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Flugreise nach Bassano del Grappa, 28.-31.03.2023

Endlich mal mehr als 2 Tage frei und keine Verpflichtungen. Das gab’s schon eine Weile nicht mehr. Einfach frei entscheiden, wo es hingehen soll und was wir dort unternehmen wollen. Nochmal eine Skihochtour wäre toll, doch der Schneemangel auf den Gletschern ist noch schlimmer als vergangenes Jahr und uns damit zu heikel, um nur zu zweit loszuziehen. Die Wetterprognose für die West- und Zentralalpen luden zudem ebenfalls nicht dazu ein, dort Zeit zu verbringen. Viel Wind, etwas Neuschnee, insgesamt trübes Wetter. Das wurde nur besser je weiter wir nach Süden und Osten Ausschau hielten, womit Skitouren ohne ewige Tragepassagen nicht mehr in Frage kamen, dafür aber Fliegen ein Thema wurde. Bassano stand ja schon am Fasnachtswochenende auf dem Plan, fiel jedoch wegen schlechter Prognosen aus. Ab Mitte unserer freien Woche sieht das jetzt viel besser aus und so entschieden wir, die Ski zu Hause zu lassen, stattdessen das Kletterzeug, die Räder und die Gleitschirme einzupacken und mit Laufen und Klettern am Gardasee zu starten, wo wir die ersten beiden Tage den starken Wind abwarteten. Nach schön klettern, meinem ersten Trailrun und natürlich Cappuccino auf der Piazza in Arco siedelten wir dienstagsabends nach Bassano um, oder genauer nach Semonzo, wo sich die Landeplätze befinden, in deren fußläufiger Nähe wir eine kleine Ferienwohnung schießen konnten. Das hat mir schonmal gut gefallen. Auto abstellen und nicht mehr brauchen, bis es nach Hause geht. Alle Infrastruktur ist in wenigen Minuten zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar.

Die FeWo war hinsichtlich der Küche äußerst dürftig ausgestattet. Viel mehr als Pasta war da nicht herauszuholen, dafür war der Rest ganz ok und für 3 Nächte braucht’s eh nicht so fürchterlich viel. Nachdem wir uns eingerichtet hatten, zogen wir mit den Rädern los, um uns im örtlichen Lebensmittelgeschäft mit Futter zu versorgen und inspizierten dabei grad noch einen der Landeplätze, Paradiso, wo wir eine Gruppe Pilot:innen beim Groundhandling beobachten konnten. Der Wind war recht stark und böig, weswegen es etwas rund ging auf dem Platz. Astrid hat die Lust gepackt, vor dem Abendessen auch nochmal den Schirm auszupacken. Bis wir dann allerdings das Futter gegen die Gleitschirme getauscht hatten und zurück am Landeplatz gewesen sind, war kein Mensch mehr da und der Wind eingeschlafen. Nach ein paar Aufziehversuchen haben wir es dann eingesehen, dass das so keine Freude mehr macht und gingen zum gemütlichen Teil über. Pasta Ragout und Rotwein. Für den Mittwoch sagte Burnair ganz gute Bedingungen vorher: Wind aus der richtigen Richtung in der richtigen Stärke, trotz etwas Bewölkung überwiegend Sonnenschein und demzufolge Thermik. Ab spätestens Freitag soll es unbeständiger werden und so kauften wir mal für zwei Tage die Flycard ein, die dort vorgeschrieben ist und jederzeit vorzeigbar sein muss, entweder ausgedruckt oder als gespeichertes PDF auf dem Smartphone. An der Stelle der Hinweis, dass das auch kontrolliert wird.

Mittwochmorgen. Wir stehen früh auf, denn es soll mit einem Hike&Fly zum Startplatz Stella losgehen und zwar so, dass wir pünktlich dort sind, wenn die Bedingungen zum Fliegen gut werden. Nach dem Frühstück wackeln wir zu Fuß los, der Wanderpfad startet wenige Minuten von der FeWo entfernt und mit etwa 550m Aufstieg bei gemütlichem Tempo rechnen wir mit rund 2 Stunden, die wir brauchen werden. Die erste Hälfte ist ziemlich steil, was zwar das Tempo bremst, andererseits aber die Höhenmeter schneller purzeln lässt. Nach einer guten Stunde sind wir oben und auf dem vollen Startplatz werden wir beäugt, wie Außerirdische, weil wir zu Fuß hochgekommen sind. Ich bin einigermaßen aufgeregt, weil wir ein für uns neues Fluggebiet kennenlernen und weil mich die vielen Menschen nervös machen. Mir ist bis dahin auch noch nicht klar, warum der Startplatz in der Burnair-App nicht als „einfach“ eingestuft ist, denn er erscheint breit und lang zu sein mit einem moderaten Gefälle. Eigentlich optimal. Aber wir kommen erstmal an, sehen uns ein wenig um und weil wir schneller waren als gedacht, haben wir es nicht eilig. Es wird fleißig gestartet und ich bemerke, dass die meisten Pilot:innen ganz schön Probleme haben, ihre Tüten so in die Luft zu bekommen, dass sie auch wegfliegen können. Viele Fehlstarts und wenige helfende Hände, was meistens der Fall ist, wenn 95% der Menschen am Startplatz zu viel Testosteron in sich haben. Die 3 Windsäcke zeigen nicht selten waagerecht in unterschiedliche Richtungen und die Böen sind sehr viel stärker, als wir angenommen hatten. Erst finde ich das komisch, doch dann merke ich, dass die Wetterdaten in der App nicht zum Morgen aktualisiert wurden. Gut. Mal sehen, was wir tun können. An einem ruhigen Platz außerhalb des Startplatzes richten wir unser Zeug zum Fliegen her, sortieren Leinen, ziehen das Gurtzeug an und entscheiden, es zu versuchen. Der Zustrom an Pilot:innen reißt inzwischen nicht mehr ab und wir müssen uns in eine lange Schlange einreihen. Das stresst mich, war aber andererseits nicht anders zu erwarten. Ruhig bleiben. Astrid legt als erste aus und kommt etwas schaukelig und tief raus. Nachdem ich anschließend rückwärts aufgezogen hatte und mich fürs Starten entschied, war plötzlich der Wind weg und ich musste weit laufen, um abzuheben. Da lernte ich dann, dass der Startplatz nicht so lang und vor allem am unteren Ende durch hohe Sträucher begrenzt ist, über die es nur drüber geht, wenn frau schon fliegt. Meine Füße berührten zwar den einen oder anderen Zweig, doch ich kam ansonsten noch entspannt drüber und fliege so kurz nach 10 Uhr morgens los.
Milla fliegt das erste Mal in Bassano. Ein kurzes Vergnügen, denn ich kann mich nicht am Starthang im Aufwind halten, verliere die Höhe so schnell, wie bei einem normalen Abgleiter und muss mich früher als erwartet fürs Landen entscheiden. Windrichtung und Betrieb am Landeplatz geben vor, dass sinnvollerweise die vorgeschriebene Linkslandevolte geflogen werden muss, was ich auch tue, mich aber etwas in der Höhe verschätze und ziemlich früh aufsetze. Der Landeplatz ist riesig und es schadet nicht, mit etwas mehr Höhe einzufliegen, wenngleich achtgegeben werden muss, denn es gibt keine Ausweichmöglichkeit, wenn der Platz mal nicht reichen sollte. Der Landeplatz ist ringsum entweder bebaut, bepflanzt oder es führen Oberleitungen an den Rändern vorbei.

Nachdem wir unser Zeug wieder in die Wendegurtzeuge gepackt hatten, stapften wir einfach mal an die Straße vor, um zu checken, wie das hier mit den Shuttles so läuft und ich muss sagen, im Vergleich zu Meduno, wo das eher ein zufälliges Ereignis war, läuft das in Bassano viel, viel besser. Die Taxis fahren im Grunde regelmäßig so lange, wie geflogen wird, immer dann, wenn der Bus voll ist. Und so müssen wir gar nicht warten, sondern können sofort ins wartende Shuttle einsteigen, das uns für ein paar Euro wieder zum Startplatz bringt. Wir steigen wieder Stella aus, denn Bepi, sagt der Busfahrer, sei gerade zur Hälfte wegen Baumaßnahmen gesperrt und deswegen sei wenig Platz und viel Betrieb dort. Stella sei besser. Mag sein, doch der Betrieb dort hat weiter explosionsartig zugenommen. Ich bekomme mit, dass eine Tandemflugschule sowie mindestens zwei weitere Flugschulen aus Österreich und Polen da sind, die teilweise selbst das Shuttlen für ihre Schüler übernehmen und so kommt mehr oder weniger im Minutentakt ein Bus nach dem anderen an und wirft Pilot:innen ab. Krasse Nummer. Ich fühle mich extrem unwohl. Als nächstes ist offensichtlich, dass die Bedingungen sich deutlich zum Anspruchsvolleren verändert haben. Auf dem Startfeld spielen sich einige Dramen ab und es gibt lange Wartezeiten zwischen den Starts wegen des ständig wechselnden Windes. Hinzu kommt, dass die Tandempiloten klar Vorfahrt auf dem Startplatz beanspruchen und sich alle anderen Freifliegenden irgendwie drum herum positionieren müssen.
Astrid und ich entscheiden, erstmal abzuwarten, wo es mit den Bedingungen hingeht, denn aktuell bin ich der Meinung, kann ich meine Kappe nicht beherrschen. Wir steuern auf Mittag zu, Parawaiting. Zeit, anderen Pilot:innen zu zu schauen, wie so gestartet wird und es ist tatsächlich erschreckend, was geboten wird und ich wundere mich, dass keine ernsten Unfälle passieren. Von „in die Bäume gezogen werden“, „Abspringen“ bis zu beinahe Karambolagen ist alles dabei. In der Regel verursacht durch rücksichtslose Testo-Piloten und Menschen, die ihre Fähigkeiten völlig überschätzen.
So kommt’s, dass wir Barbara und Herbert kennenlernen. Bereits als sie auslegt habe ich das Gefühl, dass sie es besser lassen sollte, doch das müssen alle selbst entscheiden. In dem Moment, in dem sie aufzieht, ist klar, dass sie koordinativ nicht dazu in der Lage ist, ihren Startversuch auch nur ansatzweise zu kontrollieren und die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Sie taumelt über den Startplatz, ihr von allen möglichen Böen getriebener Schirm hat das Kommando, was am Ende dazu führt, dass Pilotin, Leinen und Schirm mit der jeweiligen Maximalfläche vollständig im Dornengestrüpp am rechten Rand des Startplatzes einschlagen. Autsch. Ein Raunen geht durch die Menschen, doch es macht niemand Anstalten, ihr zu Hilfe zu eilen, außer ihrem Mann Herbert.

Also dann, Astrid und ich haben ja eh nix zu tun. Wir schlängeln uns zwischen den gaffenden Menschen hindurch zur dichten Dornenhecke, in der Barbara immer noch mehr oder weniger bewegungslos feststeckt und in der auch Herbert verschwunden ist und versuchen, uns nützlich zu machen. Alleine oder zu zweit besteht absolut keine Chance, irgendetwas unbeschadet aus diesem Dickicht zu retten. Die gute Nachricht: Außer einem kleinen Schock ist Barbara nix passiert. Beide sind heilfroh, dass sie Hilfe bekommen. Als Barbara sich von den Tragegurten gelöst hat, beginnt die Fummelei, das filigrane Zeug millimeterweise aus den dichten, zentimeterlangen, äußerst spitzen Dornen zu befreien. Etliche Piekser und Verrenkungen später, so nach etwa einer Stunde, haben wir den Schirm geborgen und am Rand auf dem Startplatz liegen. Augenscheinlich hat er keine Beschädigungen, doch ich gehe davon aus, er hat unzählige kleine Durchstiche im Tuch, die jetzt natürlich nicht mehr sichtbar sind. Leinen und Tragegurte sind schlimm verwurschtelt, doch Barbara möchte zügig weg von hier runter zum Landeplatz am Garden Relais, wo sie runterkommen und ihre Leinen ganz in Ruhe entwirren kann. Herbert startet später nochmal, doch vorher laden sie Astrid und mich auf ein Bier am Abend bei Tilly’s ein, um sich erkenntlich zu zeigen.

Inzwischen ist es weit nach Mittag und der Platz hat sich etwas geleert. Offensichtlich hat Thermik eingesetzt, die Luft ist voller Schirme und wer nicht fliegt, macht Mittagspause. Die Böen sind immer noch stark, kommen jedoch in regelmäßigen Abständen, in deren Zwischenräumen, so glauben wir, auch für uns halbwegs kontrollierbar gestartet werden könnte. Wär‘ schon fein mal ein bisschen Thermik zu schnuppern. Wo sonst hätten wir endlich Gelegenheit, uns darin zu versuchen, wenn nicht hier? Wir sind ein wenig zögerlich mit unserer Entscheidung, doch am Ende siegt die Neugier und der Wunsch, es zu wagen. Wir stellen Startbereitschaft her. Astrid schnappt sich die erste Lücke auf dem Startplatz und macht sich davon, während ich ebenfalls auslege und ihr kurze Zeit später um etwa 14:30 Uhr folge. Ein Meilenstein in meiner Fliegerinnenkarriere schließt sich an, wie ich wenige Minuten danach weiß. Ich sehe Astrid ein kleines Stück unter mir am Hang hin und her fliegen. Ich tue es ihr gleich und wir können uns ein paar Minuten ganz gut halten. Dann ist sie irgendwann über mir und ich dachte schon, es wird sein, wie immer, ich muss dann doch landen gehen, aber es passiert ganz was anderes. Ich schaute in der Woche zuvor ein paar Lehrvideos zum Thema Hangsoaring an und dachte, na wenn ich schon mal da bin, versuche ich mal genau das zu tun. Bisschen mit Gewichtsverlagerung ohne große Kurvenbewegungen fliege ich das Hangprofil ab, drehe einmal um und bekomme so richtig einen ersten Thermikbart ab, der mich wie im Fahrstuhl den Hang hinaufträgt. Irre. Astrid ist plötzlich wieder unter mir und ich bin wieder auf Höhe des Startplatzes. Ganz was Neues. Mein Variometer schaltet das erste Mal von selbst in den Thermikmodus, um mich dabei zu unterstützen, den nächsten Bart oder die nächste Blase, die sich abgelöst hat, zu finden. Konsequent steuere ich den nächsten Thermikbereich an, in dem sich bereits andere befinden, was mir auch angezeigt wird, und ich bereite mich aufs Einfliegen in den Aufwind vor. Es ruckelt und schaukelt mich gut durch, Hände hoch und drin bin ich. Wieder Fahrstuhl, doch ich falle schnell wieder hinten heraus, weil ich zu langsam reagiere, fange das Vorschießen der Kappe ab, drehe um und fliege wieder zurück in die Thermik hinein. Eine Sensation. Inzwischen bin ich etwa 100 Meter überm Startplatz. Astrid kann ich nicht mehr sehen, weiß aber, dass wir uns darauf verständigten, wer fliegen kann, fliegt und muss keine Rücksicht auf die jeweils andere nehmen. Sie meldet sich nach etwa einer halben Stunde, dass sie gut gelandet ist und ich solle meinen Flug genießen, egal, wie lange das dauert.

Ich sacke noch einmal etwas ab, doch bevor ich übers Landen nachdenken kann, entscheide ich mich dazu, alles zu versuchen, um im Hangwind wieder ein Stück über die Kante zu kommen, an der sich konstant Thermiken ablösen. Es gelingt mir zum ersten Mal mit konsequentem Handeln und aktivem Suchen nach Aufwinden genau das umzusetzen und irgendwann bin ich 200m, 300m, 400m überm Startplatz, kann die anderen Startplätze sehen, finde ständig neue Aufwinde und schraube mich weiter hoch. Es ist unruhig und ich bin permanent damit beschäftigt, auf die Kappe zu achten und alle ungewollten Bewegungen frühzeitig zu stoppen und zu kontrollieren. Dabei merke ich erstmal gar nicht, wie kalt es geworden ist, bis es mir echt zapfig in die Hosenbeine zieht und ich wahrnehme, dass ich beinahe vor Kälte zittere. Aber noch habe ich Gefühl in den Händen und fliege weiter, immer auch alle anderen um mich herum im Auge, doch erstaunlicherweise verteilt es sich so gut, dass ich nur ganz selten aktiv ausweichen muss. Ich erwische mich dabei, wie ich bei jeder neuen Höhenmarke Ehrgeiz entwickele, noch weiter hoch zu kommen, selbst als sich meine Hände der Gefühllosigkeit nähern. Erst als ich die Marke 1600 Meter überm Meer, also fast 1,5 km überm Landeplatz, erreiche, und es merklich nicht mehr weiter hoch geht, über mir ist niemand mehr, entscheide ich, dass es gut ist. Etwa 45 Minuten war ich bis dahin in der Luft. So, jetzt landen. Gar nicht so einfach, wie es sich anhört aus dieser Höhe bei solch thermischen Bedingungen. Ich fliege erstmal aus dem bergigen Teil hinaus in den freien Luftraum über den Landeplätzen und suche mir einen großzügigen Raum, in dem sonst niemand fliegt, weil ich annehme, dass es dort am ehesten mit kreisen nach unten geht. Es ist ja nicht eilig. Lieber noch ein wenig diesen Moment genießen. Als ich so auf 1100 MSL runtergekommen bin, juckt mich aber doch noch ein Thermikbart, den mir mein Variometer anzeigt und weil niemand um mich herum ist, beschließe ich, den noch mitzunehmen, sauber hineinzufliegen und beim Kreisen tatsächlich im angezeigten Bereich zu bleiben. Das hat wohl funktioniert. In ganz kurzer Zeit war ich 200m höher mit Steigraten von fast 6m/s. Hui. Der Wahnsinn. Ich bin so froh, dass wir es wagten zu starten, denn alles in allem waren die Bedingungen bisher immer so, dass ich zu keiner Zeit das Gefühl hatte, überfordert zu sein. Das Steigen hat sich zwar heftig angefühlt, machte mir aber keine Angst und das Ein- und Ausfliegen führte zu keinen Flugzuständen, mit denen ich nicht klargekommen wäre. Perfekt zum Üben.

Nachdem ich den Bart verlassen hatte, wollte ich dann doch endlich runter. Die Kälte kroch in alle Knochen. Auf so etwas war ich überhaupt nicht vorbereitet. Wieder was für die nächsten Abenteuer gelernt: Fürs Fliegen anziehen, nicht für die Sonne am Landeplatz. Bis ich dann tatsächlich auf dem Landeplatz aufsetzte, vergingen wieder bald 15 Minuten, die ich allein fürs nach unten steuern und die Landevolte brauchte. Überglücklich auf etwas wackeligen Beinen fiel ich Astrid in die Arme, die mich strahlend empfing. Boahh… noch ganz berauscht von diesem Erlebnis packten wir schnell meinen Schirm zusammen, denn das nächste Taxi nach oben stand schon bereit, ein Flugschüler der Tandemschule hatte uns angesprochen, damit das Shuttle voll wird.
1:12h war ich am Ende in der Luft, hab‘ insgesamt genau 2000 m aufgedreht, hatte ein maximales Steigen von fast 6m/s und im Mittel etwa 4m/s und legte eine Strecke über Grund von fast 40km zurück. Astrid war ebenfalls fast eine halbe Stunde unterwegs, sie hat bloß, denke ich, nicht die Bärte erwischt, die mich hochgetragen haben. Sonst hätte sie mit Sicherheit noch ein bisschen mehr rausgeholt.

Neuer Versuch, neues Glück. Auf dem Weg nach oben kommen wir mit zwei Tandempiloten ins Gespräch und lernen, dass sie permanent Bedarf an Gästen haben, damit sie sich nicht untereinander abwechseln müssen, sondern alle gleichzeitig ihre Flüge sammeln können. Wenn wir Lust hätten, könnten wir gerne als Gast mitfliegen. Das hört sich nach einem Plan an. Dann wissen wir, wie sich Tandemfliegen anfühlt, denn ich dachte schon ein paar Mal, dass ich meinen Kindern das gerne antun würde, damit sie das Gefühl des Fliegens kennenlernen. Zunächst starten wir aber nochmal allein, denn es könnte sich ja noch was mit Thermik ausgehen. Leider war es bereits nach 17Uhr und die Luft soweit abgekühlt, dass sich da nix mehr ausging. Der langsam einschlafende Wind tat sein Übriges, dass sich auch mit Hangsoaring nur noch sehr eingeschränkt was machen ließ und wir leider ziemlich schnell landen gehen mussten. Astrid tat mir an der Stelle ein wenig Leid. Ich hätte es ihr so gegönnt, dass sie ein ähnlich überwältigendes Flugerlebnis hätte haben können, doch wo nix ist, geht auch nix.
Wen wunderts, wir treffen zusammen mit den Tandems am Landeplatz ein und committen uns gleich, das Zugpferdl zu spielen. Wir sind zwar später noch auf ein Bier verabredet, doch fliegen ist wichtiger und hell ist es ja nun nach der Zeitumstellung auch lang genug. Also nochmal rauf. Dieses Mal brauchen wir nur Jacke, Helm und Handschuhe, bekommen am Startplatz eine Einweisung, wie der Start abläuft und wie wir uns verhalten sollen und dann geht’s auch schon los. Tandemflugschüler, so lernen wir, dürfen in der Ausbildung nur Gäste mitnehmen, die selbst mindestens eine A-Lizenz haben, also Menschen, die prinzipiell wissen, was auf sie zu kommt. Trotzdem ist es ein ganz spannendes Gefühl, „nur“ mit zu fliegen. Der Wind ist vollständig eingeschlafen. D.h. ein Nullwindstart mit einer fast 40 Quadratmeter großen Matratze. Ich verstehe, warum der Gast sozusagen das Zugpferd ist. Ohne dessen Impuls bekommt ein Pilot allein dieses Riesending nicht in die Luft. Astrid macht mit Patrick als erste los. Sie müssen schon ordentlich rennen, bis sie der Boden verlässt. Mein Start mit Andreas als Pilot geht zunächst schief. Zu wenig Impuls. Ich bin entspannt. Ich weiß, dass so etwas passieren kann. Andreas macht die Trimmer ganz auf, damit wir beim Start bereits schneller werden können und dann klappt’s beim zweiten Versuch. Wir heben ab. Es ist schon nach 18:30Uhr. Ein erstes Mal Tandem, ein Sonnenuntergangsflug. Mein Gurtzeug und ich werden keine Freunde. Ich habe Mühe, mich richtig hineinzusetzen. Andreas hilft etwas nach, doch das ist nur von kurzer Dauer. Ich rutsche wieder nach vorne und hänge ein wenig auf halbacht. Für diesen kurzen Abgleiter, denke ich, ist mir das egal, doch leider rächt sich diese Nachlässigkeit bei der Landung. Die Gurtzeuge sind so ausgelegt, dass entspannt auf dem Popo rutschend gelandet werden kann. Das ist auch der normale Fall, weswegen im Queranflug aufs Landefeld die Ansage kommt, die Beine hochzuheben und waagerecht zu halten. Nur, wenn unmittelbar vor dem Aufsetzen klar ist, dass eine stehende Landung funktioniert, gibt der Pilot, in dem Fall Andreas, das Kommando: „Füße runter“ oder „Hinstellen“. Das ist aber wirklich ein Ding der allerletzten Sekunde. Nur halb auf dem Sitzbrett klemmend, bekomme ich meine Beine nicht wirklich waagerecht nach oben. Andreas informiert mich im Endanflug, dass ich nicht erschrecken soll, denn wir werden nochmal richtig schnell. Er macht die Bremsen ganz auf, damit Steuerleinenweg fürs Flairen kurz vorm Aufsetzen zur Verfügung steht. Alles klar, kenne ich, denke ich. Aber mit „schnell“ meint er wirklich sehr schnell. Mit gefühlt 60km/h flitzen wir ein paar Zentimeter hoch übers Gras, dann fängt Andreas ab und gibt das Kommando, dass ich mich hinstellen soll. Leider bleibe ich genau in dem Moment mit einer Ferse an einem Grasbüschel hängen, weil ich meine Beine nicht oben halten kann und wir machen eine Bauchlandung. Bisschen doof, aber nix passiert.

So, jetzt aber hurtig. Wir sind noch zum Bier bei Tilly’s verabredet und spät dran. Direkt vom Landeplatz aus wackeln wir zu Fuß los mit unseren Schneckenhäusern auf dem Rücken, denn hier ist alles nicht so weit auseinander, als dass das nicht in wenigen Minuten zurückzulegen ist. Kurz vor 19Uhr treffen wir dann bei Barbara und Herbert im Restaurant ein, sie sind in Begleitung von zwei Flugbekanntschaften, Christel und Peter, sowie einem Freund von Peter, der einfach nur dabei ist, aber nicht fliegt. Alles Urgesteine der Gleitschirmfluggeschichte. Die anwesenden Fliegenden haben bis auf Barbara alle schon mehr als 30 Jahre ihre Lizenz und sind von erster Stunde an dabei. Wir bestellen ein Bier und kommen ins Quatschen. Erneut drücken Barbara und Herbert ihren Dank aus, ohne uns wäre das Rausfummeln echt doof und noch mühseliger geworden. Wir versichern, dass wir das gerne getan haben. Wir wären auch froh, wenn uns jemand in so einer Situation geholfen hätte und das Karmakonto freut’s auch. Wir werden aufgefordert, uns auch was zum Essen zu bestellen, wir seien eingeladen, doch obwohl mein Magen auf den Knien hängt und ich schon das Bier merke, lehnen wir dankend ab. Wir wollen auch gar nicht so lange stören. Aber so leicht kommen wir nicht davon, ein zweites Bier kommt und die Gespräche reißen nicht ab. Christel ist total begeistern von meiner Transidentität und sie sucht förmlich das Gespräch, tauscht sogar den Platz mit ihrem Bruder Peter, damit wir ungestörter sprechen können. Wir erzählen auch von der Tandemschule und unserem ersten Tandemflug heute, was Herbert dazu veranlasst, zu erwähnen, dass er auch den Tandemschein hat. Denn als Barbara und er sich vor über 30 Jahren kennenlernten, flog er schon und damit Barbara mitfliegen kann, machte er kurzer Hand die notwendige Ausbildung und erst vor wenigen Jahren dann entschied Barbara, selbst auch die A-Lizenz zu machen.
Und als wir so quatschen, kommen Andreas, mein Tandempilot, und seine Freundin die Tür rein. Sie grinst mich schon von weitem an, weil sie mich gleich als den „besonderen“ Gast erkannte, von dem Andreas ihr sicher erzählt haben muss. Als sie mich darauf anspricht, ziehe ich nochmal zu ihr um und wir quatschen schön in einer neuen Runde und auch Andreas wird sofort von Christel in Beschlag genommen, denn die hat auch Bock auf einen Tandemflug am nächsten Tag.
Einigermaßen angetrunken und hungrig, wie ein Wolf verabschieden wir uns nach fast 3 Stunden aus der Runde und ich erzähle im Rausgehen noch von meiner Homepage.

Der nächste Morgen. Die Prognosen sind so, dass sich heute mit Thermik eher nix ausgeht, tiefe Wolken, wenig bis keine Sonne, schwacher Wind und gegen Nachmittag könnte es sogar ein paar Tropfen geben. Deswegen haben wir es nicht besonders eilig, frühstücken gemütlich, brechen zu Fuß zum Landeplatz Paradiso auf, um zu schauen, dass wir ein Shuttle erwischen. Wir treffen auf die Flugschüler der Tandemschule, die bereits fleißig ihre Flüge absolvieren und sitzen, ehe wir uns versehen, zusammen mit zwei Tandempiloten im Auto eines Typen, von dem ich nicht weiß, wo er hingehörte, und werden zum Startplatz Stella mitgenommen. Den ersten Flug heute wollen wir aber erstmal allein machen, denn es ist schon so, dass es einige trotz der ungünstigen Bedingungen schaffen, oben zu bleiben und in einem relativ schwachen Aufwind an der Bergkante entlang fliegen. Der Plan ist, dass wir das auch versuchen, allerdings drängt sich alles ein wenig an dieser Bergkante und verläuft sich nicht so großzügig, wie am Vortag in der Thermik. Wir machen uns fertig und starten. Astrid fliegt als erste los und kurz darauf gegen halb zwölf mittags hebe ich ebenfalls ab. Der Wind steht relativ weit auf Ost, was eigentlich keine guten Bedingungen hier sind, doch er ist gleichzeitig so schwach, dass es trotzdem raus geht. Ich bleibe sehr nah am Hang, fliege 3 bis 4 mal hin und her, Astrid gewinnt sogar ein wenig Höhe, doch mir wird schnell klar, dass ich heute nicht den richtigen Wind erwischt habe oder nicht klug genug geflogen bin und drehe kurz vorm Absaufen in Richtung Landeplatz ab. Mir gelingt eine schöne Landung mit wegen der ausgeprägten Ostwindrichtung einem diagonal verlaufenden Endanflug. Die Motivation für einen oder mehrere weitere Abgleiter hält sich jedoch in Grenzen, die Auffahrten mit dem regulären Shuttle sind nicht so günstig, der Wind steht nicht gut, die Wolken werden tatsächlich dichter und kommen langsam runter. Als Astrid gelandet ist, sind wir uns schnell einig, dass selbst fliegen heute nicht so sexy ist und ein Thermikflug, wie gestern, heute sicher nicht drin ist. Außerdem fühlte ich mich nicht wohl bei so vielen Schirmen auf kleinem Raum in der Luft.
Wir machen einen anderen Plan und quatschen nochmal die Tandemschüler an, die uns sehr gerne wieder als Gast mitnehmen und so sitzen wir kurze Zeit später im Flugschulbus auf dem Weg zum Startplatz Antenna, der für Ostwind viel besser geeignet ist. Auf der Fahrt spricht mich Andreas an, er und seine Freundin hätten sich abends noch meine Seite angeschaut und waren zum einen wirklich beeindruckt von meiner Geschichte zur Transition und zum anderen davon, was wir sonst noch so alles tun, besonders in den hohen Bergen. Tut gut, dass mal jemand so was äußert.
Der Startplatz Antenna ist völlig leer als wir eintreffen. Die regulären Shuttlebusse fahren diesen Startplatz nicht so gerne an, weil der Weg viel weiter ist und so sind wir mit 4 Tandemschirmen die einzigen, die den Platz belagern. Weil wir schon eingewiesen sind, geht’s relativ zügig raus. Ich werde dieses Mal von Patrick mitgenommen, der gestern Astrid im Gurtzeug sitzen hatte und Astrid fliegt mit Jan, einem ganz jungen Kerl, der den Tandemschein machen will, um seine Freundin irgendwann mitnehmen zu können.
Die Schwierigkeit hier ist, dass der Weg zum Landeplatz über ein Tal hinweg führt und die Entfernung, mehr als doppelt so groß, wie von Stella, bei fehlender Aufdrehmöglichkeit eine Herausforderung werden könnte. Mit der Standardgleitzahl meines eigenen Schirmes wäre ich hier möglicherweise unter diesen Bedingungen nicht gestartet, doch der Tandemschirm fliegt schneller und die Konstruktion gleicht eher einem B-Schirm, die von Haus aus bessere Gleitzahlen erreichen, als mein Hike&Fly-Schirm, der per Definition nicht fürs Thermik- oder Streckefliegen ausgelegt ist. Patrick und ich sprechen kurz darüber, aber wir sind uns einig, dass es reicht, wenngleich wahrscheinlich keine Manöver geflogen werden können. So isses dann auch. Schnickschnack gibt’s keinen, doch wir erreichen entspannt den Landeplatz Paradiso.

Astrid und ich schauen uns an und signalisieren, dass wir nochmal mitfliegen können, falls die Flugschüler uns nochmal mitnehmen wollen. Auf selbst fliegen haben wir immer noch keine Lust, denn die Bedingungen wurden eher noch etwas ungünstiger. Seitens der Flugschule wird entschieden, mal einen anderen Landeplatz anzusteuern, um etwas Abwechslung reinzubringen und wir ziehen zum Landeplatz Garden Relais um, wo eine kurze Landeplatzeinweisung erfolgt. Mein Tandempilot von gestern, Andreas trifft dort auf Christel, die auch noch als Gast mit hochkommt, Astrid und ich tauschen den Piloten und so wird der Flugschulbus recht voll. 12 oder 13 Leute mit Tandemgepäck, d.h. 6 riesige Schirme und je zwei Gurtzeuge im Neunsitzer. Bisschen kuschelig, aber geht. Wir fahren rauf zum Startplatz Bepi, dem nächsthöhergelegenen oberhalb von Stella. Dort geht’s mit Ostwind angeblich besser als weiter unten und so lernen wir diesen Startplatz auch grad noch kennen.
Bepi wird modernisiert. Deswegen steht nur ein halber Startplatz zur Verfügung, doch mir fällt auf, dass er etwas steiler ist und die Büsche am unteren Ende nicht so hochstehen. Starten müsste hier eigentlich ein klein wenig einfacher sein, allerdings können nicht mehr als ein normaler Schirm und ein Tandem gleichzeitig auslegen, was ein wenig Parawaiting verursacht. Gelassenheit und entschlossenes Handeln, wenn es soweit ist, hilft. Kurz vor halb vier hebe ich mit Jan als Pilot ab. Weil der Startplatz höher liegt, steht sogar ein bisschen Raum für Manöver zur Verfügung und wir rollen zwei Runden so richtig, dass mir schlecht wurde. Im Gurtzeug hängend hat es sich fast wie Wingovern angefühlt. Astrid hat das ganze aufgenommen und mir später gezeigt, was die Sache etwas relativierte. Krass, wie weit Wahrnehmung und Realität auseinander liegen können. Ich war jedenfalls froh als wir in einen normalen Geradeausflug zurückgekehrt waren und in die Landevolte wechselten. Mit Jan ist es mir dann auch gelungen, den Flug mit einer stehenden Landung zu beenden. Hat er gut gemacht.

An der Stelle endet unser kleines Abenteuer „fliegen in Bassano“. Die Wolken sind inzwischen so weit runtergekommen, dass die Startplätze in kürze im Nebel sind, der Himmel leerte sich entsprechend und für den nächsten Tag ist Regen gemeldet. Wir wackeln zu Fuß vom Garden Relais zurück in unsere FeWo mit Zwischenstopp im Lebensmittelmarkt, verbrachten noch einen schönen Abend bei gutem Essen und am nächsten Morgen, nachdem alles im Auto verstaut und verpackt worden war, traten wir die Heimreise über den Brenner an. Im Vorfeld hatten wir uns bereits zu einem Besuch unserer lieben Freunde Michi und Andrea in ihrer neu eröffneten „Schwazeria“ mitten in Schwaz angekündigt. Kann ich wirklich nur empfehlen. Viele Leckereien von eingelegtem Gemüse über Pasta bis zu ausgesucht guten Weinen in einem ganz tollen Laden. Weil das sonst nie auf dem Weg liegt, nutzten wir diese Gelegenheit, die beiden mal wieder zu sehen.

Fazit zum Fliegen in Bassano: Es braucht ein dickes Fell, wenn frau dort fliegen möchte. Der Betrieb ist enorm sobald fliegbare Bedingungen herrschen, ähnlich einem Sonntag mit besten Bedingungen am Tegelberg, wo sich hunderte in eine Schlange reihen. So etwas, wie eine Nebensaison scheint es nicht zu geben. Parkplätze gibt es praktisch keine in der Nähe der Startplätze, d.h. selbst rauffahren und Auto stehen lassen ist keine gute Idee. Rund um den Landeplatz Paradiso gibt es ebenfalls nur sehr eingeschränkte Parkmöglichkeiten. Dafür gibt’s am Garden Relais eine großzügig angelegte Parkfläche, auf der anscheinend auch Wohnmobile zur Übernachtung geduldet werden. Der Shuttleservice zu den Hauptstartplätzen Stella und Bepi, der von mindestens 4 verschiedenen Leuten angeboten wird, funktioniert im Gegensatz zu Meduno recht zuverlässig, wenngleich mit 8€ pro Nase und Fahrt nicht ganz billig. Mit etwas Glück braucht frau den aber vielleicht nur einmal am Tag, denn an guten Tagen begrenzt wohl nur der Sonnenuntergang die Flugzeit.
Ein Hike&Fly zu den Startplätzen Stella und Bepi ist ganz gut möglich. Die Wege zu den weiter oben gelegenen Startplätzen sind allerdings schon ziemlich weit. Diese müssen wohl auch in Eigenregie angesteuert werden, zumindest habe ich nicht mitbekommen, dass die Shuttles weiter rauffahren als Bepi.
Ob wir uns das so bald nochmal antun werden, steht in den Sternen. Sicher ist, dass mein allererster Thermikflug hier in meinem Gedächtnis bleiben wird. Ein wirklich sehr eindrückliches Erlebnis für mich, das Lust auf mehr gemacht hat.

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