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Breithorn Westgipfel, 4165m

Bilder von der Unternehmung

Der Abbruch der Dom-Tour war ein ernüchterndes Erlebnis. Sind wir Bergsteigerinnen oder tun wir nur so? Zweifel kommen in mir auf. Rational und mit ein wenig Abstand betrachtet glaube ich trotzdem, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben und es hatte nichts mit Kneifen zu tun. In der Nacht nach dem Abstieg schlief ich nicht. Ich fand keine Position, in der mir die Rippen nicht weh getan hätten. So ein Aufenthalt in der Schweiz ohne 4000er ist aber irgendwie auch weggeworfene Zeit. Was tun? Wir verbrachten den Tag nach dem Abstieg von der Domhütte mit Bummeln in Zermatt, um unseren Körpern ein wenig Ruhe zu gönnen. Meine Frau und unsere Freundin bekamen neue Bergstiefel, ich ein neues Sportröckchen, es gab einen Snack in der Sonne. Eine längere Tour mit Übernachtungen in Hütten schied wegen der wenigen restlichen Zeit aus. Nun steht in unmittelbarer Nähe von Zermatt ja nicht nur das Matterhorn. Unser schlaues Buch teilte uns mit, man könne mit der Bahn aufs kleine Matterhorn und anschließend im weiten Linksbogen übers Breithornplateau auf den Westgipfel des Breithorns steigen. Eine sehr leichte Halbtagestour. Der Wetterbericht verspricht nichts Gutes für den folgenden Tag und so beschließen wir, es darf etwas Leichtes sein.
Für den nächsten Morgen bestellen wir uns ein Taxi von Täsch nach Zermatt, laufen quer durch den Ort zur Talstation der Kleinmatterhornbahn und nehmen zusammen mit Heerscharen an Sommerskifahrern die erste Gondel. Ebenfalls für den Preis eines kleinen Bausparers. Oben angekommen bläst uns ein eisekalter Wind entgegen. Die dicken Handschuhe müssen ran. Die ersten Meter führen über die Piste bis wir diese linker Hand in Richtung Breithornplateau verlassen. Es ist stark bewölkt. Die Sicht ist aber noch gut und die Spur der Bergführer vom Vortag zwar verweht aber nicht zu verfehlen. Ein Glück. Im Nebel wäre sie nicht so leicht zu sehen gewesen. Der Höhenunterschied zwischen Bergstation und Gipfel sind kaum 400m. Schwierigkeiten gibt es normalerweise keine. Es ist eine kurze Schneewanderung. Allerdings gilt es im Kopf zu behalten, dass man über einen Gletscher läuft. Eine nachlässige Seilführung, ein unangebrachtes Tempo sowie fehlende Sicherheitsausrüstung sind fehl am Platz. Die Sicht wird schlechter, die Schneeauflage dünner, die Spur verliert sich langsam auf blankem Eis. Es steilt auf. Wir sind die ersten an diesem Morgen. Hinter uns sind schemenhaft weitere Seilschaften auszumachen. Die Größe jener lässt auf geführte Touren schließen. Bei diesem Berg auf diesem Zustieg hängen sich die Bergführer auch schon mal mehr als 6 Gäste ans Seil.
Die Sicht wird noch schlechter. Die Wolken kommen runter. Ich kann meine Frau als Seilschaftsführende kaum noch sehen. Die vorher einstudierte Wegführung sagt, biege rechtzeitig nach Rechts ab auf den breiten Grat, der zum Gipfel führt. Sonst geht es die Nordflanke runter. Und das sehr schnell. Sie hat offensichtlich die gleichen Gedanken und nimmt eine geeigente Eisrinne, um die Richtung zu ändern. Von dort waren es nur noch wenige Minuten zum Gipfel, den wir nur daran erkannten, dass es irgendwann wieder bergab ging. Eine Markierung gibt es nicht.
Null Sicht, Wind, Kälte. Im Juli. Wir sehen aus, wie drei Eisfeen. Alles an uns trägt eine dünne Reifschicht. Schön. So macht Bergsteigen auch auf einfachen Routen Spaß. Die Seilschaften mit den Bergführern schließen auf. Die armen Kerle, denke ich. Hat mit Romantik absolut nichts zu tun. Der Kommerz hält alle fest im Griff. Sie müssen bei jedem Wetter auf solche Touren gehen. Die Gäste können ebenfalls nicht ausgesucht werden. Manche Gäste kotzen im Gehen aufs Eis, weil es entweder zu anstrengend ist oder sie nicht akklimatisiert sind. Nicht schön.
Wir machen uns derweil auf den Rückweg. Es wird arg ungemütlich. Man sieht so gut wie nichts mehr, doch inzwischen gleicht die Spur einer Autobahn und kann nicht verfehlt werden. Angekommen an der Bergstation steigen wir in die Bahn nach unten. Es braut sich ein Gewitter zusammen. Der Himmel bricht los. Sturmböen sorgen dafür, dass die Bahn stoppen muss. Wir hängen fest. Wir drei zusammen mit einem französischen Touristenpärchen. Nach einer Weile des Stillstandes packen wir die restliche Schokolade aus den Rucksäcken aus und kommen radebrechend ein wenig miteinander ins Gespräch. Hin und wieder läuft die Bahn an, stoppt nach kurzer Zeit und viel Geschaukel wieder. Stückchenweise geht's nach unten. Meiner Frau, die bereits am Dom über Unwohlsein klagte, geht es nach wie vor nicht gut. Sie bekommt in der Bahn Schüttelfrost. Wird Zeit, dass wir heimkehren. Meinen Rippen geht's auch nicht so gut.
Zu Hause sind wir direkt beide zu unserem Hausarzt. Es war viel schlimmer als erwartet. Meine Frau hat richtig die Hufe hochgerissen. Wir wurden beide Krank geschrieben. In dem ganzen Schweizaufenthalt war irgendwie der Wurm drin.

Breithorn_2017: Portfolio
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