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Was sie schon immer über *** wissen wollten, aber nie zu fragen wagten

Die Überschrift ist der Titel eines Woody Allen Films in abgewandelter Form. Wer nun angenommen hat, es ginge in der Folge um brisante Fragen unterhalb der Gürtellinie von Transmenschen, liegt gar nicht so falsch. Mit geschlechtlichen Dingen hat es jedoch nichts zu tun. Eher mit Anstand, Würde, Pietätlosigkeit, Übergriffigkeit, usw.. Was ich selbst hin und wieder erlebe und als unangemessen empfinde ist, dass Menschen, sowohl femde als auch mir nahestehende, Fragen zu meinem Transsein stellen, die aus ihrer Sicht meist in guten Absichten gestellt werden oder vielleicht sogar aus aufrichtigem Wissensdurst enstanden sind. Bewirken tun sie jedoch etwas ganz anderes bei mir und möglicherweise auch anderen Transmenschen. Natürlich hängt es davon ab, wie nahe mir der fragende Mensch steht, wie ich auf Fragen und Aussagen reagiere und was ich dabei empfinde und wieviel Mühe ich mir bei einer etwaigen Antwort gebe. Grundsätzlich bin ich sehr  offen, wie der Inhalt meiner Seiten bestätigt. Nichtsdestotrotz erscheint es mir sinnvoll, einige dieser NoGo-Fragen und NoGo-Aussagen hier zu erläutern, wenn sie von völlig fremden Menschen gestellt oder getroffen werden. Vielleicht trägt es zu einem besseren Verständnis und im günstigsten Fall zu mehr Akzeptanz und Toleranz von Transmenschen bei.

"Als was wurdest du geboren?"

Es ist nicht relevant, welches Geschlecht jemandem bei der Geburt zugewiesen wurde, um respektiert zu werden! Das ist eine unnötige und übergriffige Frage.
Darüber hinaus impliziert der Wortlaut dieser Frage, dass ich mein Geschlecht während meines Coming outs geändert habe. In Wirklichkeit jedoch habe ich nur mein wahres Geschlecht bestätigt. Das heißt, ich bin ein Mädchen und das war ich schon immer. Ich hatte einfach nicht das Wissen, den Mut und die Sprache, um dies zu erklären. Ich wurde also nicht als Junge geboren, sondern bei der Geburt als männlich eingestuft.

"Was ist dein echter Name?"

Der Name, den ich verwende, ist mein echter Name. So eine Frage impliziert, dass ich vorsätzlich lüge. Es gibt gerichtlich erstrittene Urteile, dass im Umgang mit Transmenschen deren selbst gewählte Namen auch dann uneingeschränkt zu verwenden sind, wenn der Personalausweis, die Geburtsurkunde oder sonstige Unterlagen etwas anders lautendes dokumentieren. 
Sollte es aus irgendwelchen Gründen notwendig sein, z.B. bei Behörden o.ä., dass der bei der Geburt vergebene Name verwendet werden muss, muss dem- oder derjenigen klar sein, sehr dünnes Eis zu betreten und entsprechend rücksichts- und respektvoll zu fragen. Alles andere ist absolut unangemessen.

"Wie war dein Name vorher / dein Geburtsname?"

Transmenschen bezeichnen die Namen, die bei oder vor der Geburt vergeben wurden, als tote Namen oder Deadnames. Danach zu fragen oder ihn gar zu verwenden, ist pietät- und respektlos. Den Deadname zu kennen, ist für die Interaktion mit Transmenschen völlig irrelevant. Sie können bei Transmenschen traumatische Erinnerungen auslösen und nicht selten ist es für Transmenschen sehr schmerzhaft, wenn Deadnames laut ausgesprochen werden.

"Du siehst nicht nach Transgender aus!" oder "Das hätte ich nie gedacht!"

Transgender zu sein ist kein Look und keine Verkleidung. Es ist eine Identität. Es gibt keine Möglichkeit, Transgender zu „sehen“. Das Missverständnis, dass du immer erkennen kannst, wann eine Person Transgender ist, ist bestenfalls falsch und im schlimmsten Fall menschenverachtend. Transmenschen sind einfach auch nur Menschen. Bei allem anderen geht es nur darum, das Schubladendenken für andere zu befriedigen.

"Du kommst wirklich gut als Frau/Mann rüber!"

Viele Menschen empfinden das als Kompliment, ist es aber nicht. Das ist das gleiche, als würde jemand sagen: "Du passt in MEINE Schublade Mann / Frau - super!" Das ist weder angemessen noch freundlich. Es bedeutet in Wirklichkeit, es ist nicht in Ordnung, nach Transgender auszusehen. Bei unserer Identität und Darstellung geht es nicht um andere oder deren Meinung zu uns. Diese Aussage bestätigt die Überzeugung, dass der Ausdruck des Geschlechts immer gleich der falschen Geschlechtsidentität ist! Und das ist übergriffig und transphob.

"Du bist attraktiv für eine Transgender-Person."

Transmenschen sind von Natur aus nicht weniger attraktiv als CIS-Menschen. Fügst du einem vermeintlichen Kompliment "...für eine Trans-Person" hinzu, bestätigst du, dass wir in deinen Augen irgendwie weniger Wert sind als CIS-Menschen. Das ist transphob. In so einer Aussage steckt eine implizite Voreingenommenheit gegenüber Trans-Personen. Das ist genauso, als würde ich in einem anderen Kontext etwas derart sagen wie "Für dein Alter siehst du aber noch gut aus". So etwas möchte niemand hören.

"Wann hast du dich entschieden, Transgender zu sein?"

Transgender zu sein, hat niemand entschieden oder gewählt. Wir können uns dazu entscheiden, uns zu outen oder das Outing zu lassen (*). Aber selbst Transgender zu sein ist eine Identität. Niemand muss etwas tun, um Transgender zu sein. Trans zu sein wird auch durch kein externes Ereignis ausgelöst. Alle solchen Vorstellungen entsprechen nicht der Wahrheit.
(*) HINWEIS: Der Entschluss sich zu outen hört sich nach freiem Willen an. Für viele Transmenschen ist es jedoch keine Wahl. Es fühlt sich eher als Notwendigkeit an, um zu überleben.

"Ich kann mich nicht an deinen neuen Namen/dein neues Pronomen gewöhnen. Das ist so schwer für mich, mich daran zu halten."

Es darf dir schwer fallen. Dieses Gefühl ist gültig. Gefühle sind immer gültig. Handlungen aufgrund dieser Gefühle sind NICHT immer gültig. Das heißt, nur weil eine Aufgabe schwierig ist, bedeutet es nicht, dass du von ihr befreit bist. Fehler können passieren. Es ist wichtig, wie du damit umgehst. Entschuldige dich und korrigiere dich. Denke daran, dass Gewohnheit und Vergangenheit keine Ausreden sind. Fehlgriffe können damit eine Weile erklärt werden, doch im Laufe der Zeit nimmt die Toleranz gegenüber Fehlern ab - und das zu Recht.

"Aber du warst so ein hübsches Mädchen / gutaussehender Mann!" oder "Warum zerstörst du den Mann / die Frau in dir?" oder "Du ruinierst deinen Körper."

Meine Transition besteht NICHT darin, es anderen bequem oder sie glücklich zu machen, in die Männlichkeits- oder Weiblichkeitsstandards anderer zu passen, in den Augen anderer attraktiv zu sein, in den Augen anderer schön zu sein oder die Anerkennung meiner Schönheit zu erlangen. Meine Transition ist für MEIN Glück, für MEINE Kongruenz, für MEINEN Frieden. Für MICH. 

"Hast du DIE Operation machen lassen?"

Eine Trans-Person zu fragen, ob sie operiert wurde, ist dasselbe wie zu fragen, wie ihre Genitalien aussehen. Das ist seltsam, übergriffig, unangemessen und irrelevant. Außerdem gibt es auch nicht so etwas wie die Operation. Es gibt eine ganze Reihe von möglichen Maßnahmen zur Angleichung.

"Wirst du alles machen lassen?"

Es gibt nicht DEN Weg der Transition. Jeder Transmensch kann sich für seinen Weg entscheiden und sie können alle verschieden voneinander sein. Was "alles" bedeutet, ist demnach sehr individuell und kann auch einfach nichts sein. Ansonsten impliziert die Frage nach der vollständigen Transition, dass der oder die Fragende wissen will, was in meiner Hose ist. Und das ist ebenfalls absolut irrelevant und übergriffig.

"Welche Operationen lässt du machen?" oder "Nimmst du Hormone?" oder "Hast du noch eine Vagina / einen Penis?" oder jede andere Frage zu unseren Körperteilen und Genitalien.

Diese sind alle unglaublich übergriffig und für die meisten, wenn nicht alle Interaktionen mit irgendjemandem irrelevant. Genauso wenig, wie du andere fremde Menschen nach deren Krankheitsgeschichte, deren Penisse oder deren Klitoriden fragen würdest, solltest du das auch bei Transmenschen einfach nicht tun. 
Um dich in einen Menschen zu verlieben, den du attraktiv findest, wirst du möglicherweise nicht damit beginnen, ihm die Hose herunterzuziehen oder ihm den Rock hochzuheben. Möglicherweise würde es eher mit einer Einladung zum Abendessen starten. Nur so als Idee.

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Des Weiteren gibt es Begrifflichkeiten und Aussagen, die nicht zutreffend sind oder ein falsches Bild vermitteln:

Geschlechtsumwandlung 


Hört sich nach Hokuspokus an und vertauscht Ursache und Wirkung. Kein Transmensch auf dieser Erde lässt sein Geschlecht umwandeln. Sie lassen es bestenfalls an das Geschlecht anpassen, das schon immer da war. Daher ist Angleichung das passende Wort.

Er/Sie war früher eine Frau/ein Mann


Hier ist ebenfalls Ursache und Wirkung vertauscht. Er oder sie war immer, was er oder sie ist. Der Unterschied ist, dass es mit einem eventuellen Outing für alle sichtbar wird, was schon immer war.

...to be continued...

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