Pfrontner Breitenberg, 1834m, 01.05.2021
Der erste Mai 2021 ist da. Es ist kalt, neblig, Regen ist vorhergesagt. Der beste Tag des Wochenendes soll der Samstag werden. Für Sonntag ist Dauerregen angemeldet. Freitags sitzen wir da und studieren Karten und Social Media, was wir denn unternehmen könnten. Bei der letzten Tour am Friederspitz ist mir ein Stück weiter im Westen noch ein Berg aufgefallen, der noch in Deutschland steht, der oder die Schellschlicht. Südseitiger Auf- und Abstieg auf etwas über 2000m. Start wäre in Griesen. Das ist schon wieder so weit zu fahren. Irgendwie macht mich das nicht an. Daran scheitert auch eine Tour im Oberallgäu. Für eine Tour im Estergebirge auf einen unbekannten Gipfel wäre ein Radl nicht schlecht. Leider hatte ich mich 2 Tage zuvor so mit dem Fahrrad abgelegt, dass eine halbwegs aufwändige Reparatur ansteht. Rad geht also nicht.
Wir bleiben am Aggenstein hängen. Von der deutschen Seite aus sind wir dort noch nie rauf. Der Start in Pfronten ist in einer knappen Stunde erreichbar. Dadurch, dass die Bergbahnen nicht fahren und das Wetter diesig, nasskalt sein wird, sollte es sich mit dem Andrang in Grenzen halten. Ist nur leider auch nordseitig. Wie weit der Altschnee noch runterreicht wissen wir nicht. Ebensowenig ob eine Rundtour möglich sein wird. Wege gibt es genug, doch ob die alle machbar sind? Wir finden das heraus.
Noch ein Vorteil eines nahen Zieles: Der Wecker klingelt nicht schon um 5. Ganz entspannt treffen wir gegen 9 Uhr in Pfronten am Parkplatz in Steinach ein. Zwei Autos sind da. Das vierte trudelt kurz nach uns ein. Entgegen aller Erfahrungen in den bayerischen Bergen gibt es keinen Parkautomaten. Ich wundere mich, schaue mich nochmal um. Nix. Ungewöhnlich.
Wir machen uns fertig. Meine neuen Schuheinlagen haben Premiere. Bin gespannt, wie das läuft. Noch ist es trocken. Nebel hängt bis auf etwa 100m runter. Wir haben mal die Steigeisen eingepackt. Frau weiß ja nie. Das erste Ziel ist die Reichenbachklamm. Der Weg dorthin führt uns an einem Landeplatz für Gleitschirmpilot:innen vorbei. Stimmt, ich erinnere mich. Vom Breitenberg aus darf gestartet werden. Neugierig sieht Astrid sich die Hinweistafel an. Ich habe derweil noch was anderes wichtiges zu erledigen. Sie berichtet, dass eine Landevolte abhängig von der Windrichtung rechts oder links herum vorgeschrieben ist und die Position sich auf jeden Fall hangseitig befinden muss. Als wir später im Abstieg wieder dort vorbei kommen, werfe ich auch einen Blick darauf. Ich erschrecke ein wenig, wie viele Punkte es zu beachten gibt. Verbote. Restriktionen. Vorschriften. Fliegen in Deutschland unterliegt gefühlt mehr Regelungen als der Betrieb eines Kernkraftwerkes. Irre.
Heute sind wir jedoch zum Wandern da. Die Reichenbachklamm ist schnell erreicht. Wir sind alleine unterwegs. Später nehme ich im Nebel vor uns eine weitere Gruppe wahr. Ein schöner Weg, der weiter oben etwas unterhalb des Aggensteinliftes auf einen Fahrweg trifft. Am Lift angekommen legen wir eine kurze Pause ein. Wir haben es nicht eilig. Der Schnee wird langsam mehr. Kurz nach der Rast kommt der Abzweig zum Aggenstein vorbei. Wenige Meter weiter stehen wir in sulzigem Matsch und der Nebel ist so dicht geworden, dass frau kaum 50 Meter weit sehen kann. Boaahh... ich habe keine Lust mehr auf Weg suchen und rutschige Matsche. Wir könnten Steigeisen rantüddeln und uns meterweise mit der elektronischen Karte orientieren, doch für so etwas ist heute keine Motivation da. Neue Entscheidung. Wir lassen das mit dem Aggenstein sein. Das Ausweichziel ist die Ostlerhütte auf dem Gipfel des Breitenbergs. Wir gehen ein kleines Stück zum Abzweig zurück und folgen dem Fahrweg weiter in Richtung Berghaus Allgäu. Es gibt Schöneres als im schlechten Wetter in einem Skigebiet über Fahrwege zu gehen. Doch wir sind draußen, es gibt nur wenige Menschen, wir bewegen uns. Der Schnee liegt dann irgendwann auch auf dem Fahrweg. Stapfen durch Matsche bleibt uns nicht erspart. Immerhin gibt es genügend Spuren, denen wir folgen können. So richtig Lust habe ich keine mehr, noch weiter zu gehen. Doch andererseits ist es nicht mehr weit bis zum Gipfel. Wir gehen weiter. Ich stelle mir vor, was hier wohl bei gutem Wetter ohne Schnee los ist. Erst recht, wenn die Bahnen fahren. So ist es schöner. Ehe wir uns versehen erreichen wir die Ostlerhütte und damit auch den Gipfel. Hier ist sogar noch etwas Platz für uns, um nochmal was zu futtern und kurz die Atmosphäre zu genießen. Sicht gibt es keine. Für ein paar Sekunden wurde der Blick auf den Aggenstein frei. War eine gute Entscheidung, dort nicht hin zu gehen.
Gipfelfoto mit Manni. Etwa 1000 Höhenmeter sind es bis hierher gewesen. Ohne zu hetzen benötigten wir knapp 2:45h. Den Abstieg wollen wir eigentlich direkt an der Hütte nach Norden den Hang hinunter beginnen. Eine fehlende Spur, Nebel und matschiger Schnee lassen uns für einen anderen Abstieg entscheiden. Wir gehen bis zum Berghaus Allgäu zurück und zweigen kurz unterhalb auf den Weg 411 ab und gehen ab da quasi genau unter der Breitenbergbahn runter. Hier macht der Fahrweg in der zweiten Hälfte etliche Kehren mit sehr kurzen Geraden. Macht mit einem Touren- oder Sportrodel im Winter sicher auch Megaspaß. Als wir unter die Nebeldecke kommen, regnet es. Ist jetzt aber auch wurscht. Ich werfe -wie oben beschrieben- selbst nochmal einen Blick auf die Hinweistafel am Landeplatz. Wenige Minuten Später sind wir am Auto zurück. Ganz entspannt. Die Tour hat mir geholfen, ein wenig von den Miseren bei der Fahrradreparatur abgelenkt zu sein und die Dinge mit etwas Abstand betrachten zu können. Und schon ist alles nur noch halb so wild.
Am Ende des Tages gibt es sogar zu so einer kleinen und unspektakulären Wanderung etwas zu schreiben.