Piz Tschierva, 3545m, 19.-20.07.2025
Ein richtiger Wackelkandidat ist im Juli 2025 das Wetter. Die einzige gute Woche hatten Astrid und ich gleich am Anfang des Monats in Südostfrankreich als wir den Barre des Écrins bestiegen hatten, zusammen mit einem supernetten Bergführer, und vorher noch einen einzigen kleinen Flug mit unseren Gleitschirmen machen konnten. Danach wurde es durchgehend unbeständig, teilweise mit starkem Wind, in den Bergen viel Schnee, fliegen war nicht, starker Muskelkater nach dem Barre verhinderte zusätzlich das normale Training und so steuerten wir mit einem täglichen Blick auf die Prognosen auf dieses Wochenende zu. Ein paar körperliche und mentale Probleme einiger Teilnehmenden spuckten auch noch ein wenig in die Suppe, so bin ich einen Tag vor der Abfahrt noch beim Orthopäden gewesen, um abzuklären, ob in meinem linken Fuß, der mir seit 4 Wochen Schwierigkeiten beim Gehen macht, eventuell ein Bruch im Mittelfuß vorliegt, was sich aber zum Glück als nicht wahr herausstellt und es gibt auch keine alten Brüche, weil ich diese Probleme vor 3 Jahren schonmal hatte. Weil der Huf sich in den zwei Wochen seit der Besteigung des Barre des Écrins soweit verbessert hat, dass ich wieder geradeaus gehen kann, gepaart mit dem Wissen, dass zumindest nix gebrochen ist, kann’s von meiner Seite losgehen. Die schmerzende Hand, die ich mir beim Versuch, die Stützen unserer Wohnkabine mit einem relativ starken Akkuschrauber beim Abladen herunterzudrehen, zuzog, weil der Rechts-/Linkslaufschalter kaputt und die Rutschkupplung deaktiviert war, hielt mich ebenso wenig ab, weil ich sie höchstwahrscheinlich nicht zum Klettern brauchen werde. Über die Themen der anderen schreibe ich hier nix, weil das niemanden was angeht, aber sie waren trotzdem so, dass sie nicht ignoriert werden konnten. Die Tour auf den Piz Tschierva gilt ansonsten als eher einfache, aber dennoch hochalpine Wanderung, die wir im schlimmsten Fall einfach abbrechen können, wenn’s nicht funktioniert, es handelt sich schließlich nicht ums Matterhorn.
Vier Plätze auf der Tschierva Hütte hatte ich bereits vor einigen Wochen gebucht, denn die Bedingungen am Bianco-Grat zum Piz Bernina sind in diesen Tagen so gut, dass entsprechend viele sich ab der Tschierva dorthin auf den Weg machen wollen und die Übernachtungsplätze schnell knapp werden könnten.
Um zu viert mit Hochtourengepäck und Fahrrädern möglichst nur ein Auto zu brauchen, um nach Pontresina zu kommen, blieb nur übrig, dass wir gemeinsam mit unserem Pickup fahren, wo wir einen Radträger dran bekommen und genügend Platz auf der Ladefläche für alles andere ist und vier Leute bequem in der Doppelkabine unterkommen können. Der Plan mit den Fahrrädern ist, von Pontresina aus das Val Roseg soweit wie möglich hochfahren zu können und nicht von den ansonsten verfügbaren, aber extrem teuren Pferdekutschen abhängig zu sein, wenn man den etwa 7km langen Weg nicht zu Fuß gehen möchte. Dadurch, dass der Weg bis zum Hotel Restaurant Roseg Gletscher auf knapp über 2000m für Kutschen geeignet ist, kann er problemlos und ohne sich tot zu machen auch mit dem Fahrrad bewältigt werden und es geht auf dem anschließenden Wanderweg noch etwa einen Kilometer mit dem Fahrrad weiter als mit der Kutsche. Gerade für den Rückweg ist es toll, wenn frau nur soweit zu Fuß gehen muss, wie unbedingt nötig.
So treffen wir uns am Freitagnachmittag bei uns zu Hause, beladen das Auto und legen für den nächsten Morgen eine frühe Abfahrt fest, denn es ist Ferienzeit und es kommt nicht selten vor, dass an den Bettenwechseltagen Stau und Blockabfertigung am Füssener Grenztunnel ab 7 Uhr morgens starten. Hinzu kommt eine vorhergesagte Gewitterneigung im Val Roseg ab etwa 14Uhr, weswegen es klug wäre, spätestens zu diesem Zeitpunkt auf der Hütte zu sein. Also Abfahrt 5:30Uhr. Für den Weg das Inntal hinauf entschieden wir uns, weil es mit nur etwa 250km der kürzeste ist, wenngleich in dem Fall so gut wie alles Landstraße ist und wir nur ein ganz kleines Stück Autobahn von Imst nach Landeck haben. Die Alternative über Lindau/Bregenz/Chur/Thusis über den Albulapass nach Zuoz am Inn ist etwa 60km länger und besteht zu mehr als der Hälfte aus Autobahn, doch die geschätzte Fahrzeit ist die gleiche. Dann lieber weniger fahren und der Pickup braucht auf der Landstraße zudem deutlich weniger Diesel.
Am nächsten Morgen kommen wir pünktlich los, der Straßenverkehr hält sich in Grenzen, wir kommen überall gut durch und erreichen gegen 9:30Uhr den Parkplatz in Pontresina, wo wir das Auto zwei Tage stehen lassen können, von der zu entrichtenden Parkgebühr könnte eine 4-köpfige Familie in Deutschland eine Woche leben, und von wo der Taleingang ins Val Roseg nur einen Steinwurf entfernt ist. Kurz nach 10Uhr starten wir eingecremt und fertig bepackt für das Bergabenteuer mit den Rädern und strampeln das Tal hinauf in Richtung Hotel Roseg Gletscher, es müssen etwa 6,5km und 200 Höhenmeter überwunden und die eine oder andere Pferdekutsche überholt werden. Ab dem Abzweig über eine Brücke zum Hotel radeln wir noch etwa einen Kilometer den Wanderweg zur Tschierva Hütte weiter, bis wir mit den Rädern nicht mehr weiterkommen und wo wir sie einigermaßen vor Blicken geschützt für die Rückfahrt am nächsten Tag zurücklassen können. Auf diese Rückfahrt freue ich mich jetzt schon.
Bis hierhin war’s tatsächlich ziemlich entspannt, wir brauchten ein bisschen mehr als eine halbe Stunde, und im Vergleich zu „den Weg zu Fuß gehen zu müssen“ kaum anstrengend. Ab jetzt geht’s per Pedes weiter, es liegen etwa 4.5km vor uns, der Weg führt zunächst mehr oder weniger flach weiter ins Tal hinein bevor er nach links bergan zur Hütte abbiegt und wir endlich ein paar Höhenmeter machen, die uns der Hütte näher bringen. Zieht sich alles ein wenig, geht aber gut. Irgendwann gibt’s keine Bäume mehr, dann gibt’s keine Sträucher mehr und als dann bald auch das Gras verschwindet, erreichen wir die Hütte so nach etwa ein dreiviertel Stunden und rund 550 Höhenmetern.
Das übliche Prozedere beginnt: Material verstauen, auf Hüttenfinken umsteigen, anmelden, Zimmerchen bzw. Lager beziehen, trockenlegen und dann mal schauen, was die netten Menschen in der Tschierva Hütte für Kuchen gebacken haben und wir werden nicht enttäuscht. Apropos nett, die Tschierva Hütte und die Menschen, mit denen wir dort zu tun haben, sind außerordentlich nett und zuvorkommend. Das haben wir anderswo schon ganz anders erlebt. An mancher Stelle hab‘ ich’s bestimmt schon geschrieben, ich kann den Menschen normalerweise in Bruchteilen von Sekunden ansehen, was sie über mich als Transfrau denken, weil die meisten Menschen ihre Reaktion nicht verstecken können, wenn etwas weit außerhalb ihrer Vorstellungskraft und Schublade liegt. Irgendwie witzig, aber manchmal auch belastend. Hier komme ich gerne hin.
Wir sind früh dran, unser Plan ist komplett aufgegangen, die Sonne scheint noch ganz ordentlich, der kalte Wind hält sich in Grenzen, sodass wir uns mit Kaffee&Kuchen auf die Terrasse setzen und unser Ankommen genießen können. Der berühmte Bianco-Grat ist von der Terrasse aus zu sehen, den wir vor zwei Jahren mit den Bergführern Jürgen und Reiner gemacht haben. Damals war ich fürchterlich aufgeregt als wir an der Hütte ankamen und einen ersten Blick auf die Route werfen konnten. Fast schon gruselig. Hat aber geklappt und war ein sensationelles Erlebnis, das ich auf keinen Fall missen möchte. Heute bin ich völlig tiefenentspannt, die Tour für den nächsten Tag wird uns nicht dem Maße fordern, wie damals, es geht eher um Akklimatisierung und einfach eine schöne Zeit gemeinsam mit unseren lieben Freunden in einem wunderschönen Tal mit ganz tollen Bergen, auf die wir in unserer Freizeit einfach raufsteigen dürfen, weil wir können. Ich bin dankbar dafür, dass wir so ein privilegiertes Leben führen dürfen. Und dann der Kuchen. So lecker, dass es mir fast eine Gänsehaut macht und auch der Kaffee ist superlecker und keine seit Stunden abgestandene Plörre, wie Frau es auf manchen anderen Hütten erlebt. Marcel pfeift sich statt Kuchen eine Suppe rein, die, glaube ich, auch sehr lecker ist. Nachdem der Hunger und der Durst soweit gestillt sind, kommt jemand auf die Idee, dass wir was spielen könnten und organisiert ein Kartenspiel, um ein paar Runden MauMau zu spielen. Gesellschaftsspiele sind so überhaupt nicht mein Fall und nicht selten empfinde ich es in so eine Runde als Zwang, wenn ich gegen mein Innerstes zum Mitspielen aufgefordert werde, keine Ahnung, warum das so ist, doch ich tue es einfach nicht gerne. Heute mache ich eine Ausnahme, auch wenn ich meinem Quatschi im Kopf dazu den Mund verbieten muss, und dann hab‘ ich auch schon die ersten Karten in den Händen und wundere mich über das Blatt, dass mir völlig unbekannt ist. Der Bauer ist ein ‚U‘, die Dame, die wie ein Junge aussieht, ist ein ‚O‘, es gibt Eicheln, Blatt, Schellen und Herz. Scheint wohl ein Schweizer Blatt zu sein. Während des Spiels gibt’s ein paar Unstimmigkeiten, weil alle andere Regeln kennen und zu Beginn alle auch nach ihren eigenen bekannten Regeln spielen, was selbstredend nicht matched und Reibungsverluste verursacht. So wird’s ein bisschen lustig und kurzweilig, doch ich bin froh, als es dann doch zu kalt wird, um draußen zu sitzen und wir bis zum Abendessen zum Ruhen ins Bettchen krabbeln und dem Regen lauschen können, der einsetzte.
Pünktlich zum Nachtessen, nachdem wir uns schonmal ein Bier besorgt hatten, trudeln Astrid und ich im Speisesaal ein, wo Thomas und Marcel bereits an dem uns zugewiesenen Platz sitzen. Später werden sich französisch sprechende Menschen hinzugesellen. Das Essen ist einfach aber lecker und ich bin eigentlich nur etwas traurig darüber, dass ich nicht mehr französisch sprechen kann, um mich mit meinem ganz netten Nachbarn unterhalten zu können. Er hingegen spricht etwas deutsch. Sie wollen am nächsten Morgen zum Piz Bernina aufbrechen, wozu ich viel Erfolg wünsche, denn ich weiß, dass das eine echte Herausforderung werden kann.
Wir werden es sehr viel ruhiger und vor allem später angehen lassen, denn das Frühstück für all jene, die zum Piz Tschierva oder Piz Morteratsch wollen, wird erst ab 5 Uhr morgens bereitgehalten, was für eine Hochtour wirklich sehr lieb ist, aber dafür sind die Anforderungen auch viel kleiner. Viel zu besprechen gibt es in unserer Runde nicht, im Prinzip ist klar, was mitzunehmen und anzuziehen ist. Etwas überrascht bin ich als wir die nette Frau aus Oy, die auf der Hütte arbeitet, danach fragen, ob’s irgendetwas zu beachten gibt, woraufhin sie zurückgibt, man brauche eigentlich nix an Material, es sei eine Wanderung wahrscheinlich ohne Eiskontakt und es würden Trailrunningschuhe genügen. Mmhh…. nein, wir nehmen alles mit, auch das Seil, die Steigeisen, usw. und wir werden in festen Bergstiefeln gehen, denn wir wissen nicht, was sein wird und ich mag nicht aus Mangel an erforderlichem Material umdrehen müssen.
Danach ist für heute nur noch Bezahlen auf der ToDo-Liste bevor wir zur Nachtruhe entschwinden. Das 8er Zimmer, dass wir selbst ja schon zur Hälfte belegen, wird ansonsten nur von einer kleinen Gruppe anderer junger Menschen bewohnt und es gibt eine Chance, dass kein Dauerschnarcher dabei ist.
Meine Uhr bimselt um 4:45Uhr und bis auf ein paar Toilettengänge der anderen Anwesenden war’s tatsächlich einigermaßen ruhig, trotzdem machte ich gefühlt wieder mal kein Auge zu und wäre am liebsten einfach liegen geblieben. Aber wir sind zum Bergsteigen da und ich freue mich auch ein wenig darauf, mich auf den Weg zu machen, also rauskrabbeln, anziehen und auf in den Waschraum, wo ich mich für den Tag herrichten muss. Ein bisschen ein leidiges Thema, das mit dem Rasieren, aber es ist für mein Wohlempfinden notwendig, wenngleich es mir immer sehr schwerfällt, das im Damenwaschraum zu erledigen. Besser geht’s, wenn die Sanitärräume nicht nach Geschlechtern getrennt sind, aber das ist hier nicht so, also stellt sich für mich die Frage nicht, es muss erledigt werden, also tue ich es, egal, was andere Anwesende vielleicht darüber denken.
Das Frühstück besteht nicht nur aus trockenen Brotresten, wie auf der Écrins-Hütte, immerhin ist das Brot halbwegs frisch, die Marmelade lecker und es gibt neben ein wenig Müsli sogar ein Stück Käse, für eine Berghütte nahezu fürstlich, und auch der Kaffee ist genießbar. Meine Annahme, dass fast alle zum Bianco-Grat wollen, ist nicht richtig, es sind überraschend viele Menschen um diese Zeit im fast vollen Speiseraum. Nach dem Frühstück packen wir unsere Hüttensachen in den von uns mitgebrachten Beutel, der hier zusammen mit unseren Trailrunningschuhen auf uns wartet, bis wir vom Berg zurück sind und dann machen wir uns auf den Weg, den Piz Tschierva zu besuchen. Eine Stirnlampe brauchen wir nicht mehr, es ist bereits so hell, dass der Weg gut zu erkennen ist und es ist im Übrigen ab hier eh nur einer. Astrid geht voraus und macht extrem langsam, damit alle Teilnehmenden dranbleiben. Sie bekommt dieses Mal den Spitznamen „Metronom“, weil sie im Takt zur Musik in ihrem Kopf vor sich hin tappst. Das erste Stück ist ein einfacher Wanderweg, an den sich eine kurze über glatt geschliffene Felsen führende Stufe anschließt, die mit Kette und Tritten aus Stahlbügeln ausgestattet, gut zu schaffen ist. Anschließend wird es ein wenig alpiner, die Wegfindung findet über Steinmanndl statt, weitere vom Gletschereis geformte Felsen wollen überstiegen werden, eine Stelle ist erneut mit einer Kette gesichert. Ruckizucki sind wir über 3000m, eine letzte Stufe noch, ein sehr großes Steinmanndl markiert, wie eine Art Leuchtturm, das Ende der Felspassage und den Übergang aufs Eis. Der kleine Gletscher ist zwar unten aper und hat praktisch keine Spalten, doch weiter oben ist zu erkennen, dass wir auf jeden Fall eine gewisse Schneeabdeckung haben werden, also richten wir uns für eine Gletscherbegehung her, Klettergut an, Steigeisen an, Helm auf und während die anderen in den letzten Zügen ihrer Vorbereitung stecken, richte ich schonmal das Seil her. Wir sehen andere Seilschaften, die sich ohne Seil auf den Weg über den Gletscher machen, doch ich finde das zu heikel, wenn der Weg nicht bekannt ist, also diskutieren wir nicht, sondern machen das so, wie sich das gehört, mit Seil. Dann steigen wir aufs Eis, bleiben ein wenig in der Außenkurve, weil wir dort irgendwann wieder in die Flanke des kleinen Grates zum Gipfel wechseln werden und kommen auf diesem Weg in kurzer Zeit auch auf einen schneebedeckten Teil, der sich jedoch auch als praktisch spaltenfrei entpuppt, bis auf ein, zwei kleinere Spältchen, die leicht überstiegen werden können. Der anstrengende Teil der Tour folgt, als wir vom Gletscher runterkommen und auf den Gipfelgrat hinaufsteigen müssen, dessen Flanke aus grobem Blockgelände besteht, doch auch hier zeigen mehrere Steinmanndl, wo ein einigermaßen gut zu kraxelnder Weg entlangführt. Ich persönlich finde solche Passagen extrem gefährlich, weil man den riesigen Felsbrocken nicht ansehen kann, ob sie stabil liegen oder sich jederzeit lösen können. Dazwischen jede Menge kleinere Steine, die nicht selten vor sich hin wackeln, wenn Frau draufsteigt und potentiell nachgeben können und im schlimmsten Fall Füße und Beine kaputt machen. Dieser Teil endet als wir die breite Gratschneide erreichen und das grobe Blockgelände zu feinem Blockgelände und irgendwann zur Schutthalde wird, in der sich sogar Wegspuren abzeichnen. Als wir so im Schutt auf etwa 3400m vor uns hingehen, entfährt mir laut der Gedanke, dass es hier aussieht, wie im Saarland. Die anderen drei lachen und wollen wissen warum. Naja, ich empfinde es so, dass es im Saarland überproportional viele tote, pflegeleichte Steinvorgärten vor grauen Fassaden gibt, was dem hier vorherrschenden Bild sehr ähnlich ist, bloß mit dem Unterschied, dass es hier hingehört. Ein kleines Schneefeld steigen wir zwischen den Schuttpassagen mal rauf und erreichen kurz darauf nach etwa 3:45h und etwa 1000 Höhenmetern ab der Tschierva Hütte den höchsten Punkt auf 3545m. Ein gutes Gefühl auch mal wieder allein, sprich ohne Hilfe durch einen Bergführer, einen Gipfel zu erreichen. Bei unseren letzten beiden höheren Bergen, dem Zinalrothorn und dem Barre des Écrins, war das anders, aber das waren natürlich auch ganz andere Kaliber.
Eine der wichtigsten Missionen heute: Beatrix und Roger hatten uns von den kilometerhelden.at eine Flagge mitgegeben mit dem Wunsch, dass wir sie für unsere Gipfelfotos auspacken und mit aufnehmen. Tun wir selbstverständlich und bei der Gelegenheit kann ich nur alle ermutigen, die das hier lesen, sich mal die Kilometerhelden-Seite anzusehen.
Die Aussicht vom Gipfel soll ja ganz nett sein, doch entgegen der Wetterprognose ist es ganz schön zugezogen, die meisten anderen Gipfel, so der Piz Morteratsch und sowieso der Piz Bernina mit dem schönen Bianco-Grat, sind vollständig verhüllt, nur ins Tal nach Pontresina raus gibt’s eine ganz gute Sicht und auf die andere Talseite zum Piz Corvatsch. Der Wind ist in Böen stark und damit ist’s einigermaßen unkommod und ob’s dann nicht doch früh anfängt zu regnen, wollen wir nicht ausprobieren, weswegen wir relativ schnell wieder den Rückweg antreten. Ich futtere aber vorher noch einen Apfel, den ich extra raufgeschleppt habe, weil ich die Erfahrung machte, dass Äpfel meinen Krämpfen in den Beinen ganz gut entgegenwirken. Ich rechne bei dieser sehr moderaten Anstrengung zwar nicht mit Problemen dieser Art, aber frau weiß ja nie, was sich die Haxn so ausdenken. Der Rückweg ist identisch mit dem Aufstieg, nur am Gletscher beschließen wir, nachdem wir die Route jetzt kennen, seilfrei zu gehen, weil es, wie gesagt, nur wenig bis keine kleinen Spalten gibt und etwa zweidrittel eh aper sind und ein Seil damit unnötig. Ein bisschen habe ich ein schlechtes Gewissen, weil Thomas als jüngster und ehrlich gesagt auch fittester bis jetzt das Seil auf dem ganzen Weg getragen hat. Wir sprechen das an, doch er ist fein damit. Ich stelle mir selbst die Frage, ob es für mich ein Problem wäre, das Seil die ganze Zeit zu tragen und ich kann die Frage mit ‚nein‘ beantworten. Normalerweise tragen wir unser Zeug immer selbst, es sei denn, wir sind mit Bergführer unterwegs.
Bis wir den Gletscher verlassen, die Steigeisen ausziehen und den Weg über Geröll fortsetzen, habe ich keine nennenswerten Hufschmerzen. Das ändert sich allerdings bald und ich muss ziemlich aufpassen, wo ich meine Füße hinstelle, doch insgesamt läuft’s noch einigermaßen. Nachdem wir die beiden kettenversicherten Passagen runter sind, wird der Weg einfacher und ich komme ohne Probleme und mit einer Ibu bis zur Hütte zurück.
Der Plan hier ist, dass wir etwas zu Mittag essen, bevor wir dann weiter absteigen, denn das Wetter hat sich irgendwie wieder eingekriegt und es schaut nicht mehr nach Regen aus. Im Gegenteil, die Sonne lässt sich immer mehr blicken. Wir teilen uns zwei Rösti-Portionen mit Spiegelei, nach dem Preis darf man dabei nicht fragen, und dann packen wir für den Rückweg zu den Fahrrädern die Rucksäcke neu, denn das was wir auf der Hütte zurückgelassen hatten, muss alles wieder mit und Astrid und ich wechseln wieder auf die leichten Trailrunningschuhe, d.h. die Bergstiefel müssen auch wieder an den Rucksack. So bepackt machen wir uns auf den Weg zu den Rädern. Unterwegs wechselt auch Marcel auf seine leichten Schuhe, denn bei ihm macht sich eine Blase bemerkbar, was in leichten Schuhen besser zu ertragen ist. Wie im Aufstieg so zieht sich die Strecke auch im Abstieg irgendwie ganz schön hin, was sich aber wohl nur in meinem Kopf abspielt, denn es ist weder besonders weit noch sind es viele Höhenmeter noch dauert es übermäßig lange. Im Gegenteil, wir erreichen die Räder in weniger als eineinhalb Stunden und haben gegen Ende sogar etwas Schatten, weil es wieder Bäume gibt. Wahrscheinlich kam mir der Weg so weit vor, weil ich nach wie vor mit den Füßen ein Thema hatte und die weichen Schuhe, die zwar bequemer zu tragen sind, noch etwas mehr Achtsamkeit beim Aufsetzen erforderten. Dann aber folgt der Teil des Abstiegs, auf den ich mich schon seit gestern freue, das Rausrollen aus dem Tal mit dem Radl. Einfach draufsetzen, Füße hoch und es geht ohne Anstrengung durch das wunderschöne Val Roseg in wenigen Minuten zurück zum Parkplatz, Zeit, ein bisschen die Gegend zu genießen und loszulassen.
Die Heimfahrt geht ohne Staus über die Bühne, wir tuckern das Inntal raus, vorbei an all den tollen Schluchten, die ich fast alle schon mit dem Kajak befahren habe, lang ist’s her, die Fernpassstraße ist überraschend leer, unterwegs gibt’s ein Wunschkonzert über Spotify, um keine Langeweile aufkommen zu lassen und im Nu sitzen wir bei Marcel zu Hause auf der Terrasse, wo wir leckere Bolo futtern dürfen, die seine Frau Kerstin extra für uns vorbereitet hat. Das war volle lieb.
Trotz ein paar Gebrechen sind auf der Tour, glaube ich, alle ein wenig auf ihre Kosten gekommen. Nicht zu schwierig, nicht zu lang, dennoch ein bisschen Hochtourenluft geschnuppert mit Seil und Steigeisen, einfach zwei schöne Tage in den Bergen. Ich freue mich auf das nächste Mal.



























