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Skibergsteigen Zuckerhütl im Stubaital, 3507m, 04.03.2023

Das erste Mal sowas wie Bergsteigen seit dem Piz Kesch im September. Ernsthafte Skitouren haben wir diesen Winter noch gar nicht gemacht, weil entweder keine Zeit, Wetter schlecht oder Schneemangel, trotz neuer Stiefel und Ski und dem brennenden Wunsch, endlich mal wieder richtig in die Berge zu gehen und nicht bloß daheim auf den Grasmuggeln rumzuschleichen. Da sind auch sehr schöne Touren dabei, doch mit Bergsteigen hat das wenig zu tun. Gut, es wird Menschen geben, die die Besteigung des Zuckerhütl, eine „Modeskitour aus dem Stubaier Gletscherskigebiet heraus“, auch nicht als Bergsteigen bezeichnen würden, doch ich finde, die Begehung mehrerer Gletscher sowie die letzten 100 Höhenmeter zum Gipfel verleihen dieses Prädikat für eine advanced Wandererin, wie mich.
Und was mich sehr gefreut hat ist, dass wir die Tour zusammen mit der Saalfelden-Gang, Alex und Manuel, unternehmen konnten, denn unsere letzte gemeinsame Tour auf den Plankenstein in den Tegernseer Bergen ist nun auch schon wieder viele Monate her und ich habe es ein wenig vermisst, mit den beiden unterwegs zu sein, weil es einfach schön, unkompliziert und immer wieder auch sehr lustig ist.

Die Wettervorhersage ist stabil sonnig und klar mit Böen bis etwa 35km/h fürs Wochenende und wir entscheiden uns für den Samstag als Gipfeltag, obwohl natürlich klar ist, dass das keine einsame Angelegenheit werden wird, allein schon, weil die An- und/oder Abreise am Bettenwechseltag nicht die schlaueste Idee ist. Aber was will frau machen? Zeit ist begrenzt. Da müssen wir wohl durch oder Bergsteigen findet nicht statt, was selbstredend keine Option ist. Um uns das Leben etwas leichter zu machen, buchen Astrid und ich ein Zimmer von Freitag auf Samstag, was gar nicht so einfach ist, wenn keine 500-1000€ zur Verfügung stehen. An dem Punkt frage ich mich schon, wie das weitergehen soll. Diesen Winter sind die eh schon völlig überhöhten Preise für Skipässe weiter stark gestiegen, analog zu den Preisen für Unterkünfte. Die drei Tage, an denen wir mit meinen Kindern im Hochgurgl ein wenig gepistelt sind, haben mit Leihausrüstung, Skipässen und Unterkunft etwa 500€/Tag gekostet und wir haben’s wirklich nicht krachen lassen mit FeWo und Selbstversorgung. Aber offensichtlich schreckt das niemanden ab. Die Straßen, auf denen jeder Meter extra kostet außer in Deutschland, sind voll, die Parkplätze, die inzwischen nicht selten extra bezahlt werden müssen, sind voll, die Pisten sind voll, obwohl selbst die Wald- und Wiesenskigebiete bis zu 70€ pro Tag und Nase nehmen, die Unterkünfte sind bis auf das letzte Bett ausgebucht. Irre. Der Schnee wird hingegen von Jahr zu Jahr weniger.
Mit unseren Aktivitäten sind wir allerdings selbst Teil des Problems und nicht der Lösung. Das ist uns bewusst.

Start ist also Freitag nach der Arbeit und der Treffpunkt für den Abend mit den anderen beiden ist eine Pizzeria in Fulpmes. Alex und Manuel haben’s mit ihrem Camper übrigens auch nicht leicht, ein Platzerl für die Nacht zu finden. Die Österreichische Polizei hat das Wildcampen als hervorragende Einnahmequelle erkannt, von 3 Campingplätzen hat nur einer auf und der setzt ein etwas sehr überspanntes Regelwerk durch, was Ankunft und Stellplatz angeht. Ich wundere mich schon, dass die Menschen, die mit ihren rollenden Wohnzimmern ein Gefühl von Freiheit erleben wollen, die teilweise willkürlich wirkenden Bestimmungen so hinnehmen. Diese vielgepriesene Freiheit, wie ich sie als Jugendliche in den letzten Zügen beim Wildwasserpaddeln noch erleben durfte, ist seit bald 40 Jahren in Europa nicht mehr existent.
Etwas ausgehungert trudeln wir nach einer störungsfreien Fahrt fast pünktlich in der Pizzeria ein und lassen uns nach der Begrüßung eine tatsächlich echt leckere Pizza schmecken, die sogar noch bezahlbar ist. Danach trennen sich unsere Wege fürs Übernachten und wir verabreden uns für nächsten Morgen 8 Uhr an der Talstation der Eisgratbahn. Um unser Zimmerchen beziehen zu können, geht’s wieder das ganze Tal raus bis unter die Europabrücke, über die die Brennerautobahn führt, weil sonst nichts zu bekommen war, wozu wir nicht schon wieder einen kleinen Bausparer kündigen mussten. War dann auch entsprechend einfach, doch das stört mich für eine Nacht nicht. Nur das zwangsweise mitgebuchte Frühstück muss ausfallen, denn das gibt es erst ab kurz vor 8 Uhr, was mit den Plänen für den nächsten Tag nicht vereinbar ist. Auf Anfrage packt uns der Gasthof zwei Lunchpakete. Kaffee gibt es an der Tankstelle.

Am nächsten Morgen, die Nacht war etwas durchwachsen wegen knackender Möbel, machen wir uns pünktlich auf den Weg zur Eisgratbahn mit kurzem Stopp an der Tanke für Kaffee. Es ist überraschend wenig Verkehr und auch als wir den Parkplatz erreichen, staune ich, denn der ist noch so gut wie leer und wir finden ein Plätzchen direkt neben dem Bus von Alex und Manuel. Nur noch in die Tourenstiefel steigen, Sachen schnappen und los. Fürs Packen haben wir wieder eine Packliste verwendet, um zu verhindern, dass essentiell wichtige Dinge vergessen werden, wie es uns schonmal passiert ist. Deswegen müssen wir nicht nochmal neu drüber nachdenken, ob alles dabei ist und etwa um 8:15 Uhr standen wir mit ein paar anderen Tourengeher:innen als erste am Eingang zur Bergfahrt, die um 8:30 Uhr starten soll. Bleibt ein wenig Zeit zum Schnacken und wir erfahren, dass praktisch alle, die nicht auf die Piste wollen, sich für heute das Zuckerhütl vorgenommen hatten, wie erwartet. Das Rolltor öffnet sich kurze Zeit später und wir sitzen tatsächlich in der ersten Gondel, die uns mit einem Umstieg bis zum Schaufeljoch auf 3158m bringt.
Die Tour beginnt dort zunächst mit der Abfahrt über den Gaiskarferner auf der Piste #5. Es ist zwar sonnig, doch noch früh am Tag und entsprechend kalt. Die Kälte, insbesondere wegen des zu erwartenden Windchills, ist so ein bisschen mein Sorgenkind für heute, denn trotz der Sonne sagt der Wetterbericht, dass es am Gipfel etwa -15°C kalt werden könnte und der Wind einen erheblichen Teil dazu beiträgt. Zum Glück kommt es dann anders, weil der Wind nicht ganz so stark wird, wie angekündigt, doch der Rucksack ist unter anderem deswegen so voll, weil solche Bedingungen nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
Die Abfahrt bis zur Talstation des Schlepplifts über die blaue Piste ist mit dem schweren Rucksack entspannt. Ab da verlassen wir das gesicherte Gebiet nach einer kurzen Rückfrage durch Manual beim Lifthelfer, der uns informiert, wo es am Besten runter bis in die Mulde zum Anfellplatz geht. Ein erster spannender Moment für mich. Das Skifahren im Gelände ist für mich selbst nach einigen Jahren immer noch jedes Mal eine Herausforderung und es kostet mich Überwindung, über die Kante ins freie Gelände zu rutschen. Der Untergrund ist eisig und hart, doch es geht super mit den neuen Ski. Deren Geometrie ist in Nuancen anders als der alte, etwas kürzer, etwas schmäler, ein etwas kleinerer Radius, es sind teilweise nur wenige Millimeter und doch ist es so viel anders damit und ich komme so viel besser zurecht, dass ich mich relativ schnell nach dem ersten Schwung entspanne und weiß, dass es gut wird. Am Lift vorbei geht es ca. 150m weiter runter, wo sich am Anfellplatz auf ca. 2800m einige andere schon fertig gemacht haben und losgegangen sind. Es ist nahezu windstill und ich ziehe erstmal zwei Lagen aus und packe die ganz dicken Handschuhe weg. Felle drauf, Schuhe in den Gehmodus, der Aufstieg beginnt. Worüber ich ebenfalls jedes Mal staune ist, wie das, was ich in der Karte zu sehen glaube, sich in Wirklichkeit darstellt. Wir müssen zwei Absätze nach oben überweinden bis wir auf den Pfaffenferner gelangen, was in anderen Beschreibungen nicht erwähnt wird und was ich auch in der Karte nicht erkennen kann. Vielleicht hat es mit dem wenigen Schnee zu tun, ein Problem ist es nicht, da nie wirklich steil. Auf ein Seil verzichten wir zunächst, denn der Pfaffenferner hat keine Spalten, wie Bilder aus dem letzten Sommer bestätigten, und die Schneeauflage ist hart und gut durchgefroren. Nur meine rechte Hüfte zwickt. Das verfolgt mich auch schon ein paar Wochen und ich hatte angenommen, es hätte sich verflüchtigt. Ist aber nicht so. Ich beschließe, das zu ignorieren so lange es nicht schlimmer wird. Manuel kämpft immer noch mit seinem gebrochenen Fuß und einer leichten Erkältung und auch Astrid ist nicht so ganz fit und hakelt seit ein paar Tagen mit Unwohlsein. Weil wir als Zeitkriterium lediglich die Schlusszeiten der Bahnen berücksichtigen müssen, dürfen wir ein gemächliches Tempo anschlagen, denn der relative Höhenunterschied vom Anfellplatz zum Gipfel ist mit rund 700m einigermaßen überschaubar. Die Spur ist darüber hinaus nicht zu verfehlen, was die Wegfindung einfach macht und bald kommt auch schon das Pfaffenjoch in Sicht, wo frau bereits mehr als die Hälfte des gesamten Anstieges bis zum Gipfel geschafft hat. Kurz vor dem Joch klöppeln wir das Seil zwischen uns, denn der sich anschließende Sulzenauferner ist relativ spaltig und vor dem Joch haben wir Sonne und praktisch Windstille, was die Hantierung mit dem Seil wesentlich angenehmer macht.

Um das Pfaffenjoch auf 3208m zu überwinden, müssen die Ski kurz von den Füßen. Entgegen aller Informationen, die ich gesichtet hatte, ist der Übergang mangels Schnee felsig und wir müssen sogar ein kleines Stück absteigen, um wieder auf die Spur zu kommen. Wir wechseln vom Pfaffenferner auf den Sulzenauferner. Der Wind hat etwas zugelegt, doch er bläst bei Weitem nicht so stark, wie ich es hinter dem Joch vermutet habe, obwohl kleine Windfähnchen zu sehen waren. Eine Windjacke drüber genügt. Es beginnt eine lange Querung über teilweise etwas eisige Verhältnisse bis wir unter der Nordseite des Zuckerhütl wieder in die Sonne kommen. Und ja, es sind Spaltenränder erkennbar. Die meisten Seilschaften gehen tatsächlich am Seil, was mich etwas überrascht, weil wir das auf Skihochtouren oft anders erleben und häufig die einzigen sind, die sich mit dem Gehen am Seil abmühen. Meine Hüfte hat sich inzwischen gegeben, doch als wir in den Anstieg zum Skidepot unter dem Grat in der Nähe des Pfaffensattels einbiegen, beginnt sich mein linker Fuß heftig zu beschweren. Das kommt etwas überraschend, weil es bis jetzt in den neuen Stiefeln so gar keine Probleme gab und wir ja auch noch nicht wirklich viele Höhenmeter gemacht haben. Vielleicht liegt es an den orthopädischen Einlagen. Seit ein Fußspezialist vor ein paar Jahren ein POPS in meinem linken Fuß diagnostizierte (die Verknöcherung an der großen Mittelfußsehne im MRT war sogar für mich gut zu erkennen) und eine OP nicht in Frage kam, um dem Bergsteigen kein Ende zu bereiten, versuche ich das auf seinen Rat hin, mit Einlagen in den Griff zu bekommen. Nur merke ich in den letzten Monaten, dass mir die Einlagen eher Probleme machen, als dass sie helfen. Aber jetzt sind sie halt drin im Schuh und mit nix im Schuh ist’s auch doof. Ich werde klarkommen müssen. Ist ja auch nicht mehr weit bis zum Skidepot und vielleicht hilft die Veränderung der Gangart beim Klettern am Grat entgegen.

Im Skidepot auf etwa 3400m ist schön was los. Hier weht auch der Wind ziemlich rein und es wird sofort recht kalt als wir stehenbleiben, unser Zeug verstauen und auf Pickel und Steigeisen wechseln. Ein Blick hinauf und ich stelle fest, die Beschreibungen haben mit einer Steilheit von 40° nicht übertrieben. Insbesondere im Mittelteil würde ich sogar noch ein paar Grad mehr geben und dort, wen wundert‘s, stauen sich die Aspiranten im Auf- und Abstieg, der durch eine Schneerinne zwischen den Felsen gebildet wird. Entgegen der üblichen Gewohnheit, alles an der Frau zu haben, lassen wir die Rucksäcke ebenfalls im Depot, denn viel Platz ist auf dem Weg nach oben nicht. Auch das Seil lassen wir nach Abstimmung unter uns unten. Rauf- oder Runtersichern am Seil würde nur zum Chaos führen und der Schnee ist so hart und gut mit Steigeisen zu gehen, dass die Fummelei mit dem Seil das Absturzrisiko eher vergrößern würde. So etwas wie Bohrhaken gibt es nicht.
Ich gehe als erste los, nachdem ich mir noch einen Apfel reingepfiffen hab‘, steige zur Rinne hoch und beginne meinen Aufstieg durch die steile Passage. Schneebrocken, die losgetreten werden, prasseln immer wieder mal auf mich drauf, doch so lange keine Steine fliegen, ist das nicht so dramatisch. Der Schnee ist so gut gefroren, dass Pickel und Steigeisen super halten und frau problemlos die ganze Breite der Rinne ausnutzen kann, was allerdings kaum jemand tut. Die allermeisten sind damit beschäftigt, nur ja die Trittlöcher im Schnee genau zu treffen, weil sie entweder ihren Steigeisen nicht vertrauen oder erst gar keine dran haben, und dann wird’s natürlich etwas mühselig besonders im Abstieg, weil es nur eine getretene Spur gibt. Wie dem auch sei, ich komme ganz gut voran, habe Freude am Knirschen der Eisen und des Pickels im harten Schnee und bekomme langsam wieder warme Hände in den dicken Handschuhen. Ehe ich mich versehe, bin ich fast am Gipfel, wo ich aber kurz auf die anderen drei warte, damit wir zusammen oben ankommen.

Viel Platz ist am Gipfel des Zuckerhütls wenig und entsprechend kuschelig geht’s zu. Am recht imposanten und einzigartigen Gipfelkreuz können wir jemanden gewinnen, der Gipfelfotos von uns 5 (Manni war selbstredend auch dabei) schießt und dann machen wir uns auch bald wieder an den Abstieg. Zum einen ist’s kalt und zum anderen drängen immer mehr Menschen zum Gipfel. In der Abstiegsrinne geht’s entsprechend zu. Ich gehe wieder voran, hab‘ ein paar Hummeln im Hintern, die vielen Menschen machen mich nervös. Eine größere Ansammlung staut sich im steilen Stück und jemand hat 2 Seile installiert. Wahrscheinlich Bergführer mit ihrem Gruppen. Dazwischen Leute, denen anzusehen ist, dass sie überfordert sind und gar nicht Hände genug haben, um sich festzuhalten. Ich versuche, alles auszublenden, vertraue auf meine Steigeisentechnik und krabbele um alle Leute und über alle Seile einfach kontinuierlich nach unten. Anfangs rückwärts, später vorwärts. Die anderen drei haben nicht so viel Glück. Eine Aspirantin blockiert wohl plötzlich die ganze Rinne und kann weder vor noch zurück. Es geht erst weiter, als ihr jemand Fremdes beim Abstieg hilft und sie via Seil sichert. Ich hab’s gar nicht so genau mitbekommen, weil ich da schon wieder am Skidepot zurück war, doch es dauerte eine Weile, bis auch die anderen unten gewesen sind. Ich konnte die Zeit nutzen, mein Zeug schonmal für die Abfahrt vorzubereiten und half dann anschließend den anderen beim Abfellen, damit’s nicht kalt wird und wir nicht so viel Zeit vertrödeln. Zeit für Essen und Trinken war auch noch. Der Auf- und Abstieg zum Gipfel hat echt Spaß gemacht. Hat sich endlich wieder nach Bergsteigen angefühlt und ohne arrogant wirken zu wollen kann ich sagen, wir haben’s echt gut hingekriegt. Keine Wackler, keine Zweifel. Manuel hat’s in den Worten zusammengefasst „endlich das alte Leben zurück“, womit er seine lange, verletzungsbedingte Pause meinte. Ein super Erlebnis für alle.

Felle sind runter, Stiefel sind im Abfahrtsmodus, alle stehen auf den Brettern und der für mich spannendste Teil beginnt mit der Abfahrt vom Skidepot über den windgeformten Rücken zurück auf die Aufstiegsroute. Die Abfahrt findet ohne Seil statt, weil wir nun wissen, dass der Schnee trägt und wir mit keinen Überraschungen rechnen müssen, solange wir auf oder in der Nähe der Aufstiegsspur bleiben, was auf dem Weg zurück zum Pfaffenjoch alternativlos ist, da zu flach für Experimente. Wir müssen sogar noch ein bisschen anschieben kurz vorm Joch. Ich komme erneut sehr gut auf dem etwas buckeligen, windgepressten Untergrund zurecht und weil abfahren so viel schneller geht als rauflaufen, brauchen wir kaum 10 Minuten bis zum Joch, nach dessen Überstieg wir in der Sonne, windstill für eine kurze Mittagspause verweilen. Einfach schön. Es ist still. Ein Schmetterling flattert vorbei. Sonne genießen.
Der beste Teil der Abfahrt wartet auf uns. Auf den ersten 200 Höhenmeter des Pfaffenferners dürfen wir so etwas wie eine Firnabfahrt erleben. Die Sonne hat den obersten Schnee auf der harten Unterlage angetaut und die Abfahrt darauf ist ein Traum. Der währt allerdings nicht so lange, denn wo der Gletscher nicht mehr so günstig von der Sonne angestrahlt wird, wechselt die Oberfläche zum altbekannten buckligen Allerlei. Wir folgen nicht unserer Aufstiegsspur bis hinunter in die Mulde zurück, sondern bleiben ganz rechts, folgen einer Kurve durch einen kleinen, etwas steileren Absatz und schaffen es so, die Abfahrtsspur vom Morgen auf etwa halber Höhe zu erwischen, wodurch wir einige Höhenmeter im Anstieg zur Talstation des Schleppers sparen. Ich hatte anfangs ein etwas mulmiges Gefühl, die unbekannte Strecke zu nehmen, zumal man nicht gleich über die Kante nach unten schauen konnte, doch das war unbegründet. Lief alles ganz entspannt. Dort, wo der letzte Anstieg beginnt, treffen wir erneut die Gruppe, mit der wir morgens am Lift schnackten. Ganz so langsam, wie wir immer annehmen, sind wir dann anscheinend doch nicht, denn es waren den ganzen Tag mehr oder weniger die gleichen Gruppen um uns herum.
Wir fellen an. Es müssen ein paar Klamotten runter, denn hier brennt die Sonne schon fast. Es weht kein Lüftchen. Während der Abfahrt tat mir nichts mehr weh, weder Fuß noch Hüfte, doch der erneute Anstieg brachte alles wieder zurück plus eine Druckstelle am linken Unterschenkel, weil wir so viel quer gehen mussten. Ist aber nicht mehr weit, wenngleich der Gegenanstieg eine gewaltige Motivationsbremse darstellte und ich ein bisschen auf die Zähne beißen musste, bis die Talstation des Schleppliftes erreicht war. Wir betreten das gesicherte Skigebiet, das wir heute Morgen an dieser Stelle verlassen hatten, bauen nochmal um, damit wir den Schlepplift benutzen können, was mit Fellen drauf und offenen Schuhen eher nicht so gut funktioniert und erreichen nach kurzer Auffahrt die Hütte an der Jochdohle auf 3149m. Von hier aus gibt es mehrere Optionen, um zum Parkplatz zurück zu kommen. Die besprechen wir bei einem großen Glas Coke oder Apfelschorle und einer Tasse Kaffee. Von hier könnte frau die Maximalstrecke hinunter wählen, die über den Gamsgarten durch die Wilde Grub’n am Parkplatz Gamsgarten vorbei und an der Mutterbergalm vorbei bis zum Parkplatz Eisgratbahn auf 1700m führt. 10km lang mit etwa 1600 Höhenmetern hinunter. Mein Favorit war das nicht, weil ich keine Lust hatte, auf einer Skiroute, deren Zustand ich nicht kenne, bis ganz hinunter wahrscheinlich über eisige Abschnitte zu kratzen. Letztendlich setzte sich durch, bis zur Mittelstation der Eisgratbahn auf 2300m in der Nähe der Dresdner Hütte über die Piste abzufahren und das war auch gut so. Die Bergtour mit dem schweren Rucksack hat mich einige Körner gekostet und gegen Ende war ich froh, einfach eine blaue Piste abrutschen zu können und merkte, dass sowohl Kondition als auch Koordination am Ende waren. Auf der Skiroute Wilde Grub’n hätte ich mich vermutlich gequält und den Spaß verloren. So war das fein. Einfach das letzte Stück mit der Gondel zurück zum Ausgangspunkt schaukeln, das positive Erlebnis des ganzen Tages bewahrend. A Traumtagerl.

Für die, die es interessiert: Vom Ausstieg aus der Gondel am Schaufeljoch am Morgen bis zum Einstieg an der Mittelstation Fernau am Nachmittag sind etwa 7 Stunden vergangen. Die reine Gehzeit ohne Pausen betrug ca. 5 Stunden. Der gesamte Anstieg betrug ca. 900 Höhenmeter, die gesamte Abfahrt ca. 1900m.

Nachtrag: Montags nach unserem Abenteuer erfuhren wir aus der Zeitung, dass sonntags ein Bergsteiger am Gipfelgrat abgestürzt und etwa 100 Meter weit gefallen ist. Lebend aber schwer verletzt wurde er mit der Luftrettung ins nächste Krankenhaus verbracht. Soviel zur Modeskitour. Ist wohl trotzdem mit einem gewissen Gefahrenpotential ausgestattet.

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