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Hennenkopf, 1768m, 18.03.2020

Es ist Mittwoch. Die Ausgangsbeschränkungen wegen des Corona-Virus sind noch nicht in Kraft getreten. Obgleich die Empfehlung auf allen möglichen Portalen durchs Netz geistert, von Touren in den Bergen abzusehen. Der Grund dafür ist, möglichst nicht in die Verlegenheit zu geraten, die Bergrettung bemühen zu müssen und damit möglicherweise sowohl die Einsatzkräfte als auch die Krankenhäuser unnötig zu belasten. Jetzt hatten wir aber noch diesen einen Urlaubstag, den wir in die Mitte der Woche vorgezogen hatten, weil das Rimpfischhorn definitiv am Folgewochenende abgesagt war. Hütte zu, Grenzen mehr oder weniger zu. Also gut, dachten wir, dann wandern wir einfach ein bisschen durch die heimischen Hügel. Das ist einfach und nahezu risikolos. Es war zu dem Zeitpunkt noch nicht verboten, zum Vergnügen durch die Gegend zu fahren. Zu beachten gab es lediglich, Touren zu finden, die unterhalb der Restschneelage stattfinden können. Und obwohl diesen Winter so wenig Schnee gefallen ist, war das selbst in den Ammergauer Bergen gar nicht so einfach. Um ehrlich zu sein, es war unmöglich. Des Weiteren sollte es eine Tour werden, die wir noch nicht gemacht hatten. Das ist ebenfalls fast unmöglich unter diesen Bedingungen. Niedrig, fast schneelos, unbekannt, Rundtour, ein winzigkleines bisschen Anspruch, Rückzugsmöglichkeiten und mit Hin- und Herfahren passend für einen Tag. Diese Kriterien schließen sich am 18. März 2020 eigentlich aus. Eigentlich. Wir fanden trotzdem etwas passendes. Vielmehr meine Frau fand etwas passendes. Eben den Hennenkopf im Grat zwischen Teufelstättkopf nahe Pürschlinghaus und Großer Klammspitze nahe den Brunnenkopfhäusern. Erreichbar vom Parkplatz am Schloss Linderhof, wo wir in einer guten Stunde hinfahren können. Knapp 1000 Höhenmeter, die in einem Rundweg gemacht werden können, der Gipfel ist nicht mal 1800m hoch und auf ihn muss fast etwas geklettert werden. Aber nicht so dolle. Der gesamte Weg befand sich zudem auf der Südseite des Grates, weswegen wir mit nicht so wahnsinnig viel Schnee rechneten. Sollten wir auf zu viel Schnee treffen oder wir wegen des Schnees Orientierungsprobleme bekommen sollten, weil der Weg nicht zu sehen ist, bestand Plan B daraus, einfach auf dem gleichen Weg zurückzugehen, auf dem wir gekommen waren. Sicherheitshalber packten wir noch die Steigeisen ein. Und so reisten wir zum Schloss Linderhof. Am Abzweig zum Schloss lernten wir, dass der Grenzübergang nach Österreich, den frau erreicht, wenn sie die Straße weiter in Richtung Plansee/Reutte fährt, gesperrt ist. Aber da mussten wir ja nicht hin. Das Schloss selbst war geschlossen. Lediglich der Park war geöffnet, doch damit hatten wir nichts im Sinn. Wenngleich sich ein Besuch durchaus lohnt. Wir sind schonmal mit den Kindern durch Schloss und Park gewackelt. Mit Führung. Schöne Anlage. Nette Hütte, die der Ludwig da hat errichten lassen. Der große Wanderparkplatz ist fast leer. Wie erwartet. Er liegt etwa 940m hoch und war vollständig schneefrei. Wir wandern los. Zunächst folgen wir der Beschilderung zu den Brunnenkopfhäusern. Der Weg ist breit und einfach. So muss er auch sein, denn die Brunnenkopfhäuser sind bei gutem Wetter ein äußerst beliebtes Ziel bei Sonntagsnachmittagswanderern, da bewirtschaftet und in weniger als 1,5h von Linderhof aus erreichbar. Wir kommen dort jedoch nicht vorbei sondern biegen nach etwa 1h moderatem Weg von diesem rechts ab in Richtung Hennenkopf. Am Abzweig steht ein neues Schild. Die ersten Schneefelder sind schon vorbeigekommen. Nach dem Abzweig geht es auf meist geschlossener Schneedecke schmal weiter. Eine Spur ist getreten und immer wieder mal kommen kurze Stücke mit dem erkennbaren Pfad vorbei. Indes bestätigt die App auf dem Telefon, dass wir richtig sind. Wir leben schon in einer geilen Zeit. Die Spuren hören auch nicht auf, sondern folgen stets dem richtigen Weg. Also stapfen wir nach. Getroffen haben wir übrigens nur nach dem Losgehen 3 Menschen und einen Hund. Seitdem sind wir völlig alleine unterwegs. Hin und wieder ist es etwas mühselig, durch den aufgeweichten Schnee zu treten. Ich breche häufiger durch die oberste Decke und stecke nicht selten bis zum Knie in diversen Löchern. Ist aber alles nicht dramatisch gewesen. Oft genug kamen auch Stücke schneefreien Pfades vorbei. Und so erreichen wir nach etwa weiteren 1,5 Stunden den Gipfel. Die Sonne hat sich etwas zurückgezogen. Kalter Wind wehte uns am Gipfel um die Ohren. Das störte uns jedoch nicht. Wir nahmen uns etwas Zeit, die umliegenden Gipfel zu bestimmen. Die meisten davon besuchten wir bereits. Neue, interessante Ziele finden wir trotzdem noch. Ist ja immer so. Für eine kurze Pause suchen wir uns unterhalb des Gipfels ein sonniges und windstilles Plätzchen. Der Weiterweg ist nicht ganz so ausgetreten, haben wir vom Gipfel aus schon erkannt und die Beschreibungen zum Rundweg sprechen von nicht ganz eindeutig zu findenden Wegen, da selten begangen. Wir werden das herausfinden. Vom Grat oben sahen wir bereits, dass auf der Nordseite noch ganz schön viel Schnee liegt und der Weg macht eine kleine Beule auf die Nordseite. Es gab zwar Spuren, die bloß offensichtlich schon älter waren. Deren Ränder sind schon ziemlich abgeschmolzen gewesen. Sie führten aber immer noch in die richtige Richtung, wie die App bestätigte. Der wegtechnisch knifflige Teil folgt am Ende eines großen Rechtsbogens mit dem frau wieder auf die Südseite gelangt. Die Spuren zogen ab dort eindeutig nicht mehr in unsere Richtung. Wie in der Beschreibung erwähnt, ist der Punkt gekommen, an dem wir, um auf den tieferliegenden Wanderweg zu kommen, ein wenig selbst nach einem günstigen Abstieg suchen müssen. Im Wald können wir einen schwach ausgeprägten Pfad erkennen und kurz vor dem Wanderweg, den wir irgendwann sahen, stiegen wir ein Stück geradeaus über eine Wiese ab. Nun folgte eine nicht enden wollende Querung mit einigen Aufs und Abs durch Schneefelder und über einen matschigen Pfad unterm Laubeneck hindurch. Ich glaube, wir sind mehr als eine Stunde unterwegs gewesen, bis wir kurz vor dem Pürschlinghaus auf den Abzweig zum Linderhof runter stießen. Der Schnee war ziemlich nervig irgendwann und ich war froh, als wir diese Kreuzung erreichten. Der Schnee ließ anfangs nicht nach, doch wir bauten über den zu Beginn steilen Pfad wenigstens ein paar Höhenmeter ab. Irgendwann ließen die Schneefelder doch deutlich nach und wichen dann ganz zurück. Ab jetzt konnten wir einem gut erkennbaren schmalen Wanderweg folgen, der irgendwann oberhalb der Linderhofanlage zurück zum Startpunkt quert. Eine schöne Runde geht zu Ende. Wir benötigten etwas mehr als 6 Stunden. Am Parkplatz zurück sind nur zwei Menschen an ihrem Wagen mit ihren Wandersachen beschäftigt. Sonst ist niemand zu sehen. Kein Problem, Abstand zu halten. Ich freue mich, kurz vor den Ausgangsbeschränkungen noch diese kleine feine Tour gemacht zu haben. Wenige Tage später war es mit den Ausflügen zum Vergnügen auf unbestimmte Zeit vorbei. Dass es wichtig ist, sich an die Regeln zur Ausgangsbeschränkung zu halten, haben wir verstanden und halten uns daran. Auch wenn es weh tut.

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