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Große Arnspitze, 2196m, 29.05.2023

Das Pfingstwochenende begann samstags mit einem sogenannte G-Force-Training in der Flugschule Hochries in Brannenburg. Eine Zentrifuge, an der Frau im Gleitschirmgurtzeug hängend rundfährt, simuliert die Erdanziehungskräfte, die während des Manövers Steilspirale auf die Pilotin wirken können und in diesem Training geht es unter anderem darum, herauszufinden, wie lange der eigene Körper dieser Belastung standhält, bevor irgendwelche Beeinträchtigungen, wie Grey-Out, Black-Out oder gar Bewusstlosigkeit einsetzen. Für einen bereits beim Autofahren hin und wieder von Übelkeit geplagten Menschen wie mich, eine Herausforderung. Überraschenderweise haben Astrid und ich ganz gut durchgehalten und bis ca. 5,5G teilgenommen, doch auf der letzten Fahrt nach den 5,5G hat mein Körper eindeutig rückgemeldet, dass es genügt. Ich hatte zwar keine der beschriebenen Beeinträchtigungen, doch das schnelle Kreisen trug nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei. Nach einer letzten Fahrt im eigenen Gurtzeug mit Auslösung des Retters unter 3,5G Belastung setzte eine massive Übelkeit ein, die bis zum nächsten Morgen mehr oder weniger stark anhielt. Auch bei Astrid. Auf der anschließenden Fahrt nach Mittenwald, wo wir unsere Bergführer Jürgen und Reiner trafen, um die Tour auf den Bernina zu besprechen, mussten wir einmal notfallmäßig halten, bevor Schlimmeres passiert wäre. In Summe jedoch eine wertvolle Erfahrung, die mir zeigte, dass ich auch unter solchen Belastungen noch etwas tun kann.

Für die folgenden zwei Nächte hatten wir ein Zimmerchen mit Kochgelegenheit in Scharnitz gebucht, wo wir Samstagabend nach guten Gesprächen und gutem Essen in Krün mit unseren Bergführern eintrafen. Nicht wirklich berauschend, die Unterkunft. Ziemlich teuer, schlecht ausgestattet, Kühlschrank funktionierte nicht und alles war irgendwie mehr schlecht als recht zusammengeschustert, Achterbahn auf der nicht passenden und kaum befestigten Klobrille inklusive. Ich würde mich schämen, so etwas an fremde Menschen zu vermieten. Aber wenigstens war das Bett OK.
Sonntagmorgen kamen Alex und Manuel aus Saalfelden hinzu und eigentlich sollte es heute eine feine Kletterei im Dammkar werden, doch bereits als ich morgens die Augen aufschlug, regnete es. Im Laufe des Tages soll es jedoch aufhören und einigermaßen sonnig werden. Planänderung. Alex und Manuel sind am Vortag viel Fliegen und damit verbunden viel bergaufgehen platt, Astrid und ich merken, dass uns das G-Force-Training, obwohl es nur 4 Fahrten mit je höchstens einer Minute war, ganz schön angestrengt hat. Plan B greift: Wir radeln von der Unterkunft aus ins Hinterautal über den Isarursprung hinaus zur Kastenalm, wo es Kaffee und Kuchen gibt und der fast flache Weg mit 15km in eine Richtung überschaubar ist. Auf dem Rückweg schauen wir uns auch die Isarquellen an, beobachten ein paar Kajakfahrer und kommen auf dem letzten Kilometer in einen wolkenbruchartigen Schauer, der uns in Sekunden die Schuhe voll Wasser zaubert. Blöd. Ich habe außer meinen Bergstiefeln keine anderen Schuhe dabei, doch immerhin habe ich die noch. Alex und Manuel haben keine Latschen dabei, außer denen, die durch und durch nass wurden. Wir hängen alles zum Trocknen auf, schaffen es irgendwie, in den wenigen mickrigen vorhandenen Küchenutensilien ein paar Spaghetti mit Tomatensauce zu zu bereiten und verbringen einen schönen Abend mit guten Gesprächen.

Am nächsten Morgen regnet es schonmal nicht, doch leider wurden die Klamotten und vor allem die Schuhe nicht trocken. Weil eine Unternehmung mit nassem Schuhwerk so überhaupt keinen Sinn ergibt, entscheiden Alex und Manuel, die Heimreise anzutreten und nachmittags dort noch fliegen zu gehen. Astrid und ich machen uns deswegen allein auf den Weg, die Große Arnspitze zu erklimmen und starten direkt an unserer FeWo in Richtung Ortsrand, wo der Weg mit der Nummer 851 beginnt. Zumindest ist das in der elektronischen Kompasskarte so dargestellt und weil ein kleiner Pfad vorbeikommt, der halbwegs mit der Karte übereinstimmt, biegen wir dort ein, wackeln an einem Kreuzweg vorbei bergan, stoßen auf römische Befestigungsanlagen, von denen die Karte nichts weiß und beginnen dort mit der Suche nach einem kurzen Verbindungsweg, der auf der Karte angezeigt wird und uns auf die Hauptroute führen soll. Nach mehreren Anläufen, bei denen wir Pfadspuren in den Wald hinein folgen, stellen wir fest, die Kompasskarte enthält schon wieder Pfade, die es gar nicht gibt. Am Ende entscheiden wir, weglos querfeldein durch den Wald hinunter auf den sichtbaren Hauptweg zu gehen, bauen unsere 200 Höhenmeter, die wir bis dahin schon hatten, wieder fast vollständig ab, sind aber dann immerhin ohne Zweifel richtig. Also nochmal von vorne.
Danach gibt es dann keine Irritationen bezüglich der Routenwahl, denn es führt nur noch ein Weg nach oben, der zudem auch ganz schön ist. Nach etwa 3 Stunden erreichen wir den Abzweig zum Gipfelanstieg etwa auf Höhe der nahegelegenen Arnspitzhütte. Bis dahin habe ich ein paar Motivationsthemen und tue mich ein bisschen schwer damit, die Füße voreinander zu setzen. Es ist relativ warm, ich trinke zu wenig, weil ich Sorge habe, dass mir das Wasser für den Abstieg nicht reicht und in der Folge taucht mein Problem mit den Krämpfen in den Oberschenkeln auf. Wir machen kurz Pause, essen, trinken und Beine ein bisschen durchkneten, bis wir auf die letzten etwa 180 Höhenmeter zum Gipfel starten, was eindeutig der beste Teil der Wanderung ist, weil tatsächlich ab und zu die Hände benötigt werden. Oben angekommen setzen wir uns nach dem Gipfelfoto erneut für eine Pause, ich knete nochmal meine Oberschenkel ein wenig und wir beobachten zwei, die die Gratüberschreitung machen und von Südwesten aus Richtung der Arnplattenspitze hinaufkommen. Das hatten wir uns auch überlegt, doch es war nicht klar, wie die Schneesituation ist und so entschieden wir, einen der Normalwege zu nehmen.

Vom Gipfel hinunter folgen wir zunächst der Aufstiegsspur, biegen dann aber zur Arnspitzhütte ab, bei der es sich nur um eine kleine „Bretterbude“ handelt und die nicht bewirtschaftet ist. Ab hier folgen wir dem Weg Nummer 853 in den sogenannten Hohen Sattel. Schön zu gehen ist das nicht. Der überwiegende Teil besteht aus bröseliger, rutschiger Schutthalde und ich habe meine liebe Mühe mit dem instabilen Fuß und den Krämpfen, die ich nur schwer unter Kontrolle halten kann. Zudem gibt es sehr lange keinen Schatten auf der kargen Strecke bis wir endlich irgendwann wieder Wald erreichen. Ab da ging’s dann wieder ganz angenehm dahin. Im Hohen Sattel angekommen biegen wir scharf links in den Weg 801 ein, der uns über ein kleines Stück Adlerweg zurück nach Scharnitz und quasi direkt zur FeWo bringt. Bis auf das Ding, dass längeres Gehen mit Gepäck in Kategorie C Stiefeln den Füßen einfach nicht gefallen, geht’s uns mit rund 1400 Hm hoch und runter in knapp 7h ganz gut. Eine kleine Wasserstandsmeldung quasi für die anstehenden Abenteuer, zu denen ich auf jeden Fall mehr Flüssigkeit mitnehmen muss.

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