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Burgberger Hörnle Südgrat, 17.5.2020 und 31.5.2020

Die Ausgangsbeschränkungen wurden in dieser Woche in Kontaktbeschränkungen gewandelt. Es ist wieder erlaubt, das Haus nicht nur für Arbeit, Arzt und Einkaufen zu verlassen. D.h. wir dürfen uns wieder auf den Weg in die Berge machen. Solange wir keine Landesgrenzen überschreiten. Und so suchen wir uns für samstags eine schöne Radlrunde in der Gegend Hoher Trauchberg heraus und für sonntags soll es der Südgrat des Burgberger Hörnles werden. Es kündigt sich noch ein Spezl für samstag zum Grillen an. Wir empfehlen, Wanderschuhe mitzubringen und weil er die nicht hat, treffen wir uns samstags nach dem Radeln im Sportgeschäft und lösen das Problem. So sind alle gut gerüstet und wir brechen sonntags zu dritt nach Burgberg bei Sonthofen im Allgäu auf. Er wandert, wir klettern derweil den Südgrat rauf. So der Plan.

Die Wegbeschreibung zum Einstieg, die in unserem Genusskletterführer steht, ist veraltet. Wir finden aktuellere Beschreibungen. Die sind auch nötig, denn der Weg ist nicht selbsterklärend zu finden. Erstmal schockt uns der Betrieb in Burgberg. Alle Parkmöglichkeiten sind praktisch erschöpft als wir eintreffen. Ein Plätzchen auf dem letzten Parkplatz können wir noch schießen. Dann ist der Weg halt ein bisschen weiter. Wichtig: Höhenmesser kalibrieren. Es kommt etwas später auf wenige Meter an. Wir folgen dem ausgeschilderten Hauptweg zum Grüntenhaus. Auf ca. 1050-1100m kommt ein Abzweig vorbei, der linker Hand per Schild den weiteren Aufstieg zum Burgberger Hörnle auf dem Normalweg ausweist. Passt. Wir biegen ab. Ab hier ist der Weg nur noch ein steiler Trampelpfad. Aber noch gut zu erkennen. Stellenweise müssen die Hände mit benutzt werden. Jetzt kommt der Punkt mit dem Höhenmesser. Ziemlich genau auf 1200m zweigen Spuren nach rechts ab. Sie sind nicht auf den ersten Blick erkennbar. Wegen Laub und Felsen ist zunächst kein Weg zu sehen. Sobald man in diesen Weg eingebogen ist und die ersten Steine passiert hat, wird der Pfad jedoch wieder gut sichtbar. Unser Spezl folgt ab dieser Gabelung weiter dem Normalweg. Wir biegen ab. Diesem Pfad, der in der alpenvereinaktiv.de-Karte auch zu sehen ist, folgen wir, bis er deutlich nach links durch eine Rinne auf den linken, einfacheren Grat zieht. Am oberen Ende dieser "Linkskurve" zweigt erneut ein Trampelpfad nach rechts ab. Etwas weiter unten gibt es bereits Trittspuren, denen wir beim ersten Mal folgten und die auch zum Einstieg leiten, doch ein klein wenig weiter oben befindet sich ein richtiger Pfad, wenn auch klein und schmal. Diesen nahmen wir beim zweiten Mal, als wir mit Alex und Manuel eine kleine Einführung ins alpine Klettern unternahmen.

Wir kommen zum Einstieg. Eine kleine Gedenktafel hängt über dem ersten Bohrhaken. Eine Zweierseilschaft ist vor uns. Ein Paar. Sie sprechen uns an, ob wir vor ihnen einsteigen wollen. Nichtsahnend lehnen wir ab und lassen ihnen den Vortritt. Wir wollen uns nach dem Zustieg erstmal trocken legen, noch was essen und trinken und dann unser Material anlegen. Bis wir soweit sind, dachten wir, sind die beiden lange weg. Die beiden ersten Seillängen übersteigen den 2. Grad nicht. Normalerweise würden wir sowas seilfrei gehen. Kann also nicht so lange dauern. Während ich mich umziehe, in meinem Rucksack wurschtele, aus- und einpacke, höre ich mit einem Ohr den beiden zu, die bis dahin keinen Millimeter weiter gekommen sind. Ich beginne zu verstehen, warum das so ist. Sie ist in ihrem Leben noch nie alpin geklettert und er beginnt bei Adam und Eva zu erklären, was sie zu tun hat. Priml.

Als wir fertig sind und los könnten, stehen die beiden immer noch unten, wobei er sich dann doch allmählich auf den Weg zu machen scheint. In seinen Bergstiefeln. Astrid und ich überlegen noch, ob wir die Zeit nutzen, um von den Bergschuhen doch auf die Kletterpatschen zu wechseln. Wir kennen die Route nicht. Weiter oben kommen etwas schwierigere Stellen und die Schuhe im Steig zu wechseln, ist nicht ganz ohne Risiko. Und Zeit haben wir ja. Also wechseln wir noch. Er erreicht mit nur einer Zwischensicherung den ersten Stand. Sie klettert los. Langsam und wackelig. Aber es geht immerhin nach oben. Als sie den Stand erreicht hat, lerne ich, dass sie nicht vorsteigt. Sie müssen sich neu organisieren, damit er weiter vorsteigen kann. Die Zeit verrinnt. Indes bekommen wir eine Nachricht von unserem Spezl. Er ist am Gipfel angekommen. Wir bedeuten ihm, weiter zum Grüntenhaus zu gehen, denn das hier wird noch lange dauern. Dort ist das Warten angenehmer. Ich blicke nach oben. Endlich steigt er wieder los. Fast eine Stunde stehen wir rum, bis ich ganz gemütlich losklettern kann. Es gibt einiges Übungsgelände, um eigene Sicherungspunkte herzustellen. Ich nutze möglichst viele aus, um nicht zu schnell oben zu sein. Lege Schlingen um Felsköpfl, Fädele durch eine Sanduhr, die ich finde, klemme Camelots in geeigenete Spalten. Ich komme am Stand an, als sie gerade wegklettert. Ich sichere Astrid nach oben, wir besprechen und bewerten meine gelegten Sicherungen. Wir haben sonst wenig Gelegenheit, diese Dinge zu üben. Wir warten erneut, bis er über uns am nächsten Stand endlich weiterklettert. Die nächste Seillänge steigt Astrid vor und tobt sich ein wenig bei den Sicherungspunkten aus. Über uns kommt er plötzlich wieder zurück zu seinem kürzlich verlassenen Stand. Verstiegen. Ich frage mich, wie das an diesem Grat passieren kann. Egal. Astrid muss unterm Stand warten. Hätten wir nur das Angebot angenommen und wären vor den beiden eingestiegen. Naja, dann halt wieder warten. Zum Glück ist es nicht kalt.

Nach einer Weile klettert sie dann endlich weiter. Astrid richtet den Stand an einem Baum ein. Ich krabbele zu ihr hoch und mache mich fest. Und da hängen wir dann wieder. Unser Spezl hat es sich am Grüntenhaus bequem gemacht und was zu Essen reingeschoben. Sie hat den nächsten Stand erreicht. Es geht aber wieder ewig nicht weiter. Ich beschließe, los zu klettern. Die nächsten paar Züge sind mit die schwierigsten auf der Tour, übersteigen den 3. Grad aber nicht. Danach folgt wieder mehr oder weniger Gehgelände. Ich suche nach Möglichkeiten, wieder selbst Sicherungen zu legen und bin ganz ins Klettern vertieft, als es plötzlich über mir gewaltig scheppert. Mein erster Gedanke: Jetzt ist er runtergefallen. Ich luke vorsichtig nach oben, weiteren Steinschlag erwartend, und sehe zwei Helme über mir. Gut. Ist schonmal niemand abgeschmiert. Aber was war das? Ich lerne, dass er versucht hat, am dritten Stand von seinen steigeisenfesten Bergstiefeln auf Kletterpatschen umzusteigen. Dabei ist ihm ein Stiefel abgehauen und die Rinne runter Richtung Tal geflogen. Ein teurer Spaß. Der Stiefel passierte mich in der Nähe meines Kopfes. Daher die Geräuschkulisse. Mit der Aktion geht der Zirkus für die beiden erst richtig los. Sie entscheiden sich für den Rückzug und wollen abseilen. Punkt 1: Sie haben nur ein 40m-Seil. Hätte in der Beschreibung gestanden, dass das genügt. Gut, dann lassen sie halt ein bisschen Material in der Wand. Das Seil reicht nicht, um von Stand zu Stand abzuseilen. Punkt 2: Sie hat noch nie abgeseilt. Und so vergeht die nächste Stunde, bis beide an uns vorbei sind und sich dabei nicht den Hals gebrochen haben. Von ihr lerne ich, dass dies ihre allererste gemeinsame alpine Kletteraktion ist. Er hätte kurz vorher einen Kurs gemacht. Sie nicht. Den Gedanken, den beiden nach unten helfen zu müssen, schiebe ich gleich wieder beiseite. So schwierig ist das Gelände nicht und es gibt genug Möglichkeiten, Abseilplätze einzurichten. Vielleicht reicht es ja auch gerade so mit dem kurzen Strick. Sind ja meist ein wenig länger und die Dehnung kommt auch noch dazu.

Endlich freie Fahrt nach oben. Wir beschleunigen unser Tun erheblich und kommen zügig weiter. Es gibt auf der ganzen Strecke eigentlich nur eine einzige Stelle, die klettertechnisch ein klein wenig was verlangt. Der Einstieg in die letzte Seillänge ist die schwierigste Stelle. Ein kleiner Felsbauch möchte überklettert werden. Nimmt frau den richtigen Griff und tritt mit dem richtigen Fuß an, ist es genau ein Zug. Er führt dabei mit dem Popo etwas ausgesetzt über die Kante. Das ist dann aber auch schon alles. Der nächste und letzte Stand ist genau über dieser Kante nur wenige Meter entfernt. Es ergibt Sinn, ihn zu überklettern und weiter oben kurz bevor der Wanderweg erreicht ist, an einer Felszacke den Ausstiegsstand einzurichten. Damit erspart frau sich, die letzten Meter ungesichert gehen zu müssen. Wir haben das beim ersten Mal nicht so gemacht und bauten deswegen einen Stand zu viel. Mit fast 3 Stunden Verzögerung treffen wir am Gipfel ein, halten uns dort aber nicht lange auf, denn unser Spezl wartet. Es geht auf einem anfangs versicherten Steig in Richtung Grüntenhaus. Mangels Beschilderung verlaufen wir uns noch ein Stück auf dem Weg dorthin. Kostet wieder Zeit. Ich bin ein wenig angenervt. Nochmal zurück bis zum Abzweig, der kaum erkennbar ist. Danach treffen wir in wenigen Minuten auf die Wanderautobahn, auf der die meisten Menschen zum Grüntenhaus gehen. Um die Zeit nicht noch länger zu strapazieren, stimmen wir uns mit unserem Spezl ab, dass er den Abstieg beginnen soll und uns unterwegs einsammelt. Wir machen derweil eine Rast, bis er da ist, essen und trinken und kommen wieder runter. Also ich zumindest hatte das gebraucht. Es geht auf dem Wanderweg zurück zum Auto. Kurz bevor wir die Straße erreichen, laufen wir den beiden Kletterneulingen über den Weg. Den Schuh fanden sie nicht. Und so musste er in seinen Kletterpatschen den ganzen Abstieg bewältigen. Aua. Kein schöner Tag für die beiden. Ich muss an unsere allererste Alpinkletterroute in Paklenica denken, in der wir uns verstiegen hatten und habe ein wenig Mitleid. Bei uns ist es besser ausgegangen.

Zwei Wochen später steigen wir wieder in diese Kletterei ein. Es ist das Pfingstwochenende. Alex und Manuel sind mit dabei. Wir wollen den beiden das alpine Mehrseillängenklettern näher bringen. Ist für unsere Hochtourenabenteuer sehr nützlich. Für diesen Zweck ist der Südgrat des Burgberger Hörnles gut geeignet. Am Abend vorher üben wir bei uns zu Hause an der Holzhütte nochmal, wie ein Standplatz aufgebaut wird, wer sich wo sichert und wie und wie Vor- und Nachstiegssichern funktionieren. Übungen, die sich auszahlen. Wir vereinbaren, dass Manuel und ich die erste Seilschaft bilden und Alex und Astrid die zweite. Auf geht's nach Burgberg zum Einstieg in die Kletterei am Grat. Den Weg kennen wir ja nun und fanden am letzten Abzweig auch den günstigeren Pfad etwas weiter oben. Wir brauchen kaum eine dreiviertel Stunde und sind zunächst alleine am Start. Es folgt das übliche Ritual: Trockenlegen, essen, trinken, Gerödel an, Seil entfalten. Da wir die Kletterstellen nun alle kennen, entscheiden wir, mit den Bergstiefeln zu klettern. Das ist bequemer und, mit der Hochtourenbrille betrachtet, realistischer. An keiner Stelle würden uns die Kletterschuhe das Leben leichter machen. In der Gruppe gehen wir nochmal den Ablauf durch, dann starte ich als erste mit dem Klettern. Am ersten Stand angekommen, hole ich Manuel nach. Nach kurzer Abstimmung möchte er die nächste Seillänge vorsteigen. Cool. Ich übergebe mein restliches Sicherungsmaterial und lasse ihn ziehen. Er macht seine Sache gut und als ich den Stand nach oben verlasse, kommt mir auch schon Astrid von unten entgegen. Zwischenzeitlich überholt uns ein Alleingänger. Er ist ungesichert unterwegs, schien sich aber gut auszukennen. Und so klettern wir umschlägig alle Seillängen. Naturgemäß geht es mit zwei Seilschaften, in denen etwas Ausbildung betrieben wird, nicht ganz so schnell nach oben. Aber so insgesamt betrachtet läuft es ganz schön gut. Nach einer kleinen Begutachtung der Schlüsselstelle zu Beginn der letzten Seillänge, steigt Manuel auch diese vor und zieht auf meinen Hinweis am letzten Stand vorbei hoch bis zur kleinen Felsnase und baut dort den letzten Stand. Hat er fein gemacht. Ich steige nach und oben angekommen, warten wir auf unsere Verfolgerinnen, die kurze Zeit später ebenfalls eintreffen. Alex' und Manuels erste alpine Mehrseillängenroute ist geschafft. Wir packen grob zusammen und steigen weiter zum Gipfel rauf. Zeug verstauen, Aussicht genießen, Gipfelfoto. Das gestaltet sich etwas schwierig, weil eine Wandererin sich unmittelbar am Kreuz niederlässt und sich häuslich einrichtet, denn sie muss schließlich etwas trinken. Ein Gipfelfoto mit Alex und Manuel ohne sie war nicht möglich. Mal abgesehen davon, dass sie nicht von selbst auf die Idee kam, für zwei Sekunden einen Meter zur Seite zu gehen, sah sie sich selbst auf eine Bitte hin außerstande, auch nur einen halben Meter vom Kreuz abzurücken. Es gibt schon dämliche Menschen. Erst als wir uns auf den Weiterweg machten, räumte sie das Feld. Manchmal habe ich das hartnäckige Gefühl, dass Rücksichtslosigkeit und Egoismus sich in den letzten Jahren exponentiell ausgebreitet haben. Wir wackeln weiter zum Grüntenhaus. Radler, Kaffee, Kuchen laufen rein, bevor wir uns an den Abstieg machen. Ein gelungener Tag mit vielen neuen Eindrücken und Erlebnissen.

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