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Herbstfliegen in Bassano by fair means, 25.10.-29.10.2025

Eine Woche im Oktober verbrachten wir mit meinen Kindern im Saarland, fuhren dort donnerstags hin, blieben eine Woche, fuhren freitags in der Woche danach zurück nach Bayern, holten samstags unseren Pickup aus der Werkstatt, der wegen einer Rückrufaktion die Woche dort verbrachte und wo er bei der Gelegenheit noch einen Marderschreck verpasst bekam, nachdem uns auf der letzten Ausfahrt nach Südtirol so ein kleines pelziges Tier in die Suppe gespuckt hatte, und fuhren noch am gleichen Abend los in Richtung Alpensüdseite, denn für unsere Urlaubswoche war im ganzen Alpenland bis auf Bassano richtig mieses Wetter vorhergesagt, mit Schnee, Sturm und viel Regen. Nix, wie weg. Dass wir nach Bassano aufbrachen war tatsächlich von mir ausgegangen, obwohl ich dieses Fluggebiet so überhaupt nicht mag. Es ist immer viel los, Startplätze immer brechend voll, Luft immer brechend voll, Landeplätze immer brechend voll und leider gibt es sehr viele Fliegende dort, die weder Hangflugregeln zu kennen scheinen noch wissen, wie in Thermiken gekreist wird. Teufel -> Fliegen, wenn wir fliegen wollen, dann geht’s in dieser Woche nur dort. Slowenien war nicht gut vorhergesagt, Meduno ebenfalls nicht und diese beiden Gebiete sind von uns aus für 3-4 Tage auch echt zu weit zu fahren mit unserem Schneckenhaus, mit dem wir lange nicht so zügig unterwegs sein können, wie mit dem PKW. Derweil rede ich mir ein, dass es eigentlich nicht so voll werden dürfte in Bassano, wo die ganze Woche Sonne mit einer hohen Vorhersagewahrscheinlichkeit angekündigt war, denn die Ferien gehen überall zu Ende, es ist Herbst und damit kalt, und, und, und, ich hab’s mir versucht, schön zu reden. Und wenn’s nur ist, um nochmal die Sonne zu sehen, bevor es erst Ende März wieder heller wird.
Es geht wieder über den Brenner, dieses Mal bis nach Trento runter, wo wir nach Osten abbiegen und uns an einem der Seen, dem Lago di Caldonazzo, die am Weg liegen, einen Ort für die erste Nacht suchten und fanden. Meine Theorie, dass hoffentlich nicht mehr soviel Betrieb in Bassano ist, wurde dadurch gestützt, dass dieser erste Stellplatz völlig leer war und wir die einzigen blieben, die dort übernachteten, und es sogar nix kostete, weil außerhalb der Saison. Sonntagsmorgens fuhren wir noch etwa 1,5 Stunden weiter bis nach Semonzo del Grappa zum Landeplatz am Hotel Garden Relais, in der Annahme, wir bekommen von dort ein Shuttle zu den Startplätzen, fliegen dort einmal schön und richten uns dann am Camping Santafelicita für die kommenden Tage ein. Ähm, nein. Als erstes lernen wir, dass das Hotel anscheinend die Parkplätze für die Fliegenden gesperrt hat, um den eigenen Gästen genügend Parkfläche zur Verfügung stellen zu können, was dazu führte, dass die gesamte Straße am Landeplatz vorbei bis weit in die Pampa komplett vollgestellt war und wir nur ganz am Ende hinter einem kleinen Weinanbaufeld am Straßenrand noch was fanden. Ansonsten überall Himmel und Menschen mit großen Rucksäcken. Bassano ist wirklich schlimm, aber sowas habe ich noch nicht erlebt. Wir packen unsere Sackerl mit den Flugzeugen und gehen vor zum Garden Relais, Astrid hat auf dem Weg bei Regis per WhatsApp nach zwei Plätzen im Shuttle gefragt, damit wir möglichst bald raufkommen, doch der hat relativ schnell geantwortet, wir können versuchen, am Abend Plätze für den nächsten Tag zu bekommen, es täte ihm leid, aber er sei für heute komplett voll. Das nächste Shuttle, Enrico, hat sich erst gar nicht gemeldet. So standen wir am Garden Relais blöd rum, Shuttles waren nicht zu bekommen, die Schlange derer, die wahrscheinlich schon Tage im Voraus gebucht hatten, war endlos lange. Glücklicherweise hängt am Landeplatz eine Informationstafel mit Hike&Fly Touren, auf der wir lernten, dass es zu Fuß von hier zum Startplatz Bepi etwa 1,5 Stunden Aufstieg sind und nicht mehr als 700 Höhenmeter. Das ist für uns eigentlich nix und bevor wir hier bis zum Nimmerleinstag auf ein Shuttle warten, das nicht kommen wird bzw. das keinen Platz für uns haben wird, schlug ich vor, dass wir zurück zum Camper gehen, uns für den Fußweg richten und eben zu Fuß zum Startplatz gehen. Es war zu dem Zeitpunkt noch keine 11 Uhr und starten vor 13 Uhr hätte mit Blick auf die Thermikprognose sowieso keinen Sinn ergeben. So machen wir das und ganz ehrlich, der Weg hinauf ist wunderschön und praktisch niemand geht hier zu Fuß, weswegen wir nur sehr, sehr wenige Menschen trafen. Erst als wir am Startplatz ankommen, gibt’s auch hier das Ausmaß der überbordenden Menge an Menschen zu erleben und sich die üblichen Dramen bei den Startversuchen abspielen. Bereits auf dem Weg hinauf sind wir uns einig, dass wir hier kein Shuttle versuchen zu buchen, sondern alle Flüge in den nächsten Tagen per pedes beginnen wollen. Ganz oben auf meiner Wunschliste, wenn wir schonmal hier sind, stand ein Start am Panettone, einem der höchstgelegenen Startplätze der Gegend, nahe am Gipfel des Monte Grappa, was zu Fuß vom Campingplatz aus jedoch gute 11km Strecke und etwa 1400 Höhenmeter bedeutet, doch das schreckt uns jetzt auch nicht wirklich ab, weil wir das gehen können. Ebenfalls auf dem Weg nach oben stellten wir uns die Frage, wen wir wohl dieses Mal hier treffen werden, denn bei dieser gigantischen Menge an Pilot:innen ist es fast 100%ig sicher, dass jemand dabei ist, den oder die wir kennen. So war es bisher immer, wenn wir hier gewesen sind.

Am Startplatz angekommen, legen wir uns zunächst trocken, denn es ist überraschend warm, also viel wärmer als die letzten Wochen, egal wo wir gewesen sind, und dementsprechend habe ich geölt. Währenddessen bieten manche bei ihren Starts eine richtige Show und der Strom an Pilot:innen reißt nicht ab, ständig kommen Shuttles und Flugschulen mit eigenen Bussen an, werfen 8-10 Menschen ab und holen sofort Nachschub, fast alle Sprachen Europas sind zu hören. Wir haben sogar kurz überlegt, einfach bis zum Sonnenuntergang hier zu warten, weil es dann wahrscheinlich ruhiger wird, doch dann riss der Strom plötzlich kurz ab und es taten sich auf dem Startplatz ganz unerwartet Lücken auf. Wir beschließen zu starten, Astrid macht sich als erste fertig, ich helfe beim Auslegen und nachdem der Pilot vor ihr es dann beim dritten Versuch mit unserer Hilfe auch endlich geschafft hat zu starten, ist sie sofort in der Luft. Mein Versuch, den gleichen Fleck zum Starten zu okkupieren, wird durch einen Tandempiloten mit seinem Gast vereitelt, der hat gemäß gelebter Üblichkeit Vorfahrt. Damit mir danach niemand den Platz wegschnappt, zog ich wenigstens schonmal eine Seite meines Flügels auseinander, sortierte die Leinen auf jener Seite und hoffe, der Vogel mit seinem Tandem ist bald weg. Ist er nicht, denn auch er produziert erstmal einen Fehlstart, wohlgemerkt, keinen Startabbruch. Statt meine andere Seite meines Flügel nun auseinander zu ziehen, helfe ich ihm beim erneuten Auslegen seines gigantisch großen und schweren Tandemschirms, denn über ihn hinweg kann ich eh nicht starten. Währenddessen faltet der immer wieder auftretende Ostwind meinen Schirm wieder zusammen, aber wenigstens kommt der Tandem im zweiten Anlauf raus. Ich beginne meine Auslege- und Sortierarbeiten von vorne, und wie üblich hier, kommt von den ausschließlich männlich identifizierten und nicht eingehängten Piloten keine alte Sau auf die Idee, mal mit Hand anzulegen, damit es für alle schneller und einfacher geht. Das ist, nebenbei bemerkt, einer der Gründe, warum ich nie wieder ein gemischtes Fliegetraining in irgendwas buchen würde. In Frauengruppen passiert sowas nicht. Frauen helfen sich gegenseitig und vergeuden ihre Zeit nicht mit Platzhirschgehabe.
Als ich endlich soweit bin, die Tragegurte in mein Gurtzeug einzuhängen, faltet mir der Ostwind noch einmal meine Kappe zusammen und ich versuche erst gar nicht, jemanden nach Hilfe anzusprechen, da aussichtslos, sondern ziehe meinen Schirm erneut neu auseinander. Lustigerweise ist zum Zeitpunkt meines Starts dann gar kein Wind mehr, was mir die Gelegenheit gibt, vorwärts aufzuziehen, worin ich deutlich mehr Routine hab und der Start sofort gelingt.
Ein neues Thema ereilt mich. Kaum haben die Füße den Boden verlassen, merke ich, wie ruppig die Luft ist. Vom Start weg bin ich permanent damit beschäftigt, meine Kappe offen zu halten und ich empfinde diese Situation als extrem unangenehm. Astrid ist zu diesem Zeitpunkt schon bald zwanzig Minuten in der Luft und von ihr erfahre ich, wo es Steigen gibt und fliege diese Stellen sofort an und beginne zu kreisen, doch mit jedem Meter, den es rauf geht, wird es schlimmer. Ich werde in meinem Gurtzeug hin- und hergeworfen, bewege mich zwischen 5m/s Steigen und 9m/s Sinken, die Thermiken sind relativ kleinräumig, sodass ständig mindestens eine Flügelseite rein- oder rausfällt, obwohl ich relativ eng drehe, was zu einem extrem unruhigen Flug führt. Ich beginne mich zu fürchten, habe das Gefühl, keine Kontrolle zu haben, und -ganz neu für mich- die Höhe macht mir was aus. Das kannte ich bis dahin überhaupt nicht und ich war auch weit davon entfernt wirklich hoch über dem Boden zu sein, im Vergleich zu anderen Flügen, bei denen es mich eher amüsierte, 1-2 km über Grund auf über 3000m MSL zu fliegen. Es gibt schon komische Tage. Rückblickend versuchte ich mir ein Bild davon zu verschaffen, was diese Unsicherheit und dieses extreme „Ich-will-hier-nicht-sein“-Gefühl ausgelöst hat, doch das ist nicht so einfach zu beantworten. Die arme Astrid, die sich mein Geschimpfe und meine Angstgefühle im Funk anhören musste. Ich kam zu dem Schluss, dass mich so ziemlich alles an diesem Tag und insbesondere die wahnsinnige Menge der anderen Menschen sowohl am Startplatz als auch in der Luft schon stressten. Zu wenig gegessen, zu wenig getrunken, Stress beim Starten, Stress ganz besonders in der ersten Thermik, wo ich mit gefühlt 100 anderen gleichzeitig eindrehte und weder Augen noch Ohren ausreichten, um alles zu erfassen plus die an sich schon sehr unruhigen Verhältnisse in Kombination dazu führten, dass es mir von der ersten Sekunde in der Luft an nicht gut ging. Immerhin habe ich mich so 3-4 Thermiken hochgewürgt, wobei es nicht wirklich hoch ging, denn auf etwa 1200m MSL war für alle Schluss. Ebenfalls ein Grund, warum es so unsagbar voll war, denn es verteilte sich nicht. Mir reicht’s, ich biege in die Ebene Richtung Landeplatz ab. Raus aus dem Pulk und viel Sinken ließen mich irgendwann ein klein wenig entspannen, weil ich plötzlich allein war und ich mich einfach auf eine schöne Landung konzentrieren konnte, die mir auch gelungen ist. By the way, seit dem letzten Sicherheitstraining, wo ich mein Timingproblem beim Landen erkannte und sukzessive korrigierte, bin ich stets auf meinen Füßen gelandet und habe mit einer unkritischen Ausnahme immer das Landefeld getroffen. Astrid bleibt in diesem Ameisenhaufen irgendwie gelassener, was mich sehr für sie freut, wenngleich sie ebenfalls einige Begegnungen der dritten Art auf ihren Flügen hatte. Nach bald einer Dreiviertelstunde landet auch sie am Garden Relais, wo es nach wie vor zugeht, wie auf einem anderen Planeten. Mit Fliegen bin ich für heute fertig. Wir genießen das warme Wetter, packen in aller Ruhe unser Zeug ein, quatschen über das Erlebte und dann brumselt Astrids Telefon, ein Bild von unserem Camper, wie er weit hinten am Straßenrand steht, kommt rein, gemacht von Vreni, die wir vom letzten Sicherheitstraining kennen. Da schau her. Die Frage, wen wir wohl dieses Mal treffen, ist beantwortet und kaum haben wir’s geschnallt, steht die liebe Vreni auch schon vor mir. Ihrem Papa gehört die Flugschule Oase im Oberallgäu und sie sind diese Tage ebenfalls hier zum Fliegen, gerade angekommen und versuchen, ein Shuttle zu bekommen. Witzig. Leider sehen wir uns danach nicht mehr, aber wen wundert’s bei hunderten Pilot:innen.
Astrid und ich siedeln um, wollen auf den Camping Santafelicitas in Semonzo, doch dort ist im regulären Areal kein Platz mehr für uns und es wird auch keiner frei in den nächsten Tagen. Einzige Alternative ist der Aussenlandeplatz, der zum Campingplatz gehört und an dessen Rändern die Leute mit ihren Campern stehen und der ebenfalls kaum noch Lücken aufweist, in die wir uns quetschen können. Strom und Wasser gibt’s da nicht, wir können lediglich die Sanitärräume des Campingplatzes, sowie Ver- und Entsorgung nutzen und bekommen zu dem Zweck auch zwei Zugangschips beim Anmelden. Die Wiese hängt überall, in der ersten Nacht stehen wir blöd, ein Baum kratzt die ganze Nacht mit seinen Ästen über unsere Kabine, die Nachbarn auf einer Seite sind bis spät in die Nacht sehr laut und unsere Gasheizung nervt mit ihrem Gezündel in den frühen Morgenstunden, das uns alle paar Minuten aufschrecken lässt. Sehr durchwachsen geht so die erste Nacht dahin. Letzte Aktion am Abend: Ich reserviere uns zwei Plätze im L’Antica Abbazia für den Montagabend.

Der erste Blick am nächsten Morgen gilt der Prognose fürs Flugwetter, die konstant schlechter wird und uns ist klar, dass etwaige Streckenflüge hier nur noch Glücksache sein werden und auch mein kleiner Wunsch, vom Startplatz Panettone starten zu können, ist erstmal geplatzt. Für heute soll es bedeckt bleiben, der überregionale West-Nordwest kommt bis auf 1500m runter, Föhn isses keiner, doch er wird sicher wieder zu sehr unruhigen und zerrissenen Verhältnissen beitragen. Unser erster Plan, einfach „nur“ eine Wanderung zu machen, weicht relativ schnell der Idee, dass wir unser ganz leichtes Zeug mit dem Pi3 doch mitnehmen und zu Fuß zum Startplatz Casette aufsteigen, wo die Bedingungen für mindestens einen Gleitflug noch ganz gut zu passen scheinen, um uns den mindestens mal anzusehen und vielleicht sogar zu starten. Weil uns jedoch der Kratzebaum so genervt hat in der Nacht, ist Maßnahme #1 nach dem Frühstück und vor dem Losgehen: Auto umstellen. Es haben sich seit gestern ein paar Lücken gebildet, wo wir besser stehen würden und wo wir sogar am Nachmittag noch ein wenig Sonne abbekommen könnten, also tun wir das schnell.
Der Startplatz Casette liegt auf ziemlich genau 1000m MSL, was netto für den Aufstieg etwa 750 Höhenmeter bedeutet, allerdings ist die Wegstrecke mit etwa 6,5 km etwas länger als vom Garden Relais zum Startplatz Bepi, wo wir gestern unser „schweres“ Flugzeug hochtrugen. Die leichte Ausrüstung mit dem Pi3, dem Bergsteigegurtzeug, dem kleineren Retter, dem Kletterhelm, usw. ist mit dem deutlich bequemeren Rucksack von Neo beinahe nicht auf dem Rücken zu spüren, ich schätze, er ist mindestens 5kg leichter. Gegen 10Uhr gehen wir los, es ist noch relativ kühl, ein Großteil des sehr schönen Weges verläuft im Wald und teilweise nordseitig, weswegen wir lange gehen, bis uns die ersten Sonnenstrahlen erreichen und die dann auch guttun. Wie erwartet sind so gut wie keinen anderen Menschen hier unterwegs und wenn ich mich recht erinnere überholt uns nur genau ein Pilot, der ein wenig zügiger unterwegs ist als wir. Als wir uns in einem Bogen unter der Startwiese hindurch vorbei an einem Agritourismo und einem kleinen Eselgehege dem Startplatz nähern, ist unschwer zu erkennen, dass auch hier der Papst im Kettenhemd boxt. Mehrere Flugschulen sind da, die auch konstant Nachschub liefern, was dafürspricht, dass die Startbedingungen hier nicht so schlecht sein können, die Windfahne zeigt das mit kleinen Abweichungen auch so an. Auf dem Weg rauf hatten Astrid und ich besprochen, dass wir relativ schnell eine Entscheidung treffen wollen, ob wir starten oder nicht, denn wenn nicht, legen wir uns gar nicht erst trocken, sondern gehen möglichst bald nach der Inspektion des Startgeländes wieder runter. Ich bin wankelmütig. So viele Menschen machen mich am Startplatz nervös, wenngleich ich schon wahrnehme, dass der Startplatz im Vergleich zu Bepi oder Stella sehr viel feiner zum Starten ist, nur im Abflug muss Frau ein wenig sehen, dass sie zügig nach links kommt, wenn sie kein Steigen hat, was heute sicher der Fall ist. Knapp wird’s nur bei Pilot:innen, die nicht sauber starten, den Schirm beim Aufziehen zu wenig anbremsen und/oder zu früh freigeben, denn dann sackt der Schirm beim Fahrtaufnehmen logischer Weise durch. Das ist Physik.
Trotz des mir sehr unangenehmen Trubels habe ich Bock auf Fliegen und wir entscheiden uns für diese Option, ziehen uns um, essen und trinken was und während wir uns so langsam in Richtung Startbereitschaft entwickeln, fallen uns ein Papa und seine Tochter auf, die wenig routiniert und etwas planlos wirken, diskutieren unter anderem, wie die Tragegurte nun eingehängt werden müssen und als die junge Frau als erstes ihren Schirm auseinanderzieht, kann Astrid nicht mehr anders als hinzugehen und mit den beiden lieb und respektvoll zu sprechen, damit nix Blödes passiert. Rebecca und Rüdiger, wie wir später lernen, sind das erste Mal nach einem ganzen Jahr an einem Startplatz, fliegen generell nicht viel häufiger als einmal im Jahr und sind ein klein wenig froh, dass jemand einspringt und sie bei ihren Startvorbereitungen unterstützt, ohne dabei aufdringlich oder übergriffig zu werden. Umso mehr freut es mich zu sehen, dass die beiden sehr souverän und sicher starten und ihren Weg in die Luft finden und überraschender Weise fliegt Rebecca eine gute Stunde anschließend in den Thermiken rum, was wir am nächsten Tag erfahren. Wirklich toll.

So, dann jetzt wir. Weil ich vom Vortag noch mit meinen schlechten Erfahrungen belastet bin und ein wenig mit Wasser in den Ohren über den Startplatz wackele auf der Suche nach einer Lücke, schiebt Astrid mich auf den besten Platz nach vorne, wo gerade ein Pilot abhebt und das Fleckerl für mich frei macht. Von allein wäre ich dort nicht hin, denn in meiner Wahrnehmung okkupierten die Flugschulen diese Ecke und alle anderen drapierten sich außen herum, doch tatsächlich bin ich niemandem in den Weg gesprungen. Astrid zieht meinen Schirm auseinander, sie besteht darauf, dass ich als erste starte, ich sortiere meine Leinen, checke mich, den Wind und meine Startrichtung und in sehr kurzer Zeit bin ich soweit, ziehe auf und fliege gegen 13Uhr weg. Astrid kommt relativ schnell hinter mir her, denn sie bekommt völlig unerwartet Hilfe als zwei Jungs beispringen und ihr den Schirm auseinanderziehen, was in Bassano wirklich Seltenheitswert hat. Ziemlich schnell merke ich, dass es arschkalt ist, ich nicht ausreichend warm angezogen bin und schon nach wenigen Minuten zu zittern beginne. Es pfeift besonders in meine leichten Halbschuhe rein und die Beine hoch, ich hatte mir gespart, die Softshellhose raufzutragen und die unterste Schicht war zudem noch angeschwitzelt, über die ich nur meine Fliegeleggings drüberzog und die Akkus in den Heizehandschuhen hatte ich auch vergessen anzustecken. Sollte ja nur ein Gleitflug mit dem Pi werden. Kommt aber alles anders, denn wir finden eine Ecke, wo es steigt und beginnen damit, in die Thermiken einzudrehen und raufzufliegen, während ich mit meinen Zähnen so vor mich hinklappere. Ja, mit dem Pi kann Frau auch Thermik fliegen, sie, die Thermik, muss nur stark genug sein, damit sie das überdurchschnittliche Sinken dieses Schirmmodells kompensieren kann und dann geht’s rauf. Es taugt mir etwas besser als am Vortag, die Luft ist ein klein wenig ruhiger, weil generell weniger Wind ist und wir deutlich unter dem überregionalen West fliegen und auch nicht soweit rauf kommen, dass es eine signifikante Rolle spielen würde. Die Wolkendecke hängt tief, Sonne kommt nur wenig durch, umso erstaunlicher, dass es überhaupt Steigen hat. Leider geht es allen anderen auch so und ich sehe mich nach wenigen Minuten in meinen Thermikkreisen umzingelt von krass vielen Schirmen, denn Steigen ist magnetisch, von denen offensichtlich nicht alle wissen, wie sie sich zu verhalten haben, oder es einfach ignorieren, um ihre eigene Flugroute durchzusetzen. Ich bleibe defensiv, mache Platz, finde andere Wege, kein Bock auf toxische Männlichkeit, freue und wundere mich zugleich, dass der Pi so gut fliegt und zittere weiter vor mich hin, während ich zwischendurch die Thermik wechsele und mich immer wieder mit Astrid über Funk austausche. Nach der dritten Thermik weicht so langsam das Gefühl aus Händen, Füßen und Beinen, ich melde mich bei Astrid, dass ich zum Landeplatz Paradiso fliege und landen gehe, bevor ich tiefgefroren bin. Landen zu gehen braucht dann auch nochmal Zeit, denn selbst um den Landeplatz herum gibt’s so viel Steigen, dass sogar der Pi weiterfliegen möchte. Netto geht’s aber dann doch runter und weil ich allein im Luftraum unmittelbar am Landeplatz bin, achtere ich weiter ab, statt eine Landevolte zu fliegen, biege bei passender Höhe in einen langen, geraden Endanflug ein und mache fast eine Punktlandung, denn jemand hat einen Peilpunkt auf die Landewiese gelegt. Das Timing beim Flairen hat gepasst, ich setze auf meinen Füßen auf, ich freue mich, dass wir gestartet sind. Astrid ist ein paar Minuten hinter mir und weil es außer uns keine Pi’s in der Luft gibt und sie dann auch noch anfängt, Spiralen zu fliegen, ist sie nicht schwer auszumachen. Ich filme ihre Landung, während ich am Boden langsam wieder auftaue und wir anschließend gemeinsam einpacken und zu Fuß zum Camper wackeln.
Einkaufen ist ein Thema, denn unsere spärlichen Reserven an mitgebrachtem Futter gehen zur Neige. Nach einer Tasse Kaffee und einem Stückchen Schokolade schwingen wir uns auf die Räder und machen uns auf den Weg zum kleinen Alimentari im Ort, wo die nette Dame aus der Schweiz hinter der Wurst- und Käsetheke steht und bei der wir uns jedes Mal entschuldigen, dass ich kein und Astrid nur wenig italienisch spricht und ob wir freundlicherweise in Deutsch bestellen dürfen. Dann lacht sie jedes Mal und ja, natürlich können wir auf Deutsch weitermachen. Volle lieb.
Die Prognose für den nächsten Tag sagt, dass wir wieder zum Startplatz Casette gehen werden, aber dieses Mal wegen der besser vorhergesagten thermischen Verhältnisse, unsere Thetas mit der etwas schwereren Ausrüstung mitnehmen und packen die notwendige Ausrüstung auch gleich zusammen, damit wir am nächsten Morgen etwas früher losgehen können.
Am Abend finden wir uns zum Essen im L’Antica Abbazia, dem Restaurant direkt neben dem Campingplatz, ein, in dem wir das letzte Mal superlecker gegessen hatten und äußerst zuvorkommend und nett bedient wurden. Dieses Mal war das leider nicht so. Der junge Mann, der die Bestellung aufnahm, war zwar sehr nett, aber gestresst und der ganze Ablauf erinnerte eher an eine Massenabfertigung, denn das Lokal war natürlich ebenfalls brechend voll, wie alles andere in diesen Tagen.

Ein neuer Tag, ein Dienstag, der letzte, an dem Fliegen hier noch Sinn ergibt. Wind- und Wettervorhersagen passen immer noch für Casette und weil wir praktisch direkt nach dem Frühstück loskönnen, sind wir bald zwei Stunden früher dran als gestern, doch das war auch der Plan, so dass wir mit dem deutlich schwereren Gepäck nicht hetzen müssen. Gefühlt gehen wir tatsächlich deutlich langsamer und die ersten Meter bringt mich der schwere Rucksack fast zum Zweifeln, ob ich so überhaupt oben ankomme, doch dieser Eindruck hat sich überraschender Weise bald verflüchtigt, der Weg ist schön, die Sonne scheint und es ist etwas wärmer als tags zuvor, ich fühle mich gut, jeder Meter nach oben scheint mir mehr Kraft zu geben. Zwei männlich identifizierte Tschechen hören wir sehr lange im Voraus laut im Wald miteinander reden und wir fragen uns, warum manche Menschen so laut sein müssen? Hören die zwei nicht gut, oder was? Sie gehen schneller als wir, weswegen sie uns bald eingeholt haben, wir lassen sie vorbei und danach wird’s wieder etwas stiller. Wir reden generell vergleichsweise wenig miteinander, wenn wir so vor uns hingehen und ich stelle die Frage, wie Astrid das empfindet? Haben wir uns nix zu sagen, sollten wir das ändern, wie gehen wir damit um, müssen wir überhaupt damit umgehen? Wir sind uns einig, dass das kein Problem ist, ganz im Gegenteil, ich hänge gerne meinen Gedanken nach oder denke einfach gar nicht, manchmal sprechen wir über die Dinge, die in unseren Köpfen kreisen, manchmal nicht und das ist völlig in Ordnung. Einfach mal nix sagen zu müssen ist Teil der Gehtherapie.
Das Schneckentempo, von dem wir annahmen, dass wir es gehen, bringt uns lustigerweise in fast der gleichen Zeit nach oben, wir brauchen keine 10 Minuten länger als mit dem leichteren Gepäck, allerdings mussten wir auch nicht mehr nach dem Weg schauen, weil uns der natürlich bekannt war. Am Startplatz ist weniger los, wofür es mehrere Erklärungen gibt. Auf Platz 1 ist die Inversion deren Grenze genau auf Startplatzniveau hängt und die Thermikflüge verhindert, denn wer nach dem Start nicht über der Inversion fliegt, der geht landen, dementsprechend leer ist der gesamte Luftraum, weil auch von den beiden tiefer gelegenen Startplätzen Bepi und Stella niemand raufgeflogen kommt. Auf Platz 2 ist der Wind am Startplatz, der entgegen der Vorhersage meist aus südlichen Richtungen kommt und nicht selten für spürbaren Rückenwind sorgt, was wir nicht erwartet hatten und den wir ernst nehmen nach einer etwas unglücklichen Erfahrung vor einigen Wochen an der Sausteige im Pinzgau. Parawaiting. Wir ziehen uns fürs Fliegen an, essen und trinken, wie üblich, und warten einfach mal ab, wie es sich entwickelt. Gleitschirmfliegen hat an der Stelle nicht selten etwas mit Geduld zu tun. Die beiden von gestern, Rebecca und Rüdiger sind zusammen mit Rüdigers Frau Heike ebenfalls wieder da, schnell sind wir im Gespräch und kurz darauf erscheinen Andi und Markus aus dem Pinzgau hier oben, die wir von Hike&Fly Touren mit Alex und Manuel kennen und quatschen auch mit ihnen über die aktuelle Situation. So vergeht mehr als eine Stunde, der eine oder die andere Pilot:in startet in den wenigen Momenten, an denen es geht, die Inversion bleibt jedoch dort, wo sie schon die ganze Zeit hing. Was wir immer wieder wahrnehmen, sind Gleitschirmfliegende, die von weiter oben kommen und ziemlich sicher am Startplatz Panettone gestartet sind. Den hatten wir am Morgen wegen des starken Windes ausgeschlossen, der Startplatz liegt mit etwa 1550m MSL zu diesem Zeitpunkt ziemlich genau auf der Grenze, wo sich der überregionale West mit dem lokalen Südost trifft und die Windstation hatte die ganze Zeit mehr als 15km/h mit Böen über 30km/h gemeldet, was mir zum Starten zu viel ist. Derweil haben Andi und Markus in ihrer Gruppe besprochen, dass sie jetzt zu Fuß zum Panettone weiter aufsteigen wollen, denn hier sieht es nicht so aus, als würde sich so schnell etwas ändern. Astrid checkt die Windstation oben und siehe da der Wind ist weniger geworden. Perfekte Startbedingungen am Panettone. Etwas überraschend, doch die Messinstrumente lügen normalerweise nicht, wenn sie Daten liefern und noch während wir die Pinzgautruppe verabschieden, äußern Rüdiger und Rebecca, dass wir ebenfalls zum Panettone hochfahren könnten, sie sind ja mit dem Auto da. Plötzlich kommt die Gelegenheit um die Ecke, doch noch vom Panettone starten zu können, womit ich für diese Tage überhaupt nicht mehr gerechnet hatte und als die drei bekräftigen, uns selbstverständlich gerne mit hoch zu nehmen, zögern wir nicht, packen unsere Sachen zusammen und steigen ein. Ob’s mit Starten dann dort geht, ist natürlich offen, doch wir haben eine Chance, es herauszufinden. Unterwegs fahren wir an Andi und Markus vorbei, die den Daumen heraushalten. Von Casette aus bleibt eigentlich nur die Fahrstraße, um zu Fuß zum Panettone zu kommen, was wegen der endlos erscheinenden Strecke ganz schön mühselig ist. Zu fünft im Auto haben wir nur leider keinen Platz mehr für noch 4 Menschen, doch als wir oben am Parkplatz ankommen und ausgestiegen sind, setzt sich Heike wieder ins Auto und macht sich auf den Weg, die anderen einzusammeln, die wir haben stehen lassen müssen. Das ist ganz schön nett von ihr, wenngleich es vergebens ist, denn sie konnten zwischenzeitlich anderweitig eine Mitfahrgelegenheit ergattern.

Am Startplatz Panettone nach wenigen Gehminuten vom Parkplatz angekommen, fühle ich zunächst fast gar keinen Wind mehr und der erste Eindruck vom Startgelände wirft die Frage auf, warum an einem Hügel gestartet wird, der weitere vorgelagerte Hügel hat, an denen Frau auch aufziehen könnte? Astrid schaut sich extra einen der Hügel, die unmittelbar an der vorderen Kante der Bergkette liegen, an und bestätigt, dass Frau dort ebenfalls starten könnte. Tut aber niemand. Es sind jedoch auch nicht so wahnsinnig viele Menschen hier, die starten wollen, es ist viel, viel weniger Betrieb als an allen anderen Startplätzen, die wir in den letzten Tagen besucht haben. Liegt wahrscheinlich an dem weiten Weg, den die Shuttles gegen einen Aufpreis nur machen, wenn genug Menschen zusammenkommen, die da rauf wollen. Mir taugt’s so jedenfalls und freue mich, wie ein Schnitzel, dass das geklappt hat. Als wir den ersten beiden Piloten zuschauen können, wie sie starten und rausfliegen, erkenne ich, dass es kein Problem ist, über die vorderen Hügel zu kommen oder im Zweifel zwischen ihnen hindurchzufliegen, solange der Wind passt und Frau keine groben Fehler beim Starten macht, passt es gut. Kurz Rücksprache mit Astrid, wir starten hier und ich gehe als erste raus. Rebecca hat noch ein Thema, weil sie ihr Vario vermisst, das allerdings auch nach Rückkehr ihrer Mama nirgendwo zu finden ist, was deren Start verzögert. Eigentlich war der Plan, dass Astrid und ich den beiden etwas weniger Erfahrenen beim Starten helfen, doch als nicht klar ist, wie lange sich deren Vorbereitungen verzögern, müssen wir ein klein wenig egoistisch werden, denn wie lange die Bedingungen perfekt zum Starten sind, weiß niemand und ich möchte die Gelegenheit auf keinen Fall leichtfertig verstreichen lassen. Für die beiden ist’s nach Abstimmung jedoch völlig in Ordnung, wenn Astrid und ich schonmal starten. Der Wind hat ein klein wenig zugelegt, wahrscheinlich so auf 10km/h, ich hab’s nicht geprüft, doch vom Gefühl her perfekt, um rückwärts aufzuziehen, womit wir uns für gewöhnlich nicht so wohl fühlen, weil einfach die Routine fehlt, weil wir es so selten tun, doch ich, mein Bauchi und mein Quatschi im Kopf sind uns einig, dass es heute keine Zweifel gibt, es wird auf Anhieb funktionieren. Fertig für den Flug angezogen, lege ich meinen Theta auf den Boden, Astrid und Rüdiger ziehen ihn ein kleines Stück auseinander, auf Anweisung von Astrid gerade soweit, dass die A-Leinen frei sind und ich über Zug an den Steuerleinen sehen kann, dass sie auch frei sind, dann hänge ich mich ein, befestige den Beschleuniger rechts und links über die Brummelhaken und im nächsten Schritt lege ich den Schirm mit dem Wind aus. Die Kappe öffnet sich symmetrisch, was mir sagt, ich stehe perfekt zum Wind und ich kann erkennen, dass auch alle anderen Leinen frei sind und sich nichts verhängt hat. Bauchi erteilt die Startfreigabe, über einen leichten Zug an den mittleren 4 A-Leinen steigt mein Schirm über mich, ich bremse an, halte ihn für einen Bruchteil von Sekunden über mir, drehe mich aus, lehne mich in die Tragegurte, um den Druck im Flügel beizubehalten, mache noch zwei lange Schritte und fliege. Beim Ausdrehen merke ich, dass irgendetwas in meiner Jacke gerumpelt hat, was aber für den Start nicht relevant war, es gibt keine Beeinträchtigung, also denke ich mir nix dabei.
Direkt nach dem Start hatte ich sogar ein klein wenig Steigen, wodurch ich ganz entspannt über die vorderen Hügel drüber gekommen bin und als ich bemerke, dass der erste Teil der Bergkette, an der ich entlangfliegen werde, komplett im Schatten liegt, stellt sich mir die Frage, ob es klug ist, nahe am Hang bzw. der Kante zu fliegen? Ich halte das für problematisch, denn der Wind, der am Startplatz perfekt gepasst hat, macht nahe der Kante wahrscheinlich ein Lee und ohne Sonne wird es keine Kompensation durch Thermik oder Hangwind geben, weswegen ich nicht versuche, zu nahe am Hang Steigen zu finden, sondern bleibe auf Abstand. Das bedeutet zwar, dass es nur runter geht, aber es ist mit weniger unliebsamen Überraschungen verbunden. Astrid startet hinter mir ebenfalls per Rückwärtsaufziehen, Rüdiger hat auch ihr beim Auslegen geholfen, doch sie berichtet später von einem starken Sinken direkt nach dem Start und sie musste schauen, dass sie über die Kante kommt, wobei sie schon nach Landemöglichkeiten Ausschau hielt. Am Ende hat’s aber doch geklappt. Per Funk versuche ich, mich nach ihrem Start zu erkundigen, doch es bleibt still in der Leitung. Gut, denke ich, vielleicht ist sie beschäftigt und wird sich später melden. Das tut sie auch, allerdings bemerke ich das daran, dass meine Daunenjacke zu sprechen anfängt und nichts in meinem Headset ankommt und da dämmert mir, was das beim Starten für ein Gerumpel in meiner Jacke war. Ich hab‘ beim Ausdrehen das Headsetkabel aus der Funke gezogen. Weil es einigermaßen ruhig in der Luft ist und ich es vertreten kann, die Steuerleinen loszulassen, beginne ich damit, mit den dicken Handschuhen eine Lage an Jacken nach der anderen von unten aufzumachen, bis ich an die natürlich verschlossene Innentasche rechts unten komme, in der das Funkgerät steckt. Das Kabel des Headsets ist irgendwo in meinem Ärmel verschwunden und es dauert ein wenig, bis ich es mit den dicken Handschuhen gefunden habe. Die Handschuhe wollte ich auf keinen Fall ausziehen, weil sie nirgendwo festgemacht waren und die Gefahr, sie zu verlieren, mir als zu groß erschien. Also muss alles mit Handschuhen passieren. Es wird zwar ein bisschen kalt unten rum, doch ich schaffe es, das Kabel mit dem Stecker zu finden, die Innentasche zu öffnen, das Kabel ans Funkgerät zu stecken und alles wieder so gut es geht zu verschließen und kann am Ende wieder mit Astrid über den Finger-PTT-Knopf quatschen. Warum ist das passiert? Ich habe gegen die erste Regel verstoßen: tue Dinge immer gleich. Bedeutet in diesem Fall, ich hatte sonst immer eine ärmellose Windweste unter der Daune, an der links oben eine Brusttasche ist, in die das Funkgerät passt und so der Weg zwischen Funkgerät und Finger-PTT kurz ist und kein Zug auf dem Kabel war. Ich hatte mir angewöhnt, den Sprechknopf links zu haben, damit rechts auf keinen Fall etwas zwischen Hand und Rettergriff im Weg ist, was stören könnte. Aber nun ist alles wieder in Ordnung.
Als ich endlich wieder ein paar Sonnenstrahlen im Gesicht spüre und auf meinem Cockpit erkennen kann, dass es möglicherweise eine Thermik vor mir gibt, auf die Astrid mich ebenfalls bereits hinwies, steuerte ich genau dort hinein und versuchte, ein wenig Höhe zu machen. Um mich herum waren noch 4-5 andere Schirme, die das gleiche versuchten, doch die Thermiken, die es tatsächlich gab, waren sehr kleinräumig und zerrissen und selbst mit sehr engen Kreisen flog ich ständig raus, was ich auch bei den anderen beobachtete. Es hielt sich niemand. Ich konnte nur das Sinken soweit bremsen, um mich lange genug zu halten, bis Astrid an der gleichen Rippe eintraf und über mir das gleiche Spiel begann. Ich nehme an, die Inversion ist immer noch da und verhindert, dass die Sonne den Berghang genügend aufwärmen kann, damit sich irgendetwas tut. Inzwischen im Bereich der Startplätze Stella und Bepi angekommen, ist dort der Himmel auf kleinem Raum voll mit gefühlt hunderten Gleitschirmen, die alle um jeden Meter kämpfen, und ich verspüre wenig Lust, mich dort hinein zu stürzen. Mit den Gedanken schon beim Landen, fliege ich trotzdem ein paar Mal am Hang hin und her, für den Fall das vielleicht doch was geht, was mich jedoch gleichzeitig von unten in den Pulk hieven würde. Astrid kommt mit ein klein wenig mehr Höhe dort an, findet einen kleinen Bart, beginnt mit einem weiteren Schirm auf gleicher Höhe kleine Thermikkreise zu drehen, doch kaum sind beide soweit, dass es nach oben geht, kommt ein Depp daher, der in die andere Richtung eindreht und den Ring zwangsläufig zerschlägt, damit es zu keiner Kollision kommt. Das ist Bassano live. Der Vogel bekommt von allem nix mit, doch die Fahrt der anderen beiden nach oben ist damit sofort beendet und Astrid meldet sich über Funk zu dem Erlebten und dass sie jetzt auch zum Landen kommt.

Wie tags zuvor bin ich sofort alleine auf meiner Höhe als ich aus dem Hang hinaus in Richtung Landeplatz fliege und achtere erneut ab, bis ich die richtige Höhe für einen langen, geraden Endanflug habe und schaffe so wieder fast eine Punktlandung als ich einen Schritt hinterm Peilpunkt auf meinen Füßen aufsetze. Ich freue mich darüber, denn, wie schon geschildert, werden meine Landungen immer besser und dass so etwas gelingt, war bis vor kurzem keine Selbstverständlichkeit. Astrid kommt wenige Minuten später ebenfalls rein, ist allerdings etwas zu hoch und hat überm Landeplatz dann auch noch Steigen. Sie muss ein wenig zaubern, damit ihr das Landefeld genügt, denn einen Nachteil hat der Landeplatz Paradiso in Semonzo, es gibt keine Möglichkeiten, gegen den Wind zu verlängern, wenn Frau zu hoch ist. Die zwar große Fläche ist ringsum von Bäumen, Zäunen, Straßen, Oberleitungen und Gebäuden umstellt und bei Südost-Wind, der eigentlich perfekt ist, hängen immer wieder Gleitschirme in der Oberleitung am Ende des Landefeldes. Aber sie macht das super, fliegt nochmal eine kleine Auslage mit ganz flachen Kurven, damit sie in den Kurven nicht schlagartig soviel Höhe verliert, dass sie einbombt, sondern driftet ganz smooth über den Platz und findet ihren Weg, elfengleich mit genügend Abstand zu allen Rändern auf ihren Füßen aufzukommen. Also Anfängerinnen sind wir definitiv nicht mehr. Noch vor einem Jahr hätte es hier Puls und wahrscheinlich einen Einschlag gegeben. Hat sie toll gelöst.
Obwohl es jetzt nicht wirklich ein Thermikflug gewesen ist, so hat die große relative Höhe zwischen Start- und Landeplatz doch für einen über halbstündigen Flug gesorgt und ich bin sehr glücklich, dass wir so überraschend und unerwartet am höchsten Punkt im Fluggebiet starten konnten. Per Kurznachricht geben wir Rebecca und Rüdiger durch, dass wir gut gelandet sind und auch sie bestätigen, dass ihre Starts funktionierten und sie ebenfalls wohlbehalten am Landeplatz Garden Relais angekommen sind.

Einpacken, Kaffee/Kuchen und Pläne machen, wie es mit unserem Urlaub weitergeht, steht als nächstes auf dem Programm. Wetterdienste und BurnAir App sind sich einig, dass es am nächsten Tag, dem Mittwoch, bestenfalls ein Gleitflug von Stella oder Bepi geben wird, wenn Frau früh dran ist, und für den darauffolgenden Donnerstag ist Dauerregen vorhergesagt, was uns dazu veranlasst, bezüglich Fliegen einen Pflock reinzuhauen und am nächsten Tag nicht mehr hochzulaufen. Wir hatten 3 gute Flüge von 3 verschiedenen Startplätzen und freuen uns, die meisten Höhenmeter zu Fuß erklommen zu haben, womit es für uns passt. Mittwochsmorgens ist es tatsächlich ziemlich bewölkt, hier und da ist mal ein Schirm am Himmel zu sehen, doch es hält sich niemand. Nach dem Frühstück fahren wir vor dem Bezahlen erst noch über die Entsorgung, damit wir nichts unnötig über den Brenner schleppen und dann ist das erste Ziel für den Tag der Feinkostladen Hofer in Sterzing, wo wir schon sehr lange nicht mehr gewesen sind und wo es ziemlich leckere Sachen zu kaufen gibt. Bisschen Coppa, bisschen Salami, bisschen Käse, ein Panettone, Schokolade, Marmelade und eine Flasche Grappa für Astrids Papa wandern ins Körbchen, dann machen wir uns auf den Weg zum nächsten Ziel: Kaffee/Kuchen bei Bergführer Jürgen in Mittenwald, wo wir uns tags zuvor bereits anmeldeten, weil es einfach auf dem Weg liegt, wir uns schon zwei Jahre nicht mehr gesehen haben und es viel zu erzählen gab mit einem Ausblick aufs nächste Jahr. Vielleicht unternehmen wir nochmal was mit ihm.
Mit relativ wenig Stau und Aufenthalten an den neuralgischen Punkten, liegen wir so gut in der Zeit, dass wir entspannt unseren Lieblingsgasthof zu Hause zu normalen Zeiten erreichen und am nächsten Tag, bevor es wieder ins Saarland zu den Kindern geht, die Kabine aufräumen, sauber machen und so an den Strom hängen können, dass uns nix einfriert falls es Frost gibt.
So gehen die Tage mit Fliegen in Bassano zu Ende. Ob ich das sobald wieder brauche, glaube ich nicht. Drücken wir uns die Daumen, dass auf der nächsten Ausfahrt noch woanders Fliege- oder Bergwetter ist.

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