Fliegen, wandern, Trailrunning, arbeiten in Südtirol, 2.10.-12.10.2025
Kinder werden groß und beginnen, ihre eigenen Pläne zu machen. Auf der einen Seite macht mich das etwas traurig, weil es die letzten 17 Jahre nur wenig bis keine ungeplanten Ausfälle der Kinderwochenenden im Saarland gab, auf der anderen Seite freut es mich, zusehen zu dürfen, wie meine Mädels immer selbständiger werden. Nach meinem Verständnis ist das oberste Ziel von Erziehung der Kinder, sie dazu zu befähigen, ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen und dieses Leben nach den eigenen Wünschen gestalten zu können. Und so wie ich das sehe, sind sie dabei nicht auf dem schlechtesten Weg, auch wenn das für mich bzw. für uns bedeutet, sie im Laufe der nächsten Jahre weniger zu sehen. Das Wochenende um den 3. Oktober 2025 ist wieder eins, an dem wir entgegen des Jahresplanes nicht ins Saarland fahren und uns mit unseren Dingen beschäftigen können. Deswegen starten wir donnerstags nach der Arbeit etwas von dieser abgekämpft in Richtung Südtirol und merken schnell, dass wir an diesem Tag dort nicht ankommen werden, weil uns beiden bald die Augen zu fallen. Nach kurzer Rücksprache mit Bergführer Jürgen an dessen Haustür wir in Mittenwald vorbeifahren und der leider schon anderweitig eingespannt ist und keine Zeit für ein Treffen hat, landen wir in Scharnitz auf einem Camperstellplatz im Ort. Jürgen hatte uns noch den Tipp gegeben, dass in Mittenwald am Sportplatz immer wieder mal Camper geduldet werden, doch als wir dort eintreffen, startet gerade das Training der Ü20-60, vor dem sich alle Herren erst noch am Zaun um den Platz entleeren müssen. Das Rudelverhalten mancher männlich identifizierten Menschen wirft in mir schon manchmal Fragen auf. Wie dem auch sei, das griechische Restaurant nebenan ist auch gut besucht, es ist viel los auf dem beparkbaren Bereich und wahrscheinlich wird es die nächsten Stunden nicht gerade still sein. Also weiter nach Scharnitz. Eine dort erhobene kleine Gebühr sorgt außerdem dafür, dass wir nachts nicht weggejagt werden.
Beim Abendessen in der sich mit der Fußbodenheizung langsam aufwärmenden Wohnkabine checken wir das Flugwetter für den nächsten Tag und lernen, dass wir uns eine andere Beschäftigung für den nächsten Tag suchen müssen, fliegen ist nicht fein. Astrid findet heraus, dass wir da, wo wir gerade stehen, eine schöne Rundwanderung über den Zäunlkopf und die Oberbrunnalm starten können, wozu wir uns entscheiden, denn am Ende des Tages kommt es nur darauf an, zusammen eine gute Zeit zu haben. Bei was ist eigentlich wurscht. Für die Nacht ist Frost gemeldet, wir lassen die Einstellungen für den Nachtbetrieb der Heizung so stehen, wie sie sind, weil wir mangels Erfahrung keine Vorstellung davon haben, wo wir sie sonst hinstellen sollten. Dass die in meinem Gehirn existierende Vorstellung, die aktuell angeklemmte Gasflasche müsse noch frisch sein, Unsinn ist, lerne ich dann in den frühen Morgenstunden als gegen 4 Uhr die Heizung lautstark verkündet, dass das Gas alle ist. Bis zum Tagesanbruch werden wir es überleben, wenn wir einfach Heizung und Kühlschrank ausschalten. Knopf drücken und weiterschlafen. Astrid springt vorm Frühstück nach draußen und wechselt die Flasche. Neue Task für den Tag: Gasflasche besorgen. Die eine volle könnte zwar fürs Wochenende reichen, aber wir wissen nicht, wieviel Gas die Heizung bei den kalten Temperaturen nachts wirklich verbraucht.
Nach dem Frühstück springen wir in Trailrunningklamotten und packen unsere kleinen Radlrucksäcke, denn für die Wanderung brauchen wir nicht viel, es bleibt trocken, es wird wenig bis kein Wind wehen, es werden nicht mehr als 1000 Höhenmeter und etwa 14km Strecke sein. Das ist überschaubar viel, bloß kalt ist’s weswegen wir mal die Daune einstecken, die nicht in die Trailrunningweste passt. Auf dem Weg zum höchsten Punkt treffen wir keine anderen Menschen, es ist einsam, nur einem Specht schauen wir zu, wie er ohne sich stören zu lassen an einem Baum per Probehämmern versucht festzustellen, wo eine gute Stelle für ein Nest ist. Oben angekommen packen wir die LGBTIQ+ Fahne aus, die ich seit neuestem immer im Gepäck hab‘, um Bilder zu machen und vielleicht so für mehr Sichtbarkeit von queeren Menschen zu sorgen. Es ist gerade sehr besorgniserregend, wie die Faschisten und Kirchen in sehr vielen Ländern gegen marginalisierte Gruppen systematisch mit Hass und Hetze vorgehen und noch schlimmer ist, wie das Stimmvieh ihnen hinterherläuft und alles nachgrölt, obwohl die meisten ziemlich sicher noch nie einen Transmenschen aus der Nähe gesehen haben. Aber das ist ja auch nicht notwendig, um Angst zu verbreiten, Kirchen tun das schon so, seit sie existieren und die Nazis haben das vor hundert Jahren ebenfalls erfolgreich umgesetzt. Das Ergebnis dürfte hinreichend bekannt sein.
Astrid packt zusätzlich noch die Fahne der Kilometerhelden aus, denn die muss auch aufs Bild, um mal von guten Dingen zu berichten. Es folgt ein kleiner Abstieg zur Alm, der Weg durch den Kreidengraben zur oberen Isar und über den Isarsteig zurück nach Scharnitz. Eine feine Runde. Nach Trockenlegen und Kaffee/Kuchen an der Kabine, starten wir zu einem Camperladen in der Nähe von Innsbruck, um unsere leere Gasflasche gegen eine volle zu tauschen, bevor wir uns auf den Weg über den Brenner zu machen. Für die kommende Nacht suchten wir uns einen kleinen Parkplatz in der Nähe eines Sportplatzes in der Gemeinde Rodeneck bei Brixen aus, denn dort stehen die Chancen gut, am nächsten Tag fliegen zu können. Es dämmert bereits als wir dort eintreffen und zunächst allein sind. Insgesamt macht der Parkplatz, auf dem die Übernachtungen geduldet werden, einen seltsamen Eindruck. Ein Schrottauto steht rum, ein offensichtlich selbstgebautes Vehikel mit einer Rücksitzbank aus einem Auto obendrauf, zwei abgeranzte Viehanhänger, ein riesiger Holzstapel, der wohl schon ein paar Jahre dort ist, überall Müll und Fäkalien vor den Holz. Wir entscheiden uns dazu, nicht ganz so weit reinzufahren und eher vorne an der Straße im Randbereich stehen zu bleiben. Später gesellt sich ein asiatisch anmutendes Paar in einem Mietkombi hinzu. Ich denke mir erstmal nix dabei. Wir essen und gehen früh zu Bett. In der Nacht plötzlich Lärm. Es ist etwa 23 Uhr als ein Wohnwagengespann und ein Camper dazu kommen, gefolgt von ein paar einheimischen Halbstarken, die dem Gespann gefolgt sind und denen offenbar die selbstgebastelten Vehikel gehören, die sie nun anwerfen und mit denen sie eine nahezu unerträgliche und einschüchternde Geräuschkulisse produzieren. Räder drehen durch, Kies spritzt überall rum, männliches Gejohle und irgendwelche Kraftausdrücke nehmen kein Ende. Mein Eindruck: das sind die lokalen Nazis, die nicht wollen, dass hier irgendwer übernachtet. Dem spontanen Wunsch hier wegzufahren, können wir nicht nachgeben, denn sobald wir die Kabine verlassen, sind wir in Lebensgefahr, so mein Eindruck. Ein Scheißgefühl. Frau weiß ja nicht, was diesen Idioten noch so einfällt. Also verhalten wir uns ruhig, warten ab und unternehmen nichts. Eine knappe Stunde später geben die Nazis auf, stellen ihre komischen Geräte ab und verpissen sich. Dass es tatsächlich rechtsextreme Faschisten waren, sehen wir am nächsten Morgen, denn betrachtet man ihre Gerätschaften genauer, findet Frau überall Aufkleber mit faschistischen Parolen, wie „Achtung: Hier gilt Rechts vor Links“ und „FCK Antifa“.
Eigentlich möchte ich unsere rollende FeWo nicht an so einem Ort stehen lassen, doch woanders gibt’s keinen Platz und schon gar nicht unmittelbar am Landeplatz. Wir gehen nach dem Frühstück von dort los zum Startplatz Rodeneck und hohlen nach der Landung das Auto wieder zu Fuß ab. So der Plan. Den Aufstieg kennen wir größtenteils schon vom letzten Jahr, als wir hier geflogen sind und auch der Landeplatz ist uns bekannt, weswegen wir den nicht nochmal extra anschauen. Eine gute Stunde später erreichen wir die Startwiese, auf der sich ein neues Schild präsentiert, auf dem ein paar Hinweise zum Fluggebiet zu finden sind und ein QR Code, um die nun offensichtlich zu entrichtende Startgebühr zahlen zu können. Weil wir so ticken, dass wir solche Regeln üblicherweise einhalten, sofern sie uns bekannt sind, um zu vermeiden, dass immer mehr Fluggebiete gesperrt werden, scannen wir den Code, werden auf die Bezahlseite weitergeleitet und sind etwas überrascht, als wir die Höhe der Gebühr sehen. 15€ werden ohne Gästekarte fällig, was etwa doppelt bis dreifach so viel ist, wie in einem richtigen Fluggebiet, wie z.B. Bassano oder unserem heimischen Tegelberg und das für diesen Minihüpfer von kaum 400 Höhenmetern. Das ist Wucher, doch wir zahlen, sind uns aber einig, dass wir hier nicht mehr hinkommen.
Ansonsten ist es ganz nett, der Wind passt, die Wiese ist perfekt zum Starten, wir sind allein, was schon ungewöhnlich ist an einem fliegbaren Samstag, weil hier sonst immer auch Flugschulen unterwegs sind. Wir richten uns her, legen die Schirme aus, Astrid startet als erste, ich folge ihr und so sind wir ganz allein in der Luft. Beim Wegfliegen sehe ich noch aus den Augenwinkeln, dass ein weiterer Mensch auf den Startplatz kommt, ein Tandempilot mit seiner Begleiterin, die wir später am Landeplatz treffen und mit denen wir ein wenig schnacken. Es ist warm, die Wiese ist trocken als wir einpacken und uns auf den Weg machen, unser Auto zu holen, wozu wir wieder etwa 150 Höhenmeter aufsteigen müssen. Bevor wir in Richtung Kronplatz weiterfahren, wollen wir noch was mit Kaffee/Kuchen und finden einen netten Hof, der so etwas anbietet. Leider gibt’s bei der Fahrt dorthin ein neues Problem: Die Motorkontrollleuchte geht an, der Motor hat keine Leistung mehr, weil er in den Notlauf gewechselt ist. Samstagnachmittag. Priml.
Bei Kaffee/Kuchen überlegen wir, wie wir damit umgehen wollen. Der Motor springt an, läuft rund und das Auto fährt erstmal noch, wenngleich es mit 3,5to im Notbetrieb ziemlich mühselig ist, irgendwo hinzukommen. Wir schaffen es bis nach Bruneck zur VW Niederlassung, doch dort ist niemand mehr. Im nächsten Schritt melden wir uns beim VW Mobilitätsservice, doch auch die ändern nichts daran, dass vor Montag sicher nix geht und auch der italienische VW Service winkt ab, als der deutsche Service dort anfragt. Wir sind zunächst auf uns allein gestellt, entscheiden, in Bruneck auf den Camperstellplatz in der Stadt zu fahren, weil wir dort besser stehen mit Dusche/WC/Strom/Ver- und Entsorgung als im Industriegebiet und ich habe auch keine Bedenken, dass das Auto das nicht schafft. Im Netz finden wir jede Menge Hints und Tipps, was das sein könnte, ganz weit vorne mit dabei bei unserem Modell ist das Abgasrückführungsventil, das Frau allerdings nicht fürs Fahren braucht. Das ist eher so ein CO2-Ding. Technisch nicht notwendig. Aber egal, wir sind in Bruneck gestrandet, vor Montag wird nix passieren, zurück über den Brenner kommen wir so auch nicht und die Erkenntnis wächst, dass es Glück war, die Arbeitssachen dabei zu haben, denn wir werden hier irgendwo ausharren müssen, bis das Auto wieder fährt. Meine Sorge ist, dass die Ursache irgendetwas Ford-spezifisches ist und Teile vielleicht nicht oder nur schwer zu beschaffen sind, denn technisch ist unser Amarok II mit den neuen Ford Ranger identisch. An diesem Samstagabend werden wir das nicht herausfinden, Umzug auf den Camperstelltplatz, Strom an die Kabine, damit entfällt das laute Zünden der Heizung in der Nacht, von dem wir immer wach werden, es gibt warme Duschen und wir können in Ruhe überlegen, was wir am nächsten Tag weiter tun wollen, heiße Dusche inklusive.
Am nächsten Morgen komme ich beim Spülen mit der Besitzerin des Stellplatzes ins Gespräch, die hier selbst putzt und alles tippi toppi in Ordnung hält. Ich wundere mich, dass bei 7 oder 8 Spülbecken nur ein Verschluss verfügbar ist und sie entgegnet, dass die Dinger genauso, wie Seife, Papier, Spüli, Föhne, Abzieher etc. ständig geklaut werden und sie nicht mit Nachkaufen nachkommen. Wirklich unglaublich, was es für Leute gibt, die sicher vom Campervolk stammen müssen, denn ohne vorher am Automat gezogene Chipkarte, kommt Frau nicht in den Sanitärbereich.
Nachdem wir soweit alles erledigt haben, was es zu tun gab, entscheiden Astrid und ich, dass wir noch die 14-15km nach Sand in Taufers weiterfahren, die Straße dorthin hat keine nennenswerten Steigungen und es gibt dort einen ziemlich feinen Campingplatz, Såndgold, der Coworkingspaces anbietet, wo wir die Kabine vom Auto abladen und autark stehen lassen können und das Auto allein in die Werkstatt kann. Nochmal alles entleeren, möglichst kein unnötiges Gewicht mit rumfahren und dann machen wir uns in Schleichfahrt auf den Weg, was kein Problem ist, denn es gibt praktisch auf der ganzen Strecke Geschwindigkeitsbeschränkungen, so dass wir nicht ernsthaft ein Hindernis sind. Und selbst wenn, auch egal. Weil wir die nächsten Tage eh nicht wirklich aus Südtirol wegkönnen und sich Ende der Woche das NOVA Hike&Fly Testival im Gsieser Tal anschließt, buchen wir den Platz für die ganze Woche, bekommen dadurch noch ein Upgrade, was die Parzelle angeht und können so bequem Kabine und Auto nebeneinander abstellen. Astrid organisiert sich für ihre Meetings ein Büro für sich allein in der Tourist-Info in Sand in Taufers, die das aktiv bewerben, und damit stellen wir 100%ige Arbeitsfähigkeit für die nächsten Tage bis das Auto repariert ist her. Wir melden unseren Standortwechsel beim VW Mobilitätsservice, der inzwischen einen Abschlepper organisiert hat und wir einigen uns darauf, dass es genügt, wenn der das Auto am Montagmorgen wieder zurück nach Bruneck bringt. Zu dem Zeitpunkt gehen wir immer noch davon aus, dass es sich um einen Garantiefall handelt und nachdem nun alles für den nächsten Tag geklärt ist, wackeln wir in die Pizzeria, die sich beim sehr nahegelegenen Schwimmbad Cascade befindet, lassen es uns dort schmecken und den Tag damit ausklingen.
Montagsmorgens meldet sich der Abschleppdienst, dem wir signalisieren, dass wir unser Auto selbst vom Campingplatz runterfahren, damit er nicht durch die Schranke muss und es zum Aufladen nicht so schwierig ist, denn der Parkplatz vor der Pizzeria, wo wir futtern gewesen sind, ist leer, liegt auf dem Weg und bietet allen Platz der Welt, um unser Auto Huckepack zu nehmen.
Der Fahrer bereitet alles vor, fährt unser Auto auf den Lastwagen und meint, der sei ja noch neu. Nun, ja, ist er. Deswegen finden wir das auch grad nicht so lustig. Astrid und ich steigen ebenfalls in den Lastwagen ein und fahren mit zur Werkstatt, um die Formalitäten erledigen zu können, was ganz schön lange dauert, denn es ist viel los im Autohaus, dass uns am Ende darüber hinaus keinen Ersatzwagen anbieten kann oder will. Wir nehmen den Bus zurück nach Sand in Taufers, was an der Stelle nicht so schlecht ist, wie sich später herausstellt, denn der öffentliche Nahverkehr ist in der Südtirol-Card inkludiert, die wir für den Aufenthalt auf dem Campingplatz bekommen haben und dann beginnen wir erstmal zu arbeiten. Am fortgeschrittenen Nachmittag ruft uns das Autohaus an, man hätte die Ursache gefunden und bereits repariert, ein kleines pelziges Tier hatte sich an diversen Kabeln zu schaffen gemacht, was zum Notlauf des Motors geführt hatte, das Auto könne am nächsten Tag abgeholt werden. Bei der Meldung fällt mir ehrlich gesagt ein Stein vom Herzen, denn alles andere hätte mein Vertrauen in die Kiste auf 0 gesenkt. All die Informationen, die wir im Internet fanden, weswegen neue Ford und VW Pickups mit dem 3-Liter-Motor liegen bleiben, die Sprüche, die uns ein paar Mansplainer in einem Wohnkabinenforum unaufgefordert an den Kopf geworfen haben, die Vorahnungen, die sich in meinem Hirn breit machten, alles das trat nicht ein. Wir waren einfach zur falschen Zeit am falschen Ort, wahrscheinlich ist es in Rodeneck auf dem Platz, auf dem wir übernachteten passiert, und die Reparatur war simpel.
Astrid arbeitet am nächsten Tag in einem Büro in der Tourist-Info, die man dort für ein kleines Geld zum Arbeiten anbietet, um dem Bedarf an ruhigen Arbeitsplätzen für die Touristen nachzukommen, die im Urlaub auch mal arbeiten müssen oder wollen. Finde ich ein cooles Konzept und habe ich so noch nicht gesehen. Am Ende des Arbeitstages setzen wir uns erneut in den Bus nach Bruneck, um unser Auto abzuholen und nachdem klar ist, dass es sich hier nicht um einen Garantie- sondern um einen Versicherungsfall handelt, bin ich ein wenig froh, dass wir keinen Ersatzwagen bekommen haben, den wir jetzt erstmal hätten selbst zahlen müssen. So ist die Rechnung sehr überschaubar, wobei wir uns wundern, dass das Abschleppen nicht mit drauf ist, denn der Fahrer hatte uns gesagt, er gebe das alles an VW, wir müssen bei ihm nichts zahlen, weswegen ich davon ausging, dass es auf der Rechnung des Autohauses erscheint. Ist aber nicht so und auch die nette Dame vom Empfang weiß dazu nichts zu sagen. Allerdings weist man uns im Autohaus darauf hin, dass es für unser Modell eine Rückrufaktion gibt, von der wir bis dahin nichts wussten und wir mussten dafür unterschreiben, dass sie uns darüber informiert haben, bevor wir vom Hof rollen. Ich mache gleich am nächsten Morgen einen Termin in der uns betreuenden Werkstatt in Kaufbeuren und wir lassen bei der Gelegenheit grad noch einen Marderschreck einbauen.
Wir haben unser Auto wieder, die Last der Ungewissheit fällt ab, es kehrt Entspannung ein, wir finden ein wenig Raum für die Freizeitgestaltung außerhalb der Arbeitszeiten, besichtigen die Rheinbachfälle, schaffen es, uns für wenigstens ein Trainingsläufchen zu motivieren und schlemmen einen Abend im Restaurant des Campingplatzes, was wirklich sehr, sehr lecker war. Meine einzige Herausforderung in den nächsten Tagen ist das leider ungesicherte WLAN, dass zwar überall in guter Stärke verfügbar ist, in das ich mich mit meinem Arbeitsrechner aber nicht einwählen kann und mir mit Hotspots über meine Mobiltelefone behelfen muss. Hat am Ende aber funktioniert, ich konnte meiner Arbeit nachgehen und auch Astrid konnte in der Tourist-Info zuverlässig ihre Termine wahrnehmen und so blieb nur noch die Frage offen, ob die Hike&Fly Days stattfinden. Eigentlich sollte uns zwecks Testschirmen eine eMail erreichen, in der wir hätten angeben können, welche Schirme wir probeweise hätten fliegen wollen, doch als Vera mitteilte, dass die Veranstaltung stattfindet, gab sie auch die Info raus, dass die Wunschliste aus organisatorischen Gründen ausfällt und man solle sich einfach samstags morgens bei Toni am Bus einfinden, er hätte reichlich Schirme dabei. Außerdem startet die Veranstaltung wegen der etwas unsicheren Föhnlage auch erst samstags und nicht schon freitags. Donnerstagsnachmittags nach der Arbeit haben wir zunächst die Herausforderung, unsere Wohnkabine in der freien Wildbahn wieder auf die Ladefläche zu bekommen. Wir doktern über eine Stunde rum, um die Kabine auf ihren dünnen Stelzen erst wieder auf eine ausreichende Höhe zu hieven, um sie unterfahren zu können, was sich als nicht so einfach entpuppt, denn ohne die durch den Futtertisch im Stall vorgegebene Richtung, die wir sonst zur Verfügung haben, das Auto wirklich gerade unter die Kabine zu fahren, ist nicht so einfach. Kleine Abweichungen von wenigen Millimetern sorgen dafür, dass die Füße nicht in die Rillen auf der Ladefläche finden und die Kabine nicht parallel zum Auto aufsitzt. Die nächste Herausforderung besteht darin, soweit unter die Kabine zu fahren, dass der Moosgummi NACH dem Ablassen sauber rundum an das Fahrerinnenhaus dicht anschließt. Dadurch, dass Frau nicht alle 4 Stützen gleichzeitig rauf- oder runterdrehen kann, sondern wir zu zweit immer nur entweder vorne oder hinten gleichzeitig heben oder senken können, macht die Kabine jedes Mal eine relative Bewegung zum Fahrzeug, selbst, wenn die Füße vorne oder hinten schon auf der Ladefläche stehen. Das im Herstellervideo dargestellte „Schieben“ der Box auf dem Auto funktioniert dann nicht, wenn die Ladefläche, so wie bei uns, beschichtet ist und außerdem ist die Box immer mindestens 800kg schwer. Es bleibt nur, sauber drunterfahren und sehr koordiniert an den Stützen drehen. Aber, wie gesagt, nach über einer Stunde Gewurschtel mit rauf, runter, vor, zurück, war der Moosgummi auf einer Seite immer noch einen guten halben Zentimeter von der Karosserie weg und wir beschlossen, wie Gott am siebten Tag, scheiß drauf, wir lassen das jetzt so. Wenn die Kabine tatsächlich beim Fahren „schlagen“ sollte, müssen wir eben nochmal ran, jetzt haben wir keine Nerven mehr dafür. Schauen wir lieber, ob wir am nächsten Tag, freitags, am Kronplatz fliegen können. Dazu ist es nötig, sich die Druckdifferenzen genau anzusehen, denn Vera hatte ja schon darauf hingewiesen, dass Föhn ein Thema ist und wir stellen fest, dass die Prognose an der Stelle eher moderat ist und es am fortgeschrittenen Nachmittag bis etwa 3hPa geben kann. Das ist nach der Definition eigentlich noch kein Föhn, doch auf der Südseite agieren wir in diesen Dingen sehr vorsichtig, zumal der Kronplatz am südlichen Ende einer Talschneise liegt, durch die so ein Nordföhn auch mal schnell bis auf den Boden durchbrechen kann. Das möchten wir unterm Schirm hängend nicht erleben. Wir werden das am nächsten Morgen nochmal überprüfen, doch im Moment schaut es so aus, dass ab etwa Mittag Thermik da sein könnte und wenn wir bis spätestens 15 Uhr gelandet sind, müssten wir in Sachen Föhn save sein. Wir kontaktieren Steph, die ebenfalls zum Hike&Fly Testival kommen möchte und sie ist mit Flo und Luc auch bereits auf dem Weg, wir werden sie am nächsten Tag am Kronplatz treffen, denn sie haben sich ebenfalls überlegt, dort zu fliegen.
Freitag, wir haben keine Eile, frühstücken in Ruhe, machen uns abfahrbereit, füllen unseren Wassertank auf, leeren die Toilette und den Grauwassertank, denn wir werden die nächsten 3 Tage wieder autark stehen, bevor wir den Platz bezahlen und uns auf den Weg zum Parkplatz Reischach am Kronplatz machen, wo wir Steph und ihre Leute treffen und wo auch gleich der Landeplatz ist. Ich freue mich auf Steph, die wir vom XC Seminar im Mai und vom women-only Sicherheitstraining Anfang September kennen und ich bin sehr gespannt auf Flo, ihren Partner, und auf ihren gemeinsamen Freund Luc.
Eine kleine Überraschung bei der Einfahrt auf den Parkplatz: Telepass wird unterstützt und unsere Bip&Go Box gibt Laut zum Zeichen, dass wir einfach einfahren und später ausfahren können, die Abrechnung läuft über die hinterlegte Zahlmethode bei Bip&Go. Wie praktisch. Der Platz ist fast leer, am Rand entlang zum Landeplatz hin haben offensichtlich ein paar Camper für die Nacht gehalten, so auch Steph und Flo, die am späten Abend angekommen sind. Herzliche Begrüßung, kleine Vorstellungsrunde und dann richten wir auch schon unsere Flugzeuge her, denn wir wollen schließlich gemeinsam fliegen. Luc ist noch nicht da, doch er wird etwas später zu uns stoßen.
Während wir uns fertig machen, taucht Ingo aus Berlin auf, der noch einen Spezl Christian dabei hat. Wir kennen ihn von den letzten Nova Hike&Fly Days Anfang September 23 (die Geschichte ist hier zu finden) und sie wollen hier heute auch ein paar Flüge machen. Witzig.
An der Kasse der Seilbahn stutze ich zunächst, denn die Preise explodieren weiter. 30€ für eine einfache Auffahrt empfinde ich als sehr teuer und ich glaube mich zu erinnern, dass es im Januar als wir das letzte Mal hier gewesen sind, ein paar Euro weniger gewesen sind. Ab zwei Auffahrten würde sich die Tageskarte lohnen, doch in mir wehrt sich mein innerer Monk, diesen Wucher zu unterstützen und außerdem wissen wir gar nicht, ob eine zweite Fahrt wegen des Föhns und der uns nicht bekannten Flugzeit im ersten Flug überhaupt Sinn ergibt. Kurze Besprechung, wir sind uns einig, dass wir mit einer Auffahrt erstmal genug haben. Sollte es ein zweiter Flug werden, dann fallen die paar Euro, die es im Vergleich zur Tageskarte mit Einzelfahrten mehr kostet, ehrlich gesagt auch nicht mehr ins Gewicht. Und ein dritter Flug wird es sicher nicht werden. Einsteigen, die Fahrt genießen, die Pilot:innen in der Luft beobachten, wie es ums Steigen so steht, damit wir einen Eindruck gewinnen, ob sofort starten eine Option ist, oder ob wir noch etwas warten können. Oben aus der Gondel gefallen, gehen wir zum Nordwest-Startplatz, um einen Eindruck vom Wind zu bekommen, der dort tatsächlich sehr gut passt. Andere haben wir beobachtet, die auf Nord starten, doch der Startplatz hat die Eigenschaft, dass mitten im Abflug eine Schneekanone steht, und wenn ich dort nicht starten muss, weil der Wind sonst nirgendwo passt, tue ich es nicht.
Aber Nordwest ist super, dort ist Platz, es gibt eine ordentliche Windfahne, wir können mehrere Schirme nebeneinander auslegen. Ein weiterer Teilnehmer der Nova Hike&Fly Days, Michael, spricht uns an, denn er hat uns von der letzten Veranstaltung an der Plose wiedererkannt und hat sich ebenfalls dazu entschlossen, das Wochenende hier zu starten. Allerdings war er etwas fleißiger als wir und ist die gut 1300 Höhenmeter zu Fuß hochgekommen. Sind ja schließlich Hike&Fly Days, meint er.
Als erstes unterstützt Astrid Christian als Ingo uns darüber informiert, dass Christian noch nie an so einem hohen Startplatz gestartet ist. Naja, ich frage mich, was das für einen Unterschied macht, ob ich am 300m Grashügel starte oder am 1300m Grashügel. Wenn der Wind passt, und das tut er hier, ist Starten Starten. Ingo macht sich derweil selbst fertig, er hat einen neuen Niviuk-Schirm dabei, und so sind die beiden dann schonmal weg.
Astrid und ich stimmen uns kurz ab, wir machen uns nun ebenfalls fertig, mit Funkgerät, ich hatte es in der letzten Geschichte erwähnt, ein echter Gamechanger mit dem Finger-PTT. Gegen 12:30Uhr ziehe ich auf und fliege raus. Die Luft ist nicht ruhig, das merke ich sofort, sehr kleinräumiges Steigen, bisschen blubberig, doch so richtig hoch geht’s nicht, weswegen ich nach dem Starten gar nicht lange rumsuche, sondern zunächst nach Norden über die vorgelagerte Rippe steuere, um dann an dieser Kante, bei deren Überquerung ich schonmal auf der Seite bin, von wo aus ich den Landeplatz entspannt erreichen kann, nochmal ein wenig suche. Dabei kommt jedoch nix raus, ganz im Gegenteil, obwohl ich auf der Luv-Seite der Rippe fliege, habe ich starkes Sinken von bis zu 5m/s. Das ist nicht fein. Ich biege dorthin ab, wo die Sonne besser auf die Hänge kommt, doch auch dort geht (noch) nichts. Wird demnach ein Gleitflug. Der große relative Höhenunterschied sorgt trotzdem für eine relativ lange Airtime. Ich fliege in die Ebene hinaus und überlege kurz, ob ich über den freien Flächen zwischen den Ortschaften ein wenig trainieren soll, Spirale, Ohren anlegen, Rollen oder sowas, ich entscheide mich jedoch dagegen, weil ich damit schnell viel Höhe verliere und eigentlich möchte ich einfach den Flug genießen. Zwischendurch funke ich meine Erlebnisse auf meinem Flugweg an Astrid, die mit etwas Verzögerung hinter mir herkommt, vielleicht hilft es ihr bei ihren Entscheidungen. Als ich mich über Reischach befinde, mich bereits mit meiner Landeeinteilung beschäftige und gar nicht mehr so viel Höhe hab‘, erwische ich doch noch ein wenig Thermik und beginne zu kreisen. Noch ein Novum bei diesem Flug: Astrid und ich haben nun ein kleines Cockpit vor uns installiert, das ins Gurtzeug eingehängt ist und neben dem Vario Platz für weitere Gerätschaften bietet. So kommt’s, dass ich das erste Mal mit der BurnAir Go App fliege, die mir über Farben anzeigt, wo ich Steigen oder Sinken hab‘ auf meiner Spur. Das macht das Zentrieren von Thermiken etwas einfacher, weil es eine optische Unterstützung bietet, die ich vorher so nicht hatte, denn für den Thermikassistenten, den mein Skytraxx bietet, steigt es zu wenig, weswegen er sich nicht anschaltet. Tolle Sache.
Astrid hat derweil an anderes sehr amüsantes Erlebnis mit ihrem neuen Setup, denn auch sie hat ihr Smartphone per Klett aufs Cockpit gepinnt und bekommt auf dem Flug einen WhatsApp-Anruf von ihrer Schwester. Klick, angenommen. Kurz Verwirrung bei ihrer Schwester, die von unten in den Schirm hineinschaut und erst als Astrid sich übers Cockpit beugt und so ins Bild rückt, löst sich das auf und sie quatschen ein wenig.
In der Zwischenzeit hab‘ ich ein paar Kreise gemacht, konnte mich ein paar Minuten halten, wirklich hoch ging’s dabei jedoch nicht und ich entscheide mich fürs Landen. Am Boden ist es praktisch windstill und im Prinzip egal, von welcher Seite aus Frau in den Endanflug geht, ein Pilot vor mir, er ist tatsächlich ein Pilot und keine Pilotin, gibt mir dann aber irgendwie die Richtung vor, denn es ergibt keinen Sinn, gegen seinen Endanflug reinzukommen, also fliege ich ihm hinterher und -was soll ich sagen- seit ich beim Sicherheitstraining in meiner Landung ein Timingproblem entdeckte und aktiv daran arbeitete, gelingen meine Landungen deutlich besser und ich bin seither nicht mehr auf dem Popo gelandet, sondern setze meist sanft, so wie jetzt, auf. Freut mich sehr, denn eine verkackte Landung lässt in meiner Wahrnehmung immer auch ein G’schmäckle für den ganzen Flug zurück. Kurz hinter mir landet Flo und wir suchen ein Sonnenfleckchen, wo die Wiese trocken ist, um unser Zeug abzulegen und es dauert nicht lange, als auch Astrid und Steph eintrudeln. Ihr Freund Luc ist ebenfalls in der Luft, wie ich lerne, aber es könnte noch dauern, bis er unten ist. Wir schnacken derweil, tauschen uns zum Flug aus, packen zusammen und beobachten dabei, was sich so am Himmel bezüglich der Wolken tut. Es gibt einen bestimmten Wolkentyp, der eindeutig auf Föhnaktivität hindeutet, sogenannte Lenticularis, und siehe da, es sind vereinzelt welche zu erkennen. Für mich ist das ein klares Zeichen, nicht nochmal zu starten, wenngleich der Himmel sich weiter mit Gleitschirmen füllt und wir (leider) auch erkennen, dass die Luft nun besser trägt und die ersten richtig weit aufdrehen. Eine zweischneidige Sache, denn von unten ist nicht so ohne Weiteres zu erkennen, ob die Menschen oben Spaß oder Stress haben. Ingo, der inzwischen ebenfalls gelandet ist, unterhält sich kurz mit einem lokalen Tandempiloten, der ganz entspannt meint, Föhn sei heute kein Thema, man könne in Ruhe bis am späten Nachmittag fliegen. Für Ingo und Christian das Signal mindestens noch einmal hochzufahren, was sie auch tun.
Wir hingegen entscheiden uns für Kaffee und Kekse in der Sonne, wozu sich auch Luc hinzugesellt als er gelandet ist. Eine gute Zeit, um ein wenig auf der Handpan zu spielen, nachdem ich mich versichert hatte, dass das für alle in Ordnung ist. Luc springt daraufhin von seinem Stühlchen hoch, verschwindet kurz an seinem Auto und kommt mit einer Violine zurück. Oh, was für eine Überraschung. Handpan und Violine, da bin ich gespannt. Ich meine, ich kann ja eigentlich nicht viel spielen und bin auch im Tonumfang mit 9 Böppeln ziemlich eingeschränkt, doch die Violine hat prinzipiell ein sehr großes Spektrum von etwa G3 bis E7 im gestimmten Zustand, was etwa 4 ganzen Oktaven entspricht. Für so ein kleines Instrument ist das eine Menge. Ich klimpere mein erstes Muster vor mich hin, Luc improvisiert hinein und was soll ich sagen, mir haut’s das Blech raus, so fantastisch klingt das zusammen und ich habe Mühe, meine Begeisterung soweit unter Kontrolle zu bringen, dass ich weiterspielen kann. Hätte ich nie gedacht, einfach wunderschön, selbst wenn es so spontan geflickschustert ist.
Ob fliegen unter den Bedingungen gut ist, besprechen wir ein paar Mal an diesem Nachmittag, es sind einige Schirme in der Luft, manche sind recht hoch, die meisten halten sich jedoch nach wie vor nicht, die Lenticularis Wolken verziehen sich praktisch ganz und ja, wahrscheinlich wäre sich ein zweiter Flug ausgegangen, ohne sich in Gefahr zu bringen. Hinterher wissen das immer alle. Ich bin mit der Entscheidung, es nach dem ersten Flug gut sein zu lassen, nach wie vor konform und bereue nichts. Das Gsieser Tal ruft. Flo ist noch etwas unterbelastet und möchte vom Kronplatz aus mit dem Gravelbike fahren, wohingegen wir alle das Auto nehmen und unterwegs noch die für die nächsten Tage nötigen Besorgungen machen, denn im Gsieser Tal ist’s mit Einkaufen nicht so weit her. Laut Park4Night App soll Frau auf dem Parkplatz am Talschluss gegen die übliche Tagesparkgebühr mit dem Camper stehen dürfen, doch als wir dort eintreffen, erkenne ich den Fehler sofort. An diesem Wochenende ist schon wieder Almabtrieb, den wir vergangenes Jahr bereits erleben mussten. Der eigentlich fürs Übernachten gut geeignete Schotterplatz ist mit einem riesigen Festzelt belegt, die Wege sind mit Gittern abgetrennt, damit die Kühe am nächsten Tag in der Spur bleiben und Platz ist eigentlich nur noch auf einem kleinen PKW Parkplatz mit ordentlicher Schräglage und viel zu kurzen Buchten. Ich ahne Böses.
Mangels Alternative stellen wir uns rein, rücken unseren Pickup so, dass wir mit zwei Keilen unterm rechten Hinterrad wenigstens so weit nach oben kommen, dass die Liegefläche keine Rutschbahn ist. Mit unserem Heck hängen wir allerdings deutlich in die Fahrspur rein. Man kommt nur an uns vorbei, weil die Parkplätze gegenüber alle leer sind. Taugt mir überhaupt nicht und auch nicht, dass wir so ultimativ nah am Festzelt stehen müssen, wo am nächsten Tag 100%ig die angesoffenen Typen rausfallen, um ihre Blasen auf den umliegenden Wiesen zu entleeren, denn so etwas, wie Toiletten in ausreichender Zahl gibt’s nicht. Ganz zu schweigen von dem zu erwartenden Lärmpegel. Nach der Erfahrung, die wir ein paar Tage vorher in Rodeneck machen mussten, halte ich es auch nicht für unwahrscheinlich, dass diese Veranstaltung eine Naziparade wird. Ich habe zu diesem Zeitpunkt für mich bereits beschlossen, dass ich nicht nochmal an den Nova Hike&Fly Days teilnehme, wenn das erneut an so einem Wochenende stattfinden sollte. Aber für den Moment können wir nichts an der Situation verändern. Heute hat keine von uns mehr Lust, sich an den Herd zu stellen und so ziehen wir mit den anderen dreien los, uns etwas zu futtern zu suchen und landen in der Moosalm, deren Bedienung mich zunächst anmacht, ob wir denn reserviert hätten, normalerweise ginge es nicht ohne. Ich stutze, der Laden ist praktisch leer, und verneine, wir haben keine Reservation, dafür aber Hunger. Ausnahmsweise dürfen wir bleiben, wie großzügig, und werden von ihr an einen Tisch im fast leeren Nebenraum geführt. Nur ein einziges Paar sitzt ansonsten in diesem Raum beim Essen. Diese Dreistigkeit ist irgendwie erstaunlich und wenn es eine Chance gegeben hätte, ohne fahren zu müssen woanders was zu bekommen, wäre ich grad wieder gegangen. Wenigstens hat die Gutste dann im Verlauf des Abends die Kurve gekriegt, wurde etwas freundlicher und das Essen war überraschend gut.
Samstagmorgen um 8Uhr starten die Nova Hike&Fly Days am Gasthof Hofmann mit Schirmausgabe durch Vera und Toni, zu der wir uns zu Fuß auf den Weg machen. Entgegen unserer ersten Teilnahme vor zwei Jahren, hatte ich mir dieses Mal überlegt, tatsächlich mal einen Schirm eines anderen Herstellers zu fliegen, was ich mich damals ehrlich gesagt nicht traute. Mit dem Nova Modell ION 7 light hatten wir uns im Vorfeld schon beschäftigt, da er als Low-B eine Alternative für den Epsilon von Advance gewesen wäre bevor uns der Theta über den Weg lief. In meiner Gewichtsklasse sind jedoch nur zwei Schirme da gewesen und weil ich nicht vor hatte, einen neuen Schirm zu kaufen, überlies ich die zwei anderen Menschen, die wirklich Interesse an einem Kauf signalisierten und verzichtete auf einen Testflug. Astrid hingegen hat einen ION 7 light in ihrer Größe bekommen und wird ihn heute fliegen. Das erste Ziel ist der Startplatz am Fellhorn. Ein Mensch vom lokalen Club, ich glaube Tobias, hat darauf hingewiesen, dass heute ab etwa 14 Uhr Almabtrieb ist und wir auf keinen Fall die Kuhherden nah überfliegen sollen. Zum Landen solle nicht der reguläre Landeplatz benutzt werden, sondern die lange Wiese zwischen Moosalm und dem Hotel am Talschluss. Fand ich gut, denn die reguläre Landewiese hängt in zwei Richtungen schief, was das Landen in egal welche Richtung nicht angenehm macht. Während wir fünf erst wieder zu unseren Campern müssen, um unsere Fliegesachen zu holen, gute 20 Minuten zu Fuß, geht die Gruppe um die Menschen vom lokalen Club direkt am Gasthof los. Um nicht wieder bis runter ins Dorf latschen zu müssen, um zum Fellhorn zu kommen, wählen wir später einen anderen Weg und kommen von Norden zum Gipfel hoch, wohingegen die Hauptgruppe von Süden raufkommt. Ich habe meine „schwere“ Ausrüstung mit Easiness 4 und Theta dabei, denn es könnte laut Prognose tragen. Ein längerer Flug ist nicht unwahrscheinlich, die Osthänge des Fellhorns, die ins Tal hineinzeigen, sind seit Stunden von der Sonne beschienen, doch da rauf zu kommen, gestaltet sich ein klein wenig zäh mit dem schweren Rucksack, den selbstredend auch alle anderen zu tragen haben. Mit kleineren Pausen dazwischen brauchen wir gute drei Stunden für die knapp 1100 Höhenmeter, was am Ende des Tages unter diesen Bedingungen gar nicht so schlecht ist, uns aber ein wenig geschafft hat. Das Erste, was ich oben höre, als wir eintreffen und die große Gruppe schon da ist, die ersten schon gestartet sind, ist, dass wir uns nicht mehr so lange Zeit lassen sollen, weil der überregionale Nordwind ziemlich unangenehm werden könne, so Tobias vom Club. Ich behalte es im Hinterkopf, lasse mich aber deswegen nicht aus der Ruhe bringen, wir brauchen ein Gipfelfoto mit der Kilometerhelden- und Regenbogenfahne und Manni. Anschließend inspizieren wir die verschiedenen Startplätze, um herauszufinden, wo es uns am besten taugt nachher aufzuziehen, dann schnacken wir mal in Ruhe ein wenig mit Vera und beginnen dann damit, uns fürs Fliegen herzurichten. Einer Pilotin sehe ich dabei die ganze Zeit zu, wie sie unter Anleitung einer zweiten Person versucht, ihren Schirm über sich zu bekommen und zu starten. Ob sie zum Testival gehört, weiß ich gar nicht, aber es war ein rechtes Schauspiel, denn es machte den Eindruck, als hinge sie das erste Mal an so einem Ding. Es hat viele, viele Versuche gebraucht, bis sie tatsächlich bald eine halbe Stunde später abgehoben ist und ich fragte mich sofort, ob sie überhaupt weiß, wo sie hinfliegen soll und wie landen geht. Aber not my business.
Mir fällt auf, dass der Startplatz am Fellhorn mit etwa 2519m wahrscheinlich unser bisher höchstgelegener Startplatz ist. Nur so nebenbei bemerkt und mit Vera sprachen wir kurz über eine Idee für eine Doku, denn sie findet, die Geschichte von Astrid und mir sei erzählenswert. Wir müssen mal drüber nachdenken, welches Format sich eignet, wie der Inhalt gestaltet werden kann und wie wir für mehr queere Sichtbarkeit sorgen, ohne Aufdringlich zu wirken.
Nachdem Flo und Luc gestartet sind, legen Astrid und ich an deren Plätzen aus. Mein erster Versuch rückwärts zu starten, ging schief, weil sich mein Schirm auf dem ziemlich steinigen Untergrund beim Aufziehen mit einem Ohr festgehängt hat. Der zweite Versuch war dann perfekt. Ich fliege raus, suche Steigen. Astrid hat ein paar Themen mit dem ION 7, denn der muss zum Starten fast überredet werden, was wir von unseren Advance Schirmen nicht kennen. Deswegen geht auch ihr erster Versuch schief. Beim zweiten Anlauf führt sie die Kappe wie einen Traktor konsequent hoch und dann klappt’s, sie kommt ebenfalls raus.
Insgesamt beschreibt sie später das Fliegen mit dem ION 7 light als etwas schwerfällig im Vergleich zum Theta, doch ansonsten ist’s ein solider Schirm mit einer hohen passiven Sicherheit und wenn wir den Theta nicht kennen würden, hätten wir uns vielleicht sogar damals für den ION entschieden, der überdies von den zugelassenen Bereichen bezüglich Startgewicht besser zu mir passen würde. Viel Thermik und Soaren ist ansonsten wenig. An der einen oder anderen Stelle auf dem Weg zum Landeplatz gelingt es mir, mich kurz zu halten, netto geht’s aber nur runter. Wir sind eindeutig zu früh gestartet und nach etwas mehr als zwanzig Minuten setze ich auf der Wiese vor der Moosalm sanft auf. Die Landung auf dem langen Wiesenstück war super und weil sich in meinem Kopf irgendwie breitgemacht hat, dass ein zweiter Flug selbstredend nicht geht, weil ich nicht nochmal soweit hochlaufen kann, schloss ich innerlich mit Fliegen für den Tag ab. Zusammenpacken, chillen und quatschen auf dem Landeplatz mit noch mehr Menschen, die wir von vorangegangenen Testivals kennen, lassen den Nachmittag dahingleiten. Wir ziehen mit ein paar Leuten zu den Campern um, denn dort gibt’s Kaffee und Kekse, als ich lerne, dass vom lokalen Club Auffahrten zur Uwaldalm organisiert werden und wer möchte, kann eventuell einen zweiten Flug machen. Als Taxi für die Auffahrten dient ein alter Geländewagen mit Gitterbox fürs Gepäck auf dem Dach. Zunächst ist die Rede von maximal zwei Fahrten, was die Menge der Teilnehmenden einschränkt und weswegen Vera darum bittet, dass jenen der Vortritt gelassen wird, die tatsächlich Schirme testen wollen.
Astrid und ich wollen zwar auch nochmal fliegen, doch im Kontext der eigentlichen Veranstaltung lassen wir natürlich den Menschen den Vortritt, die es betrifft und sich in einer Findungsphase für eine Kaufentscheidung befinden. Wenig verwunderlich gibt es allerdings auch jene, alle männlich identifiziert, denen das egal ist, die die wenigen Plätze okkupieren, auch wenn sie mit ihren eigenen Niviuk und Advance Flügeln fliegen. Nicht alle Männer aber immer ein Mann.
Ganz am Schluss tut sich dank Vera doch noch eine Mitfahrgelegenheit nach oben auf und -wundert mich wieder nicht- im letzten Auto sitzen nur noch Frauen. Bis auf Tobias natürlich, der fährt und damit selbst auf einen Flug verzichtet. Von der Uwaldalm geht’s nochmal etwa 200 Höhenmeter zu Fuß zum Startplatz rauf, womit wir für heute fast die 1400 Höhenmeter erreichen, der Wind steht super und die letzten 4 Frauen legen aus, die Sonne nähert sich bereits den Bergflanken. Steph fliegt als erste weg, dann ziehe ich rückwärts auf, bremse allerdings zu spät zu wenig an, der Schirm kommt zu weit nach vorne und beim Ausdrehen stolpere ich dann auch noch über irgendetwas und im Umfallen breche ich in der Folge aktiv den Start ab, bevor der startbereite Schirm blöde Dinge tut. So ist erstmal nix passiert, ich raffe meinen Schirm zusammen, steige wieder ein paar Meter rauf, lege mit dem Wind neu aus und beim zweiten Versuch mache ich es dann besser und fliege raus. Steph ist relativ schnell weg, während ich versuche, mich so gut es geht am Starthang zu halten, bis Vera und Astrid auch gestartet sind. Astrids erster Versuch, rückwärts aufzuziehen geht ebenfalls in die Hose. Wir haben da eine Baustelle, weil die Routine fehlt. Beim zweiten Versuch startet sie sauber vorwärts. Der Flug ist ganz schön rumpelig, später im Föhndiagramm ist zu erkennen, warum das so war, denn die Druckdifferenzen lagen um die -3hPa, doch wir konnten uns etwa eine halbe Stunde oben halten. Hinzu kam, dass die Schattengrenze während des Fluges immer weiter den Berg hinauf wanderte und unten der Talwind durch den abendlichen Bergwind abgelöst wurde, so dass ich meine Landeeinteilung im Vergleich zum ersten Flug vom Fellhorn anpassen musste. Dabei lernte ich, dass quer über die Landewiese ein Zaun verläuft, der mir bis dahin gar nicht aufgefallen war. Aus der Luft zu erkennen nur an winzigen weißen Kunststoffpfosten. So musste ich im Endanflug nochmal kurz die Füße hochheben bevor ich sanft im Gras zum Stehen kam.
Für den Abend ist ein gemeinsames Abendessen im Gasthof Hofmann geplant, doch Vera erklärt, dass die eigentlich schon im Wintermodus sind, die Küche zu ist und sie „nur“ Nudeln mit Soße für alle anbieten können. Das macht mich jetzt nicht so an und damit bin ich nicht allein, denn Steph und Flo organisierten, ohne uns zu fragen, für uns fünf einen Tisch in den Reia Stubm, weil auch sie zum einen wenig Lust auf Nudeln mit Soße hatten und zum anderen auf die Gesellschaft mancher Piloten und ich verwende hier absichtlich das Maskulinum. Wir starten den Abend mit einem Bier im Stehen am Festzelt, in dessen Innerem noch moderat laute Volksmusik zu hören ist, bevor wir zu Fuß gute 20 Minuten an den Anfang des Dorfs runtergehen, wo sich der sehr schöne Gasthof befindet und wo wir sehr, sehr lecker Essen und die Servicekraft äußerst aufmerksam und zuvorkommend ist.
Auf dem Heimweg folgt uns der Hund des Restaurants bis fast zu unseren Campern und es ist nicht zu überhören, dass die Lautstärke der Musik deutlich zugelegt hat. Vom Hund ist irgendwann nix mehr zu sehen, ich schätze, er geht häufiger alleine Gassi und wir krabbeln ins Bettchen, doch an Schlaf ist überhaupt nicht zu denken, die Kabine wirkt wie ein Resonanzkörper. Als die Blaskapelle gegen 23 Uhr einstellt, schließt sich ein DJ an und die bis dahin einfach nur laute Musik wird durch unglaublich lauten und durchdringenden Bass mit Beats jenseits der 180 ersetzt. Er wummert durch die ganze Kabine, dass sie vibriert, was uns bis nach 2 Uhr in der Nacht grausam wach hält. Das Ganze ist schlicht unerträglich. Ich denke darüber nach wegzufahren, doch die Schranken sind mit Absperrgittern verstellt, die zur Not gerückt werden könnten, das Ticket zum Ausfahren müsste gezahlt werden, es friert draußen und dann ist die Frage, wohin fahren? Es gibt im ganzen Tal keinen Platz, an dem wir legal stehen könnten. Ungewiss, wie lang der Scheiß andauert, harren wir aus. An der Stelle beschließe ich, nicht mehr hierher zu fahren, wenn irgendwelche Feste angekündigt sind, was für die nächsten Nova Hike&Fly Days ziemlich wahrscheinlich zutrifft. Letztes Jahr waren wir am gleichen Wochenende in einer FeWo in der Nähe des Talschlusses, wo der Lärm nicht ganz so aufgefallen ist. Direkt daneben war es unerträglich und, ehrlich gesagt, wartete ich darauf, dass die Masse in irgendwelche rechtsextremen Beiträge abgleitet und wartete gespannt, was passiert, wenn die Musik zu Ende ist. Nicht unwahrscheinlich, dass angesoffene Faschistengruppen sich noch ein wenig Luft verschaffen müssen und auf die ausländischen Camper losgehen, so, wie wir das in Rodeneck erleben mussten. Zum Glück blieben wir wenigstens davor verschont.
Nach einer sehr kurzen Nacht bringt Astrid ihren geliehenen ION 7 light morgens zurück, sie möchte heute lieber wieder ihren Theta fliegen. Taugt ihr eindeutig mehr und leichter als der ION ist er auch, denn heute wollen wir zum Startplatz Durra aufsteigen, was wieder etwa 950 Höhenmeter mit dem schweren Gepäck bedeutet. Als Astrid zurück ist und unsere Flugzeuge für den Abmarsch gepackt sind, entscheiden wir uns noch dazu, den Camper umzuparken, denn die Parkplätze, wo wir standen, werden heute wieder für PKWs freigegeben, sind für uns zu klein und wir somit ziemlich wahrscheinlich ein Hindernis. Ein Teil des Platzes, auf dem das Festzelt steht, ist leer und wir können mit dem Heck über Wiese fahren und stehen so nicht über. Warum auch immer sind alle Schranken an den Ein- und Ausfahrten offen und ich komme vom Parkplatz ohne zu zahlen runter und auf den anderen ohne neues Ticket drauf. Wir überlegen noch, ob das ein Problem ist und Astrid versucht sogar, ein neues Ticket zu bekommen, doch die Automaten scheinen alle ausgeschaltet zu sein. Na dann, nicht. Wenn sie die Leute ohne Ticket drauflassen, können sie später nicht die Hand aufhalten und wir beobachten zusätzlich, dass es auch den Wandernden so geht, die eintrudeln. Im Festzelt geht der Frühschoppen los als wir uns auf den Weg machen. Auch Steph hat ihren Camper umgestellt, weil der ebenfalls recht lang ist.
Die Gruppe um die Locals ist bereits losgegangen, wir werden wieder einen etwas anderen Weg nehmen und gerade als wir am Kreisverkehr im Talschluss entlang wackeln, hält ein weiterer Pilot des Clubs mit seinem Auto neben uns und möchte unbedingt, dass wir alle einsteigen und er uns soweit es geht, also bis zum oberen Ende des kleinen Dorflifts, mit dem Auto mitnimmt. Im kleinen Kombi sitzen sie schon zu zweit und wir sind fünf plus natürlich 5 große Rucksäcke. Der etwas herausfordernde Plan, dass wir alle mitfahren, geht nicht auf, doch wir arrangieren uns so, dass zwei von uns mitfahren und wenigstens alle Rucksäcke mitgenommen werden, was immerhin fast 300 Höhenmeter weniger tragen bedeutet. Die Geste und die Entschlossenheit und Zuversicht, dass sein Plan aufgeht, ist auf jeden Fall witzig. Ohne Gepäck bergauf gehen zu können, ist ein gewaltiger Unterschied, so schaffen Astrid, Flo und ich die Strecke zu unseren Rucksäcken in weniger als einer halben Stunde, sind fast doppelt so schnell, wie mit dem Flugzeug auf dem Rücken, doch ab der kleinen Skilifthütte, wo wir unser Gepäck aufnehmen, machen wir dann wieder ein bisschen gemütlicher. Die Höhenmeter vom Vortag stecken noch in meinen Beinchen und es gibt überdies keinen Grund, sich über die Maßen zu beeilen, die Windverhältnisse sind moderater, Chancen auf Thermik wird es erst ab Mittag geben und ich wäre nicht traurig, wenn bereits welche gestartet wären, wenn wir oben ankommen und wir besser einschätzen können, ab wann starten sinnvoll ist. Durra ist ein toller Startplatz, wir erreichen ihn mit allen kurzen Pausen nach rund 900 Höhenmetern in etwas mehr als zwei Stunden, was mich ob unseres Tempos ein wenig überrascht. Gar nicht soooo schlecht. Auch dieser Startplatz liegt mit fast 2400m deutlich über der Baumgrenze, es gibt nur noch Gräser und vereinzelt ein paar niedrige Sträucher und bis vor kurzem haben hier auch Kühe gewohnt, wie unschwer zu erkennen ist. Trockenlegen, was essen und trinken, dann schauen wir uns die Startwiese etwas genauer an, wo Auslegen sinnvoll ist, ob es sonst irgendetwas gibt, worauf wir achten müssen, aber die Wiese ist lieb, es gibt nur wenige Felsen und fein zum Starten.
Zurück am Rucksack höre ich von einem der TeilnehmER den Spruch: „Frauen dürfen ja eh alles.“ Den ganzen Kontext habe ich leider verpasst, doch egal wie, dieser Spruch ist dämlich und spiegelt typischerweise eine Täter-Opfer-Umkehr wider, so ähnlich wie „Man darf ja nichts mehr sagen.“ Ich drehe mich zu dem Kerl um und gebe zur Antwort: „ja, solange es dem weißen Patriarchat in den Kram passt.“ und wende mich ab und meinen Startvorbereitungen wieder zu. Mit dieser Sorte Männer möchte ich meine Zeit nicht verplempern. Sie sind der Grund dafür, warum ich im Leben keinen Kurs und kein Sicherheitstraining mehr in gemischten Gruppen machen möchte.
Das Wichtige heute ist, dass wir noch einen schönen Flug machen, bevor wir nach Hause müssen und das gelingt auch, obwohl ich es als einigermaßen herausfordernd empfinde. Mein Rückwärtsstart läuft super, ich komme gut raus, anschließend wird’s dann allerdings ganz schön bumpy, ich habe gut zu tun, die Kappe offen zu halten. Astrid kommt ebenfalls gut raus, wir haben Funk dabei und quatschen wieder recht viel. Sie trifft es irgendwie besser als ich, fliegt weit über mir, während ich unten an den Bäumen entlang kratze und sehr nahe am Aufgeben bin. Doch dann geht’s einmal auch bei mir soweit hoch, dass ich sogar den Startplatz überhöhe und wir uns dazu entscheiden, über das Tal rüber zur Uwaldalm zu fliegen und dort nochmal zu schauen, ob was geht. Tut’s nicht. Wir landen danach, waren aber etwa 45 Minuten in der Luft und sind ein feines FAI Dreieck geflogen. Landung war wieder super. Ich habe das Gefühl, dass meine Landungen nun konstant besser funktionieren, auch bei wenig bis Null Wind, was wir hier auch hatten. Keine Arschlandungen mehr, immer auf den Füßen aufgekommen.
Beim Überfliegen des Parkplatzes kurz vorher sehe ich, dass wir wahrscheinlich zugeparkt sind. Die Durchfahrt, die wir morgens nehmen konnten, ist von Autos blockiert. Da bin ich mal gespannt.
Auch Vera und Flo landen etwa gleichzeitig mit uns und der unerwartet lange Flug macht uns ein wenig Druck in den Socken, denn wir haben verstanden, dass es eine kleine Chance auf unseren Stammgasthof am Abend gibt. Wir verabschieden uns von den beiden herzlich, Steph und Luc sind noch in der Luft, dann wackeln wir zum Parkplatz, wo wir feststellen, dass wir schon runterfahren können, aber nur mit Gezirkel, weil die Durchfahrten größtenteils zugestellt sind. Gibt schon schlimme Hornorchsen. Die gute Nachricht: Die Schranken waren immer noch offen und so beschlossen Astrid und ich, hier nix zu bezahlen, dafür, dass wir um fast die ganze Nacht gebracht wurden, eingesperrt waren, hielten wir das für vertretbar.
Den eigentlichen Plan, auf der Rückfahrt vor der Brennerautobahn nochmal zu entsorgen, verwarfen wir, denn das waren kostbare Minuten, die uns im schlimmsten Fall um das Cordon Bleu im Gasthaus zu Hause hätten bringen können. Nur tanken war notwendig und der einzige Stopp auf der Fahrt nach Hause und als wir Garmisch durch gewesen sind, bestellte Astrid telefonisch schonmal unser Essen in den Wangerstuben, wo wir den Tag ausklingen lassen konnten.
Eine aufregende Woche geht zu Ende, viele neue spannende Menschen, wie Flo und Luc, durften wir kennenlernen und wir durften ein paar Erfahrungen machen, die unsere weiteren Ausfahrten beziehungsweise die Entscheidungen auf so einem Trip hoffentlich positiv beeinflussen werden und der Einbau eines Marderschrecks ist beauftragt.























