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Kramerspitz, 1986m, 1.11.2020

Wie bereits in der Einleitung geschildert, hatten meine Frau und ich vor, endlich -nach Jahren- mal wieder an den Gardasee zu machen. In der Vergangenheit taten wir das häufiger, erst spät im Jahr Anfang oder Ende November ins Klettermekka zu reisen. Meist ist frau um diese Zeit völlig alleine in den sonst so überfüllten Klettergärten und Mehrseillängen. Sofern nicht gerade eine Südstaulage vorliegt, kann frau sogar im T-Shirt klettern. Doch es soll nicht sein. Die Infektionszahlen schießen in praktisch allen europäischen Ländern durch die Decke. Einen Tag vor der geplanten Abreise wird seitens auswärtigem Amt ganz Italien zum Risikogebiet erklärt. Und damit auch das bis dahin weniger betroffene Trentino. Wir überlegen lange hin und her, ob wir trotzdem fahren sollen. Denn wir würden uns nicht mehr exponieren als zu Hause. Fürs Shoppen ist eh keine Knete da. Der Aufenthalt würde sich auf den Sport beschränken, den wir alleine ausüben. Reisen ist nicht ausdrücklich verboten, so wie im Frühjahr und wir kämen kontaktlos vom Start zum Ziel und zurück. ABER: Die Verhinderung der Ausbreitung beginnt bei der eigenen Nase. Das ist nur sehr wenigen Menschen bewusst, so wie ich es erlebe, was ich sehr schade finde. Mit der Reise würden wir uns auf das Niveau der Ignoranten herablassen. Wir sind uns schnell einig gewesen, dass das nicht unser Stil ist. Wir stornieren schweren Herzens die FeWo und schmieden neue Pläne. Die Wetterlage in den heimischen Bergen ist eher bescheiden, um ein netteres Wort zu bemühen. Nordseitige Anstiege und Gipfel über 2000m scheiden für uns aus. Wäre blöd, wenn ein Gipfel an Wegfindung und/oder schwieriger Schneelage scheitern würde. Südseitige Anstiege auf nahegelegene Berge kleiner 2000m schränken die Auswahl sehr weit ein. Ich ziehe noch die Berge ab, auf denen wir schon gewesen sind und dann bleibt für diesen Sonntag nur noch der Kramer übrig.

Der ist aber auch fein. Die Rundtour wollen wir schon lange mal gemacht haben. Mich persönlich haben immer die vielen Höhenmeter abgeschreckt. Mein Kopf hatte gespeichert, dass Garmisch nur wenig höher liegt als 600m und auf dem Rundweg dann irgendwie etwa 1600 Höhenmeter zusammenkommen. Dank Corona sind wir jedoch auch so fit, wie schon lange nicht mehr und haben schon einige Touren dieses Jahr gemacht, bei denen Ausdauer gefragt war. Also kein Grund, nicht auf den Kramer zu gehen. Bei genauerer Betrachtung der Karte kam ich zudem schnell drauf, dass einige Beschreibungen, die von so vielen Höhenmetern reden, entweder nicht stimmen, übertrieben sind oder andere Wege genommen haben. Auf dem direkten Weg von der Maximilianshöhe über die Stepbergalm auf den Gipfel dürften es kaum 1300 sein. Der Abstieg soll auf der Ostseite über St. Martin erfolgen. Es ist die Rede von etwa 7,5 Stunden Gehzeit. Demzufolge machen wir uns sonntags nicht zu spät auf den Weg und ich stecke mal eine Stirnlampe ein. Schadet um diese Jahreszeit nicht. Ebenso sind ein paar Steigeisen mit an Board. Hat sich in den Wintermonaten irgendwie etabliert und wir hatten sie auch schon gebraucht, bzw. konnten uns damit das Leben deutlich leichter machen.
Kurz nach 9 Uhr morgens treffen wir am Parkplatz an der Almhütte auf der Maximilianshöhe ein. Mich trifft der Schlag, wie viele Menschen schon da sind und noch mit uns zeitgleich eintreffen. Im Nu ist der Platz voll, noch ehe wir losgehen. Aber irgendwie nicht verwunderlich. Unsere Gedanken haben sich offensichtlich auch andere gemacht. Glücklicherweise ist der Parkplatz nicht gesperrt. Andere Gemeinden sperren unter dem Deckmantel Corona-Schutzmaßnahme ihre Wanderparkplätze in der Annahme, dann kämen weniger Menschen und es gäbe kein Thema mit Abstandsregeln. Das halte ich für Unsinn. Genau das Gegenteil ist der Fall. Gesperrte Parkplätze führen zu Chaos und strapazieren völlig unnötig die Nerven der Anwohner. Also besser offen lassen. Dann bestehen Chancen, dass Abstandsregeln eingehalten werden. Ich schreibe von Chancen, denn das weicht nach meinem persönlichen Erleben fast immer vom "Tun" ab. Die gute Nachricht: Nachdem wir losgegangen sind, wir folgen dem Weg 259 in Richtung Stepbergalm, verlieren sich die Mengen und wir begegnen nur noch wenigen. Bis zu dem, was auf der Kompasskarte Predigtstuhl heißt, geht es stetig bergan. Von da sind mehrere kleine Auf- und Abstiege zu bewältigen, bis nach knapp 2 Stunden die Stepbergalm erreicht ist. Die ist schon ziemlich alt. Sie wurde bereits Anfang des 15. Jahrhunderts erwähnt. Im Sommer ein sehr beliebtes Ausflugsziel da bewirtschaftet und leicht zu erreichen. Wir legen eine Pause ein. Laut Sportuhr liegen etwa 850 Höhenmeter hinter uns und ich finde, etwas weniger als 2 Stunden dafür gebraucht zu haben, ist gar nicht so schlecht. Es bestätigt zudem, dass es sicher keine 1600 Höhenmeter bis zum Gipfel sind. Die Alm liegt auf knapp 1600 Seehöhe. Der Gipfel ist relativ keine 400 Höhenmeter mehr entfernt. Ein wenig Auf und Ab kommt noch hinzu, doch wir benötigen nach der Pause nur noch etwa 45 Minuten für den Rest und landen bei etwas mehr als 1300 Höhenmeter Aufstieg. Statt der unten angegebenen 4 Stunden sind wir entspannt, ohne uns zu eilen, in rund 2:45h Gehzeit oben. Was mir schon häufiger auffiel ist, dass die Zeiten in Deutschland nicht selten eher pessimistisch ausgelegt sind. Wenn in Österreich ein Schild sagt, frau bräuchte 4h bis zum Gipfel, dann muss frau die Beine in die Hand nehmen, um das zu schaffen. Alleine sind wir natürlich nicht. Den Weg, den wir runter wollen, kommen viele Menschen hoch und so trifft sich am höchsten Punkt fast alles, was mit gleichem Ziel unten losgegangen ist. Es ist kalt. Bis hier hin hat im Aufstieg ein T-Shirt gereicht. Es weht ein kalter Wind. Trockenlegen. Warm anziehen. Kurze Rast. Gipfelfoto mit Manni. Die Aussicht nach Süden zeigt praktisch das gesamte Wettersteingebirge. Der Jubi-Grat ist in voller Länge zu bewundern. Wir wohnen schon in einer lässigen Gegend.

Dann machen wir uns auf den Weg nach unten. Die ersten Meter auf der Nordseite des Gipfels sind schneebedeckt und rutschig. Steigeisen sind gerade noch nicht nötig. Die haben heute Pause. Schnee gibt es auf dem Weiterweg nicht mehr. Doch entgegen der Vorhersage beginnt es zu nieseln und zwischenzeitlich zu regnen. Der Weg über den Kramersteig bis zum Abzweig auf die 255 zieht sich ein wenig. Mehrere kleine Zacken sind zu um- bzw. übersteigen. Aber alles nicht schwierig. An der einen oder anderen Stelle hängt mal ein Stück Stahlseil als Versicherung. Wirklich nötig sind die aber nicht. Ab dem Abzweig wird es recht steil. Später wandelt sich der Weg zunehmend in einen "normalen" Trampelpfad und ab dem Gasthaus St. Martin laufen wir den Forstweg runter. Am Ende führt uns der Kramerplateauweg zurück zur Almhütte und damit zum Auto. Die Füße haben dann ehrlich gesagt auch genug. Nach brutto nicht ganz 6 Stunden sind wir zurück am Parkplatz. Durch das Auf und Ab auf dem Kramersteig sind wir am Ende bei knapp unter 1400 Höhenmetern gelandet. Insgesamt eine schöne, abwechslungsreiche Wanderung, die ein wenig fordert.

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