschulbussen ist etwas abenteuerlich und dauert immer mindestens eine halbe Stunde. Astrid und ich nehmen unsere festeren Gurtzeuge morgens gleich mit, wollen später oben alles herrichten, so dass wir mit ihnen fliegen können. Muss alles schnell gehen. Ich vergesse mein Vario in der Hektik im Rucksack, der im Bus geblieben ist und schon wieder runterfährt und ich hab zwei rote Griffschlaufen an mir, doch nur hinter einer verbirgt sich ein Rettungsschirm als ich fertig bin. Das ist wohl nicht optimal, muss aber reichen. Ich denke mir, auf dem ersten Flug werde ich wohl hoffentlich nicht in die Verlegenheit kommen, meinen Retter ziehen zu müssen.
Startplatz Alpo: Ich finde die Wiese ganz schön steil und löchrig. Scheint aber außer mir niemand so zu empfinden. Es weht ganz ordentlich und entgegen der Startplatzinformationen bei BurnAir ist ein Start ausschließlich in Richtung Süd-Südwest zu empfehlen. Hier muss rückwärts aufgezogen werden und ich bin heile froh, dass wir am Abend vorher Gelegenheit hatten, im laminaren Wind mit 20km/h beim Groundhandlen genau diese Situation üben zu können. Das gibt mir ein wenig Sicherheit, dass ich meinen Schirm kontrollieren kann, auch wenn es mal etwas windiger ist. Wenn ich allerdings alleine hier oben angekommen wäre, weiß ich nicht, ob ich mich fertig gemacht hätte. Ich hab‘ die Hosen voll.
Kein Gedrängel am Startplatz, obwohl klar ist, dass das Fenster sehr klein sein wird. Es wird gegenseitig ungefragt geholfen und unterstützt, niemand wird hektisch, was mich außerordentlich überrascht und was ich als äußerst positiv bewerte. Cordula, die den Startplatz managed, kümmert sich rührend um alle Aspirant:innen, denen sie anschließend die Freigabe fürs Aufziehen erteilt. Astrid und ich halten uns zurück. Ich bin extrem aufgeregt, ob der Dinge, die mich in Kürze erwarten und ich staune, dass ausnahmslos alle Starts gelingen und echt gut aussehen. Ganz anders, als wir das sonst an den überfüllten Startplätzen bei uns zu Hause kennen. Macht mich noch nervöser. Der Wind nimmt weiter zu, ich zweifele, ob ein Start für mich hier immer noch passt. Am Ende sind nur noch Astrid, Lotte und ich oben. Lotte bekommt die Freigabe zum Aufziehen, sie kämpft mit den Böen, gibt ihr Bestes, doch das Ding will nicht. Vielleicht ist es auch der Stress, denn die Situation ist besonders, was mir selbst ebenfalls zu schaffen macht und mich an mir zweifeln lässt, warum gelingt es immer bei den anderen und bei mir nicht. Nach drei Abbrüchen entscheidet Cordula, ich solle erstmal aufziehen, damit sie sich mehr Zeit zur Unterstützung für Lotte nehmen kann. Die Zeit tickt. Es beginnt zu regnen. Mein Puls ist auf über 160, wie ich später in meiner Aufzeichnung sehe und ich habe keine Ahnung, ob das was ich da gleich tun werde zum Ziel führt. Ich spanne die A-Leinen, die Kappe ist sofort mit Wucht da und mit Entgegengehen beim Aufziehen, wie das bis dahin die anderen zeigten, ist’s nicht mehr getan bei uns, ich muss dem Schirm richtig entgegenlaufen, um ihm die Energie zu nehmen und ihn kontrollieren zu können, so stark ist der Wind inzwischen geworden. Doch es gelingt sofort beim ersten Mal, ich drehe aus, 1-2 Schritte, Milla ist in der Luft. Mir fällt ein kleiner Stein vom Herzen. Und auch Astrid gelingt sofort nach mir der erste Start, trotz der etwas herausfordernden Bedingungen.
Cordula hat bis dahin alles gegeben, damit alle wenigstens einmal heute in die Luft kommen. Hilft, wo sie kann, gibt Tipps zum Starten und für die anschließenden Flüge, keine Frage ist zu viel. Der Druck war groß, wie sie selbst später sagt, und nicht alle kommen damit klar, dass es ein wenig pressiert, doch ich fand das absolut bewundernswert, wie sie das gemanaged hat.
Der erste Flug im Training ist der sogenannte Checkflug, in dem einfach ein Manöver geflogen werden soll, das wir können oder glauben zu können, damit Eki sich ein Bild davon machen kann, wie wir so drauf sind. Alle sollen sich dazu etwas ausdenken und es ist wirklich egal, was es ist. Ich entscheide mich fürs Rollen, das Pendeln um die Längsachse und vielleicht noch Nicken, wenn es sich noch ausgeht, aber erstmal habe ich Schwierigkeiten damit, das kleine rote Boot auf dem See zu sehen. Ich bin viel höher über dem Wasser als ich gedacht hätte, dass ich rauskomme. Der Weg ist weit vom Startplatz und weil mein Pi3 eher sinkt als gleitet, hatte ich Sorge, dass überhaupt noch Platz bleibt, um ein Manöver zu fliegen. Erst als ich über die Uferlinie fliege erkenne ich einen winzigen Punkt auf dem Wasser und weil sonst nichts in der Nähe ist, nehme ich an, dass das wohl das Boot sein muss. Nachdem ich mich bei Eki angemeldet und ihm verklickert habe, was es werden soll, entscheidet er anders. Es wäre ein schöner Zeitpunkt für einen B-Stall. Mein erstes Flugmanöver wird also ein B-Stall und als es grünes Licht von unten gibt, tue ich ohne nachzudenken das, was Eki mir ansagt. Den halben Schlag auf den Steuerleinen lasse ich los und greife die Griffschlaufen der Steuerleine am Steg damit ich nicht ungewollt anbremse, packe von außen die gesamte mittlere Leinenebene rechts und links, die B-Ebene, daher auch der Name des Manövers, Daumen nach unten und ziehe am Tragegurt entlang alle Leinen nach unten. Sofort beginnt mein Schirm zu zappeln und ich habe das Gefühl, er wehrt sich gegen mein Tun, ich schaukele einigermaßen wild in der Gegend rum, Eki weist an: „bleib so, alles ist gut, ziehe rechts noch ein bisschen tiefer, sehr gut, bleib so, noch für 5 Sekunden“. Es rumpelt weiter ordentlich im System. Beim B-Stall kürzt man quasi die Schirmtiefe durch das herunterziehen der gesamten mittleren Ebene, was dazu führt, dass die Vorwärtsfahrt praktisch auf 0 geht und nur das Sinken übrig bleibt, das jetzt mit etwa 7-8m/s stattfindet. Der Vorteil bei dieser Abstiegshilfe: Es gibt keine Orientierungsprobleme, keine G-Kräfte, es wird kein großer Raum in der Luft benötigt, Frau sinkt einfach am Platz nach unten. Dann leite ich auf Anweisung aus, indem ich die Leinen nach oben führe, die Kappe braucht einen kurzen Moment, um wieder anzufahren und in eine vorwärts gerichtete Flugbewegung zu kommen, ist aber alles vergleichsweise unspektakulär, doch ich entschuldige mich bei meinem Schirmchen für die Unannehmlichkeiten. Ich bin meinen ersten B-Stall geflogen. Sau geil. Eki verabschiedet mich zum Landeplatz. Hinter mir kommt Astrid angeflogen, die beim Anmelden über Funk Bedenken wegen des Regens und damit wegen der nassen Kappe äußert. Ois easy. Passiert nix, meint Eki und spielt mit ihr das gleiche Spiel, wie mit mir kurz zuvor. Das Manöver gelingt auch bei ihr einwandfrei und sie kommt mit einem breiten Grinsen zum Landen. Erfahrene Pilot:innen mögen vielleicht schmunzeln über so eine Sache, doch für uns beide war das schon der Hammer und wir sind ein wenig stolz, dass wir uns a) getraut haben, das ohne Vorwarnung zu tun und b) ein weiteres kleines Werkzeug in unserem Pilotinnenköfferchen zu haben, dass wir verwenden können, wenn wir es für hilfreich erachten. Deswegen sind wir ja da. Nebenbei bemerkt kann da jetzt für den B-Schein ein Haken dran.
Später im Schulungsraum sehen wir uns die Videos an, die Sophia, unsere Kamerafrau von allen Fliegenden gemacht hat und als wir ganz zum Schluss zu unser beider B-Stalls kommen, erklärt Eki, dass unsere Pi3s dieses Flugmanöver so überhaupt nicht mögen und dass es deswegen sehr unruhig in der Luft wurde, ohne dass er allerdings zu irgendwelchen komischen Verrenkungen neigt. Es wackelt halt ordentlich. Schirme, die das besser können, beruhigen sich nach der Einleitung und schneiden, wie ein Messer nach unten. Da wackelt nix. Der Nieseltregen wird kurz angesprochen, weil Astrid bezüglich Manöver mit nasser Kappe Bedenken äußerte und Eki meint, er sei früher immer geflogen wenn es nicht gerade aus Eimern gegossen hätte, doch irgendwann beim Landen merkte er, dass mit nassem Flugzeug fliegen einfach Mist und echt gefährlich ist. Ein bisschen Niesel sei aber überhaupt kein Problem. In dem Moment geht meine Klappe auf und ich spreche aus, was mir durch den Kopf geht: Der Regen war nicht schlimm, ich hatte ja einen Schirm dabei.
Es geht weiter mit Theorie, weil es den Rest des Tages einfach nicht zum Fliegen ist. Einer der beiden häufigsten Sätze in all den Tagen: Du bist ein Gleitschirm.
Visualisierung der Bewegungen, die für ein bestimmtes Flugmanöver durchgeführt werden müssen, ist für mich neu, kannte ich bisher nur aus der Ausbildung, als wir die Leitlinien-Acht tanzten. Aber gerade für die Spirale, die wir im Kurs später fliegen werden, hat das unglaublich viel geholfen, denn ich musste im Flug nicht mehr groß darüber nachdenken, was zu tun ist. Gleichzeitig fühlt es sich für mich bei den ersten Malen sehr komisch an, in der Gruppe ein Manöver zu „tanzen“. Mein Gehirn wehrt sich dagegen, dass ich mich derart exponiere, weil das einfach nicht meine Art ist. Zusammenreißen, immer, immer, immer engagiert mitmachen sage ich. Es ist mein Kurs und selbst, wenn es mit Fliegen nicht so prall ist, so ist doch exklusiv Gelegenheit dazu, so viel wie möglich mit zu nehmen und ich staune, mit welcher Energie und Motivation Eki dranbleibt und auch alle anderen dranbleiben, niemand gähnt, niemand fehlt, alle saugen auf, was an Input kommt. Und das ist nicht wenig. Er sagt unmissverständlich, was er über das Wetter denkt, es kotzt ihn an, er findet’s Scheiße, gleichzeitig gibt er Vollgas beim Erklären, sprüht vor Begeisterung, greift auch Themen auf, wie Starten und Landen, die normalerweise bei einem Sicherheitstraining nicht thematisiert werden. Lernen hört auch bei diesen Basics nie auf.
Cordula hat alle Starts am Morgen aufgenommen und auf alle wird intensiv eingegangen. Ich habe Gelegenheit, mein eigenes Gehopse analysieren zu können.
Überraschend kommt am späten Nachmittag das Kommando zum Rauffahren. Es könnte sein, dass sich ein Flug ausgeht. Zeit ist wenig, denn nach der Umstellung auf die Winterzeit ist bereits gegen viertel nach fünf Sonnenuntergang. Es fehlt niemand. Alle sind dabei.
Auch Eki selbst, der den Vorflieger macht, um die Bedingungen abzuklopfen und damit Cordula am Startplatz die Entscheidung leichter macht, ob gestartet werden kann. Es ist krass windig, die Luft ist bockig und es ziehen permanent Wolkenfetzen über den See, den Landeplatz und die Umgebung. Astrid und ich machen uns fertig, wenngleich mein Bauch nicht einverstanden ist. Doch ob ich starte kann ich entscheiden, wenn die Kappe nach dem Aufziehen über mir ist. Die Bedingungen sind nicht statisch und es könnte sich tatsächlich was ausgehen. Eki gibt grünes Licht, landet, gibt aber klar zu verstehen, dass es keine Bedingungen für ein Sicherheitstraining sind.
Eine der leichtesten und defensivsten Teilnehmerinnen, Maia, startet und wird sofort in Richtung Wolken nahezu hochkatapultiert. Upsi. Am Startplatz kehrt stille ein. Ihrem Flugverhalten nach zu urteilen weiß sie nicht, wie sie damit umgehen soll, was auch Cordula erkennt und sich sofort per Funkgerät bei ihr meldet und sie anleitet, wie sie aus dieser Situation herauskommt. Ich bin erneut beeindruckt, mit welcher Ruhe und Bestimmtheit Cordula ihre Anweisungen erteilt und ich staune auch über Maia, die alles akkurat ohne zu zögern sofort umsetzt. Klasse. Leider beginnt nach der Aktion mein Bauch zu schreien, dass das hier keine Flugbedingungen mehr für Milla sind. Ich schaue zu Astrid herüber, die ebenfalls startbereit mit Tulpe in der Hand in der nächsten Reihe steht. Unsere Blicke treffen sich, wir wissen beide sofort, dass wir hier nicht starten wollen. Cut. Nach ein paar gewechselten Worten ist die Entscheidung da zusammen zu packen.
Am Ende sitzen Astrid und ich bei Cordula im Bus und fahren hinunter. Außer uns beiden sind auch Stefan und Lotte nicht mehr gestartet. Cordula war ein wenig überrascht, dass wir beide uns gegen das Starten entschieden hatten, denn was sie bisher von uns gesehen hat, stimmte sie sehr zuversichtlich, dass wir keine Probleme gehabt hätten. Und der Heber von Maia wäre uns schon allein deswegen nicht passiert, weil wir einfach ein gutes Stück schwerer sind und unser Flug daher deutlich stabiler gewesen wäre. Gleichzeitig bewertet sie unsere Entscheidung nicht. Wir haben sie getroffen und umgesetzt, so wie wir das auch getan hätten, wenn wir allein am Startplatz gewesen wären und so, wie wir das ebenso bisher beim Bergsteigen hielten. Es geht sogar so weit, dass wir beide nicht starten, wenn es nur einer nicht passt. Eine Seilschaft eben. Unsere Art, unsere Leidenschaften gemeinsam noch möglichst lange leben zu können.
Auf der Fahrt nach unten fragt Cordula ganz zurückhaltend und respektvoll, ob sie mehr über mich und meine Transidentität erfahren darf. Volle lieb. Klar darf sie, denn ich bin immer froh, wenn sich jemand ernsthaft dafür interessiert, weil ich solche Gelegenheiten gerne benutze, um zu zeigen, dass das alles gar nicht so besonders ist und es eigentlich niemanden aufregen sollte, wenn sich Menschen dazu entscheiden, mit ihrer wahren Identität nach außen zu gehen. Dadurch hat niemand einen Nachteil, auch wenn das gerne propagiert wird. Insbesondere von den Faschisten, die leider europaweit auf dem Vormarsch sind. Die haben immer schon polarisiert, indem sie Unwahrheiten über Minderheiten verbreiten, um selbst besser da zu stehen und die Dummen, die den Quatsch glauben, auf ihre Seite zu ziehen. Eine gefährliche Sache mit enormer Tragweite. Das hört ich vielleicht übertrieben an, doch so geht es immer los, wenn das rechte Pack an die Macht will. Wir sind erneut auf dem besten Weg dahin, weil es leider genug Menschen gibt, die auf diese anklagende aber gleichzeitig lösungsfreie Polemik abfahren. Anderes Thema.
Wir babbeln jedenfalls schön auf der Fahrt zurück zum Schulungsraum und es tut mir selbst gut, nach langer Zeit mal wieder ein bisschen was über mich zu erzählen, was ich sonst nicht ungefragt tue, weil ich nicht der Messias bin und niemanden bekehren möchte.
Sonntagabend Pizza im Restaurant am Campingplatz mit allen Teilnehmenden. Hier erfahren wir, dass manche ein Thema mit der Erdsicht hatten. Als ob er hellseherische Fähigkeiten hätte, bereitete Eki uns tagsüber bereits auf diese Situation vor, indem wir ausführlich darüber sprachen, was Erdsicht bedeutet und dass in Wolken hineinfliegen ein No-Go ist und wie sich Frau in solchen Situationen verhalten kann. Ist der Landeplatz zum Beispiel nicht ansteuerbar, weil er nicht zu sehen ist, so ist auf jeden Fall eine Außenlandung vorzuziehen und zwar dort, wo Erdsicht vorhanden ist und wenn es sich dabei nur um ein kleines Loch zum Durchschlüpfen handelt.
Astrid und ich bleiben mit ein paar Teilnehmenden an diesem Abend kleben. Es ist einfach eine feine Runde und wir nehmen in Kauf, dass die Nacht kurz wird.
Weil Eki fest davon überzeugt ist, dass wir montags in der Früh ein winziges Fensterchen haben werden, treffen wir uns erneut sehr früh, um die Lage zu bewerten. Tatsächlich sitzt die gesamte Mannschaft morgens in den beiden Bussen nach oben. Grenzenlose Zuversicht. Auf dem Weg nach oben schauen wir uns die tiefergelegenen Startplätze an den Casali-Wiesen an, bekommen von Eki und Cordula die Besonderheiten hier erklärt, womit sich eine weitere Option zum Starten öffnet, ohne dass erneut später eine Einweisung nötig ist. Die beiden Plätze, die sehr nah aneinander liegen, könnten unterschiedlicher kaum sein.
Eki erklärt die notwendigen Starttechniken, um hier sicher, auch bei Nullwind, starten zu können. Der eine kurz und steil, der andere flach und lang und einer Baumreihe am Ende. Bei Nullwind ist es am steilen Startplatz notwendig, dass die Eintrittskante des Schirmes, der soweit wie möglich oben, d.h. auf dem Fahrweg, ausgelegt werden sollte, von anderen hochgehalten wird. Denn sonst reicht dem oder der Startenden der Weg nicht, um abzuheben. Gruselig. Auf dem nebenan befindlichen flachen Startplatz muss bei Nullwind der Schirm ebenfalls so weit wie möglich oben ausgelegt werden, am besten auch mit gehaltener Eintrittskante, und dann ist es unbedingt notwendig die Abhebegeschwindigkeit mit offener Bremse zügig zu erlaufen, denn sonst ist ein Kontakt mit der Baumreihe ziemlich wahrscheinlich. Nochmal Gruselig. Der Begriff „Entscheidungslinie“ taucht auf, den ich nach der Ausbildung schon wieder völlig vergessen hatte, und der mit 100%iger Sicherheit meinen Fehlstart mit Baumkontakt am Neunerköpfle verhindert hätte, wenn ich mich wenigstens Ansatzweise daran erinnert und den Gebrauch in Erwägung gezogen hätte. Hätte, hätte, Fahrradkette.
Der Wind kommt hier und jetzt allerdings spürbar von hinten, was auf jeden Fall nicht zum Starten taugt, was mich irgendwie erleichtert. Ich finde beide Startplätze nicht sexy.
Gerade als wir zum oberen Startplatz, Alpo, aufbrechen wollen, beginnt es zu regnen. Tja, damit ist Fliegen erstmal gestrichen. Das einzige Fensterchen für heute hat sich geschlossen. Was mich aber fast von den Socken haut ist, dass der ultimativ positive Geist erhalten bleibt. Auf der Fahrt nach unten ist der ganze Bus am Witze machen und es wird von Herzen gelacht. Niemand lässt sich wegen ein bisschen Wasser von oben herunterreißen. Sehr geil. Und es kommt noch besser, denn in Bondone hat eine Bar geöffnet, die Eki und Cordula wohlbekannt ist. Zwei Busse mit knapp 20 Leuten an Bord stoppen, fallen in der Bar ein, richten Tische und Stühle so her, dass alle zusammensitzen können und bestellen Espresso und Aperol. So kommt es, dass Astrid und Milla bei strömendem Regen montagsmorgens um 9 Uhr in einer italienischen Bar erstmal einen Aperol reinlaufen lassen. Die Stimmung ist nahezu ausgelassen. Viel Zeit für gute Gespräche.
Tja, und dann wieder Theorie. Ein Manöver, das Eki am Herzen liegt: Stallpunkt ertasten. In einigen Trockenübungen, die wir in der Gruppe bzw. jeweils zu zweit durchführen, leitet uns Eki an, wie wir den Stützreflex nach hinten abtrainieren können, der normalerweise bei jedem Menschen ganz fest eingebaut ist, bei diesem Manöver jedoch verheerende Folgen hätte. Wir setzen uns auf einen Stuhl, lassen uns von der Partnerin/dem Partner in eine ausbalancierte Stellung nach hinten kippen und in dem Moment, wo der Stuhl weiter nach hinten kippen gelassen wird, müssen die Hände in Bruchteilen von Sekunden hoch und eben genau nicht nach hinten unten, wie wir das sonst tun würden. Merken. Ich werde das Manöver fliegen.
Der Tag zieht sich. Es fällt trotzdem niemand aus. Ganz viele Manöver werden im Detail durchgesprochen und getanzt. Der häufigste Satz heute: Wir sind in der Grundstellung, wir wissen, wo der Landeplatz ist und wie hoch wir sind, los geht’s.
Rollen + Wingover, Nicken, Spirale, asymmetrische Spirale, SAT, Helikopter, Hermann, einseitiger Stall (Spin to Stall), Kappenstörungen/Deformationen (Seitenklapper, Frontklapper, Verhänger), Flyback, Sackflug, beschleunigtes Fliegen, Retterabgang, usw. werden besprochen, getanzt, erfühlt. Keine Frage ist zu viel.
Als Eki am Ende des Tages zum Fullstall kommt, klinken Astrid und ich uns aus. Für so ein krasses Manöver sind wir noch lange nicht bereit und außerdem müssen wir Futter ranschaffen, sonst gibt’s kein Frühstück am nächsten Morgen. Der startet nicht ganz so früh, denn es ist klar, dass morgens definitiv nix geht. Die Schlechtwetterfront erreicht in der Nacht ihren Höhepunkt, was zu überfluteten Wegen führt und den Landeplatz von der Außenwelt für kurze Zeit abschneidet, um dann später in Nordföhn überzugehen.
Demzufolge wird am nächsten Morgen mit der Wetterlage und dem angekündigten Nordföhn gestartet, der mit gut 6hPa bis Mittag einschlagen soll und mit einer großen Wahrscheinlichkeit das Fliegen heute trotz mal keinem Regen vereiteln wird. Eki sieht das anders. Seine volle Überzeugung: Wir werden heute fliegen. Also gerade der Nordföhn auf der Alpensüdseite ist wirklich eine äußerst heikle Sache und darf niemals unterschätzt werden. Was sind die Gefahren, woran erkenne ich sie, wie gehe ich damit um? Während Eki im Schulungsraum alles aus sich herausholt, sind alle anderen im Team der Flugschule permanent damit beschäftigt herauszufinden, wo das Wetter sich hin entwickelt, was die Wolken und der Wind tun, welche Startplätze gehen könnten und ob der Landeplatz wieder erreichbar ist.
Wegen der reichlich vorhandenen Zeit bietet Eki an, bei Fragen zum Gurtzeug, Einstellung des Speedsystems, etc. zur Seite zu stehen. Manche sind mit ihrem Liegegurtzeug da und haben offene Punkte. Ob schon mal jemand seinen Retter selbst aus- und wieder eingepackt hätte? Nö, nicht wirklich. Die heilige Kuh. Eki findet, man solle sich mit seiner Lebensversicherung beschäftigen und wissen, was das Ding kann, wenn’s drauf ankommt. Ob wir wissen, mit welcher Sinkgeschwindigkeit wir bei unseren Rettern rechnen müssten? Dabei zielt die Frage nicht auf den theoretischen Wert aus irgendeiner Marketingtabelle ab, sondern was wirklich passiert, wenn z.B. noch ein halboffener Gleitschirm mit dran hängt. Ähm, ich kenne nur die Marketingfolie und vertraute darauf, was mir in der Flugschule als passend verkauft wurde. Ich lerne, dass das nicht die beste Lösung ist, was ich da mit mir herumtrage. Es ist leicht. Aber ob ich da im Ernstfall dranhängen und mit fast 5m/s in Richtung Boden unterwegs sein will? Keine Ahnung. 5m/s ist viel. Aus einer Höhe von 2m auf den Boden Springen ist etwa vergleichbar. Unter 4m/s ist so, dass Frau sich nicht mit 100%iger Sicherheit wehtut.
Astrid hängt sich mit ihrem Easiness in den Simulator, weil die Frage offen ist, ob das mit dem Speedsystem so passt. Dabei hat sie den Frontcontainer mit dem Rettungsschirm mit eingehängt und als Eki das sieht, rollt er mit den Augen. Zu labbrig und kann sich in kritischen Situationen im Gurtzeug einfädeln. Er rät dringend dazu, die Rettungsschirme wieder ins Gurtzeug unter den Sitz einzubauen. Außerdem, nach Rückfrage was Astrid nackig wiegt, rät er zu der nächst größeren Variante, wegen der zu erwartenden Sinkwerte nach dem Auslösen, denn mit den erwähnten etwa 5m/s will niemand auf dem Boden aufschlagen. Seiner Meinung nach wurden wir hier nicht optimal beraten. Wenn Frau das weiterdenkt, gilt das auch für meinen Rettungsschirm, weil die Verhältnisse zu Fläche und Startgewicht bei mir die gleichen sind. Damit müssen wir jetzt erstmal leben, bauen jedoch den Rettungsschirm aus dem Frontcontainer aus und ins Gurtzeug unter den Sitz wieder ein.
Wir lernen noch etwas Neues. Eki zieht seinen Retter aus dem Gurtzeug, packt ihn komplett aus und lässt alle mal anfassen. Das Tuch ist anders als beim Gleitschirm, denn es lässt Luft durch und es ist irre dünn und leicht. Ob schon mal jemand seinen eigenen Retter selbst gepackt hätte? Ähm, nein. Bisher war ich der Annahme, dass das einem Profi überlassen sein sollte, obwohl es schon etwas nervig ist, den Retter zum jährlichen Neupacken weggeben zu müssen. Bei den Intervallen fürs Lüften und Packen sollten wir kürzer werden, so alle halbe Jahr wäre besser und außerdem ist Retterpacken keine Raketentechnologie und Eki rät allen dazu, das zu lernen und selbst zu tun. Weil sein Retter sowieso ausgepackt ist, kann Eki unsere Fahrer Flo und Dirk dazu gewinnen, uns zu zeigen, wie Retterpacken funktioniert. Astrid und ich sehen uns das an und kapieren sofort, dass wir das selbst können und als ich zudem noch das vom Hersteller veröffentlichte Video zu unseren Rettern sehe, gibt es keinen Zweifel mehr, dass das zukünftig durch uns selbst erledigt werden wird.
Als wir am fortgeschrittenen Nachmittag nochmal draußen stehen, ein Flugmanöver tanzen und uns mit dem beschäftigen, was wir gerade in der Atmosphäre beobachten, kommt von Cordula das Kommando, in 15 Minuten starten die Busse in Richtung Startplatz. Es könnte sich was ausgehen. Es sei jedoch absolut freiwillig. Eine Garantie, dass es geht, gibt es nicht. Ohne zu zögern springen ausnahmslos alle Teilnehmenden mit ihren Flugzeugen in die zwei Busse. Nach der Zeitumstellung zur Winterzeit bleiben etwa 2 Stunden bis die Sonne untergeht. Ein neuer Grundsatz kommt zum Tragen: Wenn du es eilig hast, mach langsam. Unterwegs halten wir am Helilandeplatz, der an der Straße auf halber Strecke liegt, steigen alle aus und bewerten gemeinsam die Lage und unsere Beobachtungen. Der Nordföhn lässt zwar nach, doch gerade in der Beziehung ist Eile, im Sinne von zum Startplatz hetzen, weil die Zeit drängt, ein ziemlich schlechter Berater. Auf dieser Höhe ist der Wind sehr moderat, die Sicht ist sehr gut, kaum Bewölkung und wenn, dann weit oben. Gleichzeitig ist in der Höhe gut zu erkennen, dass zwar die Nordströmung scheinbar weg ist, doch sie hat einer ausgeprägten Westlage Platz gemacht, was die Situation jetzt nicht verbessert. An der Stelle sei erwähnt, dass die Prognosen in der BurnAir App in den letzten Tagen stets exakt eingetreten sind und ich erwarte auch für diesen späten Nachmittag, dass Bernie Recht hat und wir das Fenster in Bezug auf eine startbare Windrichtung bereits verpasst haben. Ich behalte das für mich, denn es macht keinen Unterschied und ich bin gespannt, wie es sich tatsächlich am Startplatz Alpo anfühlen wird. Im Bus wird, wie die letzten Tage auch schon, angeregt gequatscht, gescherzt und gelacht als wir weiterfahren. So etwas habe ich wirklich noch nicht erlebt. Ich steige am Ende der Straße, die kurz vor dem Startplatz eine Sackgasse bildet aus dem Bus und spüre sofort den Wind aus West im Gesicht. Muss erstmal noch nix heißen, denke ich, schau mer mal, was am Startplatz los ist, auf dem auch nach Südwest gestartet werden kann.
In den Böen muss Frau echt fast die Mütze festhalten, doch es kommen immer auch längere Phasen vorbei, in denen der Wind tatsächlich zum Starten taugt. Unter normalen Umständen hätten sich nun die meisten wahrscheinlich sofort fertiggemacht, doch Eki bremst erstmal alle ein. Wir versammeln uns um ihn herum und er möchte von jedem und jeder einzelnen wissen, was genau wir jetzt in dieser Situation tun würden, wenn wir unter den vorgefundenen Bedingungen ganz allein hier oben stünden. Ihm ist extrem wichtig, dass sich niemand von der Gruppendynamik mitreißen lässt, sondern eigene Entscheidungen trifft und umsetzt. Nahezu alle geben an, auch ich, dass sie bei den aktuell empfundenen Böen nicht starten und eine angemessene Zeit warten würden, um zu sehen, ob sich der Wind bzw. die Böen beruhigen oder nicht. Später weißt Cordula noch daraufhin, dass ihrer Beobachtung der westlich an einer Kuppe hängenden kleinen Windfahne nach, die Möglichkeit eines horizontalen Rotors besteht, da dort immer wieder ein Nordwestwind angezeigt wird.
Eki und Cordula stimmen sich ab, er wird als erster rausfliegen und ihr Rückmeldung zu den Bedingungen draußen geben, bevor irgendjemand hier aufzieht. Alle beobachten ihn, wie er in einem weiten Rechtsbogen die Startwiese verlässt und Cordula erklärt sofort, warum er das genau so macht und nicht anders, denn die Windbedingungen sind, wie sich herausstellt, tatsächlich relativ anspruchsvoll, was auf den ersten Blick anders aussah. Der zum Startzeitpunkt noch dominierende Südwestwind wird gestört, der überregionale Wind hat inzwischen eindeutig auf West gedreht, mein Bauch hat entschieden, dass ich hier und jetzt nicht mehr starten werde. Es dauert nicht lange als Eki sich über Funk meldet und anweist, dass hier niemand starten soll, denn die Föhnkomponente ist wohl noch vorhanden und macht fliegen hier gefährlich. Wir gehen gemeinsam mit Cordula zu der Windfahne an der westlichen Kuppe und besprechen, wie sie darauf kommt, dass hier ein horizontaler Rotor sein kann. Über dem See wird indes eine Inversion deutlich sichtbar, der Nachmittag schreitet voran, die Sonneneinstrahlung lässt nach, die Luft über dem See kühlt ab, Kondensat fällt aus, die Luft über der Inversion aus West-Nordwest ist wärmer, aber auch sehr turbulent.
Alle wieder zurück zum Bus, einsteigen, runterfahren. Unterwegs knistert es aus dem Funkgerät, wir sollen mal zu den Casali-Wiesen fahren, denn weiter unten, spätestens in der Inversion, sei die Luft ruhig, so Eki, der gerade in die dunstige Luft überm See eingeflogen ist. Da könne sich was ausgehen. Bei dem Wort Casali bekomme ich Gänsehaut, denn nach der Startplatzeinweisung dort sind das sicher nicht meine Favoriten für einen Start. Mal abgesehen davon, dass bei einem Start so weit unten meiner Meinung nach keine Höhe mehr für etwaige Manöver vorhanden ist bis ich über dem See bin, der von da immer noch einige Kilometer entfernt ist. Der Pi3 von Advance, den ich fliege, ist nicht bekannt dafür, dass er gut gleitet. Dafür ist er ja auch nicht gemacht.
Cordula wundert sich wohl auch etwas, doch die Startplätze liegen eh auf dem Weg und selbst wenn sich „nur“ ein Abgleiter ausgeht, ist das 100% mehr als nicht fliegen. Als wir uns die Bedingungen an den Startplätzen anschauen wird klar, dass Starten auf beiden Plätzen geht. Flo, einer unserer Fahrer, fährt die Straße zum Wenden des Busses sowieso noch ein Stück weiter, wo er aussteigt und überprüft, dass auf dieser Höhe wirklich kein Wind mehr aus Nord oder Nordwest von hinten lauert. Ist nicht so, grünes Licht fürs Aufziehen, was einigermaßen schnell gehen muss, denn die Dämmerung hat bereits eingesetzt. Cordulas Anspruch ist, dass alle, die fliegen wollen, auch noch starten können, wozu es allerdings nötig ist, etwas aufs Gaspedal zu steigen. Ich bin zögerlich, weil mir die Startplätze nicht taugen und ich nicht einschätzen kann, ob ich umsetzen kann, was Eki einen Tag vorher für einen Start ohne Wind erklärt hat. Ich bespreche das kurz mit Astrid, die sehr zuversichtlich ist, dass wir das schaffen. 1:0 gegen den Schweinehund. Ich suche mir den flachen Startplatz aus, obwohl das Gras und etwas Gestrüpp ziemlich hochstehen, denn hier rechne ich mir bessere Chancen aus, falls ich abbrechen muss und mir dabei nicht wehtun will. Während sich die meisten fertigmachen, organisiert Cordula noch eine Heckenschere beim angrenzenden Haus, deren Bewohner sie gut kennt, um auf der Startbahn ein wenig aufräumen zu können, bevor der/die erste aufzieht.
Dass Starten hier nicht so einfach ist, wird schnell klar. Es geht nicht bei allen sofort geschmeidig raus, einige Abbrüche sind notwendig. Mein Herz klopft erneut bis zum Hals als ich fertig gecheckt dastehe und über den Funk mitbekomme, dass Eki im Boot sitzt und Manöver fliegen lässt. Dann bekomme ich von Cordula die Freigabe zum Aufziehen. Nicht nachdenken, fühlen, ich ziehe mit viel Impuls auf, versuche mich mit Anbremsen zurückzuhalten, Geschwindigkeit ist wichtig, der Kontrollblick nach oben muss ausfallen, dafür ist keine Zeit, laufen, laufen, laufen, Bremse freigeben, laufen, laufen, die Bäume kommen näher und kurz bevor ich denke, das passt nicht mehr, hebe ich ab. Nach ein ganz mini Bisschen gehe ich auf die Bremse, um maßvoll Steigen zu generieren und fliege mit noch entspanntem Abstand über die Bäume. Also es ist bestimmt noch ein guter Meter Platz. Puuuhhh… geschafft.
Mit Sonnenbrille gegen den Wind sehe ich kaum noch die Anzeige im Vario so dunkel ist’s inzwischen geworden. Ich melde mich bei Eki an, als ich die Wasserlinie überflogen hab‘ und das Boot sehen kann. Unterwegs habe ich mitbekommen, dass die Manöver alle sehr kurz sind, aber doch einige geflogen werden können. Meine Wahl ist auf meine allererste Spirale gefallen, denn überraschenderweise habe ich noch eine gute Höhe als ich den See erreiche.
Die Bewegungen haben wir am Boden über mehrere „Spiraltänze“ visualisiert, deswegen weiß ich prinzipiell, was zu tun ist, habe aber keinen blassen Schimmer davon, wie sich das anfühlen wird, wie weit ich die Bremse(n) anziehen muss und was dann passiert. Beim Anflug sprach ich auf jeden Fall mit meinen Händen und wies ihnen ihre Rolle fest zu. Rechte Hand ist außen, linke Hand ist innen, rechte Hand ist außen, linke Hand ist innen. Und nochmal: rechte Hand ist außen, linke Hand ist innen. Warum genau ich entschied, dass ich eine Linksspirale beim ersten Mal fliegen will, weiß ich gar nicht. Aber das ist auch egal. Wichtig ist, dass es keine Zweifel über innen und außen gibt. Wie heftig die Luzi abgeht, weiß ich ja nicht, doch ich möchte im Manöver nicht darüber nachdenken müssen, welche Hand jetzt für was zuständig ist. Eki gibt grünes Licht, es geht los. Gehirn aus, rechte Hand ganz nach oben ans Leinenschloss, Blick nach links, Gewicht nach links, dann ziehe ich die innere Bremse mit links entschlossen und bestimmt und weil ich keine Ahnung hab‘, wie weit, entscheide ich, dass der Karabiner, der Gurtzeug und Schirm verbindet, eine gute Wahl ist. Tiefer habe ich eine Bremse im Flug noch nie gezogen, weil es immer hieß, das sei wegen eines möglichen Strömungsabriss gefährlich.
Und dann bricht der Sturm los. Mein Schirm zieht mit noch nie dagewesener Dynamik in eine Linkskurve, bereits nach einer halben Umdrehung explodiert die Geräuschkulisse, ich werde ins Gurtzeug gepresst, die Nase kippt in Richtung See und dann geht mein Gehirn sprichwörtlich wirklich aus. Durch meinen Kopf geht nur noch, links ist innen, rechts ist außen und das Außen hat die Macht. Mehr ist in diesem Zustand nicht wichtig. Der erste Impuls: Das ist mir zu krass, ich will hier raus. Wie viele Umdrehungen ich geflogen bin, weiß ich gar nicht so genau, doch ich weiß, ich sollte wegen der Höhe nicht lange rumeiern. Der Winkel zwischen meiner Eintrittskante und dem Horizont sollte im Idealfall so 40-45° haben, was einem Sinken von 8-10m/s entspricht. Ich bekomme absolut nichts davon mit, weiß weder in welchem Winkel meine Front steht, noch wo der Landeplatz ist, noch in welcher Richtung ich unterwegs bin, exit. Ich ziehe außen an, gebe innen ein klein wenig frei und warte auf eine Reaktion meiner Kappe, die völlig überraschend sofort kommt. So dynamisch und voller Energie die Luzi losging, so schnell geht es jetzt raus, doch ich verpasse den Punkt, an dem ich innen hätte nachziehen müssen, die enorme Energie, die jetzt im System steckt, muss in kurzer Zeit irgendwo hin und weil das jetzt mit flacher werdenden Kreisen nicht mehr geht, kann meine Kappe nicht anders als mit Schmackes zu steigen. Fühlt sich wie eine Vollbremsung an und ist nicht gut, denn gefühlt bin ich nahe dran, dass mein System nicht mehr fliegt. Noch bevor ich in Panik verfallen kann, flüstert mir Ekis Stimme in unendlicher Ruhe ins Öhrchen „Hände hoch, oben lassen, oben lassen, nix tun, es ist alles in Ordnung, lass den Schirm einfach fliegen“.
Mein Flugzeug beruhigt sich sofort, ich komme wieder zu mir. Alter Falter. Dass die Fahrt so krass schnell und heftig wird, hätte ich im Leben nicht erwartet. Eki ist indes von meiner ersten Spirale voll begeistert. Toll gemacht und danke, was für mich das Zeichen ist, landen zu gehen. Ist auch besser so, denn Höhe ist jetzt keine mehr da.
Wo der Landeplatz geblieben ist, hab‘ ich dann auch sofort wieder im Blick, achtere ab, ein leichter Bergwind aus Nord, ich setze sanft auf. Mein Körper ist noch voller Adrenalin und ich kann noch gar nicht richtig fassen, was da grad in der Luft passiert ist. Astrid tut’s mir gleich und kommt kurze Zeit später ebenfalls am Landeplatz an, wir fallen uns in die Arme. Völlig geflasht babbeln wir wild los, um unsere Eindrücke mit einem Glänzen in den Augen loszuwerden. Noch ein bisschen intensiver als wir das nach unserem ersten B-Stall taten. Astrid hatte zusätzlich zu berichten, dass sie ihren Start fast verkackt hätte und die Füße hochheben musste, damit „nur“ der Protektor Kontakt mit der Baumreihe hat. Die Ursachen bespricht sie später mit Cordula, die sie grinsend ob des doch noch geglückten Starts beim Treffen im Schulungsraum empfängt.
Als alle, die geflogen sind, heile den Landeplatz erreicht und zusammengepackt haben, treffen wir uns, wie gesagt, wieder im Schulungsraum. Bis das Restaurant öffnet möchte Eki die Zeit nutzen, um mit uns unsere Manöver ganz kurz durchzusprechen bevor wir eine Etage höher zum Essen einfallen.
Als mein Flug dran ist, staune ich Bauklötze und lerne, dass mein kleiner Pi3 ein richtiges Spiralmonster ist. Bereits unmittelbar zum Ende des ersten Vollkreises liegt mein Schirm auf der Nase, ein Winkel von 0° zum Horizont, nix 40 oder 45°, es geht mit Maximalgeschwindigkeit nach unten mit Maximalbelastung auf meiner Flugbahn um meinen Schirm herum. Mir wird klar, warum sich das so heftig angefühlt hat, aber gleichzeitig habe ich gelernt, dass mein Schirmchen trotz dieser ultimativen Dynamik sehr genau auf meine Steuerimpulse reagiert und ich bestimmen kann, was passiert. Meine Aufgabe für den nächsten Flug, die ich mir selbst stelle: Kontrolliere deinen Spiralflug, behalte deine Eintrittskante im Blick und steuere aktiv Neigung und Geschwindigkeit. Der Kopf muss an bleiben. Astrids Flug ist nahezu identisch mit meinem, allerdings mit dem feinen Unterschied, dass sie ihre Ausleitung kontrolliert und über flacher werdende Kreise aus dem Manöver herauskommt, statt schlagartig zu steigen, wie mir das passiert ist. Sehr fein. Super gemacht.
Der nächste und leider letzte Tag verspricht ein richtig guter Flugtag zu werden. In der BurnAir App wird allerdings ab Mittag wieder Regen angezeigt und der Wind soll im Verlauf des Vormittags deutlich zulegen und als Eki als Uhrzeit fürs Treffen am nächsten Morgen 7 oder 7:30 Uhr vorschlägt, geht Astrids Klappe sofort los, das sei zu spät. So viel wie möglich fliegen geht nur, wenn wir zum Sonnenaufgang am Startplatz stehen. 6 Uhr in der Früh am Treffpunkt wäre besser, denn die Auffahrt dauert etwa eine halbe Stunde, bis alles besprochen ist und die Ersten Starten können, geht nochmal eine halbe Stunde ins Land und dann geht die Sonne auf. Ein kurzes Raunen geht durch die Reihen, doch es widerspricht niemand. Eki stimmt zu, lässt aber jedem und jeder die Wahl. Wer die erste Fahrt dabei sein will, solle um 6 da sein, wem die zweite Auffahrt genügt, entsprechend später. Astrid und ich committen uns dazu, morgens frischen, heißen Kaffee in Thermoskannen dabei zu haben, denn es wird ziemlich frisch sein und möglicherweise hilft das Heißgetränk, um die Augen offen zu halten. Mir geht durch den Kopf, dass wir die FeWo ja auch noch räumen müssen. Upsi. Das wird früh. Es wird sich jedoch herausstellen, dass wir genau die richtige Entscheidung getroffen haben, so früh dran zu sein, denn Wetter ist Wetter und das ist alles andere als planbar.
Jetzt Pizza und Landebier. Hunger, Durst. Mein Emotionstopf kocht immer noch vom letzten Flug und den Ereignissen. Heute Abend ist die Pizza lecker. Die, die wir beim ersten Besuch hier bekommen haben, war auf dem Niveau eines deutschen Pizzaservice und wenn ich nicht so einen Hunger gehabt hätte, hätte ich mir das nicht angetan. Das Leben ist zu kurz für schlechtes Essen. Aber die können auch anders und ich genieße jeden Happen. Ich sitze zwischen neuen Menschen, mit denen ich bisher nicht so viel geredet habe, was mir ebenfalls gut gefällt, denn ich bin immer noch sprachlos, dass die Leute im Kurs so nett sind. Alt wird heute niemand, soweit ich das erkennen kann, wollen am nächsten Morgen alle im ersten Bus sitzen und auch Astrid und ich bleiben nicht kleben, wie am zweiten Tag, sondern brechen zeitig auf, um alles Notwendige erledigen zu können, bevor es ins Bettchen geht. Der Wecker wird um halb fünf klingeln.
Mit zwei Thermoskannen Kaffee im Gepäck und gepacktem Auto schlagen Astrid und ich am nächsten Morgen, es ist noch stockfinster, am Treffpunkt vor dem Campingplatz auf. Dirk und Flo haben die Shuttlebusse abends schon vom umzäunten und mit Tor versehenem Campingplatzgelände runtergefahren. So, wie die Leute eintrudeln, teilen Astrid und ich Kaffee aus. Die Stimmung ist wieder super, alle sind motiviert, das frühe Aufstehen haben alle scheinbar gerne in Kauf genommen, um wenigstens heute, am letzten Tag, noch was reißen zu können. Während der Auffahrt wird es langsam hell, die Jäger sind unterwegs, es knallt immer wieder mehrfach, wenn Schüsse abgegeben werden. Die Vogeljagd hat Tradition hier. Eki ist ebenfalls mit nach oben gekommen und wird wieder als Erster starten, nachdem erneut ausgiebig über die vorgefundenen Bedingungen gesprochen wurde. Dabei wird klar, dass das fliegbare Fenster nicht so groß sein wird, wie es gestern noch den Anschein hatte und Eki rechnet nicht damit, dass wir häufiger als 2-3 mal fliegen können, weil der Wind zu stark wird.
Ich bin krass aufgeregt, denn mein Plan für den ersten Flug wird sein, nur die Spirale zu fliegen und die aber ganz mitzubekommen, nicht so wie gestern. Über mehr habe ich mir keine Gedanken gemacht. Auch Astrid hat sonst erstmal nix vor. Wir machen uns zügig fertig, wollen nicht wieder bis zum Schluss warten, und so starte ich noch in der ersten Hälfte der Teilnehmenden. Auf dem Weg in meine Trainingsbox lasse ich wieder los, lasse alles hängen, klopfe mir auf die Schenkel, um die Kälte ein wenig auszutreiben, greife zum Retter, ertaste meine Leinenschlösser und -ganz wichtig- spreche wieder laut mit meinen Händen. Um einer etwaigen Schokoladenseite entgegenzuwirken, sage ich dieses Mal meiner rechten Hand „du bist innen“. Drehe mich zur linken Hand „du bist außen“. Und nochmal. Du, rechte Hand, bist innen, und du, linke Hand, bist dieses Mal außen. Speichern. Als Jette, die vor mir in die Trainingsbox geflogen ist, ihre abgefahrene Aktion abgeschlossen hat, melde ich mich bei Eki an, bekomme die Freigabe, selbständig einzuleiten und los geht das Karussell. Um zu vermeiden, dass es gleich wieder Vollgas losgeht, ziehe ich die innere Bremse erstmal nur bis knapp oberhalb des Karabiners und warte ab, was passiert. Auch damit kippt der Schirm zügig in die Spirale, aber nicht ganz so heftig, wie am Vortag. Als die Windgeräusche mir unverkennbar mitteilen, dass ich jetzt in der Spirale bin, versuche ich die Fahrt aktiv über die Innenbremse zu steuern, ziehe etwas nach, es wird schneller, der Winkel zum Horizont wird kleiner, ich sehe meiner Kappe dabei zu. Dann lasse ich etwas nach, die Kappe kommt ein klein wenig hoch, die Bahngeschwindigkeit nimmt etwas ab. Und wieder mehr und ich merke, wie meine Innenbremse praktisch das Gaspedal ist und unmittelbar auf meine Impulse reagiert. Das gefällt mir und gibt mir ein einigermaßen sicheres Gefühl. Meine Außenhand ist dabei die ganze Zeit ganz oben und erst als ich mich dazu entscheide, dass es jetzt gut ist, so nach bald 10 Umdrehungen, ziehe ich außen leicht an und merke sofort, dass mein Schirm die Spirale verlassen will. Dummerweise verpasse ich erneut den Punkt, an dem ich nachdrücken sollte, d.h. die Innenbremse müsste nachgezogen werden, um den Schirm daran zu hindern, zu schnell die Rotation zu verlassen und steige erneut so, dass mir fast Angst wird. Aber da ist Eki schon da, der mich im Gegensatz zu manch anderem Fluglehrer während meiner Ausbildung zu keiner Zeit aus den Augen verloren hat und mir klare Anweisungen gibt, einfach nichts zu tun, Hände hoch, oben lassen, warten bis das System sich beruhigt hat und nur beim Vorschießen einzugreifen, was aber nicht passiert. Einfach nur geil. Natürlich habe ich noch viel Arbeit vor mir, bis dieses fürs Thermikfliegen wichtige Manöver einigermaßen von mir beherrscht wird, insbesondere das Timing beim Ausleiten ist echt grottig, doch ich habe die nötige Sicherheit bekommen, dass ich mein Karussell nicht sich selbst überlassen muss. Und das Beste: Egal, was passiert und was vielleicht alles nicht passt, Eki schließt stets mit einem Wort des Lobes und der Anerkennung. Vordergründig eine Kleinigkeit, doch es sind die wichtigsten Worte bei jedem Flug. Das hast du gut gemacht, das war super, das hast du perfekt geflogen. Alles andere wird später im Schulungsraum besprochen und braucht in der aktuellen Situation keinen Platz.
Nach meiner Landung sind sofort zwei Leute da, die meinen Schnellpacksack aus meinem Gurtzeug ziehen, ihn aufhalten und ich sofort meine Tulpe hineinstopfen kann. Eigentlich mag ich auf Astrid warten, die leider nicht direkt hinter mir gestartet ist, weswegen sich ihre Ankunft verzögert, doch wenn ich gleich einsteige ist der Bus voll und wir können gleich wieder nach oben starten. Ohne Astrid zum nächsten Flug aufzubrechen, fühlt sich komisch an und ist normalerweise nicht unsere Praxis. Gleichzeitig ist mir aber klar, dass es klug ist, nicht lange zu warten, gleich wieder raufzufahren, denn lange werden die Bedingungen zum Starten nicht mehr gut sein. Astrid wird den nächsten Bus erwischen. Ich steige ein und falle eine halbe Stunde später oben wieder raus, gehe ein paar Minuten zum Startplatz, mache mich gleich fertig, esse und trinke noch was bevor das nächste Karussell losgeht. Meine große Sorge war, dass mir kotzübel wird, so wie damals im G-Force-Training und ich das schnelle Drehen nicht aushalte und mich noch im Flug übergeben muss. Ist aber alles nicht so gekommen. Trotzdem ist es klug, nicht mit leerem Magen zu starten.
Cordula empfängt mich wieder am Startplatz und hilft mir ein wenig mit meinem Schirm, denn ich stehe in etwas buckligem Gelände und beim Versuch, die Kappe ordentlich mit Hilfe des Windes auszulegen, erreiche ich leider das Gegenteil. Just in dem Moment springt auch Astrid hinzu, um zu helfen, denn sie ist, wie erhofft, gleich mit dem nächsten Bus raufgekommen. Mit Cordula bespreche ich kurz vorm Aufziehen, was ich dieses Mal fliegen möchte und ich entscheide, dass ich vor der nächsten Spirale erst meinen Stallpunkt im stationären Geradeausflug ertasten möchte, ein Manöver, das Eki am Herzen liegt, weil er es für wichtig hält und uns entsprechend darauf vorbereitet hat. Cordula gibt mir nochmal die Dinge mit auf den Weg, die dabei wichtig sind. Anschließend möchte ich kurze Spiralen fliegen, um die Ausleitung zu üben. Je nachdem, wie es mit der Höhe ausgeht. Eine super Idee findet Cordula und gibt mir grünes Licht fürs Aufziehen.
Mein Start gelingt, ich bin wieder in der Luft und steuere ziemlich direkt auf meine imaginäre Trainingsbox zu. Es ist deutlich unruhiger als beim ersten Flug. Eine gute Gelegenheit anzuwenden, was wir in den Tagen davor dazu besprochen hatten und von Eki vorgeführt bekamen, um unsere Kappe ruhiger zu bekommen. Ich mache den John Wayne in meinem Gurtzeug, drücke meine Beine fest nach außen ins Gurtzeug, greife oben in die hinteren Tragegurte und lege meine Ellbogen fest gegen die Aufhängekarabiner, bisschen Körperspannung. Zack, Ruhe. Kleine Dinge machen einen großen Unterschied. Dann nochmal alles hängen lassen und darüber nachdenken, was ich in wenigen Minuten fliegen will, Konzentration, Zeit nutzen, Griff zum Rettungsgerät.
Stallpunkt ertasten, d.h. den Moment herbeiführen, ab dem ein vollständiger Strömungsabriss die Folge ist, wenn Frau falsch reagiert, hatte ich so gar nicht auf dem Radar, doch ich möchte wissen, wie sich der Punkt anfühlt, bei dem die Steuerleinen plötzlich in Butter tauchen. Bei Ankunft in meiner Trainingsbox melde ich mich über Funk bei Eki an, teile ihm mit, was ich fliegen will und dann geht’s auch schon los. Nach der Freigabe ziehe ich konsequent mit einem halben Schlag in den Steuerleinen jene zügig nach unten, 21, 22, 23, ich wundere mich, wie weit ich ziehen bzw. dann drücken muss, bis irgendetwas passiert. In dem Bruchteil einer Sekunde, als ich merke, der Druck lässt nach, schießen meine Hände bereits nach oben. Es ist nicht wirklich was passiert. Eki möchte genau deswegen, dass ich das nochmal mache. Als die Kappe sich beruhigt hat, kommt der nächste Versuch, 21, 22, 23, ich habe etwas fester durchgedrückt und nun ist die Reaktion sehr deutlich, meine Hände gehen sofort ganz nach oben bis über die Leinenschlösser, mein Schirm zuckt, fällt kurz ein wenig zusammen, kommt über einen kurzen Sackflug wieder in eine stabile Lage, während ich zunächst nach vorne pendele und mich dann die Kappe über mir überholt als sie Geschwindigkeit aufnimmt. Nichts tun, Hände oben lassen, warten, warten, System fliegt wieder. Ein bisschen gefährlich aber sehr eindrücklich. Ich fliege das noch einmal erfolgreich und dann folgen zwei kurze Spiralen, wie ich Eki angekündigt hatte, um deren Ausleitung zu üben. Nun ja, beim ersten Mal verpasse ich wieder den Zeitpunkt zum Nachdrücken, steige dadurch stark und pendele aus dem Manöver, bei der zweiten, die ich anders herum fliege, gelingt es etwas besser, doch ich verlasse dabei meine Achse in Richtung Landeplatz. Gibt also noch viel Luft nach oben, bis das einigermaßen passt. Die Funke knackt „flieg so, dass du in Richtung Landeplatz rauskommst, war superschön“. Ich gehe landen.
Die Landung ist etwas speziell, denn mir geht der Platz aus und es gibt nur eine ziemlich kleine Ausweichmöglichkeit, die zwischen Straßenschildern hindurch auf ein kleines Stück Wiese führt, an die unmittelbar der hochwasserführende Bach angrenzt. Der Nordwind ist nicht sehr ausgeprägt und so bin ich schlicht zu hoch eingeflogen. Ging aber gut, die kleine Wiese war meine, wenngleich es sich um eine einzige große Pfütze handelte und danach mein Zeug komplett nass war. Erneut sind sofort Menschen zur Stelle, um mir beim Einpacken zu helfen, denn es soll sofort wieder rauf gehen, wobei jetzt bereits nicht mehr klar ist, ob wir überhaupt nochmal starten können, aber das weiß Frau erst, wenn sie auf der Startwiese steht. Astrid kommt zu lange nach mir erst rausgeflogen, weswegen warten auf sie keine Option ist. Schnell noch ne Semmel aus dem Gurtzeug gefummelt und los.
Witzigerweise, so lerne ich später, passiert Astrid beim Landen genau das gleiche. Geht gut aus, doch auch ihr Zeug ist volle Kanne nass.
Ich sitze erneut im Bus nach oben, dieses Mal in der letzten Reihe, unterhalte mich mit Andi, einem supernetten Piloten und merke leider nicht, wir mir Übel wird, bis es fast zu spät ist. Die ganze Zeit achtete ich bei den Auffahrten darauf, immer schön nach vorne zu schauen, doch jetzt ging das irgendwie unter. Blöd. Die letzten Kurven bis zum höchsten Punkt kämpfe ich ein wenig, doch ich bekomme es hin, dass nix passiert. Die frische Luft beim Aussteigen tut gut und es geht relativ schnell wieder, wenngleich ich überlegen muss, ob Spirale fliegen in dem Zustand eine clevere Idee ist. Für den wahrscheinlich letzten Flug heute nahm ich mir jedoch keine krassen Sachen mehr vor, denn ich möchte das sensationell gute Gefühl, dass sich eingestellt hat, bewahren und damit den Kurs enorm positiv in mir aufbewahren. Kommt aber alles anders. Kaum bekomme ich von einer Teilnehmenden meinen Schnellpacksack in die Hand gedrückt, kommt Cordula schon vom Startplatz mit samt ihren Sachen zurück und verkündet, dass Starten jetzt nicht mehr gut ist, weil die Böen zu stark werden und insgesamt die Luft unruhig geworden ist. Damit ist die Frage, was ich noch fliegen möchte, beantwortet. Ziemlich zeitgleich bekomme ich eine Kurznachricht von Astrid, die bereits im Café am Campingplatz sitzt, dass bei ihr alles gut ist.
Fürs Runterfahren muss ich unbedingt vorne sitzen, sonst könnte es mit der Übelkeit echt ernst werden und weil es noch ein paar andere Kandidatinnen gibt, sitzen wir zu viert vorne, die Stimmung ist trotz des Abbruchs super, wir unterhalten uns auf der ganzen Fahrt, während ich schön nach vorne schaue. Wir sind uns einig, dass es die beste Idee des Tages von Astrid gewesen ist, heute bei Sonnenaufgang oben zu sein, sonst wäre der zweite Flug schon nicht mehr ausgegangen. Tipptopp. Eigentlich wäre der Kurs am letzten Tag nur bis 12 Uhr mittags gegangen, doch unter diesen Umständen haben Cordula und Eki auf unbestimmte Zeit verlängert. Im Schulungsraum angekommen, wird jeder Einzelne Flug nochmal mit Engelsgeduld unter die Lupe genommen und bis ins Detail besprochen und ich sehe zum ersten Mal, was manch Teilnehmer:in geflogen ist. Mir bleibt fast die Luft weg. Ein beinahe Retterabgang war auch dabei, wie Pilot Moritz erklärt, als er dran ist. Ich weiß gar nicht mehr, was er eigentlich fliegen wollte, hat dabei jedoch völlig die Kontrolle verloren und wenn sein Schirm sich innerhalb einer halben Sekunde nicht doch fürs Fliegen entschieden hätte, wäre es soweit gewesen.
Was da wohl noch alles drin gewesen wäre, wenn wir in den Tagen davor hätten fliegen können? Spannende Vorstellung, die auch auf mich selbst zutrifft, denn ich hätte wahrscheinlich nicht ausschließlich die Spirale geübt. Spekulation. Als alle durch sind, geht’s in die Abschlussrunde. Eki macht den Anfang und ich merke, dass es ihm nicht leicht fällt. Natürlich hätte es ihn gefreut, wenn wir mehr hätten fliegen können, doch da war noch etwas anderes. Er rückt mit der Sprache heraus, dass dieses Sicherheitstraining das letzte war, dass er als Chef der Flugschule Achensee durchführt. Deswegen fand es auch trotz der miserabelsten Prognosen statt und er hat wirklich alles aus sich herausgeholt damit es gut wird. Und by the way es war sensationell. Es wäre Zeit, dass alles in neue, jüngere Hände käme, er jedoch schon noch Trainings machen wird, aber eben nicht mehr als Chef und eher so nach seinen Vorstellungen. Mit der Pilot:innenbrille betrachtet haben Astrid und ich somit an einem historischen Ereignis teilgenommen, denn Eki ist eine absolute Instanz in Fliegendenkreisen. Ich bin sehr, sehr froh, das erlebt haben zu dürfen. Die Runde geht weiter. Die meisten Dinge, die ich zur Sprache bringen wollte, sind gesagt, als ich an der Reihe bin. Doch eines ist noch offen, dass ich gerne allen mit auf den Weg geben möchte: Ich wurde behandelt, wie ein ganz normaler Mensch. Niemand hat in den 5 Tagen auch nur ansatzsweise irgendein Thema mit meiner Transidentität gehabt und ihr könnt mir glauben, ich merke so etwas sehr schnell, weil Transidentität ein ziemlich guter Arschlochfilter ist. Aber es hat einfach keine Rolle gespielt. Das ist das beste Ergebnis, das ich erzielen kann und das gelingt nur mit in diesen Dingen völlig gechillten Menschen. Ungewöhnlich bei einer so großen Gruppe und ich bedanke mich bei allen dafür, denn das ist bei Weitem nicht selbstverständlich, wie ich fast täglich erlebe. Als Astrid an der Reihe ist und davon berichtet, wie sehr Eki und Cordula sie in ihrer Seele berührten, kämpfen wir beide ein wenig mit den Tränen, denn das ist wirklich so. Danke, dass es solche Menschen gibt.
Der ultimative Lacher am Schluß als Carla die Runde beschließt: Mit einem Zweileiner kann Frau keinen B-Stall fliegen.
Ein ganz besonderer Dank geht natürlich auch an unsere Shuttlebunnies Flo und Dirk, denen kein Zirkus zu viel war und die wirklich reichlich zu tun hatten mit den immer übervollen Bussen auf dem abenteuerlichen Weg zum Startplatz. Ich glaube, wir werden mit beiden weiterhin zu tun haben, denn Flo wohnt in der Nähe von Marktoberdorf, was ja quasi zum gemeinsamen Fliegen einlädt und Dirk hat, wie ich lerne, seit vielen Jahren als Bergführer eine eigene Bergschule in Bolsterlang. Ich sage nur, Rubihorn Nordwand und es muss sehr, sehr kalt sein.
Nach nun 4 selbst beidseitig geflogenen Spiralen habe ich für mich die Sicherheit gewonnen, dass ich das allein über Grund üben kann. Eki stimmte dem zu und gab zusätzlich den Tipp, vorher abhängig von der Höhe festzulegen, wie viele Umdrehungen es werden sollen, so dass ein ungewolltes Runterdrehen bis in Bodennähe nicht passieren kann. Und natürlich sollte ich nicht zu dynamisch an die Sache rangehen, sondern eher ein wenig defensiv fliegen. Dann wird das gut.
Als ich mit Zweifel ins Auto gestiegen bin und wir dem Dauerregen gen Süden entgegenfuhren, hätte ich im Leben nicht gedacht, was bei diesen 5 Tagen rauskommt. So viel gelernt und mitgenommen, so wahnsinnig coole Menschen kennengelernt, so viel auch über mich selbst gelernt. Tiefe Dankbarkeit, dass wir das einfach tun dürfen. Manchmal geht das in der Hektik und meinem Pessimismus unter, doch es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein. Wir haben ein Dach überm Kopf, genug zu essen, müssen nicht frieren, niemand schießt auf uns und wenn uns danach ist, dürfen wir fliegen, wie die Vögel.
Hinweis: Die meisten Bilder und Videos im Beitrag wurden von der Flugschule Achensee zur Verfügung gestellt und stammen nicht von mir.
Kleiner Nachtrag: Astrid und ich haben inzwischen unsere Retter selbst gepackt und nach einem erfolgreichen und störungsfreien Auslösetest die Sicherheit, dass wir das richtig und gut gemacht haben. Die Dokumentation des regelmäßigen Lüftens und Packens kann auf der Herstellerseite nach Registrierung erledigt werden. Wieder einen Schritt weiter.